Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2000
Aktenzeichen: 20 W (pat) 81/99

(BPatG: Beschluss v. 13.12.2000, Az.: 20 W (pat) 81/99)

Tenor

Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluß des Patentamts vom 13. August 1999 aufgehoben.

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentanspruch, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalten 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Spalten 5 bis 9 gemäß Patentschrift, 4 Blatt Zeichnungen Fig 1 bis 9, gemäß Patentschrift.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Das Patentamt - Patentabteilung 51 - hat das Patent im Einspruchsverfahren mit der Begründung widerrufen, der Gegenstand des seinerzeitigen Anspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Im Beschwerdeverfahren erklärt die Patentinhaberin mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2000 die Teilung des Patents dahingehend, daß die Gegenstände der Ansprüche 1 bis 3 abgeteilt werden. Dazu reicht sie mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2000 die erforderlichen Anmeldungsunterlagen ein und entrichtet die Gebühren. In der mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2000 erklärt sie eine weitere Teilung dahingehend, daß die Gegenstände der Ansprüche 6 und 7 des erteilten Patents unter Rückbeziehung auf Anspruch 4 des erteilten Patents abgetrennt werden.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent aufrechtzuerhalten mit dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruch, den Spalten 1 bis 4 der überreichten Beschreibung sowie den übrigen Unterlagen der erteilten Fassung des Patents.

Die Einsprechenden beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, die Entscheidung des Patentamts aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen.

Der einzige Patentanspruch lautet:

"Digitales Funkfernsprechsystem mit einer Basisstation (10), die sich mit einem Zentralamt (22) und Teilnehmerstationen (42) in Verbindung befindet, die mit der Basisstation (10) durch HF-Kanäle verbunden sind, wobei die Basisstation (10) mehrfache, sich sequentiell wiederholende Zeitschlitze und eine Vielzahl von Frequenzkanälen hat und die Zeitschlitze und die Frequenzkanäle den Teilnehmerstationen (42) selektiv zuordenbar sind, gekennzeichnet durch eine Zuordnungseinrichtung, die mindestens einen der Zeitschlitze und Frequenzkanäle irgendeiner der Teilnehmerstationen (42) in Folge einer Verschlechterung in der Übertragung zwischen der Basisstation und der mit ihr sich in Verbindung befindenden Teilnehmerstation (42) während einer bestehenden Verbindung zwischen der Basisstation und der Teilnehmerstation selektiv zuordnet, wobei die Verschlechterung, die entweder Folge eines Schwundes oder einer Störung in der Übertragung ist, durch eine Modulationsänderung korrigiert wird, wobei dazu zwei aneinandergrenzende Zeitschlitze in der selben Frequenz in einen länglichen Zeitschlitz vereinigt werden, wobei dann im Fall eines hohen AVR (Automatische-Verstärkungs-Regelung) - Pegels ein Frequenzwechsel von einer Frequenz mit einem hohen AVR-Pegel zu einer Frequenz mit einem niederen AVR-Pegel vorgenommen wird."

Im bisherigen Verfahren sind zum Stand der Technik die nachfolgenden Druckschriften genannt worden:

E1 Bulletin SEV VSE 79 (1988) Seiten 603 bis 608, 937 bis 942, 1318 bis 1324, H. Ochsner: "Das zukünftige paneuropäische digitale Mobilfunksystem", E2 US 4 777 633, E3 DE 36 09 395 A1, E4 Kinoshita K. Et al., "Digital mobile radio telephone system using TD/FDMA scheme" IEEE International Communication Conference, Vol. 1-4, June 14-18, 1981, Denver, USA, Seiten 23.4.1 bis 23.4.5, E5 Calhoun George, "Digital Cellular radio", Verlag: Artech House Inc., ISBN 0-89006-266-8, Kapitel 8 und 9, E6 DE 34 47 107 A1, E7 GSM Recommendation: 05.08 Version 01.04.00, "Radio Sub-System Link Control", 7. Januar 1987 E8 US 4 675 863, E9 DE 26 59 635 A1, E10 NEC Res. & Develop., Nr. 67, Oktober 1982, S. 21 bis 31, "Neax 61 Digital Mobile Telephone Switching System" von Takeo Kontani et al., E11 Secound Nordic Seminar on Digital Land Mobile Radio Communication, 14.-16. Oktober 1986, Stockholm, M. Frullone, G. Riva, M. Sentinelli, A.M. Serra: "Performance Evaluation of Digital Mobile Systems suitable for PAN-European Operation", E12 US 4 215 244, E13 JP 63-187739A einschließlich einer englischen Übersetzung, E14 DCRC Digital Cellular Radio Conference, 12.-14. Oktober 1988, Hagen, D.J. Targett, H.R. Rast: "Handover-Enhanced Capabilities Of The GSM System", E15 DCRC Digital Cellular Radio Conference, 12.-14. Oktober 1988, Hagen, P. Knight: "The Mobile Switching Centre To Base Station System Interface In The GSM System", E16 37th IEEE Vehicular Technology Conference, 1.-3. Juni 1987, Tampa, Florida, D.S. Cheeseman, R. Potter: System Features - Next Generation Cellular Radio", E17 Bellamy J.: "Digital Telephony", John Wiley & Sons, Inc., 1982, ISBN 0-471-08089-6, S. 8-13, 238-241, E18 Proakis, J.G.: "Digital Communications" McGraw-Hill Book Company, 1983, ISBN 0-07-050927-1, S 190-192, E19 US 4 519 068.

Die Patentinhaberin macht geltend, in E3 würde zwar eine unterschiedliche Einstellung der Modulation erwähnt; es könne dort aber nicht entnommen werden, daß eine Modulationsänderung während einer bestehenden Verbindung vorgenommen werde. Außerdem enthalte der Patentanspruch eine Kombination von nacheinander anzuwendenden Maßnahmen zur Abhilfe bei einer Verschlechterung in der Übertragung; hierfür gebe es im Stand der Technik kein Vorbild.

Die Einsprechenden treten dem Vorbringen der Patentinhaberin entgegen. Aus E3 Seite 21 sei - jedenfalls indirekt - zu entnehmen, daß eine Modulationsänderung während einer bestehenden Verbindung - dabei könne es sich auch um eine zur Initialisierung dienende Verbindung handeln - vorgenommen werden könne. Diese Auslegung werde durch weitere Beschreibungsstellen in E3 gestützt. Dem Fachmann sei auch bekannt gewesen, wie das Fachbuch E18 belege, daß bei hoher Fehlerhäufigkeit eine Modulation gemäß 4-PSK der nach 16-PSK vorzuziehen sei.

Das demnach allein noch verbleibende Anspruchsmerkmal betreffend einen Frequenzwechsel stelle eine beim Mobilfunk übliche Maßnahme zum Ausgleich von Übertragungsverschlechterungen dar, wie aus E7, E 11 und E14 hervorgehe. Es könne nicht als erfinderisch angesehen werden, für den Fall, daß die Modulationsänderung nicht zu der gewünschten Verbesserung der Verbindung führe, außerdem noch einen Frequenzwechsel vorzusehen.

Zur Begründung ihres hilfsweisen Antrags auf Zurückverweisung der Sache an das Patentamt führen die Einsprechenden an, eventuell sei noch Stand der Technik betreffend eine Modulationsänderung während einer Übertragung auffindbar.

II Die Beschwerde führt gemäß dem beschränkten Patentbegehren zum Erfolg.

A. Im Verfahren zum Stammpatent kann ohne ein Abwarten der nach PatG § 39 für die Einreichung der Unterlagen der in der mündlichen Verhandlung entstandenen Teilanmeldung und Entrichtung der Gebühren vorgesehenen Frist entschieden werden.

1. Die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Teilungserklärung ist - ebenso wie die mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2000 abgegebene Teilungserklärung - zweifelsfrei wirksam.

Die Möglichkeit der Teilung steht der Patentinhaberin bis zur Beendigung des Einspruchsverfahrens zu, § 60 Abs 1 PatG. Der in § 39 Abs 1 Satz 2 PatG geforderten Schriftform genügt es, daß die Erklärung in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben wurde. Ein Rechtsmißbrauch - wie die Einsprechenden zunächst bezüglich der in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilungserklärung meinen - liegt schon deshalb nicht vor, weil die Erklärung zu keiner Verzögerung der Entscheidung über das Restpatent führt.

Die Teilungserklärungen sind auf eine gegenständliche Teilung des Patents gerichtet. Sie trennen aus dem Patent die Patentansprüche 1 bis 3 bzw 6 und 7 jeweils erteilter Fassung ab.

2. Der Senat sieht sich nicht gehindert, über das nunmehrige Stammpatent vor Beendigung des "Schwebezustands" der in der mündlichen Verhandlung entstandenen Teilanmeldung nach § 39 Abs 3 PatG zu entscheiden, auch wenn die Patentinhaberin weder ihr Einverständnis damit erklärt noch auf eine Berücksichtigung des abgetrennten Teils im Stammverfahren bei Eintritt der Nichtabgabefiktion der Teilungserklärung nach § 39 Abs 3 PatG verzichtet.

a) § 60 Abs 1 PatG bestimmt, daß der Patentinhaber das Patent bis zur Beendigung des Einspruchsverfahrens teilen kann. Wird die Teilung erklärt, so gilt der abgetrennte Teil als Anmeldung, für die ein Prüfungsantrag (§ 44 PatG) gestellt worden ist. § 39 Abs 1 Satz 2 und 4, Abs 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Für den abgetrennten Teil gelten die Wirkungen des Patents als von Anfang an nicht eingetreten. Mit dieser Regelung vereinbar ist ein materiellrechtlicher Teilungsbegriff. Nach ihm ist erforderlich, daß der zu teilende Gegenstand in mindestens zwei Teile aufgespalten wird und ein um den abgespaltenen Teil vermindertes Restpatent entsteht (BGH GRUR 1996, 747, II.1. - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem). Da die rechtsgestaltenden Wirkungen jedoch vorerst in der Schwebe bleiben und der abgetrennte Teil wegen des materiellrechtlichen Teilungsbegriffs wieder in das Stammpatent zurückfällt, wenn die Anmeldungsunterlagen und Gebühren nicht fristgerecht eingehen (BGH aaO), kann über das Stammverfahren nicht entschieden werden, solange der Schwebezustand andauert.

b) Logisch zwingend ist dieses Verständnis der Teilung jedoch nicht (Busse PatG, 5. Aufl, § 60 Rdn 10; Kühnen: Die Teilung des Patents, S 14, Carl Heymanns Verlag, Köln, Berlin, Bonn, München 2000). Der Senat schließt sich daher den aus der jüngsten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu einer Teilungsfrage (GRUR 2000, 688 - Graustufenbild) sich ergebenden Folgerungen an.

aa) Nach "Graustufenbild" bleibt dem Patentinhaber im Erteilungsverfahren die Möglichkeit einer Teilung der Anmeldung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist unabhängig davon erhalten, ob Beschwerde eingelegt wird. Die Vorschrift des § 39 Abs 1 Satz 1 PatG korrespondiere insoweit mit § 60 PatG. Nach der gesetzlichen Systematik sollen beide Vorschriften jedenfalls den gesamten Zeitraum abdecken, in dem die Entscheidung des Patentamts auch unter Veränderung der tatsächlichen Grundlagen der Entscheidung noch angefochten werden könne. In diesem System betreffe die Regelung des § 60 PatG allein das zum Vollrecht erstarkte, wenn auch noch im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren angreifbare Patent, während § 39 PatG die Anmeldung bis zu diesem Erstarken zum Gegenstand habe. Dabei schließe die Regelung jeweils die anschließenden Rechtsmittelverfahren ein (aaO II.2. c)).

bb) Nach Verkündung eines Beschlusses oder - im schriftlichen Verfahren - nach dessen Übergabe an die Postabfertigungsstelle kann wegen der Bindung des Patentamts und des Patentgerichts an seine Entscheidung (Busse PatG 5. Aufl § 47 Rdn 60, § 94 Rdn 13) bei einer Teilungserklärung während der Rechtsmittelfrist vom Stammpatent nichts (mehr) abgespalten werden, eine Teilung im materiellrechtlichen Sinn nicht erfolgen. Gleiches muß auch ohne Bindung an eine Entscheidung gelten. Für das Verfahren vor einer wirksamen Entscheidung über das Patent oder nach Einlegen der Beschwerde einen anderen Teilungsbegriff zugrunde zu legen, wäre nur schwer zu verstehen und erschiene als unnötig kompliziert. Der Teilungserklärung kommt eine materiellrechtliche Wirkung hinsichtlich der Trennanmeldung ohnehin nicht zu, da mit ihr der gesamte Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung ausgeschöpft werden kann (BGH GRUR 1992, 38 - Straßenkehrmaschine). Bei der Teilung des Patents im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren ist daher durchgängig nicht eine Teilung im materiellrechtlichen Sinn zu fordern. Wenn nun nichts abgespalten wird, kann auch nichts zurückfallen. Ein "Schwebezustand" für das Stammpatent nach Erklärung der Teilung tritt nicht ein; im Verfahren zum Stammpatent kann entschieden werden unabhängig vom Schicksal der Teilungserklärung nach § 39 Abs 3 PatG.

Eine Verdoppelung in Form identischer Anspruchsgegenstände tritt nicht ein, da im Verfahren der Trennanmeldung kein Gegenstand mehr beansprucht werden darf, über den im Stammverfahren bereits abschließend sachlich entschieden ist (BGH GRUR 2000, 689 - Graustufenbild).

B. Der vorliegende Patentanspruch ist zulässig. Die Gesamtheit seiner Merkmale ergibt sich für den Fachmann - hier ein Entwickler, der eine nachrichtentechnische Hochschulausbildung absolviert hat und über mehrjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der digitalen Mobilfunksysteme verfügt - als zur Erfindung gehörend aus der Patentschrift Anspruch 4 iVm Spalte 6, Zeile 60 bis Spalte 7, Zeile 43 und entsprechend aus den ursprünglichen Unterlagen Anspruch 4 iVm Seite 13, Zeile 28 bis Seite 14, Zeile 37.

C. Das Funkfernsprechsystem nach dem Patentanspruch ist patentfähig.

Die Neuheit des beanspruchten Funkfernsprechsystems ist unbestritten gegeben. Keine der genannten Druckschriften - mit Ausnahme von E3 - beschreibt ein Funkfernsprechsystem, bei dem für die Signalübertragung zwischen Basisstation und Teilnehmerstationen unterschiedliche Modulationen vorgesehen sein können. Bei dem System nach E3 fehlt jedenfalls das Merkmal, wonach für eine Verbindung zwischen Basisstation und Teilnehmerstation im Fall eines hohen AVR (Automatische-Verstärkungs-Regelung)-Pegels ein Frequenzwechsel vorgenommen wird.

Das beanspruchte Funkfernsprechsystem beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.

Ein dem Oberbegriff des Patentanspruchs entsprechendes Funkfernsprechsystem ist aus E3 zu entnehmen, vgl dort zB Ansprüche 14 und 15 sowie Seite 25, letzter Absatz bis Seite 26, letzter Absatz. Der 4. Absatz der dortigen Seite 21, auf den die Einsprechenden besonders hinweisen, lautet wie folgt:

"Der Modulationspegel der Signale und die dem System zugeführte Leistung werden entsprechend der Signalfehlerwahrnehmung im System eingestellt."

Entgegen der Auffassung der Einsprechenden kann aus dieser Beschreibungsstelle nicht entnommen werden, daß dort eine Modulationsänderung während einer bestehenden Verbindung zwischen Basisstation und Teilnehmerstation vorgenommen werden soll.

Der in der vorgenannten Beschreibungsstelle vorkommende Begriff "Modulationspegel" ist klärungsbedürftig. Der damit konfrontierte Fachmann war daher gehalten, die weitere Erläuterung in E3 zu Rate zu ziehen. Auf Seite 36, 2. Absatz taucht der Begriff Modulationspegel iVm den Begriffen Zwei-Pegel-Modulation (BPSK) und Vier-Pegel-Modulation (QPSK) auf. Diese Ausführungen sowie die Tabellen 1 bis 5 auf den Seiten 55 bis 59 machen schließlich deutlich, daß mit "Modulationspegel" die jeweilige Anzahl von möglichen Phasenwerten gemeint ist, die zur Aufmodulation der zu übertragenden Information verwendbar ist.

Gemäß dem oben zitierten Satz auf Seite 21 sollen sowohl der Modulationspegel der Signale als auch die zugeführte Leistung entsprechend der Signalfehlerwahrnehmung eingestellt werden. Da die weitere Beschreibung deutlich macht, daß die zugeführte Leistung laufend kanalweise angepaßt wird (zB S 69 le Abs, S 70 2. Abs, S 71 Z 10 von unten bis 6 von unten, S 135 Z 15 bis 23) erhebt sich die Frage, ob der Fachmann daraus schließen konnte, der Modulationspegel werde in gleicher Weise laufend angepaßt.

Diesen Schluß konnte der Fachmann nach Überzeugung des Senats jedoch nicht ziehen. Bei einer Gesamtwürdigung von E3 - ein näheres Studium von E3 war, wie oben dargelegt, schon zur Klärung des Begriffs Modulationspegel erforderlich - konnte er nämlich nur Hinweise für festliegende Modulationspegel finden, so auf Seite 40, Zeilen 1 bis 5, Seite 106, letzter Absatz, Seite 114, letzter Absatz und Seite 115, 4. Absatz. Auch Seite 79, 4. Absatz, 1. Satz, wonach eine Sprachverbindung infolge eines Schwindens oder einer Kanalinterferenz am Bestimmungsempfänger "verloren" gehen kann, ist ein Hinweis darauf, daß in E3 nicht daran gedacht ist, im Fall einer Verschlechterung der Verbindung diese auf eine weniger störanfällige Modulation umzuschalten.

Zwar war dem Fachmann grundsätzlich bekannt, daß die Störanfälligkeit einer Verbindung von der jeweils gewählten Phasenmodulation abhängt (Fachbuch E18 Fig 4.2.30); dies konnte ihn auch dazu veranlassen, für die jeweilige Verbindung die Phasenmodulation geeignet zu wählen, wie die oben erwähnten Tabellen 1 bis 5 in E3 zeigen; zu einer Umschaltung der Modulation während einer bestehenden Verbindung konnte ihn dieses Wissen jedoch nicht anregen.

Da somit der Fachmann aus dem Gesamtinhalt von E3 keinen Hinweis dafür erhalten konnte, anspruchsgemäß während einer bestehenden Verbindung - auch nicht während der Initialisierung - eine Änderung des Modulationspegels vorzusehen, erscheint es bereits zweifelhaft, ob es dem Fachmann nahelag, eine solche Maßnahme im vorliegenden Zusammenhang in Betracht zu ziehen.

Die Zweifel hinsichtlich eines Naheliegens des beanspruchten Systems werden noch verstärkt dadurch, daß bei diesem eine weitere Maßnahme vorgesehen ist, nämlich dann im Fall eines hohen AVR-Pegels - dieser ist ein Anzeichen für eine weiterhin schlechte Verbindung infolge einer Störung (Patentschrift Sp 7 Z 31 bis 36) - ein Frequenzwechsel von einer Frequenz mit einem hohen AVR-Pegel zu einer Frequenz mit einem niederen AVR-Pegel vorgenommen wird.

Eine derartige Maßnahme wird in E3 nicht angesprochen, sondern ist lediglich für sich, dh nicht als zusätzliche Maßnahme, aus anderen Druckschriften zu entnehmen, die das sogenannte GSM-Mobilfunksystem behandeln, so aus E7 Ziffer 2.5, letzter Absatz, E11 Ziffer 2.2 und E14 Seite 3c/8 Ziffer 4, 2. Absatz.

Die übrigen Druckschriften haben in der mündlichen Verhandlung keine Rolle gespielt. Sie stehen dem beanspruchten Funkfernsprechsystem ferner als der oben behandelte Stand der Technik.

Die insgesamt bestehenden Zweifel am Naheliegen des beanspruchten Systems führen dazu, daß das Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit zu bejahen ist.

Die Beschreibung war anzupassen, um Widersprüche zwischen dem nunmehrigen Patentanspruch und der Beschreibung zu beseitigen. Dieser Forderung genügen die nun vorliegenden Unterlagen (BGH GRUR 1998, 901 - Polymermasse).

D. Eine Zurückverweisung der Sache an das Patentamt, wie von den Einsprechenden hilfsweise beantragt, ist nicht geboten.

Es liegen weder Umstände vor, die eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung des Verfahrens an das Patentamt zwingend erfordern noch bestehen Gründe im Sinne des § 79 Abs 3 Nrn 1 bis 3 PatG, die im Hinblickauf die von den Einsprechenden angeführte Möglichkeit, noch weiteren Stand der Technik aufzufinden, Anlaß geben, von der dem Senat abschließend möglichen Sachentscheidung abzusehen.

Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Senat schon aufgrund des ihm vorgelegten Materials ohne zusätzliche Sachaufklärung zu einer abschließenden Entscheidung über den zur Prüfung gestellten Patentanspruch bzw den angefochtenen Patentwiderruf im Sinne des § 61 PatG in der Lage ist und nach allgemeiner Meinung bei vorliegender Entscheidungsreife eine Zurückverweisung der Sache im Rahmen der nach § 79 Abs 3 PatG zu treffenden Ermessensentscheidung nicht in Betracht zu ziehen ist (vgl BGH BlPMZ 1992, 496, 498 - Entsorgungsverfahren; BGH GRUR 1998, 394, 395 - Active Line; Busse, PatG, 5. Aufl, § 79 Rdn 54; Schulte, PatG, 5. Aufl, § 79 Rdn 8 Benkard, PatG, 9. Aufl, § 79 Rdn 26 - jeweils mit weiteren Hinweisen). Ein Anspruch auf Prüfung in mehreren Instanzen besteht nicht (Busse, PatG, 5. Aufl, § 79 Rdn 54).

Hinzukommt, daß die Einsprechenden ausreichend Gelegenheit hatten, sich mit dem Merkmal "Modulationsänderung während einer bestehenden Verbindung" zu befassen und sich dazu zu äußern.

Bereits im erteilten Anspruch 5 ist eine Modulationsänderung aufgeführt, und in der Patentschrift wird auf die Einzelheiten der Modulationsänderung und der sie auslösenden Ursachen ausführlich eingegangen (Sp 6 Z 49 bis Sp 7 Z 43). Außerdem ist der Anspruch 1 in dem am 9. November 2000 eingegangenen und den Einsprechenden etwa einen Monat vor dem Verhandlungstermin zugestellten Hilfsantrag 5 auf die Ermöglichung einer Modulationsänderung gerichtet.

Bei dieser Sachlage kam auch eine Vertagung der Verhandlung nicht in Betracht, zumal die Einsprechenden keinen konkreten Hinweis auf einen weiteren aufzufindenden Stand der Technik gegeben haben.

E. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist durch die aus der BGH-Entscheidung "Graustufenbild" gezogenen Schlußfolgerungen veranlaßt (§ 100 Abs 2 PatG).

Dr. Anders Kalkoff Dr. Hartung Dr. van Raden Mr/Be






BPatG:
Beschluss v. 13.12.2000
Az: 20 W (pat) 81/99


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