Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. März 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 63/03

(BPatG: Beschluss v. 22.03.2006, Az.: 7 W (pat) 63/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluss der Patentabteilung 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. April 2003 aufgehoben und das Patent widerrufen.

Gründe

I Die Beschwerde der Einsprechenden ist gegen den Beschluss der Patentabteilung 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. April 2003 gerichtet, mit dem das am 22. Juli 1999 angemeldete und am 9. November 2000 veröffentlichte Patent 199 34 412 mit der Bezeichnung "Speisewasser-Pumpanordnung für ein Kraftwerk, insbesondere für eine GUD-Anlage" nach Prüfung des gegen das Patent erhobenen Einspruchs in vollem Umfang aufrechterhalten worden ist.

Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass der Gegenstand des angefochtenen Patents gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik nicht patentfähig sei. Sie beruft sich u. a. auf die Patentdokumente EP 0 849 435 A2 und DE 32 48 345 A1 sowie auf die Publikation "Die Optimierung des Speisepumpensystems" von H. J. Aarnink u. a. in VGB KRAFTWERKSTECHNIK 62, Heft 4 (April 1982).

Sie stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin widerspricht der Auffassung der Einsprechenden. Sie macht geltend, dass der Patentgegenstand nicht durch den aufgezeigten Stand der Technik vorweggenommen oder nahe gelegt sei. Sie stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten in der erteilten Fassung mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 1 anfangs lautet: "Speisewasser-Pumpanordnung in einem Kraftwerk, insbesondere in einer GUD-Anlage, . . . .".

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Speisewasser-Pumpanordnung in einem Kraftwerk, insbesondere in einer GUD-Anlage, mit einer Speisewasserpumpe, mit einer an die Speisewasserpumpe angeschlossenen Saugleitung mit Saugflansch und mit einer an die Speisewasserpumpe angeschlossenen Druckleitung mit Druckflansch, dadurch gekennzeichnet, dass die Speisewasserpumpe samt Saugleitung und Druckleitung in einem Container vorgegebener Dimensionierung untergebracht ist, dass sich der Saugflansch außerhalb des Containers an einer festgelegten ersten Stelle und dass sich der Druckflansch ebenfalls außerhalb des Containers an einer festgelegten zweiten Stelle befindet."

Dem angefochtenen Patent liegt die Aufgabe zugrunde, eine Speisepumpanordnung anzugeben, die eine rechtzeitige Planung ermöglicht (Streitpatentschrift Sp. 1 Z. 61 bis 63).

Weiterbildungen der Speisewasser-Pumpanordnung nach Patentanspruch 1 sind in den erteilten Patentansprüchen 2 bis 16 angegeben.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begründet.

Der Gegenstand des Patents stellt keine patentfähige Erfindung i.S.d. PatG §§ 1 bis 5 dar.

Der Gegenstand des geltenden und zulässigen Patentanspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der hier zuständige Fachmann ist ein mit Planung und Montage von Kraftwerksanlagen oder deren Komponenten befasster Fachhochschulingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Berufserfahrung.

Eine Speisewasser-Pumpanordnung gemäß dem Oberbegriff des geltenden Anspruchs 1 ist unstreitig notwendiger Bestandteil von Kraftwerken, bei denen zur Stromerzeugung Dampfturbinen eingesetzt werden. Ebenfalls unstreitig wird die Speisewasserpumpe funktionsnotwendig an eine Druck- und eine Saugleitung angeschlossen, üblicherweise mittels Flanschen.

Der geltende Patentanspruch 1 lehrt gemäß seinem kennzeichnenden Teil sinngemäß, eine derartige Speisepumpe samt Saug- und Druckleitung in einem Container anzuordnen und die Saug- und Druckleitung an vorgegebenen Stellen durch die Containerwand hindurchzuführen und jeweils mit einem Anschlussflansch an der Außenseite des Containers zu versehen, um aufgabengemäß - wie die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - eine rechtzeitige Planung einer Kraftwerksanlage unter früher Berücksichtigung dieser Komponente, unabhängig von deren individueller Bemessung, zu ermöglichen. Im Kern wird hierdurch eine Speisewasser-Pumpanordnung als vormontierbares Modulelement einer umfassenderen Kraftwerksanlage ausgebildet mit zwei örtlich am Container festgelegten Anschlussstellen (Streitpatentschrift Sp. 2 Z. 9-12), an denen zu einem späteren Zeitpunkt die Einbindung des Moduls in die übrige Kraftwerksanlage vor Ort erfolgt.

Aus der EP 0 849 435 A2 ist bereits bekannt, Komponenten eines Dampfkraftwerkes in mehreren Normcontainern anzuordnen, um einen modularen Aufbau eines Kraftwerks und damit eine wirtschaftlichere Erstellung der Kraftwerksanlage zu ermöglichen (Sp. 1 Z. 17-20, 30-43). Ein derartiger modularer Aufbau setzt voraus, dass Übergabestellen, z. B. für den Wasser- oder Dampfstrom, am Modul bzw. Container für die Verbindung mit weiteren Modulen oder sonstigen Kraftwerksbauteilen vor Ort zweckmäßig vorgegeben sind. Eine Speisewasser-Pumpanordnung in einem Container ist in der EP 0 849 435 A2 jedoch nicht beschrieben.

Die Patentinhaberin räumt zwar ein, dass die modulare Bauweise an sich bei Kraftwerken und auch sonstigen Industrieanlagen bekannt ist, sie vertritt jedoch die Ansicht, dass der Fachmann die Eignung speziell der Speisewasser-Pumpanordnung als Bauelement/Modul einer Kraftwerksanlage nicht erkannt und auch der Stand der Technik ihm hierzu keine Anregungen vermittelt habe.

Diese Auffassung vermochte der Senat nicht zu teilen. Grundsätzlich kommen für einen Fachmann alle Baugruppen oder Komponenten eines Kraftwerks für die Gestaltung als Container-Modul in Frage, sofern die jeweilige Baugruppe für sich oder in Teilen oder gemeinsam mit anderen Baugruppen in noch wirtschaftlich handhabbaren Containern unterzubringen ist/sind (EP 0 849 435 A2 Fig. 5 i.V.m. Sp. 5 Z. 28-43). Gründe, die Speisewasser-Pumpanordnung hiervon auszunehmen, sind für den Senat nicht ersichtlich und sind von der Patentinhaberin auch nicht dargetan worden. Vielmehr lässt schon die in der Streitpatentschrift (Sp. 1 Z. 55-60) zitierte Publikation aus VGB KRAFTWERKSTECHNIK 62, Heft 4 (1982) das Speisepumpensystem eines Kraftwerks, das dort als eigenständige, vormontierbare Baugruppe herausgestellt ist (S. 288 li. Sp. le. Abs., re. Sp. 1. Abs.) für eine Unterbringung in einem Container geeignet erscheinen, wenn ein modularer Aufbau des Kraftwerks in Betracht gezogen würde.

In die gleiche Richtung führt den Fachmann der Stand der Technik nach DE 32 48 345 A1, die schon ein Fertigbauverfahren für Industrieanlagen in Containerbauweise beschreibt. Die aufgezeigte Industrieanlage umfasst auch einen Dampferzeuger mit Speisewasserpumpe und die Speisewasserpumpe ist hier gemeinsam mit anderen Fördermitteln wie Umwälzpumpe, Kondensatpumpe und Luftverdichter in einem Container (4) untergebracht. Die Zu- und Ableitungen des Containers sind in ihrer räumlichen Anordnung im Sinne ihres technischfunktionellen Zusammenwirkens mit anderen Baugruppen/Containern angepasst, also vorgegeben (Anspruch 9 i.V.m. Fig.).

Es war somit nur routinemäßiges Können seitens des Fachmannes erforderlich, um ausgehend von der EP 0 849 435 A2 in Zusammenschau mit der Publikation aus VGB KRAFTWERKSTECHNIK 62 oder in Zusammenschau mit der DE 32 48 345 A1 zur Lehre des geltenden Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Dass in den auf den geltenden Patentanspruch 1 zumindest mittelbar rückbezogenen, erteilten Patentansprüchen 2 bis 16 noch Merkmale von patentbegründender Bedeutung enthalten sind, hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch nicht ersichtlich.






BPatG:
Beschluss v. 22.03.2006
Az: 7 W (pat) 63/03


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