Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 11. November 2010
Aktenzeichen: I-15 W 191/10

(OLG Hamm: Beschluss v. 11.11.2010, Az.: I-15 W 191/10)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist im Handelsregister des Amtsgerichts Bochum mit einem Stammkapital von 1.500.000 € eingetragen.

§ 3 des Gesellschaftsvertrages der Beteiligten regelt den Beginn und die Dauer der Gesellschaft. Nach Abs. 1 begann die Gesellschaft mit der Eintragung in das Handelsregister im Jahr 1983. Nach Abs. 2 kann sie mit einer Frist von drei Monaten zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres gekündigt werden. Die Kündigung muss durch eingeschriebenen Brief gegenüber sämtlichen übrigen Gesellschaftern erfolgen, wobei die Frist durch Aufgabe zur Post gewahrt ist. Nach Abs. 3 scheidet der Kündigende mit Wirksamwerden der Kündigung aus der Gesellschaft aus, die durch die Kündigung nicht aufgelöst wird. Nach § 7 Abs. 2 lit. d) ist der Geschäftsanteil einzuziehen, wenn ein Gesellschafter die Gesellschaft kündigt. Nach § 7 Abs. 3 kann die Gesellschafterversammlung beschließen, dass der Geschäftsanteil auf einen oder mehrere der übrigen Gesellschafter, einen oder mehrere oder auf die Gesellschaft selbst zu übertragen ist. Der Beschluss über die Einziehung bedarf nach § 7 Abs. 4 der ¾ Stimmenmehrheit, der betroffene Gesellschafter hat kein Stimmrecht.

Am 08.01.2010 beurkundete die Notarin Dr. S eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der Beteiligten (Urkunde 3/2010), zu welcher der Gesellschafter C allein erschienen war. Unter II. heißt es, T habe die Gesellschaft und seinen Vertrag als Geschäftsführer gekündigt, die Gesellschaft und C hätten die Kündigung angenommen. Sodann beschloss C als allein verbliebener Gesellschafter, die Geschäftsanteile des ausgeschiedenen Gesellschafters im Nennbetrag von 886.250 € einzuziehen, das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 1.500.000 € "im vereinfachten Verfahren gemäß §§ 58a - 58e GmbHG" um 886.250 € auf 613.750 € herabzusetzen, die verbliebenen Geschäftsanteile zu einem Geschäftsanteil im Nennbetrag von 613.750 € zusammenzufassen und in dem geänderten § 5 der Satzung das Stammkapital der Gesellschaft auf 613.750 € festzustellen. Der Geschäftsführer T wurde als Geschäftsführer abberufen und der Kaufmann C zum neuen Geschäftsführer bestellt, der von den Beschränkungen des § 181 befreit sei.

In einer unterschriftsbeglaubigten Erklärung vom 08.01.2010 (Urkunde Nr. 4/2010 der Notarin Dr. S) meldete der neue Geschäftsführer C zur Eintragung in das Handelsregister an, dass

der Gesellschafter T als Geschäftsführer abgelöst sei,

der Kaufmann C zum neuen Geschäftsführer bestellt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit sei,

das Stammkapital der Gesellschaft zum Zwecke der Ausgleichung von Verlusten von 1.500.000 € um 886.250 € auf 613.750 € herabgesetzt sei.

Auf die Beanstandung des Amtsgerichts in der Verfügung vom 18.02.2010, dass eine Satzungsermächtigung für eine Befreiung des Geschäftsführers von § 181 BGB nicht vorhanden sei, wurde der Eintragungsantrag insoweit zurückgenommen. Daraufhin wurden die Anmeldungen zu Ziffer 1 und 2 in das Handelsregister eingetragen.

Mit Beschluss vom 05.03.2010 wies das Amtsgericht den verbliebenen Eintragungsantrag mit der Begründung zurück, dass die Versammlung nicht formell ordnungsgemäß gewesen sei, weil der Gesellschafter T nicht zu der Versammlung geladen worden sei; denn er sei trotz der Kündigung weiter Inhaber der von ihm gehaltenen Stammkapitalanteile, solange diese nicht verwertet seien. Ferner sei der Zweck der Kapitalherabsetzung nicht in dem Gesellschafterbeschluss angegeben und die Voraussetzungen des § 58a GmbHG nicht substantiiert dargelegt worden. Die Vorlage einer Bilanz sei unumgänglich.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist nach den §§ 58 Abs. 1, 374 Nr. 1, 382 Abs. 3 FamFG statthaft sowie form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 1, 64 FamFG eingelegt. Der erforderliche Beschwerdewert (§ 61 Abs. 1 FamFG) ist nach dem maßgeblichen vermögenswerten Interesse an der begehrten Registereintragung erreicht. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten folgt daraus, dass sie durch die Zurückweisung ihres Eintragungsantrages materiell beschwert ist (vgl. Keidel/Meyer Holz, FamFG, 16. Aufl., § 59 Rn 39).

In der Sache ist die Beschwerde unbegründet, weil das Amtsgericht den Eintragungsantrag zu Ziffer 3) zu Recht zurückgewiesen hat.

1. Das Amtsgericht beanstandet allerdings zu Unrecht, dass der Gesellschafter T zu der Gesellschafterversammlung hätte geladen werden müssen. Zutreffend beruft sich die Beschwerde für ihre Ansicht auf die Rechtsprechung des BGH, wonach die Satzung einer GmbH anordnen kann, dass ein kündigender Gesellschafter auch schon vor Zahlung seiner Abfindung endgültig aus der Gesellschaft ausscheidet. Der BGH hat hierzu in seiner Entscheidung vom 30.06.2003 - II ZR 326/01 - (NJW-RR 2003, 1265 = NZG 2003, 871) ausgeführt, zwar bedürfe der - im GmbHG nicht geregelte, aber bei entsprechender Satzungsregelung zulässige - Austritt aus einer GmbH im Wege der Kündigung regelmäßig eines Vollzuges durch Einziehung oder Übernahme des Geschäftsanteils durch einen oder mehrere Mitgesellschafter (BGHZ 88, 320, 322 f.). Jedenfalls könne aber die Satzung eine hiervon abweichende Regelung treffen und selbst für den Fall des Ausschlusses eines Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss anordnen, dass der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung verliere (vgl. BGHZ 32, 17, 23). Für einen Austritt durch Kündigung gelte nichts anderes (wovon auch BGHZ 88, 320, 322 ausgehe). An dieser Rechtsprechung, der der Senat folgt, hat der BGH zuletzt in seiner Entscheidung vom 08.12.2008 - II ZR 263/07 (NJW 2009, 464) festgehalten.

Die Gesellschafterversammlung vom 08.01.2010 war daher vollständig, weil der Gesellschafter T infolge der formgerechten Kündigung vom 25.09.2009 im Zeitpunkt der Versammlung nicht mehr Gesellschafter war und folglich nicht mehr geladen werden musste.

2. Jedoch rügt das Amtsgericht zu Recht, dass in dem Beschluss über die Kapitalherabsetzung nicht deren Zweck angegeben sei. Zwar enthält das GmbHG keine Bestimmung darüber, ob bei der Herabsetzung des Stammkapitals der Zweck der Herabsetzung in sinngemäßer Anwendung des § 229 Abs. 1 S. 2 AktG in dem Gesellschafterbeschluss anzugeben ist. Diese Frage wird im Schrifttum überwiegend bejaht (Krafka/Willer/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rn 1073; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Aufl., § 58a Rn 16; Maser/Sommer GmbHR 1996, 22/28; Michalski/Waldner, GmbH-Gesetz, 2. Aufl., § 58a Rn 13; Scholz/Priester, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 10. Aufl., Rn 23; Ulmer/Casper, GmbHG, § 58a Rn 28; a.A. Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbH-Gesetz, 18. Aufl., § 58a Rn 19; Wicke, GmbHG, § 58a Rn 4). Zu § 58 GmbHG hat auch das BayObLG (BayObLGZ 1979, 4) diesen Standpunkt eingenommen und § 222 Abs. 3 AktG entsprechend angewandt.

Der Senat schließt sich der herrschenden Ansicht an, da die Tatbestände des § 58a GmbHG und § 229 AktG und die mit ihnen verfolgten Publizitäts- und Gläubigerschutzgründe im wesentlichen gleichgelagert sind, so dass eine gleiche Behandlung geboten ist; dies war auch vom Gesetzgeber so beabsichtigt (BT-Drs. 12/3803 S. 87). Zutreffend wird darauf hingewiesen (BayObLG, Maser/Sommer, Priester, jeweils a.a.O.), die Notwendigkeit der Zweckangabe ergebe sich schon daraus, dass die Festsetzung des Herabsetzungszwecks allein Sache der Gesellschafter sei und die Entscheidung hierüber - insbesondere bei einem nachträglichen Wegfall des Zweckes - nicht an die Geschäftsführer delegiert werden könne, diese seien vielmehr an die Entscheidung der Gesellschafter gebunden. Das BayObLG hat darüber hinaus überzeugend ausgeführt, die wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung des Stammkapitals einer GmbH und des Grundkapitals einer Aktiengesellschaft sei im wesentlichen gleich; sie hätten einerseits als Haftungsfonds eine Gläubigerschutzfunktion, andererseits eine Abgrenzungsfunktion hinsichtlich der Trennung von Gesellschaftsvermögen und Gesellschaftervermögen; auch die möglichen wirtschaftlichen Zwecke einer Kapitalherabsetzung und deren Wirkungen seien bei beiden Kapitalgesellschaften weitgehend ähnlich, so dass kein durchgreifender Grund ersichtlich sei, der eine verschiedene Behandlung der Zweckfestsetzung bei einer Kapitalherabsetzung durch Gesellschafterbeschluss rechtfertigen würde.

Das Amtsgericht hat daher zutreffend den Gesellschafterbeschluss über die Herabsetzung des Stammkapitals nicht in das Register eingetragen.

Einer Wertfestsetzung bedarf es nicht, da bei Eintragungen in Handelsregistersachen Festgebühren nach der HRegGebVO erhoben werden, die auch Grundlage für die in der Beschwerdeinstanz zu erhebenden Gebühren sind, § 131c KostO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.






OLG Hamm:
Beschluss v. 11.11.2010
Az: I-15 W 191/10


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