Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 5. September 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 28/12

(BGH: Beschluss v. 05.09.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 28/12)

Tenor

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung gewährt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 18. Februar 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsge-1 richtshof hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.

II.

1. Dem Kläger war auf seinen Antrag gemäß § 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 60 Abs. 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da er krankheitsbedingt nicht in der Lage gewesen ist, den Antrag auf Zulassung der Berufung fristgerecht zu begründen.

2. Der Antrag, mit dem der Kläger das Fehlen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO rügt und damit in der Sache das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils behauptet (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ist jedoch unbegründet. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 16. Mai 2012 - AnwZ (Brfg) 13/12, juris Rn. 4 und vom 2. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 53/11, juris Rn. 3, jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen erfüllt die Antragsbegründung nicht.

a) Der Einwand des Klägers, ein Vermögensverfall habe zum Zeitpunkt des Widerrufs der Zulassung am 8. Juni 2011 nicht vorgelegen, da ihm ein privates Darlehen über 45.000 € zugesagt worden sei, mittels dessen die im Widerrufsbescheid angesprochenen Steuerschulden hätten bezahlt werden können, greift nicht. Hierbei kann dahinstehen, inwieweit der Umstand, dass der Kläger erstmals im Termin vor dem Anwaltsgerichtshof am 18. Januar 2012 2 einen auf den 31. Mai 2011 datierten Darlehensvertrag vorgelegt hat, geeignet ist, die Ernsthaftigkeit der Darlehenszusage grundlegend in Zweifel zu ziehen. Denn der Kläger setzt sich in seiner Antragsbegründung nicht mit einem Wort mit den weiteren, für das Vorliegen eines Vermögensverfalls wesentlichen Umständen auseinander, sodass die diesbezügliche Feststellung im angefochtenen Urteil auch nicht schlüssig in Frage gestellt wird.

aa) Der Vermögensverfall im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist dadurch gekennzeichnet, dass der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380 Rn. 4; Senatsurteil vom 2. Juli 2012 - AnwZ (Brfg) 16/11, juris Rn. 3 m.w.N.). Liegen Anzeichen dafür vor, dass der Rechtsanwalt nur wirtschaften kann, indem er neue Schulden auflaufen lässt, und zahlt er seine Schulden über einen gewissen Zeitraum lediglich unter dem Druck des Widerrufs seiner Zulassung oder von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, kann der Nachweis eines Vermögensverfalls regelmäßig als geführt angesehen werden. Geordnete Vermögensverhältnisse setzten demgegenüber voraus, dass der Rechtsanwalt über die Tilgung oder zumindest geordnete Rückführung seiner Schulden hinaus erreicht, dass dauerhaft keine neuen Verbindlichkeiten auflaufen, deren ordnungsgemäße Begleichung nicht durch entsprechende Geldmittel oder eingehaltene Vereinbarungen mit Gläubigern sichergestellt ist (vgl. nur Senatsurteil, aaO).

bb) Ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse haben beim Kläger bereits seit Jahren vorgelegen. 5 Nach den Berichten des Finanzamts C. vom 15. Juli 2009, 6. Dezember 2010 und 10. August 2011 befinden sich die Steuerrückstände des Klägers seit 2006 in der Vollstreckung, wobei am 9. Juni 2009 eine fruchtlose Pfändung durchgeführt wurde. Die Rückstände sind dabei kontinuierlich angewachsen.

Bereits Ende 2007/Anfang 2008 hat die D. aus einem Versäumnisurteil des AG C. vom 1. November 2007 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger wegen einer Forderung über 348,67 € nebst Zinsen eingeleitet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG C. vom 11. Januar 2008, 31 M ).

Gegen den Kläger ist am 21. April 2009 (LG B. 14 0 ) ein rechtskräftiges Versäumnisurteil über 14.903,53 € nebst Zinsen ergangen. Der Kläger hatte insoweit Mandantengelder nicht ausgekehrt, sondern für eigene Zwecke verwendet und die Mandantin N. über den Eingang der Gelder über einen längeren Zeitraum getäuscht. Der Kläger ist deshalb rechtskräftig wegen Untreue vom AG Be. am 11. Februar 2010 zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 30 € verurteilt worden. Der Kläger hat in der Hauptverhandlung vor der Strafrichterin angegeben, selbst nur über Nettoeinkünfte von 1.200 € zu verfügen und die - im Übrigen erst nach Erlass des Versäumnisurteils - ausgezahlten Geldbeträge über einen Kredit finanziert zu haben. Wegen eines restlichen Betrags von 297,33 € nebst Zinsen hat das AG C. (31 M ) auf Antrag der Mandantin am 17. Juni 2009 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Kläger erlassen. Das 7 Anwaltsgericht Berlin hat durch noch nicht rechtskräftiges Urteil vom 25. März 2011 (3 AnwG ) den Kläger aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen.

Gegen den Kläger ist im Rahmen einer Stufenklage am 13. Oktober 2011 (LG B. 31 O ) ein Teilversäumnisurteil auf Rechnungslegung über erhaltene Mandantengelder und am 8. Dezember 2011 ein weiteres Teilversäumnisurteil über unter anderem die Zahlung von 21.796,12 € nebst Zinsen ergangen. Insoweit geht es um Geldbeträge, die der Kläger am 26. Mai 2010 anlässlich einer von ihm für seine Mandantin S. betriebenen Zwangsvollstreckung erhalten, aber nicht abgerechnet und ausgekehrt hat. Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft B. (281 Js ) gegen den Kläger Anklage wegen Untreue erhoben und hat die Mandantin Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG C. vom 4. Mai 2012, 31 M ) wegen eines Betrags von 23.480,29 € nebst Zinsen eingeleitet.

Nach der Mitteilung des Gerichtsvollziehers O. vom 23. August 2011 betreibt die A. AG wegen eines Betrages von 351,56 € aufgrund eines Beschlusses des AG C. vom 29. September 2010 (211 C ) die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger; in derselben Sache ist vom AG C. am 18. August 2010 (31 M ) ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ergangen, der sich zusätzlich auf einen zugunsten der Gläubigerin ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. November 2010 bezieht. Ferner hat die Anwalt-Suchservice Verlag Dr. Sch. GmbH aufgrund eines Urteils des AG C. vom 21. Februar 2011 (202 C ) gegen den Kläger zwangsvollstreckt, wobei am 29. April 2011 auf die Forderung von 1.008,28 € ein Teilbetrag von 514,83 € gezahlt wurde. Dieselbe Gläubigerin hat den Gerichtsvollzieher O. 10 auch mit der Zwangsvollstreckung aus dem in derselben Sache ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss des AG C. vom 30. März 2011 über 232,15 € beauftragt.

Die klägerische Behauptung geordneter Vermögensverhältnisse erweist sich vor diesem Hintergrund als haltlos, wobei auch bezeichnend ist, dass der Kläger seit Juli 2009 Aufforderungen der Beklagten, zu seinen Vermögensverhältnissen eingehend und umfassend Stellung zu nehmen, wie auch entsprechenden Auflagen im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof nicht nachgekommen ist.

b) Fehl geht auch der Vorwurf des Klägers, der Anwaltsgerichtshof habe zu Unrecht teilweise Vorfälle aus der Zeit nach dem Widerrufsbescheid der Beklagten berücksichtigt. Denn die angesprochenen Forderungen reichen bis in die Zeit davor zurück. Die Vorfälle machen deutlich, dass bereits damals die Vermögensverhältnisse des Klägers nicht geordnet waren, selbst kleinere Beträge in die Zwangsvollstreckung gegangen sind und der Kläger nicht einmal davor zurückgeschreckt ist, sich an Mandantengeldern zu vergreifen. Vor diesem Hintergrund ist es auch ohne Bedeutung, dass der Kläger - allerdings ohne Belege - darauf verweist, dass die von der Beklagten in ihrem Bescheid angesprochenen älteren Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger D. und N längst erledigt seien.

c) Der pauschale Einwand des Klägers, es habe keine Gefahr für Fremdgelder bestanden, ist angesichts der erfolgten Veruntreuungen unverständlich. Im Übrigen indiziert der Vermögensverfall nach der gesetzlichen Wertung die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Auch wenn dies nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht 12 zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vermögensverfall folgt, wird sie im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse des Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können; die Feststellungslast trifft den Rechtsanwalt (st. Rspr., vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, AnwBl. 2010, 442 Rn. 11 und vom 2. April 2012 - AnwZ (Brfg) 9/12, juris Rn. 4).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Tolksdorf König Seiters Quaas Braeuer Vorinstanz:

AGH Berlin, Entscheidung vom 18.02.2012 - I AGH 16/11 - 15






BGH:
Beschluss v. 05.09.2012
Az: AnwZ (Brfg) 28/12


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