Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. September 2004
Aktenzeichen: 25 W (pat) 70/03

(BPatG: Beschluss v. 30.09.2004, Az.: 25 W (pat) 70/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Für die am 25. Februar 2000 in das Markenregister eingetragene Bezeichnung Desmopurwird nach Teillöschung im Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch Schutz für die Waren "Desmopressinhaltige pharmazeutische Erzeugnisse und Arzneimittel" beansprucht. Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren für die Waren ÇPreparations et substances pharmaceutiquesÈ in der Bundesrepublik Deutschland Schutz genießenden Marke IR 657 618 DESMOTABS Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch zwei Beschlüsse, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch mangels bestehender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Ausgehend von der Registerlage und einer danach teilweise möglichen Identität der Waren für desmopressinhaltige pharmazeutische Erzeugnisse, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und maßgeblichen allgemeinen Verkehrskreisen sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern. Diesen halte die angegriffene Marke in jeder Hinsicht ein, da sich die Marken in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht durch die Endsilben "-pur" und "-tabs" hinreichend unterschieden und nicht davon auszugehen sei, dass der - auch von anderen Unternehmen verwendete und zudem beschreibende identische Anfangsbestandteil "Desmo-" allein prägend sei, zumal auch der abweichende Sinngehalt der Endbestandteile "-pur" für "rein" und "-tabs" für "Tabletten" einer Verwechslungsgefahr entgegenwirke.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle des DPMA aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle halte die angegriffene Marke nicht den gebotenen Abstand ein, da der Gesamteindruck beider Marken von dem identischen Anfangsbestandteil "Desmo-" geprägt werde. Dieser nehme in verschiedenen medizinischen Fachbegriffen wie "Desmocranium", "Desmodont" "Desmoid" usw zwar die Bedeutung von "Bindegewebe" oder "Haut" ein, unterscheide sich von diesen Fachbegriffen aber deutlich und werde hier als Produktname aufgefasst, während die glatt beschreibenden Zusätze "-pur" und "-tabs" vom Verkehr nur als Hinweis auf spezielle Verabreichungsformen gesehen würden.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

1) Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer noch durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus. Insoweit ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Widerspruchsmarke aus zwei Wortbestandteilen gebildet ist, welche nicht nur im Hinblick auf den in "-tabs" liegenden deutlichen Hinweis auf die Darreichungsform beschreibende Elemente enthält. Auch der Wortanfang "Desmo-" erweist sich in bezug auf die hier für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr relevanten identischen Waren, auf welchen sich die Marken begegnen können, insbesondere die für die jüngere Marke ausdrücklich beanspruchten desmopressinhaltigen pharmazeutischen Erzeugnisse, gleichfalls als sogenannter "sprechender" Markenbestandteil. Denn er weist jedenfalls für den Fachmann ohne weiteres erkennbar auf die Wirkstoffbezeichnung (INN) "Desmopressin" hin (vgl auch Rote Liste 2004 zu HG 50). Soweit die Widersprechende insoweit darauf verweist, dass "Desmo-" eine unterschiedliche Bedeutung haben könne, steht dies der vorliegenden Beurteilung nicht entgegen, da die Bedeutung eines Zeichens als betrieblicher Herkunftshinweis oder als Sachhinweis und damit die maßgebliche Kennzeichnungskraft immer in bezug auf die konkrete Ware zu beurteilen ist, hier mithin insbesondere in bezug auf desmopressinhaltige pharmazeutische Erzeugnisse, da sich die Marken insoweit auf identischen Waren begegnen können. Dennoch ist auch der Senat der Auffassung, dass der Widerspruchsmarke auch für diese Waren im Ergebnis eine noch - im unteren Bereich der Bandbreite normaler Kennzeichnungskraft liegende - durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist. Denn aus der Kennzeichnungsschwäche eines Wortbestandteils kann nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden, zumal es bei pharmazeutischen Erzeugnissen sogar der üblichen Praxis entspricht, Marken in der Weise zu bilden, dass diese als sogenannte sprechende Zeichen durch eine phantasievolle Zusammenstellung jedenfalls für den Fachmann erkennbarer Wirkstoff- und/oder Anwendungsangaben die stoffliche Beschaffenheit und /oder das Indikationsgebiet kenntlich machen (vgl BGH GRUR 1998, 815, 817 - Nitrangin).

Nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage können sich die Marken auch auf identischen Waren, nämlich desmopressinhaltigen pharmazeutischen Erzeugnisse, begegnen. Hierbei sind mangels Festschreibung einer Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen als angesprochene Verkehrskreise auch Laien zu berücksichtigen (vgl auch BGH MarkenR 2002, 49, 51 - ASTRA/ESTRA-PUREN). Insoweit kann allerdings nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich in tatsächlicher Hinsicht bei diesen pharmazeutischen Erzeugnissen um Spezialarzneimittel handelt, welche nach den Eintragungen in dem Arzneimittelverzeichnis "Rote Liste" sämtlich der Rezeptpflicht unterliegen und deshalb mit solchen Arzneimitteln nicht vergleichbar sind, die nicht nur auf Rezept und in Apotheken unter Einschaltung von Fachkräften erhältlich sind, sondern die vom Verbraucher zB auch in Supermärkten frei erworben werden können. Ferner ist zu berücksichtigen, dass im übrigen auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 2002, 231, 236 - Philips/Remington) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).

2) Auch wenn unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG noch strenge Anforderungen an den von der angegriffenen Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so hält diese auch nach Auffassung des Senats in jeder Hinsicht einen noch hinreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein.

In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die dreisilbigen wie "desmopur" und "desmotabs" gesprochenen Markenwörter ihrem jeweiligen Gesamteindruck noch hinreichend. Denn die auch klanglich gut überschaubaren Markenwörter weisen in ihrer jeweiligen Schlusssilbe die klanglich markant abweichenden Lautbestandteile "-pur" und "-tabs" auf, welche auch im jeweiligen klanglichen Gesamteindruck der Wörter und dem eher undeutlichen Erinnerungsbild der Verbraucher nicht unbemerkt bleiben werden. Hierbei ist wesentlich, dass die kennzeichnende Bedeutung der identischen Anfangsbestandteile "Desmo-" eher reduziert ist und sich der Verkehr, sofern er den Sinngehalt dieses "sprechenden" Markenbestandteils erkennt oder an eine entsprechend häufige Verwendung auf dem hier maßgeblichen Warengebiet gewöhnt ist, nicht ausschließlich oder überwiegend an diesem Wortbestandteil der Markenwörter orientieren wird. Aber auch wenn der Verkehr die beschreibende Bedeutung von "Desmo-" nicht erkennen sollte, was im Hinblick auf die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise durchaus anzunehmen ist, kann aus Rechtsgründen einem beschreibenden Markenbestandteil nicht ohne weiteres entscheidendes kennzeichnendes Gewicht für die Beurteilung der Kollisionsgefahr beigemessen werden, auch wenn der Gesamteindruck selbst durch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente mitbestimmt werden kann oder unter besonderen Voraussetzungen eine andere Betrachtungsweise geboten sein mag (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 331; BGH GRUR 1996, 200 - Innovadiclophlont; BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH; BGH MarkenR 2004, 356 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRA-FLEX). So hat der Bundesgerichtshof auch in der Entscheidung "AntiVir/AntiVirus" (MarkenR 2003, 388, 390) ausgeführt, dass bei der Prüfung einer Verwechslungsgefahr nicht entscheidend auf Übereinstimmungen allein mit der beschreibenden Angabe selbst abgestellt werden könne, sondern dass maßgebend vielmehr der Eindruck der Marke in der den Schutz dieses Zeichens begründenden Gestaltung - also der Eigenprägung und Unterscheidungskraft der Marke - sei.

Hieraus folgt, dass auch vorliegend die Übereinstimmung der Markenwörter in dem Anfangsbestandteil "DESMO-" nur eine bereits aus Rechtsgründen eingeschränkte kollisionsbegründende Bedeutung aufweist, auch wenn die Marken hinsichtlich ihrer weiteren Markenbestandteile gleichfalls aus beschreibenden Bestandteilen gebildet sind und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen sein soll (vgl BGH MarkenR 2004, 356, 358 - NEURO-VIBO-LEX/NEURO-FIBRAFLEX - mwH). Hiervon ausgehend reicht nach Ansicht des Senats trotz angemessener Berücksichtigung der übereinstimmenden Anfangsbestandteile "Desmo-" die Ähnlichkeit der Marken auch bei identischen Waren und noch strengen Anforderungen an den Zeichenabstand nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr bejahen zu können, wenn es sich auch fast um einen Grenzfall handeln mag. Die klanglich abweichenden Endsilben "-pur" und "-tabs" gewährleisten unter Berücksichtigung dieser Kriterien noch eine hinreichende Differenzierung des jeweiligen Gesamteindrucks der Wörter und ihr hinreichend sicheres Auseinanderhalten auch nach dem eher undeutlichen Erinnerungsbild, wobei auch nicht unberücksichtigt bleiben kann, dass der Sinngehalt der Markenwörter wegen der abweichenden Endsilben "-pur" und "-tabs" auffallend unterschiedlich ist, was einer Verwechslungsgefahr zusätzlich in nicht unerheblichem Umfang entgegenwirkt (vgl BGH MarkenR 2004, 253, 255 - dcfix/CD-FIX; BGH MarkenR 2003, 461, 465 - Kellog's # Kelly's - mwN). Denn die Endsilben "-pur" und "-tabs" stehen weder in einem gedanklich assoziativen Zusammenhang noch handelt es sich bei der Endsilbe "-pur" der angegriffenen Marke um einen typischen Abwandlungsbestandteil des Gesamtworts, während sich der Endbestandteil "-tabs" in der Widerspruchsmarke auch dem Laien unmittelbar und ohne analytische Betrachtung als Sachhinweis auf die Darreichungsform aufdrängt und damit einen eindeutigen Begriffsgehalt vermittelt, welcher in der angegriffenen Marke keine Entsprechung findet.

Ebenso weisen die Marken in jeder üblichen Schreibweise im Schriftbild wegen ihrer abweichenden Kontur der Buchstaben und bei Kleinschrift und handschriftlicher Wiedergabe abweichenden Unterlänge/Oberlänge in der Wortmitte noch einen hinreichenden Abstand auf. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.

Der Senat sieht aus den vorgenannten Gründen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Marken gedanklich in Verbindung gebracht und deshalb verwechselt werden. Dies gilt unter dem Gesichtspunkt, dass die angegriffene Marke wegen des übereinstimmenden Bestandteils "Desmo-" als Serienzeichen einer Markenserie angesehen und der Widersprechenden zugeordnet werden könnte. Denn dieser ist wegen seines beschreibenden Charakters kaum geeignet, vom Verkehr als Unternehmenshinweis und als Stammbestandteil einer von der Widersprechenden gebildeten Markenserie aufgefasst zu werden, zumal die Widersprechende auch nicht behauptet, einen entsprechenden Stammbestandteil im Rahmen einer existierenden Markenserie zu verwenden (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 484), der Bestandteil "Desmo-" auch von anderen Unternehmen für die hier maßgeblichen Arzneimittel verwendet wird (zB RL 2004, HG 50 Nr 18 "Desmogalen") und - wie bereits erläutert - die abweichenden Endsilben der Markenwörter keine typischen, zugehörigen Abwandlungsbestandteile darstellen. Aus diesem Grund und mangels sonstiger charakteristischer struktureller oder begrifflicher Gemeinsamkeiten bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken aus anderen Gründen gedanklich miteinander in Verbindung bringen und deshalb verwechseln (vgl hierzu BGH MarkenR 2004, 348, 352 - Zwilling/Zweibrüder - mwN; BPatG GRUR 2002, 438, 440 - WISCHMAX/Max - mwN) wie auch bei dieser Sachlage keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne begründet ist (vgl hierzu BGH MarkenR 2004, 348, 352 - Zwilling/Zweibrüder - mwN; Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 500 ff).

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Bayer Engels Pü






BPatG:
Beschluss v. 30.09.2004
Az: 25 W (pat) 70/03


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