Bundesgerichtshof:
Urteil vom 19. Oktober 2010
Aktenzeichen: VI ZR 237/09

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 16. Juni 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt Erstattung eines Teils der Rechtsanwaltsgebühren, die ihr im Zusammenhang mit der Abmahnung eines in der "S. Zeitung" abgedruckten und durch die Beklagte im Internet verbreiteten Interviews entstanden sind.

Die Verlegerin der S. Zeitung ist die Muttergesellschaft der Beklagten. Das am 9. Juni 2007 von einem Redakteur der S. Zeitung mit dem freien Journalisten J. R. geführte Interview veröffentlichte die Beklagte unter dem Titel "Es geht auch um Beamte, die sich selbst bereicherten". Die Klägerin beanstandete die Veröffentlichung der Antwort auf die Frage des Interviewers: "Wer hat sich selbst bereichert€" Die Klägerin ließ sowohl die Verlegerin der S. Zeitung, in der das Interview am 11. Juni 2007 abgedruckt worden war, als auch die Beklagte durch ihre späteren Prozessbevollmächtigten mit der Aufforderung abmahnen, es künftig zu unterlassen, durch Berichterstattung den Eindruck zu erwecken, sie habe mit dem ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium des Landes S. Beraterverträge abgeschlossen. Gleichzeitig verlangte sie die Erstattung entstandener Rechtsanwaltskosten. Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 verpflichteten sich die Beklagte und die Verlegerin, die Verbreitung der betreffenden Interviewäußerung zu unterlassen und klarzustellen, dass die in der Antwort genannten Beraterverträge zwischen dem ehemaligen Staatssekretär und der Klägerin nicht zustande gekommen sind.

Die Klägerin hat die Beklagte und in einem Parallelverfahren (Amtsgericht Az. C ) die Verlegerin jeweils auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten auf der Grundlage einer 1,3-Geschäftsgebühr (1.005,40 € zuzüglich Auslagenpauschale) und Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von 30.000 € in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen, soweit sie eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von mehr als 651,80 € nebst anteiliger Zinsen seit Rechtshängigkeit beantragt hatte. Die Beklagte hat der Klagerücknahme nicht zugestimmt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 651,80 € nebst Zinsen verurteilt. Es hat die Revision zur Fortbildung des Rechts bzw. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil von den Instanzgerichten die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, unterschiedlich beurteilt werde. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin durch die beanstandete Veröffentlichung in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt worden sei, weil darin der Wahrheit zuwider behauptet werde, die Klägerin habe mit dem ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium des Landes S. Beraterverträge abgeschlossen. Die Beauftragung der Rechtsanwälte durch die Klägerin sei zur Wahrnehmung ihrer Rechte zweckmäßig und erforderlich gewesen. Dass die Klägerin auch die Verlegerin wegen der Printveröffentlichung auf Erstattung von Anwaltskosten in Anspruch genommen hat, hindere nicht die Annahme verschiedener Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinn. Bei der Verfolgung der Ansprüche einer Person wegen der Veröffentlichung eines Artikels gegen zwei Verletzer handele es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten. Tatsächlich lägen bei unterschiedlichen Störern unterschiedliche Prüfungsaufgaben vor. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Berichterstattung durch den Verleger einer Printveröffentlichung sei von der Prüfung der Verbreiterhaftung durch den Betreiber einer Internetseite zu trennen. Der Text einer Onlineveröffentlichung könne Zusätze oder Streichungen enthalten, so dass zur Vermeidung unberechtigter Abmahnungen eine gesonderte Überprüfung der jeweiligen Veröffentlichungen erforderlich sei. Hinzu komme die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des gegebenenfalls anzurufenden Gerichts, da die Gerichtsstände für die Printveröffentlichung und die Onlinemeldung nicht unbedingt identisch seien. Auch die größere Übersichtlichkeit über die Verfahren rechtfertige die getrennte Verfolgung der Ansprüche.

II.

Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

1. Die Revision ist, soweit sie sich gegen die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach richtet, bereits unstatthaft und damit unzulässig, weil insoweit die Revision nicht zugelassen ist (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Zulassung auf die Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs beschränkt.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 8 und vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, WRP 2010, 1255, 1256; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6 jeweils m.w.N.). Insbesondere kann bei einem nach Grund und Betrag streitigen Klageanspruch wie im vorliegenden Fall die Zulassung der Revision auf Fragen beschränkt werden, die allein die Höhe der geltend gemachten Forderung berühren, da in einem solchen Fall der Rechtsstreit vom Tatrichter durch ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO in ein Grund- und ein Höheverfahren zerlegt werden kann (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1980 - VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397, 399; vom 30. September 1980 - VI ZR 213/79, VersR 1981, 57, 58 und vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98, VersR 1999, 245, 246).

b) Der Annahme einer beschränkten Revisionszulassung steht nicht entgegen, dass die Entscheidungsformel des Berufungsgerichts keine Einschränkung enthält. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO, Rn. 9; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, aaO, Rn. 7; Beschlüsse vom 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365 und vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, WM 2010, 848, Rn. 4 jeweils m.w.N.).

Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nur im Hinblick auf die Frage bejaht hat, ob es sich bei der Abmahnung verschiedener Unterlassungsschuldner, nämlich der Verlegerin der Print-Ausgabe und der Beklagten als Verantwortlichen der Online-Ausgabe um eine oder um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG handele. Diese Rechtsfrage ist aber allein für die Höhe des Schadensersatzanspruchs entscheidungserheblich. Für den Grund ist sie hingegen bedeutungslos.

2. Die Revision hat in der Sache Erfolg, soweit sie zulässig ist. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer fehlerhaften Würdigung der zugrunde liegenden Tatsachen angenommen, es handele sich bei den Abmahnungen der Beklagten und der Verlegerin nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG.

a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz wegen der abgemahnten Veröffentlichung bejaht und angenommen hat, dass die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts grundsätzlich ersatzfähig sein können, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. dazu Senat, Urteile vom 8. November 1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 f.; vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, VersR 2006, 521, Rn. 5; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05, VersR 2007, 505, Rn. 10 und - VI ZR 188/05, VersR 2007, 506, Rn. 10; vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06, VersR 2008, 413, Rn. 13; vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07, VersR 2008, 985, Rn. 5; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 20 und vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, WRP 2010, 1259, 1260).

Vergeblich stellt die Revision die Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund einer Mehrdeutigkeit der beanstandeten Textpassage in Frage. Dass die Beklagte dem Grunde nach haftet, hat das Landgericht in nicht mehr angreifbarer Weise festgestellt. Hiervon ist für den weiteren Rechtsstreit auszugehen. Auch lässt die Annahme des Landgerichts, dass der Klägerin wegen der abgemahnten Veröffentlichung dem Grunde nach ein auf die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten gerichteter Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 GG zusteht, weil die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte der Klägerin grundsätzlich notwendig war, obwohl diese über eine Rechtsabteilung verfügt, Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klägerin war nicht gehalten, die Abmahnung von ihrer Rechtsabteilung fertigen zu lassen. Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dieser neben der rechtlichen Überprüfung der eigenen geschäftlichen Aktivitäten auch die Überprüfung der Zulässigkeit von gegen sie gerichteten Veröffentlichungen zu übertragen (vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - I ZR 30/08, WRP 2010, 1169, 1171).

b) Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zwei selbständige Angelegenheiten für die Abmahnung gegen die Beklagte und gegen die Verlegerin der "S. Zeitung" angenommen hat.

aa) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 86 f.; vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330; vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154; vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 173/07, VersR 2009, 408, Rn. 12; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 18; vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, WRP 2010, 1259 und vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, WRP 2010, 1255). Dies ist aber hier der Fall.

bb) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (Senatsurteile vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06, aaO, Rn. 17, vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO, Rn. 20; vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09 und vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, jeweils aaO). Im rechtlichen Ansatz geht auch das Berufungsgericht hiervon aus. Jedoch vermag der Senat die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Verfolgung der Ansprüche einer Person wegen der Veröffentlichung eines Artikels gegen zwei Verletzer handele es sich stets um zwei verschiedene Angelegenheiten, nicht zu teilen. Diese Beurteilung beruht auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne.

(1) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass sich die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten lässt und dabei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (vgl. Senat, Urteile vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06, VersR 2008, 413, Rn. 14; vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07, VersR 2008, 985, Rn. 5 ff. und vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 24; BGH, Urteile vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94, NJW 1995, 1431 und vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045). Dementsprechend hat es die Umstände des Streitfalls nicht hinreichend gewürdigt.

(2) Es hat darüber hinaus verkannt, dass die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne nicht voraussetzt, dass der Anwalt nur eine einzige Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene, in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann durchaus mehrere Gegenstände umfassen (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO, Rn. 25, m.w.N.). Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen - z.B. in einem Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, aaO; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927, 2928; N. Schneider in Anwaltskommentar RVG, 5. Aufl., § 15 RVG, Rn. 31 f.).

(3) Das Berufungsgericht hat auch den Begriff des - für die Annahme einer Angelegenheit erforderlichen - inneren Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit verkannt. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. Senat, Urteile vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 jeweils aaO, Rn. 26; BGH, Urteile vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 und vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, jeweils aaO; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 9. Aufl., § 15 Rn. 24). Der Annahme einer Angelegenheit steht nicht schon entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll und dass ein Vorgehen gegen mehrere Schädiger erforderlich ist. Ein einheitlicher Auftrag kann auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird. In einem solchen Fall muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder ob er für jeden von ihnen gesondert tätig werden sollte (LG Hamburg, AfP 2010, 185, 187; AG Hamburg, AfP 2008, 233; RVG-Anwaltkommentar/N. Schneider, 5. Aufl., § 15 Rn. 27 f.; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., § 15 Rn. 8; Mayer/Kroiß, Winkler RVG, 4. Aufl., § 15 Rn. 46; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 15 RVG Rn. 15).

Die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger kann eine einzige Angelegenheit sein. Dies kommt in Fällen wie dem vorliegenden insbesondere dann in Betracht, wenn den Schädigern eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist und demgemäß die erforderlichen Abmahnungen einen identischen oder zumindest weitgehend identischen Inhalt haben sollen. So wird das Vorliegen einer Angelegenheit bejaht, wenn Unterlassungsansprüche die gleiche Berichterstattung betreffen, an deren Verbreitung die in Anspruch Genommenen in unterschiedlicher Funktion mitwirken (Senatsurteil vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO, 1261). Abweichendes mag gelten, wenn es um - auch unternehmerisch - eigenständige Publikationen geht (vgl. LG Hamburg, AfP 2010, 197). In der Regel kommt es auch nicht darauf an, dass jede Abmahnung wegen der verschiedenen Rechtspersönlichkeiten gegenüber jedem Schädiger ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann. Sofern die Reaktionen der verschiedenen Schädiger auf die gleichgerichteten Abmahnungen nicht einheitlich ausfallen und deshalb eine differenzierte Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erfordern, können aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO; BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927, Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045).

Der Beurteilung als eine Angelegenheit steht auch nicht schon entgegen, dass die Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung hinsichtlich verschiedener in Anspruch zu nehmender Personen - etwa des Autors des Artikels, des Verlags, des Domain-Inhabers und des Betreibers des Online-Angebots - aufgrund der Verbreiterhaftung getrennt zu prüfen ist (vgl. LG Frankfurt/Main, AfP 2009, 77, 78; a.A. LG Berlin, JurBüro 2009, 421 f.; AfP 2009, 86, 87). Insofern mag es sich um verschiedene Gegenstände handeln (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2005 - VIII ZB 52/04, NJW 2005, 3786; vom 15. April 2008 - X ZB 12/06, AnwBl. 2008, 638; OLG Stuttgart, JurBüro 1998, 302 f.). Mehrere Gegenstände bzw. Prüfungsaufgaben können indes in derselben Angelegenheit behandelt werden (Senatsurteile vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO und vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO; Gerold/Schmidt/Mayer, aaO, Rn. 6, 8).

cc) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb angenommen, im Streitfall seien verschiedene Angelegenheiten gegeben. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass die Abmahnschreiben inhaltlich im Wesentlichen gleich lauten, vom selben Tag datieren und die Endnummern der Kostennoten aufeinander folgen. Die Beklagte und die Verlegerin haben die Unterlassungsverpflichtungserklärung gleichlautend abgegeben. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin für eine getrennte Verfolgung ergibt sich nicht bereits daraus, dass durch getrennte Bearbeitungen eine bessere Übersichtlichkeit über die bereits anerkannten und die noch zu verfolgenden Ansprüche gegeben wäre. Hiervon kann nicht schon von vornherein ausgegangen werden. Vielmehr bleibt abzuwarten, ob eine differenziertere Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erforderlich wird und infolge dessen aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO; BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, aaO).

c) Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die Umstände des Streitfalls mit Blick auf die dargestellten Rechtsgrundsätze umfassend würdigen und dem insoweit maßgeblichen Sachvortrag der Parteien nachgehen kann.

Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr Vorinstanzen:

AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 25.11.2008 - 14 C 155/08 -

LG Berlin, Entscheidung vom 16.06.2009 - 27 S 1/09 -






BGH:
Urteil v. 19.10.2010
Az: VI ZR 237/09


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