Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 7. Februar 2011
Aktenzeichen: I-24 U 119/10

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 07.02.2011, Az.: I-24 U 119/10)

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 18. Juni 2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.

2. Der Rechtsmittelstreitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat das Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil vom 10. Februar 2010 (künftig: Vorbehaltsurteil), mit welchem der Beklagte (Mandant) auf der Grundlage des Vergleichs vom 21. April 2009 (künftig: Vergleich) im Urkundenprozess zur Zahlung fünf fälliger Anwaltshonorarraten (insgesamt 10.000,00 € zzgl. Zinsen) verurteilt worden ist, im Ergebnis zu Recht für vorbehaltlos erklärt. Die dem Beklagten vorbehaltenen Ausführungen im anschließend durchgeführten Nachverfahren haben keine Klageabweisung gerechtfertigt, so dass der Vorbehalt entfallen musste. Auch die dagegen nun vorgebrachten Berufungsgründe können zu keiner dem Beklagten günstigeren Entscheidung führen.

I.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss vom 28. Dezember 2010. Dort hat der Senat im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

"Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. 1. Der Ansicht des Beklagten, der Vergleich tauge schon deshalb nicht als verselbständigter Anspruchsgrund im Sinne des § 779 BGB, weil ihm kein gegenseitiges, insbesondere kein Nachgeben der Klägerin (Rechtsanwältin) zugrunde liege, kann nicht gefolgt werden.

a) Der Beklagte übersieht, dass die Klägerin ursprünglich überhaupt keinen eigenen Honoraranspruch gegen ihn hatte; denn ein Mandatsverhältnis hatte nur zwischen dem Beklagten und Rechtsanwalt Dr. M. bestanden, in dessen Namen die nicht mit ihm soziierte, sondern bloß angestellte Klägerin tätig geworden war und in dessen Namen sie auch die mit dem Beklagten getroffene Honorarvereinbarung vom 19. Februar 2009 (künftig: Honorarvereinbarung) abgeschlossen hatte. Obwohl Rechtsanwalt Dr. M. dem Vergleich formell nicht beigetreten war, ging es darin doch (allein) um die Regelung sämtlicher Vergütungsansprüche für anwaltliche Tätigkeiten, die er und in seinem Namen die Klägerin in der Zeit vom 13. Februar bis 2. April 2009 entfaltet hatte. Zu diesem Ergebnis führt die gemäß §§ 133, 157 BGB gebotene Auslegung des Vergleichs.

aa) Es entspricht anerkannten Auslegungsgrundsätzen, dass zwar vom Wortlaut der Vergleichserklärungen auszugehen ist (BGH NJW-RR 2000, 1002 sub II.2a und NJW-RR 2006, 976 jew. m.w.N.; MünchKomm-BGB/Busche, 5. Aufl. [2006], § 133 Rn 56), dass bei dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks aber insbesondere dann nicht stehen zu bleiben ist, wenn ausreichende objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Vergleichstext lückenhaft oder missverständlich ist; dann ist sogar eine Auslegung gegen den Erklärungswortlaut möglich und notwendig (vgl. BGH NJW-RR 1991, 51, 52 sub I.2; BGHZ 80, 246, 249 f.; 86, 41, 45 ; NJW-RR 1999, 593 sub I.2b,aa; MDR 2009, 356 = OLGR Düsseldorf 2009, 167). Bei der Willenserforschung hat das Gericht im Übrigen auch den mit dem Verhandlungsgegenstand verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können (vgl. BGH NJW-RR 2008, 683 m.w.N.; Senat aaO). Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. BGHZ 103, 275, 280; 36, 30, 33; BGH NJW 2009, 774; BGH WuM 2010, 288 = MDR 2010, 650 sub II.3a,aa).

bb) Unter Anlegung dieses Maßstabs erfasst der Vergleich über seinen lückenhaften Wortlaut hinaus eine abschließende Regelung aller vergütungsfähigen Ansprüche des Rechtsanwalts Dr. M. in dem schon genannten Zeitraum. Um welche Abrechnungspositionen es dabei ging, ist dem an den Beklagten gerichteten und von ihm selbst vorgelegten Schreiben des Rechtsanwalts Dr. M. vom 02. April 2009 (künftig: Schreiben) sub Nr. 4 (S. 2 f., GA 63 f.), sub Nr. 5 (S. 3, GA 64) und sub Nr. 6 (S. 3 f., GA 64 f.) zu entnehmen:

Strafrechtliche Bearbeitung des Falles lt. Aufstellung/Klägerin (71,5 Std)

Strafrechtliche Mitbearbeitung durch Rechtsanwalt Dr. M. (mehrere Std., nahezu tägl. Befassung)

Zivilrechtliche Bearbeitung "B. GmbH" durch die Klägerin und Rechtsanwalt Dr. M. (34 Std)

Dem Schreiben ist ferner zu entnehmen, dass Rechtsanwalt Dr. M. eine abschließende Verständigung mit dem Beklagten anstrebte, und zwar unter Beteiligung seines Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt K. (beauftragter Insolvenzanwalt) oder eines anderen Rechtsanwalts mit folgenden Zielen:

Vergütung der Klägerin für die strafrechtliche Bearbeitung auf der Grundlage der Stundenaufstellung (71,5 Std)

Keine gesonderte Vergütung der angefallenen Reisekosten

Keine besondere Vergütung mehr für Rechtsanwalt Dr. M.

Keine besondere Vergütung mehr für die zivilrechtliche Bearbeitung "B. GmbH"

Dieser Vorschlag des Rechtsanwalts Dr. M. ist in seinem Kern Gegenstand des Vergleichs geworden, wobei der Beklagte zusätzlich für einen substanziellen, hier nicht anhängigen Teilbetrag (rund 60% des Gesamthonorars) eine ihn begünstigende Stundungsvereinbarung verabredet hat. Jedenfalls in der gebotenen Auslegung erfüllt der Vergleich die gesetzlichen Voraussetzungen des § 779 BGB, was keiner näheren Begründung mehr bedarf.

2. Auch die Ansicht des Beklagten, der Vergleich binde ihn nicht, weil der als feststehend vorausgesetzte Sachverhalt im Sinne des § 779 BGB in Wirklichkeit nicht gegeben sei, ist von Rechtsirrtum beeinflusst.

a) Der Beklagte hatte, wie dem Schreiben ebenfalls entnommen werden kann, die ihm am 2. April 2009 bekannt gegebenen Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts Dr. M. wie folgt angegriffen:

Keine Vergütung der Klägerin zum vereinbarten Stundensatz (300,00 €)

Abgerechnete Stunden sind z. T. nicht erbracht worden

Zum Teil überflüssige Marathontelefongespräche

Unzulässige Aufrundung von Zeitfraktionen

Keine besondere Vergütung für die zivilrechtliche Bearbeitung des Komplexes "B. GmbH"

Keine besondere Vergütung des von Rechtsanwalt Dr. M. beanspruchten Stundenaufwands

b) Hinsichtlich dieser Angriffspunkte hatten zwischen den Parteien teils rechtliche, teils tatsächliche Meinungsunterschiede und Unsicherheiten bestanden, die mit dem Vergleich ausgeräumt werden sollten. Mit Einwendungen, die diese "verglichenen Streitpunkte" betreffen und die der Beklagte ausschließlich im Rechtsstreit vorbringt, ist er ausgeschlossen. Es ist gerade der Sinn und Zweck eines Vergleichs im Sinne des § 779 BGB, zur Vermeidung eines sonst notwendigen Rechtsstreits Meinungsunterschiede und Unsicherheiten durch gegenseitiges Nachgeben auszuräumen.

c) Der Ausschluss gilt auch für den Einwand, die Honorarvereinbarung sei sittenwidrig gewesen, weshalb der Vergleich das rechtliche Schicksal der nichtigen Honorarvereinbarung teile. Der Beklagte hat schon nicht aufzeigt, weshalb die Honorarvereinbarung sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB gewesen sein soll. Alle Angriffe zur Honorarhöhe beziehen sich entweder auf eine angeblich unzutreffende und deshalb allenfalls korrekturbedürftige Abrechnung oder allenfalls gemäß § 3a Abs. 2 S. 1 RVG vorzunehmende Korrekturen. Zudem übersieht der Beklagte, dass auch eine für sittenwidrig gehaltene Honorarvereinbarung Gegenstand eines Vergleichs sein kann (vgl. BGH, Beschl. v. 05.05.2009, Az. IX ZR 151/08 [abgedr. bei juris] und Beck RS 2009, 12594; BGH WM 1989, 1478).

3. Schließlich wird der rechtliche Bestand des Vergleichs auch nicht berührt durch die am 22. Dezember 2009 erklärte Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung, unter deren Wirkung der Beklagte zum Vergleichsabschluss bestimmt worden sein will.

a) Die Ansicht des Beklagten, bereits das Schreiben enthalte gegen ihn gerichtete Drohungen, ist rechtlich unhaltbar. Rechtsanwalt Dr. M. erläutert seine Sichtweise zum Stand der Ermittlungen und möglicher Gefahren, denen der Beklagte noch ausgesetzt sein könnte, wenn bestimmte, von keiner Seite näher dargelegte Sachverhalte zur Kenntnis der Staatsanwaltschaft gelangen. Nur in diesem Zusammenhang warnt Rechtsanwalt Dr. M. den Beklagten, keine unwahren Angaben zur Verteidigungstätigkeit der Klägerin zu machen, insbesondere nicht, wie bereits geschehen, gegenüber der ermittelnden Staatsanwältin, um die Kanzlei nicht zu zwingen, für die gebotene Richtigstellung zu sorgen. Ferner warnt Rechtsanwalt Dr. M. den Beklagten, abgerechneten Stundenaufwand in unsubstanziierter Weise zu bestreiten und die Kanzlei auf diese Weise zu zwingen, ggf. dem Beklagten unangenehme Einzelheiten über die tatsächlich in seinem Interesse entfalteten Verteidigungstätigkeiten in einem ggf. zu führenden Honorarprozess zu offenbaren. In diesem hätten sie, was rechtlich zutreffend ist, nicht (mehr) der Verschwiegenheitspflicht des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB und des § 43a Abs. 2 BRAO unterlegen, soweit die Offenbarung von anvertrauten Mandanteninformationen erforderlich ist, um den Gebührenanspruch näher begründen zu können (vgl. OLG Stuttgart MDR 1999, 162 m. zahlr. w. Nachw.). Am Ende des Schreibens stellt Rechtsanwalt Dr. M. im Übrigen klar, was an sich selbstverständlich ist, ihm aber mit Blick auf die Persönlichkeit des Beklagten geboten erscheint, dass der Kanzlei anvertraute Geheimnisse nicht offenbart werden, es sei denn, der Beklagte zwinge sie dazu. Dass der Beklagte die zutreffende Darstellung der Rechtslage als Drohung empfindet, ändert nichts daran, dass es sich objektiv nicht um eine solche handelt.

b) Der schon erstinstanzlich aufgestellten und im zweiten Rechtszug wiederholten Behauptung des Beklagten, vor Unterzeichnung am 21. April 2009 habe die Klägerin mündlich damit gedroht, sie werde ihn "anzeigen", wenn er den Vergleich nicht unterschreibe, ist wegen ihrer Beweislosigkeit nicht nachzugehen."

II.

An diesen Erwägungen hält der Senat fest. Die dagegen von dem Beklagten in der Schrift seines Prozessbevollmächtigten vom 31. Januar 2011 vorgebrachten Einwendungen sind in keinem Punkt neu, überzeugen den Senat unverändert nicht und geben deshalb keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung des Sachverhalts.

III.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 07.02.2011
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