Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. März 2010
Aktenzeichen: 20 W (pat) 349/05

(BPatG: Beschluss v. 10.03.2010, Az.: 20 W (pat) 349/05)

Tenor

Der Einspruch der Einsprechenden zu 1) wird als unzulässig verworfen.

Auf den Einspruch der Einsprechenden zu 2) wird das Patent 101 00 865 widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 101 00 865 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz", dessen Erteilung am 20. Januar 2005 im Patentblatt veröffentlicht wurde, haben die Einsprechenden 1 und 2 am 13. bzw. 20. April 2005 Einspruch eingelegt.

Die Einsprechende 1 macht geltend, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit), § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG.

Die Einsprechende 2 macht geltend, dass der Patentgegenstand nicht patentfähig sei (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit), § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG, und das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG.

Die Einsprechende 1 stützt ihren Einspruch auf die Druckschriften:

US 5,771,180 US 4,380,745 US 4,473,303 GB 2328568 A DE 697 09 559 T2 Die Einsprechende 2 stützt ihren Einspruch auf die Druckschriften:

DE 3722416C2 DE 195 19 421 A1 US 5,771,180 US 4,380,745 US 4,473,303 EM Microcoelectronic-Marin SA: V3023 -Very Low Power 8-Bit 32 kHz RTC Module with Digital Trimming, User RAM and High Level Integration (Druckvermerk: "©2000 EM Microelectronic-Marin SA, 10/00, Rev. H/320")

Die Einsprechenden beantragen übereinstimmend, das Patent 101 00 865 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht den Einsprüchen vollumfänglich und beantragt, das Patent 101 00 865 aufrechtzuerhalten;

hilfsweise: das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:

Patentansprüche 1 und 2 aus dem Schriftsatz vom 20. Oktober 2005, eingegangen bei Gericht am 24. Oktober 2005, Bl. 135, 136 GA, hierauf bezogen die Unteransprüche 3 bis 13 gemäß Patentschrift;

weiter hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag 3 aus der mündlichen Verhandlung;

weiter hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag 4 aus der mündlichen Verhandlung;

weiter hilfsweise: Patentansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag 5 aus der mündlichen Verhandlung;

für alle Hilfsanträge jeweils Bezeichnung, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die unabhängigen Patentansprüche 1, 2, 10, 11 und 13 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lauten:

"1. Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz mit quadratischer Fehlerkurve, bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Kn verändert wird, welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen."

"2. Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz mit kubischer Fehlerkurve, bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Kn verändert wird, welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Wendepunktpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn von dem Betrag und Vorzeichen der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Wendepunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Wendepunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden."

"10. Verwendung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9 für die zeitliche Festlegung von Sendeund/oder Empfangszeitschlitzen bei drahtlosen Kommunikationseinrichtungen."

"11. Vorrichtung zur drahtlosen Kommunikation, mit einem Schwingquarz als absolutem Zeitgeber zur Festlegung von Sendeund Empfangszeitschlitzen für die Kommunikation mit anderen Sendeund/oder Empfangseinrichtungen und einem Temperatursensor zur Bestimmung der Temperatur des Schwingquarzes, gekennzeichnet durch ein Rechenwerk mit Programmschritten zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 9."

"13. Verwendung der Vorrichtung nach einem der Ansprüche 11 oder 12 für batteriebetriebene Endgeräte."

Bezüglich des Wortlauts der sonstigen erteilten Patentansprüche wird auf die Patentschrift verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß erstem Hilfsantrag lautet:

"1. Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz mit quadratischer Fehlerkurve, bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Kn verändert wird, welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Scheitelpunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden."

Wegen des Wortlauts der sonstigen im Rahmen des ersten Hilfsantrags verteidigten Patentansprüche wird auf die Akte und die Patentschrift verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß "Hilfsantrag 3" lautet:

"1. Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz mit quadratischer Fehlerkurve, bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Kn verändert wird, welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Scheitelpunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden, wobei der Arbeitsbereich des Schwingquarzes in einen ersten Temperaturbereich oberhalb und einen zweiten Temperaturbereich unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts unterteilt wird und überprüft wird, ob der ermittelte Temperaturwert Ta des Schwingquarzes in dem ersten Temperaturbereich liegt, und wobei in diesem Fall ein neuer Temperaturwert Ta durch Subtraktion des ermittelten Temperaturwertes Ta von dem Zweifachen der Scheitelpunkttemperatur Ts bestimmt wird."

Wegen des Wortlauts der sonstigen im Rahmen des "Hilfsantrags 3" verteidigten Patentansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß "Hilfsantrag 4" lautet:

"1. Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz mit quadratischer Fehlerkurve, bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Kn verändert wird, welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Scheitelpunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden wobei die Korrekturwerte K1 bis Kn aus einer Parametrisierung der Fehlerkurve des Schwingquarzes ermittelt werden, wobei die Fehlerkurve die temperaturabhängigen Abweichungen in der Anzahl der Schwingungen angibt und wobei mittels eines Drei-Punktabgleichs der Scheitelpunkt und die Krümmung der Fehlerkurve bestimmt werden."

Wegen des Wortlauts der sonstigen im Rahmen des "Hilfsantrags 4" verteidigten Patentansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Der Patentanspruch 1 gemäß "Hilfsantrag 5" lautet:

"1. Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz mit quadratischer Fehlerkurve, bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Kn verändert wird, welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Scheitelpunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden, wobei der Arbeitsbereich des Schwingquarzes in einen ersten Temperaturbereich oberhalb und einen zweiten Temperaturbereich unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts unterteilt wird und überprüft wird, ob der ermittelte Temperaturwert Ta des Schwingquarzes in dem ersten Temperaturbereich liegt, und wobei in diesem Fall ein neuer Temperaturwert Ta durch Subtraktion des ermittelten Temperaturwertes Ta von dem Zweifachen der Scheitelpunkttemperatur Ts bestimmt wird und wobei die Korrekturwerte K1 bis Kn aus einer Parametrisierung der Fehlerkurve des Schwingquarzes ermittelt werden, wobei die Fehlerkurve die temperaturabhängigen Abweichungen in der Anzahl der Schwingungen angibt und wobei mittels eines Drei-Punktabgleichs der Scheitelpunkt und die Krümmung der Fehlerkurve bestimmt werden."

Wegen des Wortlauts der sonstigen im Rahmen des "Hilfsantrags 5" verteidigten Patentansprüche wird auf die Akte verwiesen.

Die Patentinhaberin ist der Auffassung, dass der Gegenstand des Patents in der erteilten Fassung im Hinblick auf den Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dies gelte umso mehr für die mit den Hilfsanträgen beschränkt verteidigten Fassungen. Zudem offenbare das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Die Einsprechenden machen die vorgetragenen Widerrufsgründe auch bezüglich der beschränkt verteidigten Anspruchsfassungen gemäß den Hilfsanträgen geltend.

II.

1. Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz.

Die Erfindung geht aus von bekannten Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz, insbesondere für die zeitliche Festlegung von Sendeund/oder Empfangszeitschlitzen bei drahtlosen Kommunikationseinrichtungen, bei denen temperaturbedingte Frequenzabweichungen dadurch korrigiert werden, dass mittels eines Temperatursensors die Temperatur des Schwingquarzes bestimmt wird und aus der bestimmten Temperatur eine Korrekturgröße ermittelt wird. Anschließend wird mit Hilfe von Dioden die Oszillatorfrequenz beeinflusst (analog) oder mit Hilfe eines Zeitfehlerdiskriminators regelmäßig ein Gesamtzeitfehler ermittelt, der dann einer Zeitkorrekturschaltung zur Verfügung steht (Absätze [0001] bis [0004] der Patentschrift).

Zur Reduzierung des mit den bekannten Korrekturverfahren verbundenen Aufwands sieht das patentgemäße Verfahren eine Lösung vor, bei der die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes durch temperaturabhängig bestimmte Korrekturwerte verändert wird. Bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn werden die Symmetrieeigenschaften der Fehlerkurve des Schwingquarzes um die Scheitelbzw. Wendepunkttemperatur Ts ausgenutzt, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes, bzw. von dem Betrag und dem Vorzeichen der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Wendepunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Wendepunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden.

2. Der Einspruch der Einsprechenden 1 erweist sich als unzulässig.

a) Die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, sind bis zum Ablauf der Einspruchsfrist "im Einzelnen" anzugeben, § 59 Abs. 1 PatG. Die Begründung des Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände darin so vollständig dargelegt sind, dass der Patentinhaber und das Patentamt daraus abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (BGHZ 100, 242 -Streichgarn [unter II.2.c]; BGHZ 102, 53 -Alkyldiarylphosphin [unter II.2]; BGH, Beschluss vom 26. Mai 1988 -X ZB 10/87, BlPMZ 1988, 289 -Messdatenregistrierung [unter II.1]). Dasselbe gilt im Rahmen der hier anzuwendenden Regelung des § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung bezogen auf den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts. Der Einspruch muss sich dabei mit der gesamten unter Schutz gestellten Erfindung befassen und nicht nur mit einem Teilaspekt, der isoliert für sich nicht unter Schutz gestellt ist (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 1987 -X ZB 28/86, GRUR 1988, 364 -Epoxidationsverfahren [unter IV.2.b]). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung muss zumindest bezüglich eines der angegriffenen unabhängigen Patentansprüche erfüllt sein.

b) Den genannten Anforderungen an die Substantiierungspflicht genügt der Einspruch der Einsprechenden 1 nicht.

Die Einsprechende 1 stützt ihren Einspruch auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit mangels Neuheit und des Nichtberuhens auf einer erfinderischer Tätigkeit. Sie hat aber weder in dem Einspruchsschriftsatz vom 13. April 2005 (Bl. 7 ff. d. A.) noch in ihrem zweiten innerhalb der Einspruchsfrist eingereichten Schriftsatz vom 18. April 2005 (Bl. 16a d. A.) zu einem der angegriffenen Patentansprüche vollumfänglich, nämlich "im Einzelnen", dargelegt, dass alle Merkmale aus dem Stand der Technik vorbekannt oder nahegelegt seien.

Hierbei fehlt es insbesondere an einem Eingehen auf die Merkmale des Patentanspruchs 1, dass

"bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen", bzw. an einem Eingehen auf die Merkmale des Patentanspruchs 2, dass

"bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Wendepunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, indem die Korrekturwerte K1 bis Kn von dem Betrag und Vorzeichen der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Wendepunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Wendepunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden"

Mit Hinweis auf die Druckschrift US 5,771,180, Sp. 6, Z. 1-42 hat die Einsprechende 1 lediglich pauschal behauptet, dass das dort beschriebene Verfahren in allen Einzelheiten dem in den Ansprüchen 1 und 2 sowie den in den Unteransprüchen 3 bis 9 beschriebenen Merkmalen entsprechen würde, ohne jedoch im Einzelnen darauf einzugehen, was der Fachmann der genannten Druckschrift in Bezug auf die Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Fehlerkurve und die alleinige Abhängigkeit des Korrekturwertes vom Betrag der Differenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert und der Scheitelpunkttemperatur des Schwingquarzes mit quadratischer Fehlerkurve (Patentanspruch 1) bzw. die Abhängigkeit des Korrekturwertes von Betrag und Vorzeichen der Differenz zwischen dem Temperaturwert Ta und der Wendepunkttemperatur Ts des Schwingquarzes mit kubischer Fehlerkurve (Patentanspruch 2) entnimmt (Bl. 10 d. A.).

Gleiches gilt für den Verweis auf die Druckschrift US 4,380,745, mit dem ebenfalls nur pauschal behauptet wird, dass aus dieser Druckschrift ein Verfahren bekannt sei, wie es in den Ansprüchen 1 und 2 des angegriffenen Patents offenbart und beansprucht sei (Bl. 11 d. A.).

Unter Verweis auf die Druckschriften US 4,473,303 und GB 2 328 568 A führt die Einsprechende lediglich aus, dass sie in ihrer Kombination geeignet seien, den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 13 nahezulegen (Bl. 12 d. A.). Die Druckschrift US 4,473,303 zeige in ihrer Figur 2 bereits ein Diagramm, das mit der Fehlerkorrekturkurve von Figur 1 des angegriffenen Patents fast identisch übereinstimme. Die Druckschrift GB 2 328 568 A offenbare ebenfalls einen Schwingquarz mit Temperatursensor und Frequenzzähler, die in ähnlicher Weise zur temperaturabhängigen Frequenzkorrektur eingesetzt werden würden. Nähere Angaben zu den einzelnen Merkmalen und insbesondere zu der Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Fehlerkurve und die erwähnten Abhängigkeiten des Korrekturwertes von den genannten Temperaturdifferenzen sind diesem Einspruch nicht zu entnehmen.

Zur nachveröffentlichten Druckschrift DE 697 09 559 T2 gibt die Einsprechende 1 lediglich an, dass diese eine programmierte Vorrichtung zur Steuerung eines Zeitgebers einer Uhr beträfe und wie die Ansprüche 1 und 4 der Druckschrift angeben würden, sei ein Schwingquarz oder Oszillator vorgesehen, der mit Hilfe einer gemessenen Temperatur kompensiert würde; dies entspräche im wesentlichen dem Inhalt der unabhängigen Ansprüche 1 und 2 des angegriffenen Patents (Bl. 16ad. A.). An einem Eingehen auf die Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften der Fehlerkurve und die anspruchsgemäße Abhängigkeit des Korrekturwertes von den erwähnten Temperaturdifferenzen fehlt es auch hier. Dass die Druckschrift DE 697 09 559 T2 als Stand der Technik unabhängig von ihrem Inhalt im Einspruchsverfahren außer Betracht bleiben muss, weil sie gegenüber dem für das angegriffene Patent maßgeblichen Zeitrang nachveröffentlicht ist, wäre hingegen für die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs unschädlich, da dies eine Frage der Begründetheit des Einspruchs ist (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2009 -Xa ZB 28/08, GRUR 2009, 1098 -Leistungshalbleiterbauelement, Tz. 13).

Weitere Druckschriften zieht die Einsprechende 1 nicht in Betracht.

Der Einspruch ist aber auch in Bezug auf die anderen angegriffenen Ansprüche unvollständig, da die anderen Ansprüche über ihre direkte oder indirekte Rückbeziehung auf die Patentansprüche 1 oder 2 an deren Merkmalen teilhaben. Es fehlt folglich auch bezüglich der Ansprüche 3 bis 13 an einem vollständig begründeten Einspruch.

Damit hat sich die Einsprechende 1 nicht vollständig mit der Lehre des Patents bzw. einzelner seiner Ansprüche auseinandergesetzt, d. h. die Gründe, die den Einspruch stützen sollen, nicht im Einzelnen vorgetragen. Es wurde auch nicht vorgetragen, warum die entsprechenden Angaben im konkreten vorliegenden Fall entbehrlich gewesen wären.

Der Einspruch ist infolgedessen unzulässig und war deshalb -wie geschehen -zu verwerfen.

3. Der Einspruch der Einsprechenden 2 erweist sich hingegen als zulässig.

Er wurde formund fristgerecht erhoben. In dem Einspruch sind auch die Tatsachen, die ihn nach Auffassung der Einsprechenden rechtfertigen, im Einzelnen angegeben.

Der Einspruch ist auch begründet. Das Patent kann weder in der erteilten Fassung, noch in einer der hilfsweise beantragten Fassungen Bestand haben, weil sein Gegenstand in keiner der verteidigten Fassungen auf einer erfinderischer Tätigkeit beruht.

3.1 Der Senat erachtet alle Fassungen der Patentansprüche, wie sie mit den Hilfsanträgen zur Entscheidung gestellt werden, als zulässig.

a) Soweit die erteilten Patentansprüche 1 und 2 im ersten Hilfsantrag um das Merkmal

"um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Scheitelpunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden" (Anspruch 1)

bzw.

"um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Wendepunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Wendepunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden" (Anspruch 2)

ergänzt wurden, sind dies durch die Erfindungsbeschreibung gedeckte Ergänzungen (Seite 7, Zeile 28 bis Seite 8, Zeile 4 der ursprünglichen Unterlagen bzw. Absatz [0028] der Patentschrift), die den Gegenstand einschränken.

b) Die Patentansprüche 1 und 2 gemäß "Hilfsantrag 3" umfassen in zulässiger Weise die Merkmale der Patentansprüche 1 und 2 gemäß dem ersten Hilfsantrag sowie die auf die erteilten Ansprüche 1 und 2 rückbezogenen Merkmale des erteilten Patentanspruchs 3.

c) Gleiches gilt für die Patentansprüche 1 und 2 gemäß dem "Hilfsantrag 4", die neben den Merkmalen der Patentansprüche 1 und 2 gemäß dem ersten Hilfsantrag zusätzlich die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 6 umfassen.

d) Die Patentansprüche 1 und 2 gemäß "Hilfsantrag 5" sind dadurch weiter eingeschränkt, dass sie in zulässiger Weise die Merkmale der Patentansprüche 1 und 2 gemäß dem ersten Hilfsantrag und die Merkmale sowohl des erteilten Anspruchs 3 als auch des erteilten Anspruchs 6 umfassen.

3.2 Die Gegenstände der Patentansprüche 1 in der erteilten Fassung, in der Fassung des ersten Hilfsantrags sowie in den Fassungen gemäß dem "Hilfsantrag 3" und dem "Hilfsantrag 4" umfassen jeweils den engeren Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß dem "Hilfsantrag 5". Da sich zumindest letzterer -wie unter 3.3 ausführlich begründet -als nicht patentfähig erweist, kann das Patent weder in der erteilten Fassung noch in einer der hilfsweise beantragten Fassungen Bestand haben.

3.3 Im Rahmen des "Hilfsantrags 5" wird zur Lösung des oben genannten technischen Problems mit dem Patentanspruch 1 ein Verfahren beansprucht, das die Merkmale der erteilten Patentansprüche 1, 3 und 6 zusammenfasst und zusätzlich ein Merkmal aus der Beschreibung aufgreift. Das beanspruchte Verfahren lässt sich in folgende Merkmale gliedern:

M1 Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen beieinem Schwingquarz mit quadratischer Fehlerkurve, M2 bei dem die Temperatur des Schwingquarzes mittels eines Temperatursensors bestimmt wird, dadurch gekennzeichnet, M3 dass die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes jeweils durch Korrekturwerte K1 bis Knverändert wird, M4 welche abhängig von der Temperatur bestimmt und dieser Temperatur zugeordnet werden, M5 wobei bei der Bestimmung der Korrekturwerte K1 bis Kn die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur Ts ausgenutzt werden, M6 indem die Korrekturwerte K1 bis Kn nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert Ta und der Scheitelpunkttemperatur Ts des Schwingquarzes abhängen, M7 um beide Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts durch Spiegelung um die Scheitelpunkttemperatur Ts aufeinander abzubilden, M8 wobei der Arbeitsbereich des Schwingquarzes in einen ersten Temperaturbereich oberhalb und einen zweiten Temperaturbereich unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts unterteilt wird und überprüft wird, ob der ermittelte Temperaturwert Ta des Schwingquarzes in dem ersten Temperaturbereich liegt, und M9 wobei in diesem Fall ein neuer Temperaturwert Ta durch Subtraktion des ermittelten Temperaturwertes Ta von dem Zweifachen der Scheitelpunkttemperatur Ts bestimmt wird und M10 wobei die Korrekturwerte K1 bis Kn aus einer Parametrisierung der Fehlerkurve des Schwingquarzes ermittelt werden, M11 wobei die Fehlerkurve die temperaturabhängigen Abweichungen in der Anzahl der Schwingungen angibt und M12 wobei mittels eines Drei-Punktabgleichs der Scheitelpunkt und die Krümmung der Fehlerkurve bestimmt werden.

Als Fachmann für Verfahren der beanspruchten Art erachtet der Senat einen Diplomingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Elektronik mit praktischen Erfahrungen auf dem Gebiet der drahtlosen Datenübertragung und der damit einhergehenden Probleme der Frequenzstabilität von Schwingquarzen.

Ein solcher Fachmann kennt aus der von den beiden Einsprechenden genannten Druckschrift US 4,473,303 eine elektronische Uhr ("electronic timepiece"), bei der temperaturbedingte Frequenzabweichungen des Schwingquarzes korrigiert werden (Spalte 1, Zeilen 5-8; Merkmal M1Teil). Dabei kommt es offensichtlich auf die konkrete Temperaturcharakteristik (= Fehlerkurve) des Schwingquarzes nicht an, vielmehr ist das Korrekturverfahren universell und von der konkreten Fehlerkurve unabhängig. Beispielhaft ist jedoch eine quadratische Fehlerkurve in den Figuren 2 und 5 dargestellt (Merkmal M1Rest). Eine solche Fehlerkurve gibt im Kern die temperaturabhängigen Abweichungen in der Anzahl der Schwingungen gegenüber einer Solltemperatur an (Merkmal M11). Die Temperatur des Schwingquarzes wird mit einem Temperaturmesskreis ("temperature sensor", "temperature measurement circuit 5") gemessen und in einen Digitalwert umgewandelt, der genau invers zur Frequenz-Temperatur-Kurve des Schwingquarzes ist (Spalte 2, Zeilen 41-56; Merkmal M2). In Abhängigkeit von der gemessenen Temperatur werden über eine Torschaltung ("interrupt circuit 8") zusätzliche Impulse in das Pulssignal des Schwingquarzes eingefügt und insoweit die Anzahl der gezählten Schwingungen des Schwingquarzes gegenüber Normalverhältnissen durch temperaturabhängige Korrekturwerte verändert (Spalte 3, Zeilen 16-48; Spalte 5, Zeilen 13-18; Merkmale M3, M4). Für den Fall einer quadratischen Fehlerkurve ist darüber hinaus offenbart, dass die gleichen Korrekturwerte für einen Punkt unterhalb der Temperatur beim Minimum der Frequenzabweichung und für einen oberhalb der genannten Temperatur benutzt werden kann (Spalte 8, Zeilen 30-45; Fig. 5). Insoweit entnimmt der Fachmann der Druckschrift auch, dass bei der Bestimmung der Korrekturwerte die Symmetrieeigenschaften des Schwingquarzes um die Scheitelpunkttemperatur ausgenutzt werden (Merkmal M5). Dabei ist insbesondere für diesen Fall der quadratischen Fehlerkurve ohne Weiteres erkennbar, dass die Korrekturwerte nur von dem Betrag der Temperaturdifferenz zwischen einem von dem Temperatursensor ermittelten Temperaturwert und der Scheitelpunkttemperatur des Schwingquarzes abhängen (Merkmal M6) und links und rechts vom Scheitelpunkt gleich sind. Diese Schlussfolgerung konnte der Fachmann zum Zeitpunkt der Patentanmeldung auch ohne Weiteres ziehen, da sie sich zwanglos aus der Symmetrie der Fehlerkurve ergibt. Die Eigenschaften der Fehlerfunktion zu analysieren und bei sich bietender Möglichkeit auch auszunutzen, ist für den Fachmann auch selbstverständlich, weil er stets bemüht ist, eine Lehre hinsichtlich ihres Aufwands zu minimieren. In diesem Zusammenhang konnte der Fachmann also auch erkennen, dass sich die beiden Temperaturbereiche oberhalb und unterhalb der Scheitelpunkttemperatur durch Spiegelung, d. h. gemäß der Formel Ts -Ta' =Ta -Ts bzw. Ta' =2 Ts -Ta, worin Ta' der Temperaturwert unterhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts und Ta der Temperaturwert oberhalb der Scheitelpunkttemperatur Ts sind, denen der gleiche Korrekturwert zugeordnet ist, aufeinander abbilden lassen (Merkmale M7, M9). Dann bedarf es bei der Bestimmung der Korrekturwerte nur noch der Prüfung, ob die Ist-Temperatur oberhalb oder unterhalb der Scheitelpunkttemperatur liegt (Merkmal M8).

Von einem dermaßen sich für den Fachmann ergebenden Verfahren zur Korrektur von Frequenzabweichungen bei einem Schwingquarz unterscheidet sich das Verfahren nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 5 dadurch, dass M10 die Korrekturwerte K1 bis Kn aus einer Parametrisierung der Fehlerkurve des Schwingquarzes ermittelt werden und M12 mittels eines Drei-Punktabgleichs der Scheitelpunkt und die Krümmung der Fehlerkurve bestimmt werden.

Diese Verfahrensschritte erschöpfen sich jedoch in für die Funktionsanalyse typischen Berechnungsschritten, die zum Handwerkzeug des hier angesprochen Fachmanns gehören und das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit zur Überzeugung des Senats nicht begründen können. Die Notwendigkeit, dieses Fachwissen auch anzuwenden, ergibt sich schon ohne weiteres daraus, dass eine anderweitige mathematische Beschreibung der Fehlerkurve fehlt. Die Parametrisierung der Fehlerkurve zieht der Fachmann insbesondere unter dem Aspekt der Minimierung des Speicheraufwands für die Korrekturwerte in Betracht. Der DreiPunkt-Abgleich ist die dem Fachmann geläufige, typische Methode zur Bestimmung der funktionsbeschreibenden Parameter a, b und c einer quadratischen Funktion der Form y = f(x) = ax + bx + c.

Nachdem sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 als nicht patentfähig erweist, fallen auch die übrigen Ansprüche des Hilfsantrags 5 (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2008 -X ZB 10/07, GRUR-RR 2008, 456 -Installiereinrichtung, Tz. 22, mit weiteren Nachweisen).

4. Darüber hinaus fallen mit dem nicht patentfähigen Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 auch alle anderen Anträge, weil sie ohne Ausnahme diesen nicht patentfähigen Gegenstand mit beanspruchen. Das Patent war folglich -wie geschehen -zu widerrufen.

Dr. Mayer Werner Gottstein Kleinschmidt Pr






BPatG:
Beschluss v. 10.03.2010
Az: 20 W (pat) 349/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7a8199d9e027/BPatG_Beschluss_vom_10-Maerz-2010_Az_20-W-pat-349-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share