Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. September 2003
Aktenzeichen: 27 W (pat) 136/03

(BPatG: Beschluss v. 16.09.2003, Az.: 27 W (pat) 136/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Markeninhabers werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. Dezember 2001 und vom 20. Februar 2003 aufgehoben. Der Widerspruch aus der Marke 2 013 098 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die am 27. Mai 1999 angemeldete und am 18. November 1999 veröffentlichte Eintragung der Wortbildmarkefür "Brillen, Sonnenbrillen, Sportbrillen, Lesehilfen, optische Fassungen, Brillenetuis, Brillenputztücher, Ferngläser, Vergrößerungsgläser, Mikroskope" ist Widerspruch eingelegt aus der am 22. April 1992 unter Nr 2 013 098 für "Optische Erzeugnisse, nämlich Brillen und Sonnenbrillen, sowie diesen angepaßte Behältnisse; Bett- und Badwäsche" eingetragenen Wortmarke MEXX.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Widerspruchsverfahren die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten; hierauf hat die Widersprechende zwei eidesstattliche Versicherungen sowie weitere Benutzungsunterlagen vorgelegt.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit zwei Beschlüssen vom 28. Dezember 2001 und 20. Februar 2003, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch zurückgewiesen. Aufgrund der vorgelegten Benutzungsunterlagen sei eine Benutzung der Widerspruchsmarke jedenfalls für "Sonnenbrillen" glaubhaft gemacht; die von der Widersprechenden konkret benutzte grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke reiche für eine rechtserhaltende Benutzung entgegen der Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke aus. Die Waren, für welche die Widerspruchsmarke verwendet werde, seien mit den für die jüngere Marke geschützten Waren teils identisch, teils hochgradig ähnlich. Den danach erforderlichen Abstand zu der durchschnittlich kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke aber nicht ein. Denn hierfür reiche der allein abweichende Anfangsbuchstabe nicht aus, da die beiden unterschiedlichen Konsonanten "L" und "M" klangschwach seien und zu den Augenblickslauten zählten, so dass dieser Unterschied leicht überhört werden könne, zumal die identischen Endungen der angegriffene Marke markant in Erscheinung träten. Da somit eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen sei, sei die jüngere Marke auf den Widerspruch zu löschen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffenen Marke, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Widerspruchs anstrebt. Er bestreitet weiterhin eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke, weil die konkrete Form, in welcher das Markenwort "MEXX" allein verwendet werde, dessen kennzeichnenden Charakter verändere. Im übrigen sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wegen zahlreicher benutzter Marken im einschlägigen Warengebiet mit den Endkonsonanten "XX" oder "KS" geschwächt. Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr spiele eine klangliche Ähnlichkeit keine Rolle, weil die betroffenen Waren allein auf Sicht gekauft würden. Die begrifflichen Unterschiede beider Marke durch die Anklänge an Mexiko auf der einen Seite und den lateinischen Begriff für Gesetz auf der anderen Seite schlössen eine Verwechslungsgefahr aus.

Die Widersprechende ist dem entgegengetreten. Ihrer Auffassung nach ist der kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke durch die konkret verwendete grafische Form, in welcher sie benutzt werde, nicht verändert. Für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke von Haus aus gebe es keine Anhaltspunkte; vielmehr sei sie durch den sehr großen Bekanntheitsgrad auf dem Bekleidungssektor, der auch auf Brillen ausstrahle, sogar deutlich gestärkt. Begriffliche Unterschiede bestünden bei den Vergleichsmarken nicht, da es sich bei beiden Kennzeichnungen um reine Fantasiebezeichnungen handele.

In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken im Sinne des §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nicht besteht.

Denn ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Benutzung der Widerspruchsmarke "MEXX" für "Sonnenbrillen" in der konkret verwendeten Form mit bildlich ausgestaltetem Buchstaben "E" noch als rechtserhaltend anzusehen ist, hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke trotz teilweiser Warenidentität und teilweiser hochgradiger Warenähnlichkeit noch ein.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist dabei als normal einzustufen. Entgegen der Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke gibt es keine Anhaltspunkte für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Soweit er hierzu auf angebliche Drittmarken hingewiesen hat, können ohnehin nur solche in Betracht gezogen werden, welche für eng benachbarte Waren (hier also für Brillen) geschützt sind und im Ähnlichkeitsbereich beider gegenüberstehenden Marken liegen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rn 316 mwN). Lediglich 13 der von ihm genannten Drittmarken sind aber auch für optische Hilfsmittel geschützt, nämlich die Marken 300 28 170 MUXX, 399 77 528 MAX MILES, 398 10 565 YOUNG EYEWEAR MAX, 395 23 295 MAXX, 399 26 455 SPEXX, 395 50 759 SPECXS, 300 43 060 T-FLEX, 300 50 510 C-MEX SYSTEMS, die Gemeinschaftsmarken 1 447 382 SOLA MAX, 1 414 978 MAX MILES, 396 416 LEON MAX, 1 165 216 TIMEX und die auch im Inland geschützte IR-Marke R 328 368 SOLEX. Von diesen wiederum weisen nur vier eine mit den Vergleichsmarken vergleichbare Markenbildung in Form eines einsilbigen Wortes mit dem durch Verdopplung verstärkten Konsonanten "X" bzw einer ähnlichen Lautbildung durch die Konsonantenfolge "CXS" auf. Abgesehen davon, dass über den Umfang ihrer Benutzung nichts bekannt ist, reicht eine so geringe Anzahl an vergleichbaren Drittmarken für die Annahme nicht aus, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei von Haus aus geschwächt.

Es sind aber auch keine Anhaltspunkte für die von der Widersprechenden geltend gemachte Steigerung der Kennzeichnungskraft der Marke "MEXX" erkennbar. Auf die von ihr hierzu vorgelegte Kommunikationsanalyse der Frauenzeitschrift BRI-GITTE aus dem Jahr 2002, in welcher ein Bekanntheitsgrad der Kennzeichnung "MEXX" von 50 % im Bekleidungsbereich ausgewiesen ist, kann sie sich dabei nicht berufen, weil eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bereits im Zeitpunkt der hier am 27. Mai 1999 erfolgten Anmeldung der jüngeren Marke gegeben gewesen sein muss (vgl Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl, § 9 Rn 40). Die im Widerspruchsverfahren eingereichte Kommunikationsanalyse der Zeitschrift BRIGITTE für das Jahr 1998 weist aber für die Bekleidungsmarke "MEXX" lediglich eine Bekanntheit von 30 % aus. Dies reicht schon auf diesem Warensektor für die Annahme einer Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht aus. Auch wenn die Stärke der Kennzeichnungskraft einer Marke nicht einen bestimmten Prozentsatz ihrer Bekanntheit voraussetzt, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rn 297 mwN), ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Analyse sich auf insgesamt rund 120 Marken bezieht, von denen lediglich 1/3 einen Bekanntheitsgrad von unter 30 % hatten, während bereits 1/6 teils deutlich über 50 % lagen. Die Bekleidungsmarke "MEXX" mit einer Bekanntheit von 30 % im Jahr 1998 war daher damals eher im unteren Mittelfeld einzureihen; ist der damalige Bekanntsgrad somit nicht als deutlich über dem Durchschnitt liegend einzustufen, kann hieraus eine Steigerung der Kennzeichnungskraft nicht hergeleitet werden. Das gilt erst recht für die Marke "MEXX" in bezug auf die hier maßgeblichen Sonnenbrillen, denn selbst wenn zugunsten der Widersprechenden eine Ausstrahlung des für die Bekleidungsmarke erreichten Bekanntheitsgrades von 30 % auf Sonnenbrillen als Accessoires zu Bekleidung im weiteren Sinne angenommen wird, kann die dadurch erreichte Bekanntheit auf jeden Fall nur geringer sein als für Bekleidung. Schließlich ergibt sich eine gesteigerte Kennzeichnungskraft für Sonnenbrillen auch nicht aus den vorgelegten Benutzungsunterlagen, insbesondere aus den für die Jahre 1996-1999 eidesstattlich versicherten Umsatzzahlen. Denn abgesehen davon, dass eine für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft erforderliche Vergleichsgröße in Form der Umsatzzahlen der gesamten Brillenbranche nicht bekannt ist, reichen auch die genannten nicht allzu hohen Umsatzzahlen von jährlich mindestens ca ... DM für die Annahme einer Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht aus.

Unter Berücksichtigung der teilweise Warenidentität bzw. -ähnlichkeit und der normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reichen die vorhandenen Unterschiede in beiden Marken aber noch aus, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen.

In schriftbildlicher Hinsicht können die beiden unterschiedlichen Anfangsbuchstaben "L" und "M" bei ihrer Wiedergabe in allen üblichen Schrifttypen nicht übersehen werden. Hierfür spricht nicht nur ihre unterschiedliche Schreibweise, sondern auch ihre Stellung am erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang; dieser Erfahrungssatz wird hier auch nicht, wie die Widersprechende meint, dadurch relativiert, dass die übrigen Wortteile besonders markant seien. Denn ungeachtet der Bedeutung des doppelt vorhandenen Konsonanten "X" steht dem die Kürze der Vergleichsmarken entgegen, die den Verkehr verstärkt dazu veranlasst, auf alle Bestandteile zu achten. Dann wird aber der unterschiedliche Wortanfang von ihm nicht übersehen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass auf dem hier in Rede stehenden Warengebiet der Verkehr seine Kaufentscheidungen zum einen vor allem aufgrund der optischen Wahrnehmung der Produkte in einschlägigen Geschäften trifft und zum anderen zumindest nicht zu vernachlässigende Teile des Verkehr wegen ihres auf diesem Warengebiet ausgeprägten Markenbewusstseins auf die einzelnen Produktkennzeichnungen besonders achtet und dabei schon geringfügige Unterschiede unmittelbar bemerkt. Schließlich wird der Verkehr auch die beiden der Marke angefügten Kreise nicht unbeachtet lassen.

Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr ist auszuschließen. Dabei ist vorliegend schon nicht auszuschließen, dass der Verkehr die in der jüngeren Marke am Ende angefügten beiden Kreise als den Buchstaben "O" auffaßt und die Marke bei einer klanglichen Wiedergabe somit als "LEXXOO" benennt. Denn die grafische Wiedergabe des Buchstabens "O" durch einen ausgefüllten Kreis ist allgemein üblich; dem steht auch weder die Wiedergabe der übrigen Buchstaben in einem üblichen Schrifttyp noch die unterschiedliche Farbgebung der Buchstabenfolge "LEXX" und der beiden Kreise entgegen; denn entsprechende Gestaltungen sind häufig anzutreffen und sowohl in der Werbung als auch bei Produkt- und Unternehmenskennzeichen gebräuchlich. Bei einer Wiedergabe wie "LEXXOO" kann die jüngere Marke aber von der Widerspruchsmarke deutlich unterschieden werden.

Aber auch wenn Teile des Verkehrs den in der angegriffenen Marke angefügten beiden Kreisen keine Beachtung schenken, etwa weil sie hierin angedeutete Brillengläser sehen, und die Marke somit nur als "LEXX" wiedergeben, sind klangliche Verwechslungen nicht zu befürchten. Zwar handelt es sich bei dem Anfangskonsonanten "M" in der Widerspruchsmarke um einen klangschwachen Laut; dies gilt aber nicht in gleicher Weise für den Anfangslaut "L" in der angegriffenen Marke, der eher fließend klingt und sich auch von der Art der Lautbildung her von dem "M" unterscheidet, so dass die Abweichung angesichts der Wortkürze nicht unbeachtlich ist, zumal der Verkehr bei Kurzwörtern ohnehin verstärkt auf Abweichungen achtet: Hinzu kommt, dass ihm zahlreiche vergleichbare Ausdrücke wie Max, Rex, Flex usw bekannt sind, die sich klanglich jeweils nur im Anfangsbuchstaben unterscheiden, so dass er bei solchen Wörtern gewohnt ist, auf den Wortanfang zu achten. Schließlich wird die Gefahr klanglicher Verwechslungen auch wenn sie nicht grundsätzlich außer Betracht bleiben kann, noch dadurch wesentlich gemindert, dass eine mündliche Benennung der Produktkennzeichen etwa in Form von Kaufempfehlungen durch Dritte oder das Verkaufspersonal beim Kauf von Brillen eine eher untergeordnete Rolle spielt, weil die potentiellen Käufer von Brillen üblicherweise ihre Kaufentscheidung vorrangig nur nach einer optischen Begutachtung der einzelnen Produkte und einem von ihnen und den Verkäufern stets für erforderlich gehaltenen Probetragen treffen; dann begegnen ihnen die Kennzeichnungen der einzelnen Waren aber nicht nur klanglich, sondern immer zumindest gleichzeitig auch optisch; wegen der schriftbildlichen Unähnlichkeit beider Marken werden sie diese dann aber ohne weiteres auseinander halten können.

Da somit die Gefahr von Verwechslungen beider Marken nicht als noch erheblich erachtet werden kann, war auf die Beschwerde des Markeninhabers der Beschluss der Markenstelle, mit welcher die Löschung der jüngeren Marke angeordnet worden war, aufzuheben und der Widerspruch aus der älteren Marke 2 013 098 zurückzuweisen.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen; Gründe, hiervon abzuweichen, bestehen nicht.

Dr. Schermer Reker Schwarz Pü






BPatG:
Beschluss v. 16.09.2003
Az: 27 W (pat) 136/03


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