Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 23. Juni 2004
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 29/04

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 23.06.2004, Az.: VI-U (Kart) 29/04)

Tenor

I. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird - unter Zurückwei-sung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 5. Februar 2004 verkündete Urteil der IV. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die einstweilige Verfügung vom 14. Januar 2004 bleibt im Ausspruch zu b) mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Tenor insoweit klarstellend wie folgt lautet:

Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, oder einer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall von bis zu 2 Jahren, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Bier der Marke "B. B." in demjenigen Bereich, der in der - dem Berufungsurteil als Anlage beigefügten - Gebietskarte mit der Ziffer "2" gekennzeichnet ist, eigenständig Dritten zum Verkauf anzubieten, zu verkaufen oder zu liefern,

solange nicht rechtskräftig über die Beendigung des zwi-schen der "B. B., N. C., K. S., C. B. (B.), T. R.", einerseits und der Antragstellerin andererseits geschlossenen Import-vertrages in der Fassung vom 31. August 1999 entschieden ist oder sich die Parteien nicht verglichen haben.

2. Im übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Antragstellerin zu 25 % und die Antragsgegnerin zu 75 % zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I.

Die Voraussetzungen für den Erlass der von der Antragstellerin nachgesuchten einstweiligen Verfügung liegen nur insoweit vor, wie sich die Antragstellerin gegen die Vertriebstätigkeit der Antragsgegnerin in dem ihr durch den Importvertrag vom 31. August 1999 als Vertragsgebiet zugewiesenen Bereich wendet. Das Verfügungsbegehren bleibt demgegenüber erfolglos, soweit die Antragstellerin der Antragsgegnerin gerichtlich untersagen lassen will, ihren (der Antragstellerin) Kunden gegenüber zu behaupten, die Antragsgegnerin sei in dem vorgenannten Vertragsgebiet die alleinige Lieferantin von Bier der Marke "B. B.".

A. Bedenken gegen die Dringlichkeit des von der Antragstellerin verfolgten Rechtsschutzbegehrens (§§ 940, 936, 920 Abs. 1 und 2 ZPO) bestehen - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht.

1. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Verfügungsantrag zum einen dagegen, dass die Antragsgegnerin seit dem 1. Januar 2004 die Belieferung ihrer (der Antragstellerin) Kunden aufgenommen hat. Sie vertritt die Auffassung, die zum Ablauf des Jahres 2003 ausgesprochene fristgerechte Kündigung ihres Importvertrages mit der Muttergesellschaft der Antragsgegnerin, der "B. B. N. C." (nachfolgend: B.), sei unwirksam gewesen. Aus diesem Grund - so meint die Antragstellerin - nutze die Antragsgegnerin durch ihre Vertriebstätigkeit in wettbewerbswidriger Weise (§ 1 UWG) einen fremden Vertragsbruch zum eigenen Vorteil aus. Die Antragstellerin erhebt gegen die Antragsgegnerin außerdem den Vorwurf der irreführenden Kundenwerbung. Dazu macht sie geltend, die Antragsgegnerin habe (insbesondere) durch ihren Geschäftsführer P. am 12. Januar 2004 mehrere Kunden telefonisch aufgefordert, Bier der Marke "B. B." nicht mehr über die Antragstellerin zu beziehen, weil diese für den Biervertrieb nicht mehr zuständig sei. Die Antragsgegnerin habe es dabei unterlassen, die Kunden auf das seinerzeit bereits anhängige Schiedsgerichtsverfahren hinzuweisen, welches sie (die Antragstellerin) gegen die Kündigung ihres Importvertrages eingeleitet hatte. Dieser unterbliebene Hinweis rechtfertige - so argumentiert die Antragstellerin - den Vorwurf der Irreführung im Sinne von § 3 UWG.

2. Hinsichtlich beider wettbewerblichen Ansprüche ist die Eilbedürftigkeit des nachgesuchten Rechtsschutzes gegeben. Gemäß § 25 UWG wird die Dringlichkeit einstweiligen Rechtsschutzes für wettbewerbliche Unterlassungsansprüche vermutet. Diese Dringlichkeitsvermutung ist im Streitfall nicht widerlegt. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin die Durchsetzung ihrer im vorliegenden Verfahren reklamierten Unterlassungsansprüche nachlässig betrieben und dadurch selbst zu erkennen gegeben hat, dass die Sache für sie nicht eilig ist (vgl. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 25 Rn. 13 a m.w.N.).

a) Die Antragstellerin hat sich beizeiten gegen die Vertriebstätigkeit der Antragsgegnerin gewandt. Zwar hat sie die Antragsgegnerin erst mehr als 6 Monate nach deren Mitteilung vom 1. Juli 2003, ab Januar 2004 den Biervertrieb in der Bundesrepublik Deutschland übernehmen zu wollen, auf Unterlassung in Anspruch genommen. Zuvor hatte die Antragstellerin aber am 2. September 2003 ein beschleunigtes schiedsgerichtliches Verfahren gegen die B. eingeleitet mit dem Ziel, die Ungültigkeit der ausgesprochenen Kündigung des Importvertrages feststellen zu lassen. Durch erhöhte Gebührenzahlung war dabei eine Entscheidung des Schiedsgerichts binnen Monatsfrist sichergestellt. Bei dieser Sachlage durfte die Antragstellerin berechtigterweise davon ausgehen, die Wirksamkeit der Kündigung des Importvertrages rechtzeitig vor dem 1. Januar 2004 klären und im Falle ihres Obsiegens zugleich auch die Aufnahme der Vertriebstätigkeit durch die Antragsgegnerin verhindern zu können. Dass das Schiedsgerichtsverfahren letztlich durch Prozessurteil beendet worden ist, weil eine Streitgenossin der Antragstellerin die Verwaltungskosten nicht fristgerecht eingezahlt hatte, und die Antragstellerin gezwungen war, im November 2003 ein zweites Schiedsgerichtsverfahren einzuleiten, über das bis heute noch nicht entschieden ist, steht der Dringlichkeit nicht entgegen. Daraus rechtfertigt sich gegen die Antragstellerin nicht der Vorwurf, nur nachlässig und verzögerlich gegen die Kündigung des Importvertrages und die daraus resultierende Vertriebstätigkeit der Antragsgegnerin vorgegangen zu sein.

Aus der gleichen Erwägung kann der Antragstellerin auch nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, dass das von ihr angerufene tschechische Schiedsgericht zur Beurteilung der kartellrechtlichen Wirksamkeit des Importvertrages nicht zuständig sei. Selbst wenn dies zutrifft, rechtfertigt sich daraus nicht die Annahme, die Antragstellerin habe ihr Begehren auf Fortsetzung der Lieferbeziehung zur B. in einer Weise nachlässig und verzögerlich verfolgt, dass die Dringlichkeitsvermutung des § 25 UWG widerlegt und die Feststellung berechtigt ist, die Antragstelelrin habe selbst zu erkennen gegeben, dass ihr eine Weiterbelieferung mit Bier der Marke "B. B." nicht wichtig und eilig sei.

b) Die Äußerungen der Antragsgegnerin zur Vertriebszuständigkeit hat die Antragstellerin umgehend zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Bereits zwei Tage nach den betreffenden Erklärungen vom 12. Januar 2003 hat sie wegen der als irreführende Kundenwerbung beanstandeten Aussagen der Antragsgegnerin beim zuständigen Landgericht um den Erlass einer einstweiligen Untersagungsverfügung nachgesucht.

B. Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung dringt in der Sache nur teilweise durch.

1. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Vertriebstätigkeit der Antragsgegnerin wendet und den Vorwurf erhebt, diese nutze einen - durch unberechtigte Kündigung des Importvertrages begangenen - Vertragsbruch der B. zum eigenen Vorteil aus, ist das Unterlassungsbegehren erfolgreich.

a) Der Vorwurf, die Antragsgegnerin nutze in wettbewerbswidriger Weise (§ 1 UWG) einen Vertragsbruch ihrer Muttergesellschaft aus, setzt zum einen voraus, dass der Importvertrag vom 31. August 1999 rechtswirksam zustande gekommen und die Vertragskündigung durch die B. unberechtigt gewesen ist. Abzustellen ist dabei auf das tschechische Recht. Denn die Parteien des Importvertrages haben in Ziffer 20 jenes Vertrages vereinbart, dass sich die Rechtsverhältnisse aus dem Importvertrag - und somit auch der rechtswirksame Vertragsschluss und die Rechtsgültigkeit der von der B. mit Schreiben vom 24. Juni 2003 ausgesprochenen Vertragskündigung - nach dem tschechischen materiellen Recht richtet. Erforderlich ist zum anderen die Feststellung, dass die Antragsgegnerin um die Unwirksamkeit jener Vertragskündigung weiß. Von dem Ausnutzen eines fremden Vertragsbruchs kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn sich der Täter entweder des von einem anderen begangenen Vertragsbruchs bewusst ist oder er zumindest damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass er einen fremden Vertragsbruch geschäftlich ausnutzt. Der positiven Kenntnis steht es gleich, wenn sich der Handelnde der Kenntnis der vertraglichen Bindung bewusst verschließt oder entzieht (vgl. BGH, GRUR 2002, 795, 798 m.w.N.).

b) Sämtliche dieser tatbestandlichen Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

aa) Der Importvertrag vom 31. August 1999 ist nicht - ganz oder teilweise - wegen Verstoßes gegen das kartellrechtliche Verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV oder das in Art. 64 des "Europa-Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der Tschechischen Republik andererseits" (Anlage AG 23) enthaltene Verbot einer Beschränkung des Handels zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Tschechischen Republik nichtig.

Zwar enthalten sowohl der Importvertrag in Abschnitt 1.1 Satz 2 und 3 als auch die - in ihm in Bezug genommene - Vertriebsvereinbarung vom 31. August 1999 (Anlage AG 6) in Abschnitt I. Ziffer 1.1 Satz 4 und 7 Alleinvertriebs- und Preisbindungsvereinbarungen, die als Wettbewerbsbeschränkungen an sich unter die genannten Vorschriften fallen. Gleichwohl ist weder der Tatbestand des Art. 81 Abs. 1 EGV noch derjenige des Art. 64 des genannten Europa-Abkommens verwirklicht. Es fehlt - was sowohl ungeschriebene Voraussetzung von Art. 81 Abs. 1 EGV ist (vgl. nur: Bunte in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 1, 9. Aufl., Art. 81 Rn. 101 ff. m.w.N.) als auch nach Art. 64 Abs. 2 des genannten Europa-Abkommens, der auf die Beurteilungskriterien des europäischen Kartellrechts verweist, vorausgesetzt wird - an einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Das Bier der Marke "B. B.", auf welches sich die in Rede stehenden Wettbewerbsbeschränkungen beziehen, hat sowohl im Inland als auch im Wirtschaftsraum der Europäischen Gemeinschaften einen Marktanteil von weit unter 1 %. Er liegt bezogen auf den sachlich relevanten Angebotsmarkt für Bier in der Bundesrepublik Deutschland bei 0,16 % und im Gebiet der Europäischen Gemeinschaften bei 0,08 %. Der derart geringer Marktanteil reicht für die Annahme einer spürbaren Wettbewerbsbeeinträchtigung offensichtlich nicht aus. Er widerlegt überdies eine etwaige Spürbarkeitsvermutung, welche die Antragsgegnerin aus Ziffer 53 der "Leitlinien der Kommission über den Begriff der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages" (Anlage AG 34) herleitet.

Ohne Erfolg wendet sich die Antragsgegnerin gegen die jenen Anteilen zugrunde liegende Marktabgrenzung. Der Angebotsmarkt für Bier ist - entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin - nicht in einen gesonderten Teilmarkt für Importbier zu unterteilen. Aus der Sicht der Nachfrager deckt Importbier nämlich denselben Bedarf wie inländisches Bier, und es ist aus Verbrauchersicht auch ansonsten (z.B. hinsichtlich des Preises) gegen Importbier ohne weiteres funktionell austauschbar.

Die Antragsgegnerin vermag auch nicht mit ihrem Hinweis auf die "Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Art. 81 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken" durchzudringen. Sofern Ziffer 11 der Bekanntmachung näher bezeichnete (sog.) Kernbeschränkungen (Preisabsprachen, Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen, Gebietsabsprachen) von der Geltung derjenigen - in den Ziffern 7 bis 9 der Bekanntmachung genannten - Marktanteilsschwellen zwischen 5 % und 15 % ausnimmt, die für ein Einschreiten der Kommission im Allgemeinen überschritten sein müssen, ist daraus nicht zu folgern, dass es bei Kernbeschränkungen auf die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht ankommt. Ziffer 11 der Bekanntmachung ist lediglich der Vorbehalt der Kommission zu entnehmen, gegen Kernbeschränkungen auch dann vorzugehen, wenn die beteiligten Unternehmen die Marktanteilsschwellen nicht überschreiten (vgl. Bunte, a.a.O. Rn. 105). Das ändert indes nichts an der Tatsache, dass auch Kernbeschränkungen nur dann kartellrechtlich verboten sind, wenn sie eine spürbare Wettbewerbsbeeinträchtigung nach sich ziehen, und dass ein Marktanteil von 0,16 % bzw. 0,08 % für die Annahme der Spürbarkeit keinesfalls ausreicht.

bb) Die Vertragskündigung der B. vom 24. Juni 2003 bleibt rechtlich wirkungslos. Denn die Voraussetzungen, unter denen Ziffer 13.4 des Importvertrages (Anlage ASt 3, GA 19 ff.) die ordentliche Kündigung des Imporetvertrages ermöglicht, sind nicht erfüllt.

(1) In der Vertragsbestimmung heißt es - soweit vorliegend von Interesse - wie folgt:

"Die B. Brauerei (lies: B.) ist berechtigt, diesen Vertrag ordentlich zu kündigen,

...... wenn der Importeur seine ..... Werbeverpflichtung entsprechend dieses Vertrages und der Vertriebsvereinbarung mit der B. (lies: B. B. Vertriebsgesellschaft D. GmbH) nach Setzung einer angemessenen Frist verletzt."

In Ziffer 6 enthält der Importvertrag Regelungen zum Marketing und zur Werbung. Die Vertragsklausel lautet in ihrer bei Ausspruch der streitbefangenen Kündigungserklärung gültigen Fassung gemäß Nachtrag Nr. 20/01 auszugsweise:

"6.5 Der Importeur verpflichtet sich, sowohl für die überregionale als auch für die regionale Werbung des B. Flaschenbieres je 10 % aus dem erzielten Hektoliter-Einkaufsumsatz (...) aufzuwenden. Weiter verpflichtet sich der Importeur, für die regionale Werbung des B. Faßbieres 20 % aus dem erzielten Hektoliter-Einkaufsumsatz (....) aufzuwenden. Der Betrag für die überregionale Werbung ist der B. vom Importeur vierteljährlich auf deren Anforderung zur Verfügung zu stellen. ..... Die Ausgaben der Werbeverpflichtung (10 % regional vom Flaschenbier, 20 % regional vom Faßbier) muss jeder Importeur spätestens bis zum 28.2. des nachfolgenden Jahres der B. Brauerei belegen."

Abschnitt III. Ziffer 3.1 der Vertriebsvereinbarung bestimmt auszugsweise:

"Der Importeur verpflichtet sich, sowohl für die überregionale als auch für die regionale Werbung des B. Bieres je 10 % aus dem erzielten je Hektoliter-Einkaufsumsatz (...) aufzuwenden. Der Betrag für die regionale Werbung ist der B. vom Importeur vierteljährlich auf deren Anforderung zur Verfügung zu stellen."

(2) Nach dieser Vertragslage und unter Anwendung des maßgeblichen tschechischen Rechts war die Kündigung der B. vom 24. Juni 2003 unwirksam.

(a) Die Antragstellerin hat durch Vorlage ihrer Klageschrift zur Einleitung des Schiedsgerichtsverfahrens gegen die Bl (Anlage ASt 9, GA 45 ff.) im Einzelnen zur tschechischen Rechtslage vorgetragen. In jener Klageschrift werden die Auslegungsgrundsätze des tschechischen Zivilrechts in den §§ 264 bis 266 HGB-CZ - insbesondere die Maßgeblichkeit des Vertragswortlauts, der Handelsbräuche, der Vertragspraxis und des nachfolgenden Verhaltens der Vertragsparteien - dargestellt (Seite 10 der Klageschrift, GA 54). Sodann wird näher ausgeführt, dass Ziffer 13.4 des Importvertrages in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze die ordentliche Vertragskündigung nur für die Nichterfüllung der Werbepflicht als solche und nicht auch dann gewährt, wenn der Importeur seiner "Pflicht" zum Nachweis der Werbemaßnahmen nicht nachkommt (Seite 14 f. der Klageschrift, GA 58 f.). Diese Rechtsausführungen sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Vor allem trifft es zu, dass Ziffer 13.4 des Importvertrages schon nach seinem eindeutigen Wortlaut der B. das Recht zur ordentlichen Kündigung nur für den Fall einräumt, dass der Bierimporteur (hier: die Antragstellerin) seiner Verpflichtung zur regionalen und überregionalen Werbung nicht oder nicht vollständig nachgekommen, ihm daraufhin eine angemessene Frist zur Vornahme der vertragsgemäß geschuldeten Werbung gesetzt worden und diese Frist fruchtlos verstrichen ist. Vor diesem Hintergrund ist es ohne weiteres plausibel, dass die Vertragsklausel bei verständiger Würdigung nicht dahin ausgelegt werden kann, dass auch der fruchtlose Ablauf einer Frist, die dem Importeur zum Nachweis seiner regionalen Werbung gesetzt worden ist, zur Kündigung berechtigt. Ziffer 13.4 des Importvertrages knüpft die Kündigungsmöglichkeit ausdrücklich nur an die Verletzung der "Werbeverpflichtung" und nicht auch an den nicht ausreichenden Nachweis einer Erfüllung der Werbepflicht.

Die dagegen vorgebrachten Einwände der Berufung greifen nicht durch. Der Hinweis, die Vertragsbestimmung nehme im Zusammenhang mit der "Werbeverpflichtung" nicht nur auf den Importvertrag, sondern auch auf die "Vertriebsvereinbarung mit der B." Bezug, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Daraus kann - entgegen der Ansicht der Berufung - insbesondere nicht abgeleitet werden, mit dem Begriff der "Werbeverpflichtung" müsse auch die "Pflicht" zum Nachweis der regionalen Werbung gemeint sein. Diese Argumentation basiert - wie die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung des Senats ausgeführt haben - auf der Annahme, dass in der Vertriebsvereinbarung lediglich die "Nachweisverpflichtung" geregelt sei. Das trifft indes nicht zu. Abschnitt III. Ziffer 3.1 der Vertriebsvereinbarung regelt in Übereinstimmung mit dem Importvertrag vielmehr auch die Pflicht des Importeurs zur (überregionalen und) regionalen Werbung.

Gegen die von der Antragstellerin reklamierte Vertragsauslegung kann ebenso wenig eingewandt werden, dass die Missachtung der "Nachweispflicht" für den Importeur letztlich folgenlos bliebe, wenn sie nicht unter die Androhung einer ordentlichen Vertragskündigung nach Ziffer 13.4 des Importvertrages gestellt werde. Zwar dürfte es sich bei dem Gebot zum Nachweis der regionalen Werbemaßnahmen nicht um eine schuldrechtliche Verpflichtung, sondern um eine bloße Obliegenheit des Importeurs handeln. Das bedeutet indes nicht, dass ein unterbliebener oder unvollständiger Werbenachweis für den Importeur rechtlich folgenlos bleibt. Belegt der Importeur seine regionalen Werbemaßnahmen nicht, nicht vollständig oder nicht in der vertraglich vorgesehenen Form, darf die Brauerei in dem betreffenden Umfang zu seinem Nachteil von einer Verletzung der Werbeverpflichtung ausgehen. Sie ist sodann berechtigt, dem Importeur eine angemessene Frist zur Erfüllung seiner noch ausstehenden Werbepflicht zu setzen und nach fruchtlosem Fristablauf den Importvertrag nach dessen Ziffer 13.4 fristgerecht kündigen.

(b) Bei Ausspruch der Kündigung der B. am 24. Juni 2003 lagen die tatbestandlichen Voraussetzungen von Ziffer 13.4 des Importvertrages nicht vor. Die B. hatte der Antragstellerin lediglich eine Frist zur Nachreichung von Belegen über die durchgeführten regionalen Werbemaßnahmen und keine Frist zur Erfüllung ihrer Werbeverpflichtung (durch Nachholung von Werbeaktionen) gesetzt. Das ist nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens und dem Inhalt des ihm vorausgegangenen Aufforderungsschreibens der B. vom 28. Mai 2003 (Anlage AG 10) eindeutig. Die Schreiben sind der von der Antragstellerin geltend gemachten Auslegung, der Antragstellerin sei - auch - eine Frist zur Vornahme ausstehender Werbemaßnahmen gesetzt worden, nicht zugänglich.

(c) Die Kündigungserklärung vom 24. Juni 2003 kann auch nicht - wie die Antragsgegnerin meint - als Kündigung aus wichtigem Grund aufrecht erhalten werden. Zwar ist nach dem Sach- und Streitstand davon auszugehen, dass die Antragstellerin vor dem Ausspruch der Kündigung gegenüber der B. die gesamten Kosten einer von ihr veranlassten Lochschildwerbung am Golfplatz M.-S. in Ansatz gebracht hatte, obschon dort nicht nur für Bier der Marke "B. B.", sondern daneben auch für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin und das Bier der Marke "K. P." geworben worden war. Ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - an denen es nach dem Vortrag der Antragsgegnerin fehlt - rechtfertigt sich daraus indes nicht der Vorwurf eines betrügerischen, d.h. vorsätzlichen Verhaltens der Antragstellerin.

cc) Nach alledem stellt die kündigungsbedingte Lieferverweigerung der B. ein gegen den fortbestehenden Importvertrag verstoßendes - und damit vertragswidriges - Verhalten dar. Diesen Vertragsbruch hat die Antragsgegnerin zu eigenem wirtschaftlichen Vorteil ausgenutzt und dadurch gegen die guten Sitten im Wettbewerb (§ 1 UWG) verstoßen. Nach dem zur Entscheidung stehenden Sachverhalt ist dabei hinreichend wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin zumindest billigend in Kauf genommen hat, dass ihre Muttergesellschaft B. die Lieferbeziehung zur Antragstellerin unter Verstoß gegen den Importvertrag eingestellt hatte. Bei verständiger Würdigung waren nämlich die Gründe, die B. für die Beendigung ihrer Lieferbeziehung zur Antragstellerin vorgebracht hatte, nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Die im Kündigungsschreiben vom 24. Juni 2003 reklamierte Kartellnichtigkeit des Importvertrages lag fern, weil das Bier der Marke "B. B." auf dem relevanten Angebotsmarkt für Bier im Inland einen Marktanteil von nur 0,16 % und im Gebiet der Europäischen Union einen Marktanteil von lediglich 0,08 % inne hatte. Bei derart geringfügigen Marktanteilen scheidet eine Spürbarkeit der in dem Importvertrag enthaltenen Wettbewerbsbeschränkungen ganz offenbar aus. Erkennbar unberechtigt war ebenso die auf Ziffer 13.4 gestützte Kündigung des Importvertrages, weil es ersichtlich an der - nach dem eindeutigen Vertragswortlaut notwendigen - Voraussetzung fehlte, dass die Antragstellerin vor Ausspruch der Kündigung fruchtlos zur Erfüllung ihrer Werbeverpflichtung aufgefordert worden war. Dass die Antragsgegnerin trotz der genannten klaren Rechtslage ein vertragswidriges Verhalten ihrer Muttergesellschaft B. nicht zumindest billigend in Kauf genommen, sondern auf die Kartellnichtigkeit des Importvertrages und/oder die Wirksamkeit der Vertragskündigung vertraut hat, ist dem Vorbringen der Antragsgegnerin nachvollziehbar nicht zu entnehmen. Dazu gibt auch der sonstige Sach- und Streitstand nichts her.

c) Bedenken gegen die vom Landgericht tenorierte Befristung des Unterlassungsgebots bis zur Erledigung des Schiedsgerichtsverfahrens zwischen der Antragstellerin und der B. bestehen nicht. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass dem gegen die Antragsgegnerin erhobenen Vorwurf, einen Vertragsbruch der B. im Wettbewerb auszunutzen, dann die Grundlage entzogen wird, wenn das Schiedsgericht - entgegen der vorstehenden Beurteilung des Senats - die Kartellnichtigkeit des Importvertrages oder die Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Vertragskündigung feststellen sollte.

d) Der Senat hat den Verbotstenor des Landgerichts neu gefasst, um die zur Kennzeichnung des Vertragsgebiets der Antragstellerin zur Akte gereichte Gebietskarte in den Entscheidungsausspruch aufnehmen zu können.

2. Soweit die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin den Vorwurf der irreführenden Werbung erhebt und geltend macht, diese habe in Kundengesprächen am 12. Januar 2004 den Eindruck erweckt, sie selbst sei die alleinige Vertriebspartnerin der B., ohne auf das gegen die Kündigung des Importvertrages anhängige Schiedsgerichtsverfahren hinzuweisen, bleibt der Verfügungsantrag erfolglos.

Denn die Antragstellerin hat ihren Sachvortrag zum Inhalt der Kundentelefonate nicht glaubhaft gemacht (§§ 940, 936, 920 Abs. 1 und 2 ZPO). Zwar hat sie eidesstattliche Versicherungen ihres Mitarbeiters H. vom 12. Januar 2004 (Anlage Ast 15 - Ast 17) vorgelegt, wonach dieser von Kunden erfahren haben will, dass die Antragsgegnerin in mehreren Telefonaten erklärt habe, B.-Bier könne fortan nur noch über sie selbst und nicht mehr über die Antragstellerin bezogen werden. Die Antragstellerin hat dazu in der Antragsschrift (dort Seite 13, GA 13) erläuternd vorgetragen, dass das von ihr als Irreführung gewertete Verhalten insbesondere durch den Geschäftsführer der Antragsgegnerin, Herrn P., erfolgt sei. Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten. Sie hat eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers P. vom 16. Januar 2004 (Anlage AG 19) vorgelegt. Darin stellt dieser die von der Antragstellerin behaupteten Äußerungen in Abrede und erklärt, gegenüber Dritten weder geäußert zu haben, dass die Antragsgegnerin die alleinige Importeurin für B.-Bier in der Bundesrepublik sei und nur über sie jenes Bier bezogen werden könne, noch den Eindruck erweckt zu haben, dass das Schiedsverfahren bereits zugunsten B. abgeschlossen sei. Bei dieser Nachweislage ist der Antragstellerin die Glaubhaftmachung ihres Sachvortrags nicht gelungen. Angesichts der sich widersprechenden eidesstattlichen Versicherungen der Zeugen H. und P. bleibt vielmehr offen, ob die als irreführende Werbung beanstandeten Äußerungen gemacht worden sind oder nicht. Das gilt auch, soweit die in Rede stehenden Erklärungen möglicherweise nicht nur vom Geschäftsführer P., sondern auch von einem anderen Mitarbeiter der Antragsgegnerin gemacht worden sein könnten. Solange die Antragstellerin hierzu selbst nicht konkret und unter Namensnennung vorträgt sowie entsprechende eidesstattliche Versicherungen vorlegt, fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

W.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 23.06.2004
Az: VI-U (Kart) 29/04


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