Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. April 2000
Aktenzeichen: 33 W (pat) 193/99

(BPatG: Beschluss v. 14.04.2000, Az.: 33 W (pat) 193/99)

Tenor

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung von Art. 2 der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr 89/104 vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 - ABI. Nr. L 40/1 vom 11. Februar 1989 - folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 2 der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken vom 21. Dezember 1988 dahin auszulegen, daß "Zeichen, die sich graphisch darstellen lassen" begrifflich lediglich solche Zeichen umfassen, die unmittelbar in ihrer sichtbaren Gestaltung wiedergegeben werden können€ Oder sind darunter auch Zeichen zu verstehen, die als solche - wie beispielsweise Gerüche oder Geräusche - zwar visuell nicht wahrnehmbar sind, deren Wiedergabe aber durch Hilfsmittel mittelbar möglich ist€

2. Falls Frage 1. im Sinne einer weiten Auslegung beantwortet wird: Genügt es den Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit im Sinne von Art. 2 der Richtlinie, wenn ein Gerucha. durch eine chemische Formelb. durch eine (zu veröffentlichende) Beschreibungc. mittels einer Hinterlegung oderd. durch eine Kombination vorgenannter Wiedergabesurrogatewiedergegeben wird€

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) ist eine sogenannte "Riechmarke" (olfaktorische Marke) für Dienstleistungen der Klassen 35, 41 und 42 zur Eintragung als sonstige Markenform angemeldet worden. Das Dienstleistungsverzeichnis ist dem Beschluß als Anlage beigefügt.

Bei der im Anmeldeformular enthaltenen Rubrik "Wiedergabe der Marke" hat der Anmelder auf eine als Anlage beigefügte Beschreibung verwiesen. Diese lautet gemäß Hauptantrag

"Markenschutz wird beansprucht für die beim DPMA hinterlegte Riechmarke der chemischen Reinsubstanz Methylcinnamat (= Zimtsäuremethylester), deren Strukturformel nachfolgend abgebildet ist. Proben dieser Riechmarke sind auch über den örtlichen Laborbedarf gemäß Gelbe Seiten der Deutsche Telekom AG oder zB über die Firma E. Merck in Darmstadt erhältlich.

C6H5-CH = CHCOOCH3"

Hilfsweise für den Fall, daß die Beschreibung für das Anmeldeerfordernis nach § 32 Abs 2 und 3 MarkenG nicht ausreichend sein sollte, hat der Anmelder die Beschreibung gemäß Hauptantrag um folgenden Zusatz erweitert:

"Der Markenanmelder erklärt sein Einverständnis mit einer Akteneinsicht in die hinterlegte Riechmarke "Methylcinnamat" nach § 62 Abs 1 MarkenG, § 48 Abs 2 MarkenV."

Der Anmelder hat ferner in einem Behältnis eine Riechprobe eingereicht und hierzu ausgeführt, daß der Duft üblicherweise als balsamischfruchtig mit einem leichten Anklang an Zimt bezeichnet werde.

Im Nachgang zur Anmeldung hat der Anmelder die bereits in der Beschreibung genannte chemische Strukturformel als graphische Wiedergabe der Marke bezeichnet.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, daß bereits Bedenken gegen die Markenfähigkeit der angemeldeten Marke gemäß § 3 Abs 1 MarkenG und ihre graphische Darstellbarkeit gemäß § 8 Abs 1 MarkenG bestünden, denn mit der Angabe der chemischen Formel "C6H5-CH = CHCOOCH3" für Methylcinnamat in Verbindung mit der Beschreibung des Duftes als balsamischfruchtig mit leichtem Anklang an Zimt stehe weder für das Amt noch für die Mitbewerber fest, was unter Schutz gestellt sei. Letztlich könne die Frage der Markenfähigkeit und der graphischen Darstellbarkeit jedoch dahingestellt bleiben, weil der angemeldeten Marke jedenfalls das Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG entgegenstehe. Bei der Wahrnehmung der angemeldeten Riechmarke in Verbindung mit den beanspruchten Dienstleistungen denke der Verkehr im allgemeinen nicht an einen betrieblichen Herkunftshinweis, sondern nur an einen in der angenehmen Parfümierung der Geschäftsräume bestehenden Service des Anbieters zur Steigerung des Wohlbefindens des Kunden. Gegen die betriebliche Hinweisfunktion spreche ferner, daß der Verkehr derzeit noch nicht daran gewöhnt sei, in einem Duft die Marke eines Unternehmens zu sehen.

Hiergegen hat der Anmelder Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und festzustellen, daß Eintragungsversagungsgründe nach §§ 3, 8 Abs 1 und Abs. 2 Nr 1 und 2 MarkenG nicht vorliegen.

Zur Begründung trägt er vor, daß eine Riechmarke generell markenfähig im Sinne des § 3 Abs 1 MarkenG sei und ihre Wiedergabe durch eine chemische Formel in Verbindung mit der Hinterlegung eines Musters des Geruchs auch den Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit gemäß § 8 Abs 1 MarkenG genüge. Zweck dieser Bestimmung sei es, die zweidimensionale Eintragung einer Marke in das Register zu ermöglichen und die Öffentlichkeit über Art und Schutzumfang der Marke zu informieren. Hierzu sei nicht notwendigerweise eine graphische Darstellung erforderlich. Es genüge eine Umschreibung in hinreichend eindeutigen Symbolen, bei einer Farbmarke etwa in einer konkreten Farbangabe und bei der Hörmarke durch Wiedergabe in einer Notenschrift oder einem Sonagramm. Durch die Hinterlegung einer Probe des beanspruchten Dufts sei der Schutzgegenstand für die Behörde wie auch für die Allgemeinheit, die sich über den Duft durch Akteneinsicht oder durch Kauf einer Probe bei den in der Beschreibung angegebenen Adressen informieren könne, hinreichend definiert. Dabei sei zu berücksichtigen, daß vorliegend nicht eine Stoffmischung, sondern eine Reinsubstanz beansprucht werde, die außerordentlich schwerflüchtig sei und auch keine sich unterschiedlich verflüchtigenden Komponenten enthalte, so daß ihre Wahrnehmung objektiv immer gleich sei. Die angemeldete Riechmarke besitze in bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen auch die erforderliche Unterscheidungskraft. Die Behauptung der Markenstelle, der Verkehr denke bei einem Duft nicht an eine Marke, sondern nur an ein Mittel zur Förderung des körperlichen Wohlbefindens, entbehre jeglicher tatsächlichen Grundlage. Gegen die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses spreche, daß der Geruch der konkret beanspruchten chemischen Einzelsubstanz, von denen der Mensch ca 10 000 unterscheiden könne, für die angemeldeten Dienstleistungen nicht benötigt werde.

II.

Vor der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 Abs 1 Buchst. b EGV eine Vorabentscheidung zu den im Beschlußtenor gestellten Fragen einzuholen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist zur Vorabentscheidung berufen, da es um die Auslegung von Art. 2 der Ersten Richtlinie des Rates der EG vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken geht (89/104/EWG - ABl. Nr. L 40 vom 11. Februar 1989, 1 ff - im folgenden Markenrechtsrichtlinie).

1. Grundlage für die Beurteilung des Eintragungsbegehrens des Anmelders sind die Vorschriften des § 3 und § 8 MarkenG, deren Voraussetzungen die zuständige Markenstelle des DPMA nach § 37 Abs 1 MarkenG von Amts wegen zu prüfen hat. Die Markenstelle ist zu dem Ergebnis gekommen, daß gegen die angemeldete Marke sowohl im Hinblick auf die Markenfähigkeit gemäß § 3 Abs 1 MarkenG als auch unter dem Gesichtspunkt der graphischen Darstellbarkeit nach § 8 Abs 1 MarkenG Bedenken bestehen. Sie hat diese Fragen jedoch nicht abschließend entschieden, sondern die Anmeldung gemäß § 37 Abs 1 MarkenG iVm § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG mit der Begründung zurückgewiesen, daß der Eintragung auf jeden Fall das Schutzhindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft entgegensteht.

2. Bei der Beurteilung der gegen die Zurückweisung zulässig erhobenen Beschwerde ist der Senat nicht an den Versagungsgrund gebunden, auf den die Markenstelle die Zurückweisung der Anmeldung gestützt hat. Er hat vielmehr alle im Prüfungsverfahren in Erwägung gezogenen Eintragungsversagungsgründe zu prüfen. Hierbei geht er davon aus, daß Gerüche oder Düfte abstrakt betrachtet geeignet sein können, sich dem Verkehr im Sinne des § 3 Abs 1 MarkenG als ein eigenständiges betriebliches Unterscheidungsmittel einzuprägen, etwa wenn sie mit den zur Erbringung von Dienstleistungen verwendeten Gegenständen verbunden werden. § 3 Abs 1 MarkenG, der die Markenfähigkeit insbesondere der durch Eintragung als auch der durch Benutzung im geschäftlichen Verkehr entstehenden Marken betrifft (§ 4 Nr 1 und 2 MarkenG) und daher teilweise von Art. 2 Markenrechtsrichtlinie abweicht, hat folgenden Wortlaut:

"Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden."

Die Markenfähigkeit von Riechmarken ist unter dem Gesichtspunkt ihrer abstrakten Unterscheidungseignung bisher auch weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung ernsthaft in Frage gestellt worden (vgl Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl., § 3 Rdn 24; Fezer; Markengesetz, 2. Aufl., § 3 Rdn 280; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 1998, § 3 Rdn 33; Viefhhues, Geruchsmarken als neue Markenform, MarkenR 1999, 249).

3. Zweifel bestehen jedoch hinsichtlich der Frage, ob eine Riechmarke die Voraussetzung der graphischen Darstellbarkeit erfüllen kann. Die graphische Darstellbarkeit bildet nach der Vorschrift des § 8 Abs 1 MarkenG in Umsetzung des Art. 2 Markenrechtsrichtlinie unabdingbare Voraussetzung für ein als Marke einzutragendes Zeichen. § 8 Abs 1 MarkenG lautet wie folgt:

"Von der Eintragung sind als Marke schutzfähige Zeichen im Sinne des § 3 ausgeschlossen, die sich nicht graphisch darstellen lassen".

Die graphische Darstellbarkeit eines Zeichens stellt ein Eintragungskriterium dar, das jedenfalls im Beschwerdeverfahren regelmäßig vorrangig vor den Eintragungshindernissen des § 8 Abs 2 MarkenG zu prüfen ist, denn bei Fehlen der graphischen Darstellbarkeit könnte eine Eintragung auch dann nicht erfolgen, wenn sich das Zeichen im Verkehr als Marke eines bestimmten Unternehmens durchgesetzt und damit die Eintragungshindernisse des § 8 Abs 2 Nr 1 bis 3 MarkenG, insbesondere einen etwaigen Mangel an ursprünglicher Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, überwunden hat. Die Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs 3 MarkenG (entspricht Art. 3 Abs 3 Markenrechtsrichtlinie) kann vom Anmelder im Beschwerdeverfahren noch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung oder - sofern die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergeht - bis zur Zustellung der Entscheidung geltend gemacht werden. Es bedarf vorliegend daher vorab der Klärung, ob die angemeldete Marke überhaupt das Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit erfüllt.

4. Unabhängig davon wird der angemeldeten Marke auch kaum von vornherein pauschal für alle angemeldeten Dienstleistungen die Eignung eines betrieblichen Herkunftshinweises im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG abgesprochen werden können, wenn sie etwa auf Prospekten, Katalogen, Preislisten und sonstigen, bei der Erbringung der Dienstleistungen verwendeten Geschäftspapieren oder Gegenständen angebracht wird. Erst recht kann sie nicht als ein Zeichen angesehen werden, das im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zur ausschließlich beschreibenden Bezeichnung sämtlicher Dienstleistungen, wie etwa der in Klasse 35 aufgeführten, geeignet ist.

III.

Unter diesen Umständen hängt der Erfolg der Beschwerde zumindest teilweise auch von der Frage ab, ob der Eintragung der angemeldeten Marke die Vorschrift des § 8 Abs 1 MarkenG entgegensteht, welche die Markenrechtsrichtlinie in ihrem Artikel 2 iVm mit Art 3 Abs 1 lit. a) in nationales Recht umsetzt und daher innerhalb der Europäischen Union einer einheitlichen Auslegung des dort genannten Merkmals der "Zeichen, die sich graphisch darstellen lassen" bedarf. Hierzu ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften berufen.

1. Nach Art. 2 Markenrechtsrichtlinie können Marken alle Zeichen sein, die sich graphisch darstellen lassen, sofern sie geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Entsprechende Bestimmungen über das Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit sehen auch die Gemeinschaftsmarkenverordnung (Art. 4 GMVO) und die einschlägigen nationalen Gesetze der EU-Länder vor. Eine Definition des Merkmals der graphischen Darstellbarkeit ist in Art. 2 Markenrechtsrichtlinie nicht enthalten. Der Bedeutungsumfang dieses Merkmals ergibt sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang dieser Vorschrift. Dort sind als Beispiele eintragbarer Marken zwar ausschließlich solche Zeichen aufgeführt, die visuell zwei- oder dreidimensional wahrnehmbar sind und sich daher durch Schrift oder Bild ohne weiteres abbilden lassen, nämlich Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und die Form oder Aufmachung der Ware. Der nicht abschließende Charakter dieser Aufzählung läßt jedoch nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß nach dem Normzweck des Art. 2 nur solche Zeichen dem Markenschutz zugänglich sein sollen, die selbst unmittelbar graphisch dargestellt werden können.

a) Zu dieser Vorschrift haben der Rat und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Protokoll des Rates allerdings bereits anläßlich der Annahme der Markenrechtsrichtlinie in einer Gemeinsamen Erklärung (s. Amtsblatt des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM), 1996, 606) ua die Auffassung geäußert, daß Art. 2 Markenrechtsrichtlinie nicht die Möglichkeit ausschließt, in Zukunft Tonzeichen als Marken einzutragen. Dieser Gemeinsamen Erklärung zufolge, die jedoch nicht Bestandteil der Markenrechtsrichtlinie ist und daher auch nicht deren Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften präjudiziert, ist das Merkmal der graphischen Darstellbarkeit auch dann erfüllt, wenn das die Marke darstellende Zeichen - etwa ein Klang - nicht visuell wahrnehmbar und daher naturgemäß auch nicht als solcher graphisch darstellbar ist, sondern nur durch ein Surrogat (zB ein Notenbild oä) wiedergegeben werden kann.

b) Entsprechend werden in der Praxis zahlreicher EU-Länder und teilweise auch in den einschlägigen Gesetzen (zB Art. 16 des italienischen Markengesetzes) visuell nicht wahrnehmbare Zeichen als graphisch darstellbare Marken zugelassen, wobei die Wiedergabe der Marke durch graphische Surrogate ergänzt oder sogar ersetzt werden kann. So sieht beispielsweise die deutsche Verordnung zur Ausführung des Markengesetzes (Markenverordnung-MarkenV) vom 30. November 1994 (BlPMZ Sonderheft, 1994, S 156 ff) in § 11 Abs 2 vor, daß Hörmarken in einer üblichen Notenschrift oder, falls dies wegen der Art der Marke nicht möglich ist, durch ein Sonagramm darzustellen sind. Der Anmelder muß nach § 11 Abs 3 MarkenV ferner eine klangliche Wiedergabe der Marke auf einem Datenträger einreichen. Auch bei Einzelfarben und Farbkombinationen wird in der Praxis die Angabe von RAL-Nummern als ausreichende graphische Darstellung angesehen, ohne daß eine auf eine bestimmte körperliche Gestaltung oder Farbaufteilung beschränkte Form der Marke gefordert wird, sog abstrakte Farbmarke (vgl BGH GRUR 1999, 491 "Farbmarke gelb/schwarz"; 1999, 730 "magenta/grau; HABM GRUR Int. 1999, 543 "LIGHT GREEN"). In Großbritannien sind neben Hörmarken vereinzelt auch Riechmarken eingetragen worden, zB der Duft von Rosen für Gummireifen, wobei diese Praxis jedoch anscheinend nicht weiterverfolgt worden ist (vgl Lee Curtis, Distinctly peculiar, Managing Intellectual Property, 1999, 29 - Bl 32 ff GA); ebenso hat das HABM eine Riechmarke geschützt (vgl WRP 1999, 681 "THE SMELL OF FRESH CUT GRASS").

c) In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, daß auch solche Zeichen, die sich nicht unmittelbar graphisch darstellen lassen, im Interesse eines wirtschaftlichen Bedürfnisses des gewerblichen Verkehrs dem Markenschutz zugänglich sein müssen. Die Frage der graphischen Darstellbarkeit wird dabei nicht als rechtliches, sondern als bloßes, durch Ausführungsbestimmungen zu lösendes technisches Problem angesehen (vgl Fezer, aaO, § 3 Rdn 280 und § 8 Rdn 13; Kur, Was macht ein Zeichen zur Marke, MarkenR 2000, 1, 3; Ingerl/Rohnke, aaO, § 8 Rdn 13;).

2. Gegenüber diesem Verständnis des Begriffs der graphischen Darstellbarkeit erhebt sich allerdings die Frage, ob nicht wesentliche Grundsätze des markenrechtlichen Registerschutzes einer zu weitgehenden Öffnung des Registers für solche Zeichen entgegenstehen.

a) Wird ein Zeichen zur Eintragung als Marke in das Markenregister angemeldet, muß der Gegenstand von vornherein eindeutig definiert sein, denn nur die präzise Festlegung des Anmeldungsgegenstandes ermöglicht eine zuverlässige und sachgerechte Prüfung der Anmeldung auf das Vorliegen etwaiger absoluter Eintragungshindernisse. Vor allem aber ist ein klar und eindeutig bestimmter Schutzgegenstand für die Eintragung der Marke unerläßlich. Entsprechend dem Wesen eines durch die Eintragung in ein öffentliches Register entstehenden Rechts müssen auch bei dem durch die Eintragung entstehenden Markenrecht - anders als bei einer sog. Benutzungsmarke - alle die Entstehung, die Art, den Umfang, den Bestand und das Erlöschen des Rechts betreffenden Daten aus dem Register in einer für die Allgemeinheit nachvollziehbaren Bestimmtheit ersichtlich sein. Hierzu gehört in erster Linie das den Gegenstand des Markenschutzes bildende Zeichen, das insbesondere die Grundlage für die Feststellung relevanter Kollisionen zwischen jüngeren und älteren Marken ist.

b) Gegen eine Auslegung, bei der die Funktion der graphischen Darstellbarkeit allenfalls auf eine für die Allgemeinheit nicht erfaßbare, nur abstrakt nachvollziehbare graphische Wiedergabe der Marke beschränkt wird - bei Klangmarken etwa ein Notenbild, bei Riechmarken eine chemische Formel oder erst recht bei (abstrakten) Farben und Farbkombinationen die bloße Angabe von RAL-Nummern, gegebenenfalls in Verbindung mit einem Farbmuster, ohne Darstellung einer konkreten Kontur oder Farbaufteilung - kann das fundamentale Recht Dritter sprechen, sich allein anhand der Eintragung im Register und der hierauf beruhenden Veröffentlichungen über den Gegenstand des Schutzrechts zu informieren. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Veröffentlichung der Anmeldung bzw Eintragung der Marke sowohl nach deutschem Markenrecht (§ 42 MarkenG) als auch nach dem Gemeinschaftsmarkenrecht (Art 42 GMVO) sowie dem Markenrecht der Mehrheit der EU - Mitgliedstaaten Aufgebotswirkung hat. Das bedeutet, daß der Inhaber eines älteren Markenrechts innerhalb einer Frist von in der Regel drei Monaten nach der Veröffentlichung der Eintragung der jüngeren Marke gegen diese Widerspruch einlegen kann. Im Hinblick auf diese relativ kurz bemessene Frist sind die Inhaber älterer Marken darauf angewiesen, sich über den Schutzgegenstand allein aus der Veröffentlichung der Registereintragung Kenntnis zu verschaffen, ohne gezwungen zu sein, beim Patentamt selbst den hinterlegten Schutzgegenstand einzusehen bzw sinnlich zu erfassen oder von dort beispielsweise eine Kopie des Tonträgers oder eine Probe des Riechstoffs anfordern zu müssen, wie vom Anmelder vorgeschlagen worden ist.

c) Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang ferner, daß die Eintragung der Marke in das Markenregister nach herkömmlicher Auffassung einen Verwaltungsakt darstellt, an den die Erteilungsbehörde, die Wettbewerber und die Gerichte grundsätzlich gebunden sind. Die Markeneintragung schafft ein Ausschließlichkeitsrecht, dessen Verletzung Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche sowie strafrechtliche Sanktionen auszulösen vermag. An einer hinreichend konkreten Bestimmtheit des Schutzumfangs einer eingetragenen Marke, die regelmäßig in erster Linie durch eine graphische Darstellung gewährleistet sein wird, besteht daher ein fundamentales Interesse der Wettbewerber wie auch der mit Verletzungsprozessen befaßten Organe der Rechtspflege.

d) Vor diesem Hintergrund stellt sich daher die Frage, inwieweit es mit der Zielsetzung der Markenrechtsrichtlinie, eine harmonisierte Regelung für die durch Eintragung im Register erworbenen Marken zu schaffen (vgl Art. 1 und Erwägungsgrund 4 der Markenrechtsrichtlinie (BlPMZ, Sonderheft 1994, S 146), vereinbar ist, durch eine großzügige Auslegung des Begriffs der graphischen Darstellbarkeit eine damit verbundene Unbestimmtheit bei der Festlegung des Prüfungs- und Schutzgegenstandes für die nationalen Ämter und Gerichte sowie die Allgemeinheit, in Kauf zu nehmen.

IV.

Falls der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften das in Art. 2 Markenrechtsrichtlinie enthaltene Merkmal der graphischen Darstellbarkeit im Sinne der vorangehenden Ausführungen weit auslegt, ergeben sich weitere Einzelfragen in Bezug auf die Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit.

1. Die nähere Ausgestaltung hängt maßgeblich von der Frage ab, welche Funktion der graphischen Darstellbarkeit beigemessen wird. Falls die Funktion darin gesehen wird, daß die Marke als solche in einer für die Eintragung im Register geeigneten zweidimensionalen Form durch Schrift oder Bild (Zeichnung, Photographie), gegebenenfalls in mehreren perspektivischen Ansichten, so wiedergegeben wird, daß sich der Schutzgegenstand für die Allgemeinheit eindeutig allein aus dem Register entnehmen läßt, ist der Gestaltungsspielraum naturgemäß gering. Falls die Funktion der graphischen Darstellbarkeit auch bei einer nur mittelbaren Wiedergabe der Marke noch als erfüllt angesehen wird, stellt sich die Frage, ob diese nur mittelbare Wiedergabe allein aus sich heraus ausreichend verständlich sein muß oder ob auch Hinweise auf weitere Angaben zugelassen werden können, die selbst nicht Gegenstand der Veröffentlichung sind.

2. Riechstoffe, dh Substanzen, die einen in der Luft durch den Geruchssinn wahrnehmbaren Geruch hervorrufen (vgl Römpp, Chemielexikon, 10. Aufl., Bd. 5 S 552), könnten - ohne selbst unmittelbarer Gegenstand der Anmeldung zu sein - zwar zum Teil durch eine chemische Formel wiedergegeben werden. Die Bedeutung der chemischen Formel ist jedoch allenfalls für einen kleinen Kreis von Fachleuten verständlich und selbst diese sind im allgemeinen nicht in der Lage, sich den Geruch vorzustellen, der von dem durch die Formel bezeichneten Stoff ausgeht. Es bedarf daher grundsätzlich einer sinnlichen Wahrnehmung des durch die Nacharbeitung der Formel erhaltenen - teilweise im Handel fertig angebotenen - Riechstoffes, um seinen Geruch erfassen zu können. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, daß ein und dieselbe Substanz je nach der Stärke ihrer Konzentration völlig unterschiedlich riechen kann (vgl Brockhaus Enzyklopädie, 20. Aufl., Bd 8 S 419), wie es beispielsweise von dem in der Parfümerie in geringsten Konzentrationen verwendeten Moschusduft allgemein bekannt ist. Auch das Material, auf das ein Riechstoff aufgebracht wird (Textilien, Kunststoff, Metall, Holz, Glas) und die von der jeweiligen Temperatur abhängige Verflüchtigung des Riechstoffs kann die Wahrnehmung durch den Geruchssinn maßgeblich beeinflussen. Demgemäß ergeben sich Zweifel, ob eine chemische Formel für sich allein ohne weitere konkretisierende Angaben den beanspruchten Anmeldungsgegenstand auf mittelbare Weise korrekt zu erfassen vermag. Damit vergleichbar ist im übrigen die Situation bei dem mit einer Hörmarke beanspruchten Klang. Auch insoweit ist ein Notenbild für sich allein ohne ergänzende Angaben über Tempo, Phrasierung, Dynamik und Instrumentation nicht geeignet, einen Klang eindeutig reproduzierbar wiederzugeben (vgl BPatGE 36, 241, 245). Das gilt erst recht für sog Sonagramme, deren Reproduzierbarkeit ohnehin zweifelhaft ist.

3. Bei den Riechmarken kommt hinzu, daß es zahlreiche, vor allem aus Gemischen verschiedener Verbindungsklassen bestehende Riechstoffe gibt, die chemisch entweder überhaupt nicht oder nur mit unzumutbarem analytischem Aufwand durch eine Formel zu charakterisieren sind, etwa im Falle des Dufts von frischgeschnittenem Gras. Bei den von solchen Stoffen ausgehenden Gerüchen bzw Düften scheidet die graphische Darstellung durch eine Formel von vornherein aus. Insoweit könnte die Zulässigkeit einer Beschreibung des Dufts erwogen werden, wie sie beispielsweise das HABM in dem - in der Literatur außerordentlich umstrittenen - Fall der Marke "THE SMELL OF FRESH CUT GRASS" für Tennisbälle anerkannt hat (WRP 1999, 681; dazu Sieckmann, Erste Entscheidung zur Eintragung einer Geruchsmarke nach der GMVO, WRP, 1999, 618 ff; Viefhues, aaO). Allerdings stellt sich dann die Frage, inwiefern eine wörtliche Beschreibung als (alleiniges) Surrogat der Markenwiedergabe den Anforderungen an eine hinreichende Bestimmtheit genügen kann, zumal eine klare und eindeutige Geruchscharakterisierung bei den meisten Düften und erst recht Duftgemischen kaum möglich ist. Insbesondere sind hierzu die in der Parfümerie üblichen Geruchsklassifizierungen wie blumig, holzig, süßbalsamisch, fruchtig, animalisch usw ungeeignet, weil sie allenfalls einem sehr kleinen Kreis von Fachleuten eine Vorstellung über den Geruch vermitteln können. Wird eine bloße Beschreibung als zulässige graphische Darstellung anerkannt, müßte sie auf jeden Fall selbst Gegenstand der Veröffentlichung sein, weil sie dann keine der bloßen Klarstellung und Verdeutlichung des Gegenstandes der Marke dienende Erklärung, sondern die mittelbare Wiedergabe der Marke selbst darstellt.

4. Sofern sich eine Riechmarke weder durch eine chemische Formel noch eine Beschreibung in einer im Register eintragbaren zweidimensionalen Form wiedergeben läßt, stellt sich die weitere Frage, ob es dem Erfordernis der graphischen Darstellbarkeit genügt, wenn im Register ein Hinweis auf die Hinterlegung einer Probe des den Schutzgegenstand bildenden Duftes erfolgt.

Der Anmelder weist in diesem Zusammenhang zwar zu Recht darauf hin, daß die Hinterlegung von Mustern oder Proben des beanspruchten Gegenstandes im Bereich der gewerblichen Registerrechte nicht grundsätzlich systemwidrig ist. Es handelt sich hier jedoch um seltene Ausnahmefälle, die für eine analoge Anwendung auf die Hinterlegung des Gegenstandes einer Marke als Ersatz für die graphische Darstellung im Register nicht geeignet sind, wobei im Falle der Riechmarke noch der Gesichtspunkt der Veränderung mit zunehmender Verflüchtigung hinzukommt. Soweit die Vorschrift des § 7 Abs 6 GeschmMG die Möglichkeit der Vorlage eines Modells vorsieht, wird vom Patentamt selbst anschließend gemäß § 8 Abs 2 Satz 2 GeschmMG die für die Veröffentlichung erforderliche Abbildung veranlaßt. Die im Patentrecht ausnahmsweise zulässige Hinterlegung eines Mikroorganismus bei einer wissenschaftlich anerkannten Hinterlegungsstelle für den Fall, daß der Mikroorganismus nicht durch eine chemische Formel dargestellt oder durch Parameter gekennzeichnet werden kann (vgl BGH BlPMZ 1975, 171, 174 "Bäckerhefe"; ferner Budapester Vertrag über die internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren vom 28.4.1977, abgedruckt in BlPMZ 1981, 54 ff), ist mit der Hinterlegung des Gegenstands einer Marke insofern nicht vergleichbar, als die Allgemeinheit bereits mit der Offenlegung der Patentanmeldung die Möglichkeit hat, sich von dem hinterlegten Organismus Kenntnis zu verschaffen, also nicht auf die - der markenrechtlichen Widerspruchsfrist gemäß § 42 Abs 1 MarkenG entsprechende - kurze Aufgebotsfrist von drei Monaten für die Einlegung des Einspruchs gemäß § 59 PatG beschränkt ist.

5. Vor diesem Hintergrund stellt sich in besonderem Maße die Frage, inwieweit den Anforderungen an die graphische Darstellbarkeit und den darin zum Ausdruck gebrachten Interessen der am Markenrecht Beteiligten ausreichend ausgewogen Rechnung getragen werden kann, wenn Gerüche oder Düfte durch eine chemische Formel durch eine Beschreibung oder mittels einer Hinterlegung oder jeweils durch eine Kombination solcher Wiedergabesurrogate wiedergegeben werden.

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BPatG:
Beschluss v. 14.04.2000
Az: 33 W (pat) 193/99


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