Kammergericht:
Urteil vom 26. Februar 2004
Aktenzeichen: 2 U 36/02

(KG: Urteil v. 26.02.2004, Az.: 2 U 36/02)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 11. Dezember 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1) trägt 1/3, der Beklagte zu 2) 2/3 der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten des Klägers; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,2fachen der festgesetzten Beträge zuzüglich eines Aufschlags abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des 1,2fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen:

Bis zum 10. November 1993 waren an der GbR "E 3" (im Folgenden GbR) beteiligt:

Kläger38,39 %P 16,97 %Beklagter zu 1)6,25 %Beklagter zu 2)38,39 %Die Beteiligungsverhältnisse am Kommanditkapital der E GmbH & Co KG (im Folgenden KG) gestalteten sich bis zum 10. November 1993 wie folgt:

Ehefrau des Klägers119.552 DMKläger108.426 DMBeklagter zu 2)202.922 DMP 27.800 DMBeklagter zu 1)27.800 DMS 13.900 DM 500.400 DMAm 10. November 1993 regelten die Gesellschafter der beiden beteiligten Gesellschaften ihre gesellschaftsvertraglichen Beziehungen € die bislang nur rudimentär durch den Treuhand- und Gebäudenutzungsvertrag vom 27. Juli 1983 (I, 191 ff.) geregelt waren, sowie teilweise auch die Beteiligungen neu.

Die Gesellschafter der GbR schlossen den als Anlage K 1 bei den Akten befindlichen Gesellschaftsvertrag. § 3 des Vertrages betreffend den Zweck der Gesellschaft lautet:

Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb und die Verwaltung des Erbbaurechts E. in Berlin-Kreuzberg, welches im Erbbaugrundbuch des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg von Luisenstadt Band 322 Blatt 8517 verzeichnet ist.

Das Erbbaurecht wird zur Zeit aufgrund des vorbezeichneten Treuhand- und Gebäudenutzungsvertrages, welcher heute in notariell beurkundeter Form neugefaßt wird, für die Gesellschaft von der E GmbH & Co. KG treuhänderisch gehalten. Die Treuhänderin hat in dieser Eigenschaft das Haus E. auf dem Erbbaugrundstück. Sie nutzt es aufgrund des vorbezeichneten Vertrags ausschließlich für ihre betrieblichen Zwecke.

Die Regelungen zur Geschäftsführung und Vertretung finden sich in § 7, der lautet:

Die Gesellschaft hat einen Geschäftsführer. Dieser wird von den Gesellschaftern mit Stimmenmehrheit jeweils für die Dauer von drei Jahren gewählt.

Jeder Gesellschafter hat Anspruch darauf, dass dem gewählten Geschäftsführer diejenigen Vollmachten erteilt werden, die er benötigt, um die Geschäfte der Gesellschaft allein führen zu können.

Der Geschäftsführer hat insbesondere die Aufgabe, die Rechte der Gesellschaft aus dem Treuhandvertrag mit der E GmbH & Co. KG wahrzunehmen und den Rechnungsabschluß der Gesellschaft aufzustellen.

Den Umfang der Geschäftsführungsbefugnis regeln die-Gesellschafter bei der Wahl des Geschäftsführers mit Stimmenmehrheit. Soweit die Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers reicht, sind die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung und Vertretung ausgeschlossen.

...

§ 10 des Gesellschaftsvertrages sieht hinsichtlich der Gesellschafterversammlung, Beschlussfassung und des Stimmrechts vor, dass die Bestimmungen der §§ 47 bis 51 GmbHG entsprechend gelten sollen.

Nach § 12 des Vertrages kann jeder Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil unter Ausschluss der Auseinandersetzung auf einen anderen Gesellschafter übertragen. Die Übertragung gilt als erst erfolgt, wenn sie den übrigen Gesellschaftern von dem ausscheidenden und dem übernehmenden Gesellschafter schriftlich angezeigt ist.

Gleichzeitig mit dem Abschluss dieser Verträge trat der Beklagte zu 2) seinen Kommanditanteil an der KG in Höhe von 202.922 DM an den Kläger ab, dessen Beteiligung sich dadurch auf 311.348 DM € und im Jahre 2000 durch Erwerb der Beteiligung des Kommanditisten P von 27.800 DM auf den jetzigen Stand von 339.148 DM erhöhte (67,78 %). Im Jahre 1998 hatte der Kläger außerdem den Gesellschaftsanteil des Gesellschafters P an der GbR von 16,97 % erworben und seine Beteiligung damit auf 55,36 % erhöht.

Mit ihrer Berufung, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag und ihre erstinstanzlichen Widerklageanträge weiter. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2003 darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung konzernrechtliche Gesichtspunkte von Bedeutung sein könnten und ihnen diesbezüglich Gelegenheit zu schriftsätzlicher Stellungnahme dazu gegeben.

B.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Kläger war entgegen der Ansicht der Beklagten nicht von der Ausübung seines Stimmrechts ausgeschlossen.

Ein solcher Ausschluss des Stimmrechts ergibt sich nicht aus der € nach § 10 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen € entsprechenden Anwendung von § 47 Abs. 4 GmbHG. Danach ist der Gesellschafter von seinem Stimmrecht ausgeschlossen, wenn er durch den Beschluss entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll (§ 47 Abs. 4 S. 1 GmbHG) und wenn der Beschluss die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder einen Rechtsstreit gegenüber dem Gesellschafter betrifft (§ 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG). Als Ausschlussgrund käme vorliegend insoweit nur letzte Alternative € Vornahme eines Rechtsgeschäfts gegenüber dem Gesellschafter € in Betracht. Die Wahl des Geschäftsführers ist jedoch als Organisationsakt der Gesellschaft anzusehen, der nicht vom Stimmverbot des § 47 Abs. 4 S. 2 GmbHG erfasst ist (vgl. BGHZ 51, 209, 215; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., S. 609). Zwar ist die Bestellung zum Geschäftsführer ein Rechtsgeschäft eigener Art, jedoch stellt dies lediglich die Ausübung des Mitgliedschaftsrechts dar, zu der alle Gesellschafter berufen sind und die sich von einem Rechtsgeschäft der Gesellschaft mit dem Gesellschafter als einem Dritten unterscheidet (vgl. BGH, aaO, S. 215 f.). Deshalb kommt die analoge Anwendung von § 47 Abs. 4 GmbHG vorliegend nicht in Betracht.

Ein Stimmrechtsverbot lässt sich auch nicht durch analoge Anwendung von § 243 Abs. 2 S. 1 AktG begründen. Nach dieser Vorschrift ist ein Beschluss anfechtbar, wenn ein Gesellschafter mit dem Beschluss zum Schaden der Gesellschaft einen Sondervorteil für sich zu erlangen suchte.

Ein Sondervorteil i. S. d. Norm ist jeder Vorteil, der bei einer Gesamtwürdigung der Umstände als sachwidrige, mit den Interessen der Gesellschaft und der Gesellschafter unvereinbare Bevorzugung erscheint (vgl. Hüffer in Münchner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 74). Dies kann zwar auch in der Verbesserung der korporationsrechtlichen Stellung bestehen (vgl. Hüffer, aaO, § 243 Rn. 76), und die Stellung als Geschäftsführer vermittelt dem Kläger auch eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Gesellschaft. Dies erscheint jedoch angesichts der Verteilung der Geschäftsanteile in der GbR vorliegend nicht als sachwidrig, da die Möglichkeit der Wahl seiner eigenen Person aus der Anteilsmehrheit folgt und daher nicht als unvereinbare Bevorzugung erscheint.

Das Stimmrecht des Klägers war auch nicht nach den allgemeinen, für die GbR gesetzlich nicht ausdrücklich geregelten Grundsätzen über den Stimmrechtsausschluss in der Gesellschaft ausgeschlossen.

Danach wäre ein Stimmrechtsausschluss nur anzunehmen, wenn bei dem Gesellschafter eine Interessenkollision hinsichtlich des betreffenden Beschlusses vorliegt, die den Ausschluss des Stimmrechts erforderlich machen würde, um den Einfluss von gesellschaftsfremder Sonderinteressen einzelner Gesellschafter auf die Entscheidung der Gesellschaft zu verhindern. Dies wird allgemein aus den Regelungen über den Stimmrechtsausschluss bei den verschiedenen Körperschaften abgeleitet (vgl. §§ 34 BGB, 47 Abs. 4 GmbHG, 136 Abs. 1 AktG). Eine solche zum Stimmverbot führende Interessenkollision kann sich vor allem aus der Beteiligung des Gesellschafters an dem betreffenden Geschäft unter dem Aspekt des Insichgeschäfts (vgl. § 181 BGB für den rechtsgeschäftlichen Bereich) und andererseits aus dem Grundsatz über das "Richten in eigener Sache" ergeben, insbesondere bei der Abstimmung über Sanktionen gegenüber dem betroffenen Gesellschafter (vgl. K. Schmidt, aaO, S. 609 f.).

Als verbotenes Insichgeschäft kann die Wahl zum Geschäftsführer nicht eingeordnet werden. Zwar ist der Kläger gleichsam doppelt involviert € als Wähler und Gewählter € jedoch stellt dieses dem Prinzip der Selbstorganschaft immanentes Phänomen kein unzulässiges Insichgeschäft dar, sondern ist in einer GbR vielmehr der Normalfall. Daher wird eine solche "Selbstwahl" zum Geschäftsführer auch grundsätzlich nicht als ein dem "Richten in eigener Sache" vergleichbarer Tatbestand missbilligt. Denn die Wahl des Gesellschaftsorgans steht nicht der Verhängung von Sanktionen oder der Entlastung des Gesellschafters gleich.

Ein Stimmrechtsausschluss lässt sich auch nicht tragfähig damit begründen, die Interessenkollision, in der der Kläger sich befinde, habe sich schon in der Vergangenheit in einem Maße verwirklicht, das es den Beklagen unzumutbar mache, die Wahl des Klägers zum Geschäftsführer der GbR hinzunehmen und erst abzuwarten, bis er sich ggfs. zukünftige Verfehlungen zu Schulden kommen lassen werde. Die Beklagten stützen sich in diesem Zusammenhang darauf, dass der Kläger in den vergangenen Jahren ihrer Ansicht nach zu Unrecht ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der von der KG nach § 6 des Treuhand-Gebäudenutzungsvertrages geschuldeten jährlichen Vergütung von insgesamt 15.000 DM geltend gemacht habe. Insoweit lassen sich aber nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 ZPO) vor dem Hintergrund der ersichtlich jahrelangen tiefen Zerstrittenheit der Parteien keine eindeutigen Feststellungen zu Lasten des Klägers treffen, die einen Stimmrechtsausschluss rechtfertigten.

Auch die zwischen den Parteien umstrittene Bilanzierung desGebäudesE. bei der KG lässt sich nicht ohne Weiteres als schwere gesellschaftsrechtliche Verfehlung des Klägers auffassen, auch wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen dasErbbaurechtnicht bei der Treuhänderin bilanziert werden darf und die KG als Treuhänderin dafür zu sorgen hat, dass bei der Aufteilung des steuerlichen Einheitswertes ihres Betriebsvermögens u. a. das Gebäude dem Treugeber, also der GbR zugerechnet wird (§ 8 des Treuhand- und Gebäudenutzungsvertrages). Es erscheint dem Senat in Anbetracht der Besonderheit der rechtlichen Beziehungen zwischen der KG und der GbR zumindest nicht eindeutig zu sein, dass das Gebäude der GbR steuerrechtlich zugerechnet werden darf. Zwar scheint die die Zurechnung von Wirtschaftsgütern regelnde Bestimmung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO die diesbezüglichen Auffassung der Beklagten vordergründig zu stützen. Danach sind die Wirtschaftsgüter bei Treuhandverhältnissen dem Treugeber zuzurechnen. Indes handelt es sich bei der treuhänderischen Überlassung des Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück ganz offensichtlich nicht um ein Treuhandverhältnis im Sinne der steuerrechtlichen Zurechnungsbestimmung. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass der Treuhänder das jeweilige Recht € regelmäßig geht es dabei um Eigentum € nur nach außen formal inne hat, diese Stellung aber im Interesse des Treugebers ausfüllt und dieser es ist, der das Treuhandverhältnis € über ein Weisungsrecht, das die jederzeitige Rückforderung des Treuguts einschließt € beherrscht (vgl. i. E. Klein/Brockmeyer, AO, 8. Aufl., § 39 Rn. 32 ff.). Vorliegend herrschte demgegenüber zwischen allen Beteiligten seinerzeit aber Einvernehmen darüber, dass die KG es sein sollte, die das Recht wirtschaftlich-unternehmerisch nutzen sollte. Die gewählte Konstruktion war dabei unstreitig allein dem Umstand geschuldet, dass seinerzeit nicht alle Kommanditisten bereit waren, sich am Erwerb des Erbbaurechts zu beteiligen. Die Rechtsstellung der "Treuhänderin" ist nach der Ausgestaltung der jeweiligen Rechte und Pflichten im Treuhand- und Gebäudenutzungsvertrag eine ganz andere, als die des "echten" Treuhänders im Rechtssinne. Exemplarisch sei insoweit auf die Kündigungsregelung in dem 1993 geschlossenen Vertrag verwiesen, die der Treugeberin das Recht zur Kündigung des Treuhandverhältnisses erstmals zum Ende des Jahres 2006 einräumte mit anschließender Verlängerungsklausel um jeweils 5 Jahre.

Die Wahl des Klägers zum Geschäftsführer ist auch nicht unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten deshalb nichtig, weil der Kläger durch diese Wahl einen Konzern unter seiner einheitlichen Leitungsmacht gebildet hätte und er deshalb nur auf Grund einer einstimmigen Entscheidung der Gesellschafterversammlung zum Geschäftsführer hätte bestimmt werden können oder weil die Übernahme der Geschäftsführung durch ihn zumindest auf Grund erheblicher sachlicher Gründe gerechtfertigt wäre (vgl. BGH NJW 1981, 1512 ff.).

Der GbR konzernrechtlichen Schutz angedeihen zu lassen, liegt bei Lichte betrachtet, nicht nahe, weil es sich bei ihr nicht nur nicht um eine Handelsgesellschaft im Sinne des HGB handelt, sondern weil sie selbst überhaupt nicht als ein werbendes Unternehmen am Markt tätig ist. Ihr Gesellschaftszweck erschöpft sich vielmehr in der Verwaltung des Erbbaurechts E., welches für die Gesellschaft von der E GmbH Co KG treuhänderisch gehalten wird, die in dieser Eigenschaft das Haus E. auf dem Erbbaugrundstück hat und ausschließlich für ihre betrieblichen Zwecke nutzt und der GbR dafür eine jährliche Vergütung von 7.669,38 € (15.000 DM) schuldet. Der Beklagte zu 2), dessen Beteiligung an der GbR neben der des Klägers allein noch wesentlich ins Gewicht fällt, macht in diesem Zusammenhang selbst geltend, dass seine Beteiligung für ihn nach der Abtretung seiner Beteiligung an der KG (nur noch) den Charakter einer Kapitalanlage hat. Auch wenn sich die Interessenlage, worauf noch zurückzukommen sein wird, durch die Änderung in der Beteiligungsstruktur in beiden Gesellschaften verlagert hat, kann in diesem Zusammenhang nach wie vor nicht übersehen werden, dass die KG das Erbbaurecht zwar rechtlich nur treuhänderisch hält, dass zwischen allen Beteiligten seinerzeit aber Einvernehmen darüber herrschte, dass die KG es sein sollte, die das Recht wirtschaftlich-unternehmerisch nutzen sollte. Es handelt sich somit, wie vorstehend bereits dargelegt um ein untypisches Treuhandverhältnis, dessen Begründung unstreitig allein darauf beruht, dass sich seinerzeit nicht alle Kommanditisten am Erwerb des Erbbaurechts beteiligen wollten.

Hinzu kommt unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten bei der insoweit gebotenen wertenden und die beteiligten Interessen berücksichtigenden Betrachtung Folgendes: Die Forderung nach einer nur einstimmigen oder nur auf Grund besonderer Umstände zuzulassenden Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer wegen der damit verbundenen Begründung einer Abhängigkeitslage wäre konzernrechtlich allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sich die Ausübung konzernmäßiger Leitungsmacht durch den Kläger infolge seiner Wahl zum Geschäftsführer für die übrigen Gesellschafter der GbR als nachträglich entstandene Folge einererheblichen Änderung der Verhältnissein der Gesellschaft hinsichtlich der potenziellen Möglichkeit des Entstehens einer Abhängigkeitslage i. S. des Konzernrechts darstellte (vgl. dazu etwa Ulmer in Großkomm. HGB Anhang § 105 Rn. 38 ff.). So verhält es sich indes bei wertender Betrachtung nicht. Wie oben unter A. wiedergegeben, ging die Gestaltung der Rechtsverhältnisse in der GbR durch Abschluss des Gesellschaftsvertrages vom 10. November 1993 zeitgleich einher mit einer einschneidenden Veränderung der Beteiligungsverhältnisse an der KG. Dort hatte bei einem Kommanditkapital von 500.400 DM zuvor der Beklagte zu 2) mit einem Anteil von 202.922 DM die mit Abstand größte Beteiligung gehalten. Erst infolge der Abtretung dieser Beteiligung an den Kläger erlangte dieser € er war zuvor mit 108.426 € DM am Kommanditkapital beteiligt € überhaupt eine Mehrheitsbeteiligung. Dass seine Ehefrau zuvor bereits mit 119.552 DM an der KG beteiligt war, ist konzernrechtlich ohne weiteres unerheblich, weil es keinen Erfahrungssatz gibt, demzufolge Familienangehörige stets gleichgerichtete Interessen verfolgten (BGH NJW 1981, 1513). Ungeachtet dessen schlossen die Parteien zusammen mit dem damaligen Mitgesellschafter P den GbR-Gesellschaftsvertrag, der hinsichtlich der Geschäftsführung und Vertretung eine für die gesellschaftsinterne Willensbildung von der gesetzlichen Regelung akzentuiert abweichende Sonderregelung vorsah. Danach waren nämlich nicht nur Mehrheitsentscheidungen überhaupt vorgesehen, sondern bei den von der Gesellschafterversammlung zu treffenden Entscheidungen sollte entgegen der Grundregel in § 709 Abs. 2 BGB die Mehrheit der Stimmen nicht nach der Zahl der Gesellschafter berechnet werden, sondern € entsprechend § 47 GmbHG € nach der Höhe der Beteiligung. Da die hier besonders interessierende Wahl des Geschäftsführers ohnehin in dreijährigem Turnus vorgesehen war, war vorhersehbar, dass in Zukunft auch der Kläger zum Geschäftsführer gewählt werden könnte, wenn er nur eine weitere Beteiligung außer der des Beklagten zu 1) hinter sich brachte. Dass gilt umso mehr, als die Gesellschafter im Vertrag eine Regelung zuließen, derzufolge gesellschaftsinterne Anteilsübertragungen nicht zustimmungs- sondern lediglich anzeigepflichtig waren.

Hatten die Beklagten aber bei (Neu-)Abschluss des Gesellschaftsvertrages über die GbR diese Regelungen betreffend die Geschäftsführerwahlen und Anteilsübertragungen einvernehmlich mitgetragen, obwohl der Kläger gleichzeitig eine Mehrheitsbeteiligung an der KG erwarb, dann erscheint es nicht angezeigt, ihnen bei einer konkret erfolgten Wahl des Klägers zum Geschäftsführer nachträglichen konzernrechtlichen Schutz zuzubilligen.

Die Forderung der Beklagten nach einer Beschränkung der Geschäftsführervollmacht findet im Vertrag keine Grundlage.

Der Berufung war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.






KG:
Urteil v. 26.02.2004
Az: 2 U 36/02


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