Landgericht Bonn:
Urteil vom 8. November 2007
Aktenzeichen: 12 O 169/07

Tenor

1.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.

Die Kosten des Verfahrens hat die Verfügungsklägerin zu tragen.

3.

Der Kostenausspruch ist zugunsten der Verfügungsbeklagten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, doch bleibt der Verfügungsklägerin vorbehalten, eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 450,00 € abzuwenden, sofern nicht die Verfügungsbeklagte vor der vorläufigen Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet Verkauf von Autoersatzteilen, wobei beide Seiten im Internet werbend tätig sind. Die hierbei von Verfügungsbeklagtenseite verwendeten Klauseln hält die Verfügungsklägerin in mehrfacher Hinsicht für unzulässig und hat mit Schriftsatz vom 18.10.2007 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, hinsichtlich dessen Inhalt auf Bl. 2 der Antragsschrift verwiesen wird.

Die Kammer hat am 22.10.2007 beschlossen, dass hierüber nicht ohne mündliche Verhandlung entschieden wird und hierzu am 31.10.2007 auf Bedenken im Hinblick auf § 8 Abs. 4 und § 12 Abs. 2 UWG hingewiesen und sodann auf Terminsbestimmungsantrag am 08.11.2007 einen Verhandlungstermin durchgeführt, den die Beklagte trotz Anwaltbestellung und schriftsätzlicher Ausführung vom 03.11.2007 nicht wahrgenommen hat, nachdem der Prozessbevollmächtigte der Beklagten telefonisch darauf hingewiesen wurde, dass nach dem derzeitigen Stand der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung voraussichtlich als unzulässig zurückzuweisen sein werde.

Verwiesen wird auch auf den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 16.11.2007.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war als unzulässig zurückzuweisen, da - soweit im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung nachprüfbar - hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass Antragsmissbrauchs im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG vorliegt und desweiteren Grund zur Annahme besteht, dass die regelmäßig eingreifende Dringlichkeitsvermutung im vorliegenden Fall nicht eingreift. Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung hierzu wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils im zeitgleich verhandelten und entschiedenen Verfahren 12 O 159/07 LG Bonn, soweit sich diese Gründe mit § 8 Abs. 4 und/oder § 12 UWG befassen, Bezug genommen.

Insbesondere gilt folgendes:

Es ist im Ansatz selbstverständlich unbedenklich, dass ein Gewerbetreibender wie hier die Fa. L zum Beispiel den Internetauftritt eines Wettbewerbers einer kritischen Betrachtung unterzieht und durch seinen Prozessbevollmächtigten seine Beanstandungen durchzusetzen versucht. Wenn aber, wie hier, ein mittelständisches Unternehmen wie die Fa. L GmbH dazu übergeht, in kürzester Zeit eine Vielzahl von Verfahren anhängig zu machen, ist sehr wohl die Fragestellung nicht nur erlaubt, sondern naheliegend, ob die formal als Verfügungsklägerin auftretende juristische Person nur vorgeschoben ist, dem eigentlichen Akteur also lediglich als Medium dient, um den Anschein des Vorgehens eines unmittelbaren Wettbewerbers zu erzeugen, wobei dem eigentlichen Akteur sehr wohl bewusst ist, dass er die vom Gesetzgeber aufgestellten Kriterien insbesondere zu § 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG gewiß nicht zu erfüllen vermag. Wie unter anderem das OLG-Köln in seiner Entscheidung vom 15.01.1993 (GR 1993, 571) erkannt hat, ist ein Missbrauchssachverhalt von Amts wegen zu überprüfen. Soweit das Oberlandesgericht Köln indes annimmt, es obliege dem Beklagten beziehungsweise Antragsgegner, die grundsätzlich für die Antragsbefugnis sprechende Vermutung zu erschüttern, erst dann habe der Antragsteller seinerseits substantiiert die aufgekommenen Verdachtsgründe zu widerlegen, so ist dem nicht zu folgen: Hier wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Antragsgegnerseite in der Regel von dem Vorliegen zahlreicher Parallelverfahren nichts weiß und auch nichts wissen kann. Die vier am 08.11.2007 zunächst anstehenden Verfahren richteten sich gegen Personen aus dem Raum C, E, A und T, wobei der eine von dem anderen nichts wusste und schon gar nicht, dass zahlreiche weitere Verfahren mehr oder minder zeitgleich anhängig gemacht worden waren. Der Eingangssatz der anzuwenden Methodik, nämlich Prüfung von Amts wegen, ist vielmehr unabhängig von der Verteidigung der Verfügungsbeklagten durch das Gericht durchzuführen, schon weil hier Erkenntnisse vorliegen, die die Verfügungsbeklagten eben nicht haben, nämlich das Anhängigmachen zahlreicher Verfahren in kürzester Zeit. Die Kammer folgt dem OLG Köln auch nicht in der Annahme, dass eine nicht unerhebliche Zahl von Abmahnungen allein noch nicht auf ein missbräuchliches Ausnutzen der Klagebefugnis "schließen" lasse. Gerade die Vielzahl der Verfahren, die nur die "Spitze des Eisbergs" darstellen, lässt doch wohl die Fraggestellung als berechtigt erscheinen, was einen mittelständischen Betrieb wie die Fa. L GmbH veranlasst haben mag, anstatt Motoren instand zusetzten die Erfüllung von Hinweispflichten und dergleichen in Internetauftritten von Wettbewerbern in einer Vielzahl von Verfahren überprüfen zu lassen und mit nicht unerheblichem Kostenrisiko zum Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren zu machen. Das ist gewiß nicht das Kerngeschäft der Fa. L, wohl aber das Kerngeschäft des Rechtsanwaltes F, der ohne Benutzung eines Gewerbetreibenden die privilegierenden Kriterien eines Vorgehens eines unmittelbaren Wettbewerbers nicht nutzen könnte, während er bei der gewählten Vorgehensweise nach dem Aufstellung einiger Satzbausteine in einer Vielzahl von Verfahren die Hoffnung haben kann, üppige Einkünfte zu erzielen, an die vermutlich derjenige teilweise beteiligt sein wird, der hier seinen Namen als Wettbewerber hergibt. Ob das alles nur Vermutungen sind, ist im Strengbeweisverfahren im Hauptsacheverfahren zu klären, während im einstweiligen Verfügungsverfahren eine summarische Prüfung ausreichen muß um festzustellen, dass hinreichender Grund für die Annahme einer Missbrauchsbefugnis im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG vorliegt. Hier erst, nämlich in Dutzenden von Verfahren Zeit, Energie und Geld aufzuwenden, um sodann nachträglich eben auch der Frage nachzugehen, ob in der Tat eine Vermutung für die Zulässigkeit der Vorgehensweise besteht oder nicht zumindest erschüttert ist, erachtet die Kammer für methodisch nicht angemessen. Die Parameter zur Anwendung des § 8 Abs. 4 UWG sind vielmehr deutlich effizienter zu Lasten desjenigen heranzuziehen, der Grund für die Annahme gibt, die vom Gesetzgeber aufgestellten Schutzkriterien zu unterlaufen um seines eigenen finanziellen Vorteils willen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 ZPO, bzw. §§ 708 Ziff. 6, 711 ZPO.

Hinsichtlich des Gegenstandswertes bleibt es bei der Wertfestsetzung vom 22.10.2007 (Bl. 8 d.A.).






LG Bonn:
Urteil v. 08.11.2007
Az: 12 O 169/07


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