Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Juni 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 205/01

(BPatG: Beschluss v. 24.06.2003, Az.: 33 W (pat) 205/01)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Patentamts vom 11. Mai 2001 aufgehoben.

2. Der Widerspruch aus der Marke 2R 132 442 wird zurückgewiesen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I Gegen die am 2. Juli 1998 veröffentlichte Eintragung der für Marktforschung, Meinungsforschung, Sozialforschungeingetragenen Wortmarke 2 913 956 GALLUP ist Widerspruch eingelegt worden aus der für die Waren Imprimes et ecrits, ainsi que periodiques et rapports concernant l«etude de l«opinion publique, ainsi que les problèmes sociaux, economiques, politiques, statistique, religieux, techniques et hygieniques, de même que des sujets d«art, d«horticulture, d«agriculture et de sylviculture, d«elevage, de pêche et relatifs à l«etude du marche et de la publiciteu.A. für die Bundesrepublik Deutschland international registrierten Wortmarke 2R 132 442 GALLUP.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der seit 1947 zunächst für eine niederländische Gesellschaft und später für die Widersprechende international registrierten Widerspruchsmarke bestritten. Daraufhin hat die Widersprechende zwei eidesstattliche Versicherungen von Führungskräften der Widersprechenden und ihrer amerikanischen Konzernmutter samt Anlagen vorgelegt, u.A. Beispiele von periodisch erscheinenden Druckwerken und einen Ordner mit Presseauszügen, in denen verschiedene Zeitungen und Nachrichtenmagazine die Ergebnisse von Meinungsumfragen der Widersprechenden inhaltlich wiedergeben.

Im Rahmen des Vorbringens, mit dem sich die Markeninhaberin gegen die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke ausspricht, hat sie vorgetragen, dass die Verkehrsbekanntheit des Zeichens "GALLUP" zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ausschließlich auf der Geschäftstätigkeit der Markeninhaberin als "jahrzehntelanger alleiniger Vertretung von "GALLUP" zurückzuführen" sei.

Mit Beschluss vom 11. Mai 2001 hat die Markenstelle für Klasse 35 durch ein Mitglied des Patentamts die Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke angeordnet. Sie ist der Auffassung, dass die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke für die Nachweiszeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG glaubhaft gemacht hat. Die laut eidesstattlicher Versicherung der Operation Managerin der Widersprechenden seit 1935 unter dem Titel "The Gallup Poll" herausgegebene und von mehreren Universitäts- und Staatsbibliotheken bezogene Sammlung von Umfrageergebnissen sowie die zahlreich vorgelegten Veröffentlichungen von Umfrageergebnissen in Zeitschriften und Zeitungen aus den Jahren 1994 bis 2000 belegten nach Dauer und Umfang eine ernsthafte Benutzung. Die Herausgabe der Sammlung "The Gallup Poll" durch die Muttergesellschaft sei der Widersprechenden nach § 26 Abs. 2 MarkenG zuzurechnen. Der Zusatz "The ... Poll" sei beschreibender Natur und daher unschädlich. Auch die Art der Benutzung genüge den Anforderungen des § 26 MarkenG. Wie telefonische Nachfragen bei Bibliotheken ergeben hätten, werde "The Gallup Poll" von diesen käuflich erworben. Die Veröffentlichung von Berichten über Meinungsumfragen der Widersprechenden in "fremden" Zeitschriften, Presseberichten etc. unter Nennung des Instituts der Widersprechenden sei auch eine verkehrsübliche Art der Benutzung unter Abgrenzung zu Berichten anderer Unternehmen. Nach telefonischer Auskunft des FO-CUS-Verlages würden Meinungsumfragen z.T. von Zeitschriftenverlagen in Auftrag gegeben, z.T. aber auch von Meinungsforschungsinstituten selbst initiiert werden, wobei die Ergebnisse von Presseunternehmen in Berichtsform gekauft oder in Form von z.B. über Presseagenturen bezogenen Mitteilungen verwertet würden. Dies stelle eine wirtschaftlich sinnvolle Art der Markenbenutzung dar. Soweit es sich nicht um gedruckte Ergebnisse von in Auftrag gegebenen Umfragen sondern um bereits fertiggestellte (selbst initiierte) Umfragen handele, liege keine Hilfsware für Meinungsforschungsdienstleistungen sondern ein selbständiges Wirtschaftsgut vor.

Zwischen den Marken bestehe die Gefahr von Verwechselungen. Angesichts der Identität der Marken hielten die Dienstleistungen der jüngeren Marke den danach erforderlichen deutlichen Abstand zu den Waren der Widersprechenden nicht ein. Da Meinungsforschung nach den Feststellungen der Markenstelle nicht nur als Auftragsforschung sondern auch eigeninitiiert durchgeführt werde, wobei die Ergebnisse als Druckwerke verkauft würden, sei es für die Verkehrsteilnehmer auf diesem Gebiet nahe gelegt, dass Warenhersteller und Dienstleistungsanbieter sich auf dem jeweils anderen Betriebssektor eigenständig gewerblich betätigten und sowohl die Waren als auch die Dienstleistungen der Kontrolle desselben Unternehmens unterlägen. An der 1980 getroffenen Amtsentscheidung, in der "Meinungsforschung" und "Druckereierzeugnisse" als ungleichartig angesehen worden sind (Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit ..., 11. Aufl., S. 380), werde nicht mehr festgehalten. Zwar könne nicht von einem erhöhten Schutzumfang der Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke ausgegangen werden, angesichts der mittleren bis engeren Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit sowie der Identität der Marken bestehe aber dennoch die Gefahr von Verwechslungen.

Gegen diese Entscheidung des Patentamts richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, mit der sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Widerspruch zurückzuweisen.

Von einer Begründung der Beschwerde hat sie abgesehen. Vor der Markenstelle hat sie mit Schriftsatz vom 31. Mai 2000 die Auffassung vertreten, dass die Widerspruchsmarke nach dem Inhalt der vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen nicht rechtserhaltend benutzt worden sei. Bei der Zeitschrift "THE GALLUP RE-VIEW" handele es sich um eine bloße Werbeunterlage. Die Zeitschrift "The Gallup Poll" sei nicht im Handel erhältlich, sondern könne allenfalls in Bibliotheken eingesehen werden. Es liege daher keine auf Gewinnerzielung gerichtete Umsatztätigkeit der Widersprechenden mit Druckschriften vor. Die von der Operation Managerin der Widersprechenden eidesstattlich versicherte Umsatzentwicklung der Widersprechenden beziehe sich ersichtlich auf Meinungsforschungsdienstleistungen, nicht aber auf Druckschriften. Bei dieser Sachlage komme es nicht mehr darauf an, dass die Wortfolgen "THE GALLUP REVIEW" und "The Gallup Poll" im Übrigen eine Änderung des kennzeichnenden Charakters der Marke "GALLUP" darstellten und keine Ähnlichkeit zwischen den Waren der Widersprechenden mit den Dienstleistungen der Markeninhaberin bestehe.

Dieser Schriftsatz ist der Widersprechenden mit dem angefochtenen Beschluss zugestellt worden.

Die Widersprechende hat sich auf die Beschwerde nicht geäußert.

Im Hinblick auf den lediglich von der Markeninhaberin hilfsweise gestellten Antrag auf Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Senat den Beteiligten mit Zwischenbescheid vom 23. Januar 2003 mitgeteilt, dass er beabsichtige, nach Ablauf eines Monats zur mündlichen Verhandlung zu laden oder in der Sache abschließend zu entscheiden. Hierauf ist keine weitere Äußerung der Beteiligten erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist begründet.

1. Der auf den Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützte Widerspruch ist erfolglos, weil die Widersprechende auf die Nichtbenutzungseinrede der Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat (§ 43 Abs. 1 Satz 3 MarkenG).

a) Die Nichtbenutzungseinrede ist im Verfahren vor der Markenstelle in zulässiger Weise erhoben worden. Sie wirkt auch im Beschwerdeverfahren fort (vgl. BGH GRUR 1999, 54 - Holtkamp, 1999, 995 - HONKA). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Einrede könnten allenfalls insofern bestehen, als die Markeninhaberin nach ihrem eigenen Vortrag früher die alleinige Repräsentantin der Gallup International Association in Deutschland war, so dass sie - offenbar als Vorgängerin der Widersprechenden - das Markenwort als damaliges Mitglied des Gallup-Unternehmensverbundes benutzt hat. Wer eine Widerspruchsmarke selbst benutzt (hat), handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er die Benutzung bestreitet.

Allerdings sind keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Markeninhaberin die Widerspruchsmarke für deren Waren, also Druckwerke und -schriften, benutzt hat. Außerdem ist die Widersprechende bereits 1994 gegründet worden oder hat zumindest 1994 ihren Betrieb aufgenommen, so dass die Fremdbenutzung des Kennzeichens "Gallup" durch die Markeninhaberin spätestens zu diesem Zeitpunkt beendet worden sein wird. Innerhalb des nach § 43 Abs. 1 Satz 1 MarkenG relevanten Nachweiszeitraums (Juli 1993 bis Juli 1998) wäre die Nichtbenutzungseinrede also allenfalls für die Zeit von Juli 1993 bis Anfang 1994 als unzulässig anzusehen. Im Übrigen, insbesondere für den gesamten Nachweiszeitraum nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG (ab Juni 1998), geht der Senat von der Zulässigkeit der Nichtbenutzungseinrede aus.

b) Glaubhaft zu machen ist die Verwendung der Marke grundsätzlich nach Art, Dauer, Ort und Umfang; diese Erfordernisse müssen insgesamt erfüllt sein (BPatGE 23, 158, 165 f. - Fludec; BPatGE GRUR 1994, 629, 630 - Duotherm). Hierbei kommen als Mittel zur Glaubhaftmachung alle präsenten Beweismittel einschließlich der eidesstattlichen Versicherung in Betracht; außerdem können auch sonstige Unterlagen, wie z.B. Preislisten, Prospekte, Etiketten, Rechnungskopien usw. insbesondere zur Ergänzung und Verdeutlichung einer eidesstattlichen Versicherung dienen (Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 43 Rdn. 44).

Den vorgelegten Benutzungsunterlagen kann der Senat nicht mit der für eine Glaubhaftmachung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass die in den eidesstattlichen Versicherungen Bezug genommenen und teilweise in Kopie oder im Original vorgelegten Druckwerke entweder nach ihrem Umfang oder ihrer Art nach in einer den Anforderungen des § 26 MarkenG genügenden Weise ernsthaft und funktionsgerecht benutzt worden sind.

aa) Dies gilt zunächst für die schriftlichen Ergebnisse von Meinungsumfragen, die nach den unbestritten gebliebenen Feststellungen der Markenstelle von Meinungsforschungsinstituten teilweise auf eigenes wirtschaftliches Risiko durchgeführt und in Form fertiger Druckschriften an Nachrichtenagenturen oder sonstige Presseorgane verkauft werden. Zwar lassen es die in umfangreicher Zahl vorgelegten Presseartikel, in denen das Ergebnis von Umfragen der Widersprechenden wiedergegeben wird, durchaus wahrscheinlich erscheinen, dass die Widersprechende nicht nur Auftragsumfragen erstellt, sondern in beachtlichem Umfang auch solche selbstinitiierten Meinungsumfragen durchgeführt hat, um das Ergebnis in schriftlicher Form entgeltlich an Presseunternehmen zur Verwertung anzubieten. Es ist jedoch nicht ansatzweise glaubhaft gemacht worden, dass die Marke für diese Druckwerke funktionsgemäß nach Art einer Marke, also zur kennzeichenmäßigen Unterscheidung der Waren der Widersprechenden von Waren anderer Unternehmen, verwendet worden ist. Bei Waren, insbesondere Druckwerken, wird eine Marke regelmäßig nur dann funktionsgemäß benutzt, wenn sie auf der Ware, ihrer Umhüllung oder ihrer Verpackung angebracht ist (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, a.a.O., § 26, Rdn. 11). Hierfür hätte die Widersprechende zumindest ein mit der Marke gekennzeichnetes Warenbeispiel vorlegen müssen, etwa in Form einer Originalstudie, eines Auszugs, einer Kopie oder wenigstens einer Verpackung oder Umhüllung oder einer Abbildung, aus der eine funktionsgemäße Art der Verwendung hervorgeht. Ein solches Glaubhaftmachungsmittel liegt jedoch nicht vor. Es sind auch keine wirtschaftlichen Gründe erkennbar, dass die bei Druckwerken übliche körperliche Verbindung zwischen Ware und Marke beim Verkauf schriftlicher Ergebnisse bzw. Studien von Meinungsumfragen nicht verkehrsüblich sein könnte. Gerade um sein Umfrageergebnis von denjenigen anderer Meinungsforschungsinstitute zu unterscheiden, müsste einem Institut daran gelegen sein, sein Produkt deutlich mit einem Hinweis zu kennzeichnen, der auf die betriebliche Herkunft und damit zugleich auf die eigene Urheberschaft hinweist. Ein nur mittelbarer Rückschluss, dass die in den vorgelegten Presseartikeln häufig als "Gallup-Umfrage" oder "-Studie" bezeichneten Ergebnisse schon irgendwie funktionsgemäß mit der Marke gekennzeichnet sein werden, verbietet sich im Rahmen eines Glaubhaftmachungsverfahrens.

bb) Auch aus den sich auf die periodisch erscheinende Zeitschrift " THE GALLUP REVIEW" beziehenden Glaubhaftmachungsunterlagen kann eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Zwar ist von der Zeitschrift "THE GALLUP REVIEW" ein Originalexemplar der Ausgabe "Volume 2, Issue 1 -1998" als Anlage 2 zur Eidesstattlichen Versicherung von A..., Operation Managerin der Widerspre- chenden, vom 13. März 2000 vorgelegt worden, wobei der Senat zugunsten der Widersprechenden davon ausgeht, dass der darauf deutlich kennzeichnend angebrachte Titel "THE GALLUP REVIEW" nicht als Veränderung des kennzeichnenden Charakters anzusehen ist (vgl. Althammer/Ströbele/Klaka, a.a.O., § 26, Rdn. 68 mit dort zitierten Rechtsprechungsbeispielen). Es erscheint jedoch sowohl nach dem Wortlaut der Eidesstattlichen Versicherung ("...wird in dieser Form seit mindestens Mitte 1997 halbjährlich an Kunden und potentielle Kunden verschickt") als auch nach dem Untertitel der Druckschrift ("INFORMATION FOR CLIENTS OF THE GALLUP ORGANIZATION") eher wahrscheinlich, dass - wie die Markeninhaberin geltend gemacht hat - insoweit keine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit vorliegt, vielmehr eine Kundenzeitschrift unentgeltlich versendet worden ist. Eine unentgeltliche Verteilung an Unternehmenskunden ist keine Markenbenutzung im geschäftlichen Verkehr.

ks) Auch für die jährlich bzw. monatlich erscheinenden Sammlungen von Umfrageergebnissen "The Gallup Poll - Public Opinion" und "The Gallup Poll - Monthly Magazin", auf die in Ziffer 5. der o.g. Eidesstattlichen Versicherung und in Ziffer 3.g. der Eidesstattlichen Versicherung von S..., General Counsel and Corporate Secretary der G... Inc., Bezug genommen wird, und die in Form ein- zelner Exemplare bzw. Titelseiten vorgelegt worden sind, kann eine ernsthafte Benutzung i.S.d. § 26 MarkenG nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Senat hat bereits gewisse Zweifel, ob die nach dem Inhalt der Glaubhaftmachungsunterlagen ersichtlich ausschließlich durch die Konzernmutter der Widersprechenden erfolgende Benutzung dieser Periodika überhaupt nach § 26 Abs. 2 MarkenG der Widersprechenden zugerechnet werden können. Die Markenstelle hat dies unter Hinweis auf Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, a.a.O., Rdn. 55 als unproblematisch angesehen. Inwieweit die von ihr zitierte Kommentarstelle hier letztlich zutreffend ist, erscheint bereits zweifelhaft. Denn in den dort genannten Rechtsprechungsbeispielen geht es um die Benutzung der Marke der Muttergesellschaft durch deren Tochter oder die Benutzung durch Schwestergesellschaften der Widersprechenden. Ob die Benutzung jedoch einer Tochtergesellschaft zugerechnet werden kann, wenn die Konzernmutter benutzt, ist fraglich, da die hierarchisch übergeordnete Muttergesellschaft beim Verkauf ihrer eigenen Druckschriften i.d.R. für sich selbst, nicht aber mit Fremdbenutzungswillen für ihre Tochter handeln dürfte. Andererseits sprechen aber auch Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Zustimmung i.S.d. § 26 Abs. 2 MarkenG. So ist davon auszugehen, dass die Tochter notwendigerweise schon aufgrund ihrer untergeordneten Stellung in der Konzernhierarchie die Zustimmung zur Benutzung ihrer Marke durch die Mutter abgeben wird. Hinzu kommt, dass sich die Gallup Organisation nach dem Inhalt der Glaubhaftmachungsunterlagen als weltweite Organisation darstellt, bei der eine Benutzung der Marke "GALLUP" durch die Muttergesellschaft im Rahmen arbeitsteiligen Handelns als Benutzung für die Mutter und die Tochter zugleich angesehen werden könnte, so dass neben dem Eigen- zugleich auch ein Fremdbenutzungswille anzunehmen wäre.

Letztlich kann die Frage der Benutzungszurechnung dahingestellt bleiben. Jedenfalls geht aus den Glaubhaftmachungsunterlagen nicht hervor, dass die o.g. Druckwerke dem Umfang nach eine ernsthafte Benutzung darstellen. Es ist nicht ersichtlich, welcher Umsatz mit dem Verkauf der o.g. Druckschriften in Deutschland erwirtschaftet worden ist. Insbesondere können die in Ziffer 6. der Eidesstattlichen Versicherung der Operation Managerin angegebenen Umsatzzahlen hierfür nicht herangezogen werden, da sie nur den eigenen Gesamtumsatz der sich vorrangig mit Markt- und Meinungsforschung befassenden Tochter der benutzenden Konzernmutter wiedergeben. Somit erlauben nur die Angaben über die regelmäßigen Bezieher einen Rückschluss auf die Stückzahlen. Laut den vorgelegten Internet-Auszügen aus GBV-Katalog und den unter Ziffer 3. g der Eidesstattlichen Versicherung des General Counsel der G... Inc. enthaltenen Angaben beziehen sechs deutsche Bibliotheken die jährlich erscheinende Sammlung "The Gallup Poll - Public Opinion" und fünf "The Gallup Poll - Monthly Magazine", wobei die Niedersächsische Staats- u. Universitätsbibliothek Göttingen beide Sammlungen bezieht. Daher ist von insgesamt zehn regelmäßigen Beziehern auszugehen. Dies entspricht nach Auffassung des Senats nicht den Anforderungen an eine ernsthafte Markenbenutzung für Druckschriften, selbst wenn man die spezielle Thematik der Waren und die außerordentlich lange und kontinuierliche Benutzungsdauer (seit 1935) berücksichtigt. Denn ungeachtet der Zurechnung nach § 26 Abs. 2 MarkenG ist bei der Beurteilung des erforderlichen Benutzungsumfangs auf die Verhältnisse des tatsächlich Benutzenden, also hier der Konzernmutter der Widersprechenden, abzustellen (vgl. BGH GRUR 1997, 301 - LORDS/LORD, Althammer/Ströbele/Klaka, a.a.O., Rdn. 36). Wie sich aber aus der Eidesstattlichen Versicherung des General Counsel, Ziffer 3., und von der Markenstelle im Anmeldeverfahren recherchierten lexikalischen Hinweisen ergibt, handelt es sich bei der Gallup Inc. um eines der weltweit bekanntesten und führenden Unternehmen auf dem Gebiet der Markt- und Meinungsforschung. Selbst wenn die Herausgabe periodisch erscheinender Sammlungen der Ergebnisse von Umfrageergebnissen nur eine Art "Abfallprodukt" für die den Schwerpunkt des Unternehmens bildenden Dienstleistungen darstellen, so geht der Senat angesichts der glaubhaft gemachten geringen Zahl der regelmäßigen Bezieher von einer vorrangig wissenschaftlich orientierten Herausgabe von Druckschriften aus. Der festgestellte Benutzungsumfang entspricht damit nicht den Anforderungen an eine ernsthafte, wirtschaftlich sinnvolle Benutzung im geschäftlichen Verkehr i.S.d. § 26 Abs. 1 MarkenG (vgl. a. EuGH MarkenR 2003, 223, 226 f.). Soweit der Widerspruch auf den Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG gestützt wird, konnte er also keinen Erfolg haben, ohne dass es auf das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr, insbesondere der von der Markenstelle mit beachtlichen Gründen festgestellten Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen, ankommt.

2. Auch wenn zugunsten der Widersprechenden davon ausgegangen wird, dass statt oder neben dem Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auch der Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (Widerspruch gegen eine Agentenmarke) in Betracht kommen kann, hat der Widerspruch keinen Erfolg. Denn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG sind schon deshalb nicht erfüllt, weil die Widersprechende und Inhaberin der Widerspruchsmarke nicht als Geschäftsherrin i.S.d. § 11 MarkenG anzusehen ist, während die amerikanische Konzernmutter der Widersprechenden zwar als Geschäftsherrin in Betracht kommt, jedoch nicht Inhaberin der Widerspruchsmarke ist. Abgesehen davon unterläge die Widerspruchsmarke in der vorliegenden Fallkonstellation gleichfalls dem Benutzungszwang.

Obwohl dieser seltenere Widerspruchsgrund weder von den Beteiligten noch von der Markenstelle angesprochen worden ist, sind nach Auffassung des Senats Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es sich bei der jüngeren Marke um eine ohne Zustimmung der Geschäftsherrin angemeldete Agentenmarke handeln könnte. Bei der Erhebung des Widerspruchs wie auch in ihrem späteren Vorbringen hat die Widersprechende diesen Widerspruchsgrund ebenso wenig ausdrücklich geltend gemacht, wie den des § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, was nach der Sollvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 3 MarkenV auch nicht zwingend erforderlich ist. Jedoch hat sie im Feld (4) des amtlichen Widerspruchsformblatts, W 7202, Ausgabe 11.94 ("Bezeichnung der Art der Widerspruchsmarke (nur bei Widerspruch aus einer notorisch bekannten Marke oder gegen die Eintragung einer Marke für den Agenten oder Vertreter des Markeninhabers") eine Ankreuzung vorgenommen. Der Senat geht insoweit zugunsten der Widersprechenden davon aus, dass der Widerspruch damit bereits innerhalb der Widerspruchsfrist auch auf § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG gestützt war; die Zahlung nur einer Widerspruchsgebühr war jedenfalls angesichts des reinen Inlandsachverhalts ausreichend (vgl. auch Senatsentscheidung Mitt. 2001, 264, 265 - Kümpers).

Die Markeninhaberin war bis etwa zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke die deutsche Repräsentantin der Gallup Inc. Dies ergibt sich teilweise aus lexikalischen Hinweisen, die von der Markenstelle im Anmeldeverfahren recherchiert worden sind, vor allem aber auch aus von der Markeninhaberin selbst vorgelegtem Material (Prospekte, Briefbögen aus dieser Zeit), mit dem sie unter Hinweis auf ihre (damalige) Stellung als Gallup-Repräsentantin Bedenken im Hinblick auf das Vorliegen von Eintragungshindernissen auszuräumen versucht hatte. Auch im Widerspruchsverfahren hat die Markeninhaberin vorgetragen, dass die Verkehrsbekanntheit der Marke "GALLUP" ausschließlich auf der Geschäftstätigkeit der Markeninhaberin als "jahrzehntelanger alleiniger Vertretung von "GAL-LUP" zurückzuführen" sei (Schriftsatz der Markeninhaberin vom 31. Mai 2000, S. 1 und 4). Unter diesen Umständen geht der Senat davon aus, dass zwischen der Konzernmutter der Widersprechenden und der Markeninhaberin bis etwa zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke ein Agentenverhältnis i.S.d. §§ 11, 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bestanden hat.

Der Widerspruch ist jedoch von der erst 1994 gegründeten deutschen Konzerntochter der Gallup Inc. erhoben worden, zu der ein Agentenverhältnis nicht mehr bestanden haben kann. Nicht die Widersprechende, sondern allenfalls ihre amerikanische Konzernmutter kann daher als Geschäftsherrin des Agentenverhältnisses Inhaberin eines Löschungsanspruchs nach § 11 MarkenG sein, was eine der Voraussetzungen für die Widerspruchsberechtigung nach § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist.

Zwar liegen auch Anhaltspunkte dafür vor, dass die Widersprechende von ihrer Konzernmutter zur Geltendmachung eines Löschungsanspruchs nach § 42 MarkenG ermächtigt sein könnte (vgl. Eidesstattliche Versicherung des General Counsel, Ziffern 2, 15. ff.). Hierzu ist von der Widersprechenden jedoch schriftsätzlich nichts dargelegt worden. Eine nähere Substantiierung wäre aber veranlasst gewesen, weil die Gallup Inc. als ehemalige Geschäftsherrin der Markeninhaberin zu keiner Zeit Inhaberin der Widerspruchsmarke gewesen ist. Das Bestehen einer identischen oder wenigsten ähnlichen Marke mit älterem Zeitrang für den Geschäftsherrn des Agenten ist aber zwingende Voraussetzung für den Löschungsanspruch nach §§ 11, 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG (vgl. Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 11, Rdn. 14 ff.).

Damit scheitert hier ein gegen eine Agentenmarke gerichteter Widerspruch schon mangels Inhaberschaft an der Widerspruchsmarke, nachdem der ausländische Geschäftsherr die Vertragsbeziehungen zum Agenten beendet und - quasi als dessen Nachfolgerin - eine inländische Tochtergesellschaft gegründet hat, die nationale Registermarken als Inhaberin anmeldet oder übernimmt.

Zwar mag es als unbefriedigend empfunden werden, dass damit oftmals gerade wirtschaftlich bedeutende ausländische Markeninhaber, häufig Inhaber von Marken mit Weltruf, vom Schutz des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG i.V.m. § 11 MarkenG ausgeschlossen werden, wenn sie ihre bisher von Inlandsagenten vertretenen wirtschaftlichen Interessen nunmehr durch inländische Tochtergesellschaften wahrnehmen lassen wollen. Zumindest für das kursorische registerrechtliche Widerspruchsverfahren, in dem über die Person des Inhabers der rangbesseren Marke und damit auch des Inhabers eines mit dem Widerspruch verfolgbaren Löschungsanspruchs soweit wie möglich aus dem Register heraus Klarheit bestehen muss, lässt sich jedoch eine großzügigere, an den wirtschaftlichen Interessen orientierte Auslegung des § 11 MarkenG (so etwa Fuchs-Wissemann in Ekey/Klippel, Heidelberger Kommentar zum Markenrecht, § 11 Rdn. 11) nicht vertreten.

Die Widerspruchserklärung lässt sich auch nicht etwa dahingehend auslegen, dass der Widerspruch zugleich aus einer eventuell für "Markt- und Meinungsforschung" notorisch bekannten Marke "Gallup" der G... Inc. erhoben worden ist. Denn als Widerspruchsmarke kommt nach den eindeutigen Angaben in den Feldern (2) und (3) des verwendeten Widerspruchsformblatts allein die für Druckschriften international registrierte Marke 2R 132 442 - "GALLUP" in Betracht, zumal insoweit auch nur eine Widerspruchsgebühr entrichtet worden ist.

Im Übrigen bliebe der Widerspruch unter dem Gesichtspunkt der Agentenmarke auch mangels ausreichender Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung erfolglos. Denn die Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 MarkenG muss in den Fällen des Widerspruchs gegen eine Agentenmarke nach § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG dann als grundsätzlich zulässig angesehen werden, wenn es sich um einen reinen Inlandssachverhalt handelt. Nach seinem Tatbestand verlangt § 43 Abs. 1 MarkenG, dass der Widerspruch "vom Inhaber einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang erhoben worden" ist. Damit knüpft er an den Wortlaut des für alle Widerspruchsgründe geltenden § 42 Abs. 1 MarkenG an, ist also ersichtlich nicht auf die Fälle des § 42 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG beschränkt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 43 Abs. 1 MarkenG in allen Fällen des Widerspruchs gegen eine Agentenmarke anwendbar ist, was etwa dann problematisch sein kann, wenn eine ausländische Widerspruchsmarke im Heimatland keiner Benutzungsobliegenheit unterliegt. Hier jedenfalls liegt ein inländischer Sachverhalt vor, bei dem der deutsche Anteil der Widerspruchsmarke nach §§ 49, 115 MarkenG ebenso dem Verfall unterliegt wie eine deutsche Registermarke. Insoweit ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Anwendung des § 43 Abs. 1 MarkenG in solchen Fällen von vornherein ausgeschlossen sein und der gegen eine Agentenmarke gerichtete Widerspruch insoweit "privilegiert" sein sollte. Soweit in der o.g. Senatsentscheidung, Mitt. 2001, 264, 265, re.Sp. unter II. 1. d) angedeutet wird, dass Benutzungsfragen gemäß §§ 43 Abs. 1, 26 MarkenG beim Widerspruchsgrund des § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nicht relevant werden können, hält der Senat für die vorliegende Fallgestaltung daran nicht mehr fest.

Damit war der Beschwerde unter Zurückweisung des Widerspruchs stattzugeben.

3. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG aufzuerlegen.

4. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 MarkenG zu. Die mit der Erhebung des Widerspruchs gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, den Voraussetzungen dieses Widerspruchsgrunds und der Anwendbarkeit des Benutzungszwangs auf die Widerspruchsmarke des Geschäftsherrn in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen sind von grundsätzlicher Bedeutung und bisher nicht höchstrichterlich entschieden.

Winkler Dr. Hock Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 24.06.2003
Az: 33 W (pat) 205/01


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