Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 19. Dezember 2011
Aktenzeichen: OVG 3 B 17.10

(OVG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 19.12.2011, Az.: OVG 3 B 17.10)

Eine die Visumerteilung rechtfertigende außergewöhnliche Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG liegt nicht vor, wenn zwar der Wunsch nach (erstmaliger) Lebenshilfe durch einen Familienangehörigen im Bundesgebiet besteht, die Lebenshilfe aber auch durch Dritte im Herkunftsland geleistet werden kann

Tenor

Das der Beklagten am 28. Dezember 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge, abgesehen von den außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die seit September 2004 verwitwete Klägerin iranischer Staatsangehörigkeit und armenischer Volkszugehörigkeit begehrt die Erteilung eines Visums zum Familiennachzug zu ihrer im Bundesgebiet lebenden Tochter, Frau R... T..., die aufgrund ihrer Einbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Die Klägerin stellte am 13. August 2008 einen Antrag auf Visumerteilung bei der deutschen Botschaft in Teheran. Ausweislich einer ärztlichen Bescheinigung war sie wegen einer durch den Tod ihres Ehemannes entstandenen reaktiven Depression in Behandlung. Bei ihr bestünden Demenz-Symptome. Weitere ärztliche Bescheinigungen attestieren ein Glaukom an beiden Augen, fortgeschrittene Arthrose und Zerstörung der Lendenwirbel 5 und 9 mit starken Rückenschmerzen, Hals-, Knie- und Großzeharthrose, Hypertension, Hyperlipidämie sowie Hyperthyreose mit dem Erfordernis der Medikamentengabe.

Bei ihrer Befragung durch die deutsche Auslandsvertretung gab die Klägerin an, ihre Tochter lebe seit 18 Jahren im Bundesgebiet. Im Iran gebe es keine Familienangehörigen. Sie habe finanzielle sowie gesundheitliche Probleme und sei einsam. Einkäufe erledige ihre Nachbarin für sie, die auch ihre Vermieterin sei. Sie habe eine Putzhilfe, die alle 15 Tage zu ihr komme.

Mit Remonstrationsbescheid vom 26. Januar 2009 lehnte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran den Visumantrag der Klägerin ab, da eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 AufenthG nicht festgestellt werden könne. Die Familienzusammenführung gerade in Deutschland sei nicht zwingend geboten. Die Klägerin sei seit dem Tode ihres Ehemannes mehrere Jahre im Iran zurechtgekommen und könne weiterhin von ihren in Deutschland lebenden Verwandten finanziell unterstützt werden. Ihre gesundheitlichen Beschwerden seien altersbedingt, bei Bedarf könnten örtliche Pflegedienste in Anspruch genommen werden.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihre Vermieterin habe das Mietverhältnis aufgrund Eigenbedarfs gekündigt, so dass sie habe umziehen müssen. Sie werde von zwei Frauen in der Nachbarschaft mit dem Notwendigsten versorgt, sei oft tagelang allein und habe als einzige Kontaktmöglichkeit Frau T..., mit der sie telefoniere. In den USA lebten zwei Schwestern, die sie aus Altersgründen nicht versorgen könnten.

Der Vertrauensarzt der deutschen Botschaft in Teheran hat die Klägerin untersucht und sich anschließend zu ihrem Gesundheitszustand geäußert. Wegen des Inhalts seiner Stellungnahme vom 20. November 2009 wird auf die Streitakte Bezug genommen, ebenso hinsichtlich der Angaben, die Frau T... als Zeugin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zum Gesundheitszustand und der Betreuung der Klägerin im Iran gemacht hat.

Durch der Beklagten am 28. Dezember 2009 zugestelltes Urteil hat das Verwaltungsgericht Berlin den Bescheid vom 26. Januar 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin ein Visum zur Familienzusammenführung zu Frau T... zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Visumerteilung nach $28 Abs. 4, § 36 Abs. 2 AufenthG. Sie habe keine nahen Angehörigen im Iran und sei pflegebedürftig, wie sich aus den von ihr eingereichten Attesten sowie der Stellungnahme des Vertrauensarztes der deutschen Botschaft ergebe. Im Lichte der Art. 6 GG, 8 EMRK komme es nicht darauf an, dass die von der Klägerin benötigte Hilfe im Iran auch von familienfremden Personen erbracht werden könne. Von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, die den - von der Klägerin nicht geführten - Nachweis ausreichenden Krankenversicherungsschutzes umfasse, sei abzusehen. Das durch § 36 Abs. 2 AufenthG eröffnete Ermessen könne nur zugunsten der Klägerin ausgeübt werden.

Mit ihrer durch den Senat zugelassenen Berufung macht die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Berufungszulassungsverfahren im Wesentlichen geltend, eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 36 Abs. 2 AufenthG liege nicht vor. Die Klägerin sei nicht auf familiäre Hilfe im Bundesgebiet angewiesen. Sie könne ihr Leben im Iran mithilfe dort vorhandener Pflegeeinrichtungen führen, während sie Frau T... seit zwanzig Jahren nicht gesehen und dies offenbar auch nie angestrebt habe. Frau T... könne im Übrigen die familiäre Betreuung der Klägerin im Bundesgebiet nicht gewährleisten, da sie einer Vollzeitberufstätigkeit nachgehe und für ihre Kinder zu sorgen habe, weswegen zu erwarten sei, das die Pflege der Klägerin zu einem großen Teil - wie auch im Iran möglich - von professionellen Pflegediensten erledigt werde. Das Verwaltungsgericht habe überdies zu Unrecht einen Ausnahmefall im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG angenommen. Das der Beklagten im Rahmen des § 36 Abs.2 AufenthG zustehende Ermessen sei jedenfalls nicht €auf Null€ reduziert.

Die Beklagte beantragt,

das ihr am 28. Dezember 2009 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die familiäre Lebenshilfe durch Frau T... sei gesichert, zumal diese einen Lebensgefährten habe und auch ihre beiden Töchter sowie eine Bekannte an der Pflege mitwirken könnten.

Der Beigeladene schließt sich den Ausführungen der Beklagten an, ohne einen Antrag zu stellen.

Der Senat hat Frau T... als Zeugin zur Situation der Klägerin im Iran sowie zu den familiären Betreuungsmöglichkeiten im Bundesgebiet gehört. Hinsichtlich ihrer Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und des Beigeladenen (je ein Halbhefter) verwiesen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Beklagte hat die Berufung auf die Zustellung des Senatsbeschlusses über die Zulassung der Berufung innerhalb der Monatsfrist des § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO begründet. Zwar hat sie schriftsätzlich keinen ausdrücklichen Berufungsantrag gestellt. Dies ist durch § 124a Abs. 6 i.V.m. Abs. 3 Satz 4 VwGO indes auch nicht vorgeschrieben. Die Vorschrift lässt genügen, wenn in dem einzureichenden Schriftsatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt, dass, in welchem Umfang und weshalb der Berufungsführer an der Durchführung des zugelassenen Berufungsverfahrens festhalten will (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 - 6 C 8.04 -, Buchholz 442.066 § 50 TKG Nr. 2 = juris Rn. 16; Urteil vom 8. März 2004 - 4 C 6.03 -, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 26 = juris Rn. 22). Dies ist der Fall. Die Beklagte hat auf ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren Bezug genommen und durch die Formulierung, eine weitere Berufungsbegründung sei nicht vorgesehen, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass jenes Vorbringen Gegenstand ihres Vortrags (auch) im Berufungsverfahren ist.

B.

Die Berufung ist begründet.

Die Ablehnung der Erteilung eines Visums zur Familienzusammenführung ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Sie hat keinen Anspruch auf Erteilung des Visums und auch keinen Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Bescheidung. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind nicht erfüllt.

I.

Anspruchsgrundlage für den Familiennachzug zu der Zeugin T... ist §§ 28 Abs. 4, 27 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Hiernach kann sonstigen Familienangehörigen zum Familiennachzug eine Aufenthaltserlaubnis - und damit auch ein Visum (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 6 Abs. 3 AufenthG i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 [BGBl. I S. 162] nach Maßgabe des Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex vom 22. November 2011 [BGBl. I S. 2258]) - erteilt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist.

II.

Eine außergewöhnliche Härte ist im Fall der Klägerin nicht gegeben.

1. Der unbestimmte Rechtsbegriff der außergewöhnlichen Härte weist im Verhältnis zu demjenigen der besonderen Härte erhöhte Anforderungen auf. Die Besonderheiten des Einzelfalles müssen nach Art und Schwere so ungewöhnlich und groß sein, dass die Folgen der Visumversagung unter Berücksichtigung des Zwecks der Nachzugsvorschriften, die Herstellung und Wahrung der Familieneinheit zu schützen, sowie des Schutzgebots des Art. 6 GG schlechthin unvertretbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1997 - 1 B 236.96 -, Buchholz 402.240 § 22 AuslG 1990 Nr. 4 = juris Rn. 8 zur vergleichbaren Rechtslage nach dem AuslG; Hailbronner, AuslR, Stand April 2008, § 36 AufenthG Rn. 12). Der Zweck des Familiennachzugs, die Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft (§ 27 Abs. 1 AufenthG), erfordert in aller Regel nicht den Nachzug von Volljährigen, denn sie benötigen grundsätzlich keine familiäre Lebenshilfe. Die Verbindung zu den im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen kann grundsätzlich auch auf andere Weise aufrecht erhalten und gepflegt werden. Soweit eine wirtschaftliche Unterstützung erforderlich sein sollte, kann diese in der Regel durch Geldüberweisungen ins Ausland erfolgen. Eine außergewöhnliche Härte setzt demgegenüber voraus, dass der im Ausland lebende volljährige Familienangehörige dort kein eigenständiges Leben mehr führen kann und die von ihm benötigte, tatsächlich und regelmäßig zu erbringende wesentliche familiäre Lebenshilfe zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik Deutschland durch die Familie erbracht werden kann, die in diesem Fall im Kern die Funktion einer familiären Lebensgemeinschaft ausfüllt. Nur wenn die Zusammenführung gerade in Deutschland zwingend geboten ist, hat der Staat aus dem Schutz- und Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG die Pflicht, die Familie zu schützen und einwanderungspolitische Belange zurückzustellen. Umgekehrt liegt keine außergewöhnliche Härte vor, wenn die benötigte Lebenshilfe auch im Heimatstaat des Ausländers erbracht werden kann (vgl. zu allem BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 1989 - 2 BvR 377/88 -, NJW 1990, 895 = juris Abschnitt B.I.3.b; Beschluss vom 25. Oktober 1995 - 2 BvR 901/95 -, NVwZ 1996,1099 = juris Rn. 8; BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1997, a.a.O., juris Rn. 8; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30. März 2007 - 2 B 2.07 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 23. August 2005 - OVG 12 N 10.05 -, juris Rn. 5; OVG Saarlouis, Beschluss vom 23. Juli 2009 - 2 B 377.09 -, juris Rn. 6; OVG Münster, Urteil vom 12. Februar 1992 - 17 A 134.91 -, InfAuslR 1993, 24, 25).

2. Die so beschriebenen Voraussetzungen für eine außergewöhnliche Härte sind im Fall der Klägerin nicht erfüllt.

a) Die Klägerin hat nicht belegt, dass sie auf Lebenshilfe im Bundesgebiet durch die Zeugin T... angewiesen ist.

Es kann dahinstehen, welcher Art und Schwere ihre Erkrankungen sind. Selbst wenn insoweit ihre eigenen Angaben zugrunde gelegt werden, ist sie im Iran hinreichend von Freunden und Bekannten versorgt.

Hinsichtlich ihrer Betreuungssituation hat sie erstinstanzlich eingeräumt, ihr werde von zwei Frauen aus der Nachbarschaft geholfen. Die Zeugin T... hat bei ihrer Vernehmung vor dem Verwaltungsgericht darüber hinausgehend bekundet, dass mehrere Nachbarn, im Wesentlichen eine Armenierin aus dem Haus der Klägerin sowie eine weitere Armenierin aus derselben Straße, nach der Klägerin schauen, ihr helfen, einkaufen, Essen bringen oder zubereiten, soweit erforderlich beim An- oder Ausziehen helfen, Arzttermine organisieren und ein Taxi rufen. Bei ihrer Vernehmung vor dem Senat hat die Zeugin T... erneut und nachvollziehbar angegeben, die Klägerin habe Freunde und Bekannte, die sie unterstützten.

Hiernach kann im Iran mithilfe vielfältiger Unterstützungsmaßnahmen ausreichend auf den Gesundheitszustand der Klägerin reagiert werden; sie ist imstande, ihr Leben weiterhin dort zu führen. Zu den vorhandenen Unterstützungsmaßnahmen gehören sowohl die - nach ihrer zeugenschaftlichen Angabe wöchentlich erfolgenden - Anrufe der Zeugin T... als auch die Hilfe mehrerer Freunde und Bekannter, namentlich aus der Nachbarschaft, und die laut der Stellungnahme des Vertrauensarztes im Iran mögliche ärztliche Versorgung. Dies schließt eine außergewöhnliche Härte aus. Erforderlichenfalls kann die Zeugin T..., die zugunsten der Klägerin eine Verpflichtungserklärung abgegeben hat und, wie deren Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hervorgehoben hat, ein überdurchschnittliches Einkommen aufweist, zusätzlich finanzielle Unterstützung vom Bundesgebiet aus gewähren, mag die Klägerin diese bislang auch nicht annehmen wollen.

Soweit das Verwaltungsgericht die Auffassung vertreten hat, der Annahme einer außergewöhnlichen Härte stehe nicht entgegen, dass die Hilfe bereits von familienfremden Personen im Iran erbracht werden könne, ist dem nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht bezieht sich zur Stützung seiner Auffassung auf das OVG Saarlouis (a.a.O., juris Rn. 6; vgl. aber auch Rn. 9), das seinerseits auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 1. August 1996 (2 BvR 1119/96, InfAuslR 1996, 341 = juris Rn. 5) Bezug nimmt. Dort setzt das Bundesverfassungsgericht indes voraus, dass die Lebenshilfe durch ein Familienmitglied tatsächlich (bereits im Bundesgebiet) erbracht wird (so auch die vom OVG Münster [Urteil vom 24. Februar 1999 - 17 A 139.97 -, InfAuslR 1999, 345 = juris Rn. 16] - ihm i.E. folgend Hailbronner, a.a.O., § 36 Rn. 29 - für seine Gegenansicht in Anspruch genommenen Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 1995 [a.a.O., juris Rn. 8] sowie vom 14. Dezember 1989 [a.a.O., juris Abschnitt B.I.3.c.aa] einerseits und des VGH Mannheim vom 15. Februar 1995 - 11 S 2954/94 -, NVwZ-RR 1996, 115 = juris Rn. 9 andererseits). Demgegenüber erstrebt die Klägerin die - seit der Ausreise der Zeugin T... aus dem Iran vor 22 Jahren - erstmalige Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet (vgl. auch OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2011 - OVG 12 N 45.11 -, Beschlussabdruck S. 2 f.; Beschluss vom 23. August 2005 - OVG 12 N 10.05 -, juris Rn. 5).

b) Im Übrigen wäre die Zeugin T... zur Hilfeleistung für die Klägerin im Bundesgebiet nicht in hinreichendem Umfang imstande (vgl. hierzu OVG Saarlouis, Beschluss vom 23. Juli 2009, a.a.O., juris Rn. 11; OVG Lüneburg, Beschluss vom 2. November 2006 - 11 ME 197/06 -, InfAuslR 2007, 67 = juris Rn. 10).

Wenn § 36 Abs. 2 AufenthG voraussetzt, dass die familiäre Lebenshilfe zumutbarer Weise nur in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden kann, bedeutet dies umgekehrt, dass es dem im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen möglich sein muss, die Lebenshilfe zu erbringen. Die Zeugin T... geht jedoch selbst einer Berufstätigkeit nach und kann sich in dieser Zeit nicht um die Klägerin kümmern. Laut Arbeitsvertrag vom 9. August 2010 arbeitet sie regelmäßig 38 Stunden in der Woche. Es bedarf keiner grundsätzlichen Klärung, in welchem Umfang der im Bundesgebiet lebende Familienangehörige zur Erbringung der Lebenshilfe imstande sein muss. Jedenfalls im Einzelfall hat die Zeugin T... bei ihrer Vernehmung durch den Senat eingeräumt, die Lebenshilfe solle in wesentlichen Teilen - lediglich - durch eine Bekannte geleistet werden, die nicht berufstätig sei.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.






OVG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 19.12.2011
Az: OVG 3 B 17.10


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