Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. November 2004
Aktenzeichen: 29 W (pat) 88/02

(BPatG: Beschluss v. 24.11.2004, Az.: 29 W (pat) 88/02)

Tenor

Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts wird anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten.

Gründe

I.

Die Anmelderin hat dem am 18. Juli 2001 eingereichten Antrag auf Eintragung einer Marke drei verschiedene Markenwiedergaben beigefügt, zwei in Farbe und eine in Schwarz-Weiß. Die Wiedergaben unterscheiden sich durch die jeweilige Farbgebung, enthalten aber übereinstimmend in jeweils gleicher Schriftgröße und -art den Wortbestandteil "KielNET". Im Antragsvordruck wurde in dem für die Markenwiedergabe vorgesehenen Feld (5) "s. Anlage" angekreuzt und bei der Markenform im Feld (6) die Angabe "Bildmarke; Wort/Bildmarke (in der vom Anmelder gewählten grafischen Wiedergabe)". Mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 hat die Markenstelle für Klasse 38 die Anmeldung wegen der beschreibenden Bedeutung des Wortbestandteils als freihaltebedürftige und nicht unterscheidungskräftige Angabe beanstandet. Im Übrigen sei noch zu klären, für welche der drei Markenwiedergaben die Eintragung beantragt werde. Mit Schriftsatz vom 8. November 2001 hat die Anmelderin zu der Beanstandung Stellung genommen und eine weitere, in der Farbgebung von den mit der Anmeldung eingereichten Wiedergaben abweichende Wort-/Bildmarke beigefügt, die nunmehr Grundlage der Anmeldung sein solle.

Mit zwei Beschlüssen vom 26. November 2001 und 22. Februar 2002, einer davon im Erinnerungsverfahren ergangen, hat die Markenstelle für Klasse 38 die Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen. Der Zurückweisung zugrunde gelegt wurde die am Anmeldetag in Schwarz-Weiß eingereichte Markenwiedergabe. Die aus den beiden Bestandteilen "Kiel" und "NET" sowie einer einfachen grafischen Gestaltung zusammengesetzte Marke sei ohne weiteres im Sinne von "Netzwerk für die Stadt Kiel" verständlich und beschreibe damit unmittelbar die Art und Bestimmung der beanspruchten Dienstleistungen.

Gegen diese Beschlüsse richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Auf Nachfrage des Senats hat sie mitgeteilt, dass Gegenstand der Anmeldung die auf Blatt 3 der Amtsakte abgebildete, am Anmeldetag eingereichte Marke sein soll.

II.

Der Senat hat Bedenken hinsichtlich der Praxis des Deutschen Patent- und Markenamts, wonach der Anmelder bei Einreichung einer einzigen Anmeldung mit mehreren unterschiedlichen Markenwiedergaben nachträglich bestimmen kann, welches der Zeichen als Marke eingetragen werden soll.

1. Gesetzliche Mindesterfordernisse einer wirksamen Markenanmeldung sind nach § 32 Abs. 2 MarkenG Angaben zur Identität des Anmelders, eine Markenwiedergabe und ein Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen. Der einen Anspruch auf Eintragung begründende Anmeldetag ist der Tag, an dem diese Unterlagen beim Deutschen Patent- und Markenamt oder einem zur Annahme von Markenanmeldungen bestimmten Patentinformationszentrum eingehen (§ 33 Abs. 1 MarkenG). Erfüllt eine Anmeldung die genannten Mindestvoraussetzungen nicht, wird als Anmeldetag der Tag zuerkannt, an dem die fehlenden Angaben beim Amt nachgereicht werden (§ 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG). Der Tag der Einreichung einer Anmeldung und der Anmeldetag nach § 33 Abs. 1 MarkenG können daher unterschiedlich sein. Sofern mit der Anmeldung kein Prioritätsrecht in Anspruch genommen wird, ist der Anmeldetag im Kollisionsfall maßgeblich für den Zeitrang des mit der Anmeldung begründeten Rechts (§ 6 Abs. 1 und 2 MarkenG) und Ausgangspunkt für die Berechnung der Schutzdauer (§ 47 Abs. 1 MarkenG).

2. Im Hinblick auf diese an den Anmeldetag geknüpften Rechtswirkungen stellt die Marke ab dem Zeitpunkt ihrer Anmeldung eine unveränderliche Einheit dar, die nach Begründung eines Anmeldetags weder verändert noch ergänzt werden darf. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Markenwiedergabe und der Angabe der Markenform (vgl. BGH GRUR 2004, 502, 503 - Gabelstapler II; GRUR 2001, 239, 240 - Zahnpastastrang) als auch hinsichtlich des den Schutzgegenstand bestimmenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses, weil die nachträgliche Änderung oder Ergänzung einer unzulässigen Neuanmeldung unter Beibehaltung des ursprünglichen Zeitrangs gleichkäme (vgl. BGH GRUR 1988, 377, 378 - Apropos Film).

3. Eine eindeutig bestimmte Marke ist außerdem Voraussetzung für die Prüfung der Schutzfähigkeit, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichthofs stets anhand der konkreten Marke zu erfolgen hat (vgl. EuGH GRUR 2004, 428, Rn 51 - Henkel; GRUR 2004, 674, Rn 31, 56 - POSTKANTOOR; BGH GRUR 2002, 64, 65 - INDIVIDUELLE; GRUR 2001, 162, 163 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Lässt sich der Anmeldung nicht eindeutig entnehmen, für welche Marke die Eintragung beantragt wird, können - wie auch im Falle der fehlenden Markenwiedergabe - die zur Beurteilung der Schutzfähigkeit notwendigen tatsächlichen Feststellungen nicht getroffen werden. Solange der Anmeldegegenstand nicht feststeht, ist eine wirksame Prüfung der absoluten Schutzhindernisse daher nicht möglich. Wird die Anmeldung dennoch als schutzunfähig zurückgewiesen, liegt darin ein Verstoß gegen die Begründungspflicht, der die Zurückverweisung nach § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG rechtfertigt.

4. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen bestimmt die aufgrund Rechtsverordnungsermächtigung vom Deutschen Patent- und Markenamt erlassene Verordnung zur Ausführung des Markengesetzes (MarkenV), dass für jede Marke eine gesonderte Anmeldung erforderlich ist (§ 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG iVm § 1 Abs. 2 DPMAV, § 2 Abs. 3 MarkenV).

5. Nach der Verwaltungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Anmelder allerdings bei Einreichung einer Anmeldung mehrerer Marken noch nach Begründung des Anmeldetags die Möglichkeit zu bestimmen, für welche Marke die Anmeldung gelten soll, sofern die Anmeldung für sämtliche Marken die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Anmeldetags erfüllt (vgl. Schmidt, GRUR 2002, 653; DPMA, Handbuch für den Markenprüfer im nationalen Bereich, 1. Aufl. Frühjahr 2004, Ziff. 2.2., S. 15).

6. Aus der Sicht des Senats ist allerdings fraglich, ob die geschilderte Amtspraxis von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Nach § 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG iVm § 1 Abs. 2 DPMAV kann das Deutsche Patent- und Markenamt weitere, d.h. über die in § 32 Abs. 2 MarkenG geregelten hinausgehende Anmeldeerfordernisse bestimmen. Bei der geschilderten Amtspraxis handelt es sich der Sache nach aber nicht um die Regelung eines solchen zusätzlichen Erfordernisses. Denn die Einreichung einer einzigen Marke als Wirksamkeitsvoraussetzung der Anmeldung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut des § 32 MarkenG, der in Abs. 1 S. 1 von der Anmeldung "einer Marke" ausgeht und in Abs. 2 Nr. 2 als eines der Mindesterfordernisse die Wiedergabe "der Marke" vorsieht. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 MarkenV, wonach für jede Marke eine gesonderte Anmeldung erforderlich ist, regelt daher kein zusätzliches Anmeldeerfordernis, sondern hat lediglich klarstellende Funktion.

7. Die Frage, inwieweit die Zuerkennung eines Anmeldetags eine eindeutige Markenwiedergabe voraussetzt, ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Geht man davon aus, dass nur die Anmeldung einer eindeutig bestimmten Markenwiedergabe einen Anmeldetag nach § 33 Abs. 1 MarkenG begründet, kann in Fällen unklarer Markenwiedergaben erst der Tag als Anmeldetag zuerkannt werden, an dem der Anmelder die Bestimmung des konkreten Anmeldegegenstands nachholt. Im vorliegenden Fall wäre das der 7. September 2004, an dem die Erklärung der Anmelderin, dass Gegenstand der Anmeldung die Wiedergabe auf Blatt 3 der Amtsakte sein soll, beim Gericht eingegangen ist. Folgt man hingegen der in der Amtspraxis zum Ausdruck kommenden Auffassung, wonach die Marke noch nach Begründung des Anmeldetags konkretisiert werden kann, bleibt es beim ursprünglichen Anmeldetag. Im Ergebnis würde damit der Anmelder, der bewusst oder irrtümlich mehrere Wiedergaben einreicht gegenüber demjenigen bevorzugt, der versehentlich keine Markenwiedergabe beifügt. Denn während im ersten Fall der Zeitrang für alle Marken erhalten bleibt, kann im zweiten Fall nur der Tag als Anmeldetag zuerkannt werden, an dem die fehlende Wiedergabe beim Amt eingeht (§ 36 Abs. 2 S. 2 MarkenG).

8. Von der Entscheidung der genannten Rechtsfrage hängt es ab, ob der Senat die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverweist, damit für die Anmeldung mit Zeitrang vom 7. September 2004 die Prüfung der Schutzfähigkeit nachgeholt werden kann, oder ob er über die Anmeldung vom 18. Juli 2001 unter Zugrundelegung der nachträglichen Bestimmung der Anmeldemarke in der Sache selbst entscheidet. Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts war daher Gelegenheit zu geben, dem Verfahren beizutreten (§ 68 Abs 2 MarkenG).

Grabrucker Fink Dr. Mittenberger-Huber Cl






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Az: 29 W (pat) 88/02


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