Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juli 2009
Aktenzeichen: 14 W (pat) 11/07

(BPatG: Beschluss v. 10.07.2009, Az.: 14 W (pat) 11/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um die Aufhebung einer vorherigen Zurückweisung einer Patentanmeldung für ein Verfahren zum Behandeln von Flüssigkeiten. Die Vorinstanz hatte die Zurückweisung damit begründet, dass das im Anspruch 1 beschriebene Verfahren unvollständig sei und keine bekannten schaumbildenden Reaktionsmittel verwenden könne. Der Anmelder hat daraufhin Beschwerde eingelegt und seine Argumente zur Ausführbarkeit des Verfahrens dargelegt. Das Bundespatentgericht hat nun entschieden, dass das Anmeldeverfahren den Anforderungen an eine ausführbare Erfindung genügt. Es wird erklärt, dass schaumbildende Mittel im beanspruchten Verfahren eingesetzt werden können, die für den Abbau der Schmutzwasserfracht im jeweiligen Rohwasser am besten geeignet sind. Auch die im Verfahren vorgesehene Ionisierung des Wassers kann mit gängigen elektrolytischen Verfahren durchgeführt werden. Die Gerichtsentscheidung kommt zu dem Schluss, dass das Verfahren neu und erfinderisch ist und daher ein Patent erteilt werden kann. Auch die auf den Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche sowie die Ansprüche zur Anlage zur Durchführung des Verfahrens sind gewährbar.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 10.07.2009, Az: 14 W (pat) 11/07


Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren und Anlage zum Behandeln von Flüssigkeiten, insbesondere zum Reinigen von kontaminiertem Wasser Anmeldetag: 26. Juli 2001 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 19, Beschreibung Seiten 1 bis 14, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2009, 1 Blatt Zeichnungen vom 17. Juni 2009, eingegangen am 18. Juni 2009.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse C02F des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 10. Januar 2007 die am 26. Juli 2001 mit der Bezeichnung

"Verfahren und Anlage zum Behandeln von Flüssigkeiten, insbesondere zum Reinigen von kontaminiertem Wasser"

eingereichte Patentanmeldung gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.

Zur Begründung ihres Zurückweisungsbeschlusses hat die Prüfungsstelle im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Ausführungen des Anmelders während der Anhörung vor der Prüfungsstelle davon auszugehen sei, dass im beanspruchten Verfahren keine dem Fachmann bekannten schaumbildenden Reaktionsmittel eingesetzt werden könnten. Eine nachträgliche Beschränkung der in der Anmeldung allgemein genannten schaumbildenden Mittel auf definierte Reaktionsmittel des Standes der Technik sei nicht möglich, da dies zu einer unzulässigen Erweiterung der ursprünglich eingereichten Unterlagen führe. Der geltende Anspruch 1 sei daher wegen unvollständiger Lehre zum technischen Handeln und der daraus folgenden mangelnden Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens nicht gewährbar.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder Beschwerde eingelegt, mit der er sein Patentbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 19, einer hieran angepassten Beschreibung und Figur 1 aus dem Schriftsatz vom 17. Juni 2009 weiterverfolgt. Die nebengeordneten Ansprüche 1 und 11 lauten:

"1. Verfahren zum Behandeln von Flüssigkeiten, insbesondere zum Reinigen von kontaminiertem Wasser (Rohwasser), gekennzeichnet durch folgende Schritte:

Vorreinigung des Rohwassers unter Zumischung eines schaumbildenden Reaktionsmittels, Hauptreinigung des so vorgereinigten Wassers in vertikaler Abfolge durch: -Aufschäumen des Wassers zusammen mit enthaltenen Ionisierungsradikalen aus der Abluft der nachfolgenden Stufen, in einem bekannten Lochwalzen-Wäscher, -Entschäumen des gebildeten Schaumes, wobei ein Auflösen des Schaumes in Gas und Wasser erfolgt,

- Ionisieren des entschäumten Wassers, und -Sedimentieren der Verunreinigungen im gereinigten Wasser, physikalische Nachreinigung des gereinigten Wassers, physikalische Trennung des aus Vorreinigung und Hauptreinigungabgezogenen Verunreinigungsschlammes.

11. Anlage zum Durchführen des Verfahrens nach den Ansprüchen 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass vorgesehen sindein Vorreinigungstank (10), in den zu reinigendes Rohwasser und schaumbildendes Reaktionsmittel eingeleitet und gemischt wird sowie eine pH-Wert-Regulierung (13, 14) stattfindet, mindestens ein Hauptreinigungsblock (20), in dem jeweils vertikal untereinander angeordnet sind -eine Walzenstation (21) zur kombinierten Gas-Wasser-Wäschedurch Aufschäumen, -eine Entschäumungsstation (23), -eine Ionisierungsstation (24), -ein Sammeltank (25) für das gereinigte Wasser, eine Trenneinrichtung (30), in der jeweils aus den Sümpfen (11, 26) des Vorreinigungstanks (10) und des Hauptreinigungsblocks (20) ausgebrachter Schlamm eingebracht wird, mindestens eine Filter-Nachreinigungseinrichtung (40), die einerseits mit dem Sammeltank (25) des Hauptreinigungsblockes (20) in Verbindung steht und von der andererseits eine Reinwasser-Ableitung (43) wegführt."

Die Patentansprüche 2 bis 10 und 12 bis 19 sind auf Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 bzw. der Anlage nach Anspruch 11 gerichtet.

Der Anmelder hat zur Begründung seiner Beschwerde insbesondere vorgetragen, dass eine nähere Definition der schaumbildenden Mittel in der Anmeldung nicht erforderlich sei, da alle dem Fachmann bekannten schaumbildenden Reaktionsmittel in das beanspruchte Verfahren eingesetzt werden könnten. Wichtig sei dabei lediglich, dass das schaumbildende Reaktionsmittel auf die Schmutzwasserfracht des jeweiligen Rohwassers abgestimmt sei. Auch die im beanspruchten Verfahren vorgesehene Ionisierung des entschäumten Wassers könne mit einer in der Abwasserbehandlung üblichen Elektrolyse durchgeführt werden, weshalb der Anmeldungsgegenstand so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann diesen ausführen könne. Darüber hinaus seien das beanspruchte Verfahren, sowie die Anlage zur Durchführung des Verfahrens gegenüber dem im Prüfungsverfahren entgegengehaltenen Stand der Technik D1 DE4104094A1 D2 DE19639204A1 D3 DE19821973A1 D4 DE3920321C2 D5 DE4038606A1 neu und beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anmelder beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen sowie 1 Blatt Zeichnungen vom 17. Juni 2009.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

1.

Bezüglich ausreichender Offenbarung des Gegenstands der geltenden Ansprüche 1 bis 19 bestehen keine Bedenken, da die Merkmale dieser Ansprüche den ursprünglich eingereichten Unterlagen zu entnehmen sind. So ist der Anspruch 1 aus den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 2, sowie aus den Angaben auf Seite 8, Absatz 5 und Seite 9, Absatz 3 der Erstunterlagen ableitbar. Die auf Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 wurden gegenüber den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4 zwar in ihrem Wortlaut, nicht aber inhaltlich verändert. Die rückbezogenen Ansprüche 5 bis 10 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 5 bis 10 im Wortlaut. Der geltende Anspruch 11 stimmt inhaltlich mit dem ursprünglichen Anspruch 11 überein. Die auf Anspruch 11 rückbezogenen Ansprüche 12 bis 19 sind aus den ursprünglichen Ansprüchen 12 bis 19 ableitbar.

2.

Die im geltenden Anspruch 1 vermittelte technische Lehre ist ausführbar.

Nach § 34 (4) PatG ist die Erfindung in der Anmeldung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Dieses formale Patenterfordernis ist nach Überzeugung des Senats, entgegen der vorinstanzlich vertretenen Auffassung, für das im geltenden Anspruch 1 beschriebene Verfahren zum Behandeln von Flüssigkeiten erfüllt. Wie der Anmelder in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hat, können im beanspruchten Verfahren alle im Stand der Technik bekannten schaumbildenden Mittel eingesetzt werden. Denn gemäß den Angaben des Anmelders kommt es bei der Durchführung des beanspruchten Verfahrens nicht darauf an ein bestimmtes schaumbildendes Reaktionsmittel einzusetzen, sondern schaumbildende Mittel, die für den Abbau der im jeweiligen Rohwasser vorhandenen Schmutzwasserfracht am besten geeignet sind. Die Auswahl eines solchen, auf die jeweilige Schmutzwasserfracht abgestimmten, schaumbildenden Reaktionsmittels liegt jedoch im allgemeinen Können und Wissen des Fachmanns, der in diesem Fall als Verfahrensingenieur oder Verfahrenstechniker mit fundierten Kenntnissen in der Abwasserbehandlung zu definieren ist, da sich dieser im Stand der Technik darüber informieren kann, welche schaumbildenden Mittel für welche Art von Abwässern am besten geeignet sind. Nähere Angaben zum schaumbildenden Reaktionsmittel sind für die Durchführung des beanspruchten Verfahrens daher nicht erforderlich. Wie der Anmelder ferner glaubhaft erläutert hat, ist die Ionisierung des entschäumten Wassers im beanspruchten Verfahren mittels einer üblichen Elektrolyse möglich, bei der nach allgemeinem Kenntnisstand u. a. auch gasförmige Produkte wie Sauerstoff und Ozon entstehen. Gemäß den Ausführungen des Anmelders können die dabei gebildeten Gase Elektronen aus der Elektrolyselösung aufnehmen und entweichen dann aus der Lösung in Form gasförmiger Radikale. Die auf diese Weise gebildeten Ionisierungsradikale werden im beanspruchten Verfahren zum Aufschäumen des vorgereinigten Wassers verwendet. Es sind daher sowohl für die im beanspruchten Verfahren vorgesehene Ionisierung des Wassers, als auch für das Aufschäumen des vorgereinigten Wassers mittels Ionisierungsradikalen lediglich übliche verfahrenstechnische Maßnahmen erforderlich, die der Fachmann allein unter Einbeziehung seines Fachwissens praktisch verwirklichen kann.

3.

Das Verfahren zum Behandeln von Flüssigkeiten nach Anspruch 1 ist neu. In keiner der entgegengehaltenen Druckschriften wird ein Verfahren beschrieben, bei dem die Vorreinigung des kontaminierten Wassers mit einem schaumbildenden Reaktionsmittel im ungeschäumten Zustand durchgeführt wird. So werden bei dem in der Druckschrift D1 beschriebenen Verfahren in der Vorreinigungsstufe die im kontaminierten Rohwasser enthaltenen Feststoffe auf physikalischem Weg von der Flüssigkeit abgetrennt (vgl. D1, Sp. 3, Z. 24 bis 30). Schaumbildende Reaktionsmittel kommen in dieser Vorreinigungsstufe daher nicht zum Einsatz. Auch im Verfahren der D3 werden in der Vorreinigung keine schaumbildenden Mittel verwendet, da bei dieser Vorreinigung in der Flüssigkeit enthaltene Stoffe wie z. B. Kohlenwasserstoffe in die Gasphase überführt werden, indem das Rohwasser über mit Luft angetriebene Loch-Walzen fließt (vgl. D3, Sp. 1, Z. 28 bis 36). Im Verfahren der Druckschrift D2 wird kein kontaminiertes Wasser, sondern Rohgas in der Vorreinigungsstufe mit Hilfe eines schaumbildenden Reaktionsmittels gereinigt. Allerdings weist der für die Vorreinigung verwendete Wäscher ein Rohrsystem auf, welches dafür sorgt, dass das schaumbildende Mittel sofort in die Schaumform überführt wird, so dass auch hier keine Vorreinigung mit Hilfe eines ungeschäumten, schaumbildenden Reaktionsmittels stattfindet (vgl. D2, Ansprüche 1 und 2 i. V. m. , Sp. 2, Z. 29 bis 34). Sowohl die in der D4 beschriebene Naßreinigung von Gasen, als auch die Aufbereitung des Abwassers gemäß der Druckschrift D5 basieren auf der reinigenden Wirkung von Schaum. Eine Vorreinigungsstufe, bei der das schaumbildende Reaktionsmittel im ungeschäumten Zustand verwendet wird, ist diesen Entgegenhaltungen nicht zu entnehmen (vgl. D4, Sp. 1, Z. 26 bis 29 und Sp. 3, Z. 18 bis 31; D5, Sp. 1, Z. 23 bis 30 und Z. 38 bis 42).

4.

Das Verfahren zum Behandeln von Flüssigkeiten nach Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zum Behandeln von Flüssigkeiten sowie eine Anlage zur Durchführung dieses Verfahrens bereitzustellen, durch die auch stark mit Tensiden belastete Abwässer optimal in wirtschaftlicher Weise gereinigt werden können (vgl. geltende Unterlagen, S. 4, Abs. 1). Die Aufgabe wird nach Anspruch 1 mit einem Verfahren gelöst, welches die folgenden Merkmale aufweist:

1.

Vorreinigung des Rohwassers unter Zumischung eines schaumbildenden Reaktionsmittels.

2.

Hauptreinigung des so vorgereinigten Wassers in vertikaler Abfolge durch:

2.1 Aufschäumen des Wassers zusammen mit enthaltenen Ionisierungsradikalen aus der Abluft der nachfolgenden Stufen, in einem bekannten Lochwalzen-Wäscher.

2.2 Entschäumen des gebildeten Schaumes, wobei ein Auflösen des Schaumes in Gas und Wasser erfolgt.

2.3 Ionisieren des entschäumten Wassers, und 2.4 Sedimentieren der Verunreinigungen im gereinigten Wasser.

3.

Physikalische Nachreinigung des gereinigten Wassers.

4.

Physikalische Trennung des aus Vorreinigung und Hauptreinigung abgezogenen Verunreinigungsschlammes.

Zur Lösung der Aufgabe konnte der Fachmann von dem aus der Druckschrift D3 bekannten Verfahren ausgehen. In der Vorreinigung dieses Verfahrens werden im Rohwasser enthaltene chemische Verbindungen wie z. B. Kohlenwasserstoffe ausgetrieben, indem das Rohwasser über luftgetriebene Lochwalzen geführt wird (vgl. D3, Anspruch 4, erster Spielgelstrich i. V. m. Sp. 1, Z. 28 bis 36). In der anschließenden Hauptreinigung wird das zu behandelnde Wasser zuerst mit Ozon beaufschlagt und danach einer Elektrolyse, sowie einer damit verbundenen Ionisierung des Wassers unterzogen (vgl. D3, Sp. 1, Z. 37 bis 47). Danach werden die bei der Vorreinigung ausgetriebenen Gase, sowie die während der Ozonisierung und Elektrolyse freigesetzten Gase mittels einer Schaummasse gereinigt und die aufgereinigten Gase der Vorreinigungsstufe zugeführt (vgl. D3, Sp. 2, Z. 1 bis 16). Im letzten Schritt des Verfahrens erfolgt eine physikalische Nachreinigung des gereinigten Wassers (vgl. D3, Sp. 1, Z. 51 bis 55). Da die Vorreinigung in diesem Verfahren auf das Strippen von Stoffen ausgerichtet ist und daher ganz ohne schaumbildendes Mittel auskommt, liefert die Entgegenhaltung D3 dem Fachmann somit keine Anregung dahingehend, die Vorreinigung -wie unter Merkmal 1 des beanspruchten Verfahrens vorgesehen -mittels eines ungeschäumten schaumbildenden Reaktionsmittels durchzuführen. Ein schaumbildendes Reaktionsmittel kommt im Verfahren der D3 zwar in der Hauptreinigungsstufe zum Einsatz. Das Reaktionsmittel wird aber, anders als im Merkmal 1 des beanspruchten Verfahrens, in eine Schaummasse überführt und daher nicht im ungeschäumten Zustand verwendet. Hinzu kommt, dass das schaumbildende Reaktionsmittel im Verfahren der D3 nicht für die Reinigung des Abwassers, sondern für die Aufreinigung der bei den vorangegangenen Verfahrensschritten entstandenen Gase verwendet wird. Auch Hinweise die dazu anregen könnten, die einzelnen Verfahrensschritte in der Hauptreinigungsstufe -wie unter Merkmal 2 des beanspruchten Verfahrens angegeben -in vertikaler Abfolge anzuordnen, sind der D3 nicht zu entnehmen, da das Verfahren der D3 auf einer horizontalen Prozessführung basiert (vgl. D3, Zeichnung).

Um aufgabengemäß ein Verfahren zur Behandlung von Abwasser, welches stark mit Tensiden belastet ist, in seiner Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu verbessern, konnte der Fachmann ferner die Druckschrift D5 heranziehen, die mit der Aufreinigung von Abwässern wie sie bei Kfz-Waschanlagen anfallen befasst ist. Durch das Verfahren der D5 wird der Fachmann jedoch allenfalls auf die reinigende Wirkung von Flockungsmitteln aufmerksam, die für die Hauptreinigung des kontaminierten Wassers in diesem Verfahren verantwortlich sind (vgl. D5, Anspruch 1). Der wirkungsvolle Einsatz dieser Flockungsmittel setzt allerdings voraus, dass das mit Flockungsmittel versetzte Rohwasser mit Luft beaufschlagt und auf diese Weise eine Schaummasse gebildet wird, über die letztendlich der Austrag der Schmutzfracht aus dem Abwasser erfolgt (vgl. D5, Sp. 1, Z. 23 bis 30 und 38 bis 42). Demzufolge liefert diese Vorgehensweise dem Fachmann keine Motivation dafür, kontaminiertes Rohwasser in der Vorreinigung durch Zugabe eines nicht aufgeschäumten, schaumbildenden Mittels zu reinigen, zumal im Verfahren der D5 auch keine echte Vorreinigung in Gegenwart von Reinigungsmitteln stattfindet, sondern nur eine grobe physikalische Vorklärung (vgl. D5, Sp. 2, Z. 58/59). Darüber hinaus findet der Fachmann in der D5 auch keine Anregungen dafür, die einzelnen Schritte der Hauptreinigung in vertikaler Abfolge anzuordnen, um so den Einsatz von Pumpen während der Reinigung zu vermeiden und das Verfahren damit in wirtschaftlicher Sicht zu verbessern (vgl. geltende Unterlagen, S. 6, Abs. 4), da Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit eines Abwasserreinigungsverfahrens in der D5 nicht angestellt werden.

Ganz ohne den Einsatz schaumbildender Mittel kommt das in der Druckschrift D1 beschriebene Verfahren aus (vgl. D1, Anspruch 1), so dass das Merkmal 1 des beanspruchten Verfahrens durch diese Druckschrift ebenfalls nicht in das Blickfeld des Fachmanns gerückt wird. Im Hinblick auf das Merkmal 2 des beanspruchten Verfahrens findet der Fachmann in der D1 zwar eine Anregungen dafür, flüssige Bestandteile im kontaminierten Abwasser durch Schwerkraft abzuleiten (vgl. D1, Sp. 3, Z. 52 bis 61). Allerdings hatte der Fachmann -ohne Kenntnis der vorliegenden Anmeldung -keine Veranlassung, aufgrund dieser Angabe sämtliche Verfahrensschritte einer Hauptreinigungsstufe in vertikaler Abfolge anzuordnen, um das Verfahren auf diese Weise Energie und Platz sparend führen zu können (vgl. geltende Unterlagen, S. 6, Abs. 4), da diese Vorteile durch die Angabe in der D1 nicht erwartet werden konnten.

Bei seiner Suche nach einer Lösung für die gestellte Aufgabe wird der Fachmann das in der Druckschrift D2 beschriebene Verfahren zur Abluftreinigung ebenfalls in Betracht ziehen, da sich dieses für die Gasreinigung beschriebene Verfahren unter anderem für die Abwasserreinigung eignet (vgl. D2, Sp. 3, Z. 68 bis Sp. 4, Z. 3). Allerdings führt auch die Lehre der D2 nicht zum vorliegenden beanspruchten Verfahren, da dieses Verfahren wie die anderen im Stand der Technik bekannten Verfahren eine Vorreinigung erfordert, bei der das zu reinigende Medium mit Schaum in Kontakt gebracht wird (vgl. D2, Ansprüche 1 und 2). Auch Hinweise die dazu anregen könnten, die verschiedenen Stufen der Haupteinigung in einer vertikalen Abfolge anzuordnen, enthält die Entgegenhaltung D2 nicht, da die Hauptreinigung dieses Verfahrens nur aus einem einzigen Verfahrensschritt besteht, nämlich dem Kontaktieren der vorgereinigten Abluft mit ionisierter Frischluft (vgl. D2, Sp. 1, Z. 33 bis 39).

Der Inhalt der Druckschrift D4 geht nicht über die Lehren der vorstehend abgehandelten Druckschriften hinaus und führt den Fachmann daher ebenfalls nicht zum vorliegend beanspruchten Verfahren.

Nach alledem ist das Verfahren des geltenden Anspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch gewährbar ist.

5. Das Gleiche gilt für die auf den geltenden Anspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10, die jeweils weitere, über platte Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffen.

Der nebengeordnete Anspruch 11 ist auf eine Anlage zur Durchführung des im geltenden Patentanspruch 1 beschriebenen Verfahrens gerichtet. Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für ihn die oben dargelegten Gesichtspunkte gleichermaßen. Der Patentanspruch 11 ist daher ebenfalls gewährbar.

Das Gleiche gilt für die auf Anspruch 11 rückbezogenen Ansprüche 12 bis 19, die bevorzugte Ausführungsformen betreffen.

Dr. Proksch-Ledig Harrer Gerster Dr. Münzberg Bb






BPatG:
Beschluss v. 10.07.2009
Az: 14 W (pat) 11/07


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