Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 25. März 2011
Aktenzeichen: 11 W 249/11

(OLG München: Beschluss v. 25.03.2011, Az.: 11 W 249/11)

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 2.263,38 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten darüber, ob durch außergerichtliche Verhandlungen zwischen den Parteivertretern eine Terminsgebühr angefallen und von der Antragsgegnerin zu erstatten ist.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 08.04.2010 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der der Antragsgegnerin die Verfügung über ihr Eigentum an einem Grundstück untersagt werden sollte. Das Landgericht hat den Antrag der Antragsgegnerin übersandt, die mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.04.2010 hierzu Stellung genommen hat. Am 21.04.2010 und 27.04.2010 sind Telefonate zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien geführt worden, deren Inhalt streitig ist. Das Landgericht Augsburg hat am 03.05.2010 die einstweilige Verfügung antragsgemäß erlassen und der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits, dessen Streitwert auf 150.000,00 € festgesetzt worden ist, auferlegt. Die Antragsgegnerin hat gegen die einstweilige Verfügung - beschränkt auf die Kosten - Widerspruch erhoben und gleichzeitig gebeten, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 04.06.2010 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 128 Abs. 3 ZPO die einstweilige Verfügung im Kostenausspruch bestätigt und der Antragsgegnerin auch die weiteren Kosten des Verfahrens auferlegt.

Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 20.12.2010 die von der Beklagtenpartei an die Klagepartei zu erstattenden Kosten auf 4.752,13 € festgesetzt und dabei antragsgemäß eine 1,2 Terminsgebühr in Höhe von 1.902,00 € netto bzw. 2.263,38 € brutto berücksichtigt. Die Antragstellerin hatte den Anfall der Terminsgebühr mit Vergleichsverhandlungen begründet, die zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien telefonisch geführt worden seien. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, Vergleichsverhandlungen hätten nicht stattgefunden. Der Antragsgegnervertreter habe den Antragstellervertreter angerufen und diesem eine schriftliche Zusage dahingehend angeboten, dass die Antragsgegnerin nicht über das fragliche Grundstück verfügen werde. Diesen Vorschlag habe der Antragstellervertreter abgelehnt und habe ohne Kompromissbereitschaft auf einer Eintragung im Grundbuch bestanden. Außerdem entstehe eine Terminsgebühr nur dann, wenn für das Verfahren, in dem die Vergleichsverhandlungen von Anwalt zu Anwalt stattgefunden hätten, eine mündliche Verhandlung notwendig sei. Dies sei bei einer einstweiligen Verfügung nicht der Fall.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg. Der Rechtspfleger hat in dem angegriffenen Beschluss zutreffend eine 1,2 Terminsgebühr festgesetzt.

1. Durch Besprechungen zwischen den Prozessbevollmächtigten der Parteien kann eine Terminsgebühr gemäß der Nr. 3104 VV-RVG anfallen. Hierfür reicht es nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG aus, dass der Prozessbevollmächtigte an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts mitgewirkt hat, wobei diese auch telefonisch durchgeführt werden können (BGH NJW-RR 2006, 1507; BGH NJW-RR 2007, 286 = JurBüro 2007, 26; OLG Koblenz NJW 2005, 2162; Senatsbeschlüsse vom 30.11.2005 - 11 W 1611/05 - und vom 25.03.2009 - 11 W 1088/09). Die Terminsgebühr kann im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes unstreitig sind (BGH NJW-RR 2007, 286; NJW-RR 2007, 787 und NJW 2008, 2993) oder gemäß § 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO glaubhaft gemacht werden (BGH NJW 2007, 2493).

a) Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Prozessbevollmächtigten der Parteien am 21.04.2010 und 27.04.2010 miteinander telefoniert haben. Beim ersten Telefonat am 21.04.2010, das vom Antragsgegnervertreter ausgegangen war (zu diesem Zeitpunkt war die einstweilige Verfügung beantragt, aber noch nicht erlassen), wurde von diesem angeboten, seine Mandantin würde schriftlich zusagen, nicht über das fragliche Grundstück zu verfügen. Diese Vorgehensweise wurde von Seiten des Antragstellervertreters abgelehnt, wobei aber im Gegenzug ein Anerkenntnis durch die Antragsgegnerin oder eine Bewilligung eines Grundbucheintrags bei Übernahme der Notarkosten durch die Antragstellerin vorgeschlagen wurde. Diese Möglichkeiten wollte der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit seiner Mandantin besprechen. Bei dem weiteren Telefonat am 27.04.2010 teilte er seinem Kollegen schließlich mit, dass es bei der angekündigten Ablehnung bleibe.

b) Der Inhalt beider Telefonsgespräche wurde vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin in dessen Schriftsatz vom 03.03.2011 detailliert geschildert und durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht. Der Antragsgegnervertreter hat in seiner Stellungnahme vom 21.03.2011 das Vorbringen teilweise bestätigt und im Übrigen nicht bestritten. Damit steht hinreichend fest, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin auf das vom Antragsgegnervertreter ausgegangene Gespräch am 21.04.2010 sehr wohl eingelassen und eine mögliche Einigung nicht von vorneherein ausgeschlossen hat. Dafür spricht schon die unbestrittene Dauer des Telefonats (9 Minuten) und die Tatsache, dass der Antragstellervertreter seinerseits auch Erledigungsmöglichkeiten aufgezeigt hat. Schließlich wurde bereits zu diesem Zeitpunkt ein zweites Gespräch vereinbart, um sich mit den Parteien besprechen zu können. Bei dieser Sachlage kann kein Zweifel daran bestehen, dass Gespräche geführt wurden, die auf eine Erledigung des schon eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens ohne Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung gerichtet waren. Es reicht hierfür schon aus, dass sich der Gegner auf das von einer Partei eingeleitete Gespräch einlässt, indem er unterbreitete Vorschläge zur Kenntnis nimmt und deren Prüfung zusagt (BGH NJW-RR 2007, 286, 287). Da der Gebührentatbestand nicht an den Erfolg einer gütlichen Einigung anknüpft, sind an die mündliche Reaktion des Gegners über die Kenntnisnahme und Prüfung des Vorschlags hinausgehende Anforderungen nicht zu stellen (BGH a.a.O.).

92. Die Entstehung einer Termingebühr durch außergerichtliche Verhandlungen setzt nicht voraus, dass für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Mit der Einführung der Terminsgebühr nach dem RVG, die sowohl die Verhandlungs- als auch die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 BRAGO ersetzt, sollte erreicht werden, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Rechtsstreits zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beiträgt. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen (BT-Drucksache 15/1971, Seite 209).

a) Nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung der Gerichts.

11b) Daneben kann nach Absatz 1 der Anmerkung zu Nr. 3104 VV-RVG eine Terminsgebühr auch in den dort im einzelnen aufgeführten Fällen entstehen, in denen keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, sondern der Rechtsanwalt nur schriftlich tätig geworden ist. In diesen Fällen ist Voraussetzung für die Entstehung der Terminsgebühr, dass in dem betreffenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, weil nur dann die schriftliche Tätigkeit des Rechtsanwalts einen Verhandlungstermin ersetzen und somit vergütungsrechtlich als gleichwertig angesehen werden kann (BT-Drucksache 15/1971, Seite 212).

c) Der Bundesgerichtshof hat hieraus in zwei Entscheidungen vom 01.02.2007 (NJW 2007, 1461) und 15.03.2007 (NJW 2007, 2644) den Schluss gezogen, eine Terminsgebühr könne durch eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung des Rechtsanwalts mit dem Prozessgegner nur dann entstehen, wenn für das gerichtliche Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei. So entsteht nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in der Berufungsinstanz die Terminsgebühr durch eine solche außergerichtliche Besprechung nicht, wenn das Gericht später die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist (BGH NJW 2007, 2644). Nach dieser Auffassung wäre auch im vorliegenden Fall keine Terminsgebühr für die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin angefallen, weil die Erledigungsgespräche zu einem Zeitpunkt geführt wurden, in dem über den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung hätte entschieden werden können (§§ 936, 922 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO).

13d) Der Senat kann sich jedoch der Auffassung des Bundesgerichtshofs, dass die auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung des Rechtsanwalts eine Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG nur in solchen Verfahren auslösen könne, für die eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben sei, nicht anschließen. Die Regelung im Absatz 1 der Anmerkung zur Nr. 3104 VV-RVG enthält nämlich keine Einschränkung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG, sondern ergänzt und erweitert diese auf die Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung oder Besprechung - mit oder ohne Beteiligung des Gerichts - nicht stattgefunden hat (BGH NJW 2006, 157; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Auflage, VV 3104 Rn. 7).

14Führt der Rechtsanwalt also auf Grund eines ihm erteilten Prozessauftrags ein auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtetes Gespräch mit dem Gegner, dann entsteht die Terminsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV-RVG unabhängig davon, ob für das betreffende Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (Senatsbeschluss vom 27.08.2010 - 11 WF 331/10 = AGS 2010, 420; zum vergleichbaren Fall der Zurückweisung oder Rücknahme einer Berufung ohne mündliche Verhandlung: Senat OLGR 2009, 913 = AGS 2010, 168; ebenso OLG Dresden NJW-RR 2008, 1667).

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

4. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil er mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweicht (§ 574 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 ZPO).






OLG München:
Beschluss v. 25.03.2011
Az: 11 W 249/11


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