Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2013
Aktenzeichen: 33 W (pat) 542/11

(BPatG: Beschluss v. 19.03.2013, Az.: 33 W (pat) 542/11)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patentund Markenamtes vom 16. Mai 2011 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der seit dem 22. August 2008 in Spanien eingetragenen Wortmarke GEOSEC Sie hat diese Marke nach dem Madrider Markenabkommen am 23. August 2008 für die folgenden Waren und Dienstleistungen international registrieren lassen:

Klasse 1: Industrial chemicals; unprocessed artificial resins and plastic materials; adhesives used in industry; cement preservatives (except paints and oils); cementwaterproofing preparations (except paints).

Klasse 37: Construction; repair; installation services.

Klasse 42: Scientific and technological services, and research and design services related thereto; industrial analysis and research services; geological research; industrial design; geological surveys; geological prospecting; land surveying; architectural consultation; drafting (construction).

Die Markenstelle für Klasse 1 hat mit Verfügung vom 23. Juli 2009 der Marke vorläufig für alle Waren und Dienstleistungen den Schutz verweigert. Die Markeninhaberin hat daraufhin einen Inlandsvertreter bestellt, der dem DPMA am 2. Februar 2010 die Vertretung angezeigt hat.

Mit Beschluss vom 16. Mai 2011 hat die Markenstelle der Marke den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert.

Sie hat ausgeführt, dass die Marke ausschließlich aus einer nicht unterscheidungskräftigen und freihaltebedürftigen Angabe bestehe und somit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG nicht schutzfähig sei. "GEO" stehe für "erd-, Erd-, land-, Land-, Geographie". "SEC" sei die lexikalisch nachweisbare Abkürzung für "security". In seiner Gesamtheit werde das Zeichen "GEOSEC" dahin verstanden, dass die verfahrensrelevanten Waren und Dienstleistungen im Bereich der Geologie angeboten und erbracht werden und der Sicherheit dienen bzw. Sicherheitsaspekte erforschen und berücksichtigen. Diese beschreibende Bedeutung werde ohne analysierende Betrachtung verstanden, wobei ein Verständnis durch die beteiligten Fachkreise ausreiche.

Dagegen wendet sich die Markeninhaberin mit der Beschwerde.

Sie meint, dass das schutzsuchende Zeichen nicht ohne zergliedernde Betrachtung verstanden werde. "GEOSEC" sei ein lexikalisch nicht nachweisbarer Kunstbegriff der englischen Sprache. Es handle sich um eine Einwortmarke; die Zusammenfassung als ein Wort entfalte eine hohe Klammerwirkung. Deshalb werde das Zeichen schon nicht unmittelbar als Kombination von zwei Abkürzungen aufgefasst. Darüber hinaus sei "SEC" keine geläufige Abkürzung und habe etliche verschiedene Bedeutungen. Insgesamt sei das Zeichen weder freihaltebedürftig noch als Herkunftshinweis ungeeignet.

Die Markeninhaberin beantragt 1.

den Beschluss der Markenstelle vom 16. Mai 2011 aufzuheben und den Schutz der internationalen Marke IR 985 997 auf die Bundesrepublik Deutschland zu erstrecken, 2.

eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, sofern nicht bereits im schriftlichen Verfahren gemäß Ziffer 1. entschieden werden kann.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG steht der begehrten Eintragung nicht entgegen.

a) Nach dieser Vorschrift sind solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Bestimmung, der geographischen Herkunft oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dadurch sollen beschreibende Zeichen oder Angaben im Allgemeininteresse für die Verwendung durch jedermann freigehalten werden (EuGH GRUR 2004, 674 (Nr. 54) -Postkantoor; BGH GRUR 2006, 850 (Nr. 35) -FUSSBALL WM 2006; BGH GRUR 2012, 272 (Nr. 9) -Rheinpark-Center Neuss).

Das Schutzhindernis ist gegeben, wenn das schutzsuchende Zeichen den angesprochenen Verkehrskreisen, nämlich den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern (EuGH GRUR 2006, 411 (Nr. 24) -Matratzen/Concord/Hukla; EuGH GRUR 1999, 723 (Nr. 29) -Chiemsee; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Aufl., § 8 Rn. 30), unmittelbar als verständlich erscheint. Dabei darf einerseits die Verständnisfähigkeit des Publikums nicht zu gering veranschlagt werden. Andererseits darf nicht davon ausgegangen werden, dass das Publikum die Marke einer näheren analysierenden Betrachtung unterzieht (EuGH GRUR 2010, 228 (Nr. 57, 59) -Vorsprung durch Technik; BGH GRUR 2001, 162, 163 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION; HK-Fuchs-Wissemann, Markenrecht, 2. Auflage § 8 MarkenG Rn. 34; Ströbele in Ströbele/Hacker a. a. O. § 8 Rn. 298). Der Aussagegehalt der Marke muss also so deutlich und unmissverständlich hervortreten, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist.

Dieser Maßstab gilt auch für Abkürzungen (EuGH GRUR 2006, 229 (Nr. 70) -BioID). Schutzunfähig sind insbesondere solche Abkürzungen, die mindestens den beteiligten Fachkreisen unmittelbar verständlich sind und ebenso wie die vollständige Beschaffenheitsangabe verwendet werden können (BPatG vom 18.10.2011, 33 W (pat) 79/10 Nr. 25 -RehaMed; BPatG vom 10.1.2012, 33 W (pat) 39/10 -CTC).

b) Das schutzsuchende Zeichen erfüllt diese Voraussetzungen des Schutzhindernisses nicht.

aa) Das Element "GEO" ist für sich genommen allerdings unmittelbar verständlich; es wird ohne weiteres als Abkürzung für "Geologie" oder allgemeiner für "Geo-(Erd)"-wissenschaften" verstanden. In Wortkombinationen steht es auch nur für "Erd"-oder "Erde". In dieser Bedeutung ist das Element "Geo" oder "GEO" bereits durch das Schulfach "Geographie" und durch die Zeitschrift "GEO" bekannt; es wird außerdem im Geschäftsverkehr häufig verwendet und ist auch deshalb geläufig (vgl. BPatG vom 3.2.1997, 30 W (pat) 150/94 -GEOLOGGER; BPatG vom 5.2.2004, 25 W (pat) 271/01 -GEO Akademie; BPatG vom 12.8.2004, 25 W (pat) 56/02 -geo_lab; BPatG vom 15.5.2006, 30 W (pat) 200/04 -Geobarrier; BPatG vom 7.9.2012, 29 W (pat) 198/10 -GeoTHERM/GEO).

bb) Aus der Kombination von "GEO" mit der Buchstabenfolge "SEC" ergibt sich jedoch kein Gesamtzeichen, das geeignet wäre, von dem angesprochenen Publikum ohne analysierende Betrachtung verstanden zu werden.

Der Verkehr hat keinen offensichtlichen Anlass, das als ein einziges Wort geschriebene Gesamtzeichen "GEOSEC" aufzuspalten und nach einer Bedeutung des Elementes "SEC" zu suchen. Vielmehr liegt es aus der Sicht des angesprochenen Publikums nahe, "GEOSEC" für ein unter Verwendung des bekannten Elementes "GEO" gebildetes, bedeutungsloses Kunstwort zu halten. Spaltet der Verkehr das Gesamtzeichen dennoch in die beiden Elemente "GEO" und "SEC" auf, so bieten sich mehrere, jeweils nicht offenkundige Interpretationsmöglichkeiten.

"SEC" ist für sich genommen mehrdeutig. Es kann sich um eine Abkürzung für "Security" handeln, oder für "Sektor" oder für den mathematischen Begriff "Sekans". Möglich ist auch das Verständnis als Abkürzung für die US-amerikanische "Securities and Exchange Commission", für "secundum" oder für "salvo errore calculi". Im Zusammenhang mit "GEO" und mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen liegt keine dieser Bedeutungen so nahe, dass sich aus ihr ohne gedankliche Analyse ein die beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibender Sinn des Gesamtzeichens ergibt.

"GEOSEC" kann als "Erdsektor" verstanden werden, also als Bezeichnung für einen bestimmten, abgegrenzten Teil der Erdoberfläche. Damit werden jedoch keine Merkmale der beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschrieben.

Erkennt man "SEC" als Abkürzung für "Security", dann kann "GEOSEC" auch "Erdsicherheit" bedeuten. Es bedarf jedoch analysierender Betrachtung, um "SEC" im vorliegenden Zusammenhang als "Security" zu verstehen. "SEC" wird zwar durchaus nicht selten in Unternehmensbezeichnungen verwendet, um auf einen Zusammenhang mit "Sicherheit" hinzuweisen. Das geschieht jedoch in der Regel, bei Überwachungsund Sicherheitsdiensten, für die ohnehin die Bezeichnung "Security" geläufig ist. (So gibt es "F-Sec Security", "Eye-Sec Detektei und Sicherheitsdienste", "SHOWSEC", "bussec" und andere). Gelegentlich findet sich das Kürzel "Sec" auch, wenn es um Sicherheit im Bereich der Informationstechnologie ("Data-Sec", "it.sec") oder Arbeitssicherheit ("flex sec") geht.

Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass das mit den hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen angesprochene Publikum das Element "SEC" ohne weiteres als "Security" versteht. Es kann nicht festgestellt werden, dass "SEC" im Zusammenhang mit Industriechemikalien, mit Bauund Reparaturdienstleistungen, mit wissenschaftlichen, technologischen und Forschungsarbeiten und den weiteren hier relevanten Dienstleistungen der Klasse 42 eine geläufige Abkürzung ist.

cc) Das Verständnis von "SEC" als "Security" liegt außerdem deshalb eher fern, weil sich daraus ergeben würde, dass das Gesamtzeichen "GEOSEC" für "Erdsicherheit" steht. "Erdsicherheit" ist selbst kein geläufiger Begriff und nicht ohne weitere Gedankenschritte zu verstehen. Geläufig und üblich ist das Wort "Bodenstabilisierung"; und dieses Wort bezeichnet einen Geschäftsbereich, in dem offenbar auch die Anmelderin mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen tätig ist. In diesem Bereich geht es darum, den Boden zu verfestigen oder seine Beschaffenheit zu verbessern, um einen stabilen, sicheren Untergrund für Baumaßnahmen (insbesondere für Häuser, für Straßen oder Schienenwege) zu gewinnen. Außerdem können abgesackte Böden durch Einspritzen eines Harzes wieder stabilisiert werden.

Zwischen "Erdsicherheit" und "Bodenstabilisierung" besteht ein entfernter Zusammenhang, da die Stabilisierung des Bodens einen sicheren Untergrund und in diesem Sinne eine "sichere Erde" zum Ziel hat. Dieser Zusammenhang erschließt sich jedoch erst in mehreren Gedankenschritten. Bei "Erde" denkt man nicht sogleich an einen Untergrund oder ein Fundament, vielmehr kann auch der gesamte Planet Erde oder ein Material für den Gartenbau (Gartenerde, Blumenerde usw.) gemeint sein. Es ist nicht üblich, den Untergrund eines (geplanten oder schon errichteten) Bauwerks als "Erde" zu bezeichnen, viel eher wird vom "Boden" oder vom "Fundament" gesprochen. Der Begriff "Sicherheit" ist -auch mit Bezug auf die in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen -sehr unbestimmt, da es sich um die Sicherheit vor ganz unterschiedlichen Gefahren oder Risiken handeln kann. Geht es um die Eignung des Untergrundes für ein Bauwerk, so wird statt von "Sicherheit" eher von "Festigkeit" oder "Stabilität" gesprochen. Dem Gesamtzeichen "GEOSEC" kommt somit auch dann, wenn es als Kürzel für "Erdsicherheit" verstanden wird, keine die Waren und Dienstleistungen unmittelbar beschreibende Bedeutung zu.

2. Entgegen der Auffassung der Markenstelle sind auch die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht erfüllt.

Die Unterscheidungskraft kann dem schutzsuchenden Zeichen nicht mit der Begründung abgesprochen werden, dass es ein Merkmal der Waren oder Dienstleistungen beschreibe, und dass es somit nicht als Herkunftshinweis verstanden werde. Auch ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2009, 411 (Nr. 9) -STREETBALL; BGH GRUR 2009, 952 (Nr. 10) -DeutschlandCard; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 10. Auflage § 8 Rn. 68 f.) ist nicht gegeben, da das Zeichen schon nicht ohne analysierende Gedankenschritte verstanden wird.

Bender Dr. Hoppe Dr. Wache Cl






BPatG:
Beschluss v. 19.03.2013
Az: 33 W (pat) 542/11


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