Landgericht Köln:
Urteil vom 26. August 2010
Aktenzeichen: 31 O 182/10

(LG Köln: Urteil v. 26.08.2010, Az.: 31 O 182/10)

Tenor

1.

Die Beklagten werden unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten zu 1) an deren jeweiligem gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist, verurteilt, es zu unterlassen, an Inhaber von eingetragenen Marken „Erinnerungsschreiben“ zu versenden, wie im Hinblick auf die S4 Rechtsschutz-Versicherung-AG, E-Str., 50676 Köln, Deutschland, zur Registernummer 30079401, Deutsche Wort-/Bildmarke mit Datum vom 11.02.2010 geschehen und nachfolgend wiedergegeben:

- Es folgt eine mehrseitige Bilddarstellung. -

2.

Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie die vorstehend unter 1. beschriebene Verletzungshandlung vorgenommen haben.

3.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unter 1. beschriebene Verletzungshandlung entstanden ist oder künftig entstehen wird.

4.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten auferlegt.

5.

Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung beträgt hinsichtlich des Tenors zu 1) EUR 1.000,00, hinsichtlich des Tenors zu 2) EUR 200,00 und hinsichtlich des Kostentenors 110% des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine deutschlandweit u.a. auf dem Gebiet des Markenrechts, einschließlich der dauerhaften Markenbetreuung tätige Rechtsanwaltskanzlei. Bei der Beklagten zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, handelt es sich um eine Gesellschaft mit Hauptsitz in Belize, die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verlängerung von Marken anbietet.

Mit der vorliegenden Klage wendet sich die Klägerin gegen das im Tenor zu 1) wiedergegebene „Erinnerungsschreiben“, welches die Beklagte zu 1) an die S4 Rechtsschutz-Versicherungs-AG, eine Mandantin der Klägerin, versendet hat. Sie ist der Auffassung, die Versendung von „Erinnerungsschreiben“ dieser Art an Inhaber solcher Marken, deren Schutzdauer vor dem Auslauf stehe, stelle eine unlautere geschäftliche Handlung dar, da das Schreiben einerseits aufgrund seiner konkreten Aufmachung geeignet sei, den Verkehr über die geschäftlichen Verhältnisse und die betriebliche Herkunft der angebotenen Dienstleistungen in die Irre zu führen, indem es einen tatsächlich nicht bestehenden Bezug zu staatlichen Stellen herstelle und die hierin liegende Täuschung zugleich auch eine gezielte Absatzbehinderung und eine Form des unlauteren Kundenfangs darstelle.

Nachdem sie einen ursprünglich zusätzlich angekündigten Antrag auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.379,80 in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, beantragt die Klägerin zuletzt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, daß es sich bei dem Schreiben um ein transparentes Angebot einer Dienstleistung handele, dem sich alle nötigen Informationen entnehmen ließen. Auch werde durch die Gestaltung des Schreibens kein Bezug zu einer staatlichen Stelle hergestellt, insbesondere nicht dem Deutschen Patent- und Markenamt, DPMA, wobei zu berücksichtigen sei, daß sich das Schreiben an geschäftserfahrene Kaufleute wende. Schon durch die in der Überschrift des Schreibens wiedergegebene Firmierung und den Rechtsformzusatz werde diesen ohne weiteres deutlich, daß es sich um ein privates Unternehmen handele. Es liege auch keine Anlehnung an das Markenanmeldungsformular des DPMA vor; vielmehr folge die Formulargestaltung allein Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten. Die Verwendung der Bezeichnung „N“ sei für sich betrachtet nicht zu beanstanden und auch das gewählte Emblem erinnere nicht an ein staatliches Hoheitszeichen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat mit den zuletzt gestellten Anträgen vollumfänglich Erfolg.

1. Der Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 8, 3, 5 UWG. Die Versendung eines Erinnerungsschreibens in der angegriffenen konkreten Form ist irreführend im Sinne von § 5 UWG. Es ist geeignet, den Adressaten über die geschäftlichen Verhältnisse der Beklagten zu 1) und damit einhergehend die Herkunft der Dienstleistung zu täuschen, indem es durch seine gesamte Aufmachung und Gestaltung, den Eindruck einer amtlichen und behördlichen Herkunft vermittelt. Dadurch wird zum einen ein tatsächlich nicht bestehender Bezug zu staatlichen Stellen hergestellt, der über die Bedeutung des Unternehmens in die Irre führt; zum anderen wird hierdurch aber in der konkreten Ausgestaltung auch insgesamt das Vorliegen eines privaten Angebotes verschleiert.

Schon der äußeren Form nach erinnert das Schreiben deutlich an ein behördliches Formular. Der Einwand, die Gestaltung folge ausschließlich Zweckmäßigkeitserwägungen und ergebe sich quasi zwangsläufig, verfängt nicht, da eine solche Gestaltung weder in der Allgemeinheit noch in den Einzelheiten zwingend oder gar besonders vorteilhaft ist. Dafür aber zeigt ein Vergleich mit dem offiziellen Markenanmeldungsformular des DPMA (Bl. 26 d.A.) deutliche Parallelen, wobei die übereinstimmende Verwendung einer hervorgehobenen arabischen Ziffer in der rechten oberen Ecke, für deren identische Übernahme und Ausgestaltung keinerlei sachlicher Grund besteht, besonders hervorzuheben und zugleich bezeichnend ist.

Daß die Firma nebst Rechtsformzusatz bereits im Briefkopf des Schreibens angegeben ist, führt in diesem Zusammenhang, anders als die Beklagten meinen, keineswegs dazu, daß für jedermann, zumindest aber für den Kaufmann, an den das Schreiben gerichtet sei, ohne Weiteres erkennbar werde, daß es sich um ein privatrechtliches Unternehmen handelt. Vielmehr verstärkt die Verwendung der Firmierung „N“ vor dem Hintergrund der Gestaltung des Formulars im Gegenteil den offiziellen Eindruck. Der Verkehr wird annehmen, daß die Beklagte der Träger des „Nationalen Markenregisters“ sei und aufgrund dessen unzutreffende Assoziationen zum DPMA ziehen. Verstärkt wird dieser unzutreffende Eindruck weiterhin durch das von den Beklagten verwendete Emblem, das vor dem skizzierten Hintergrund als offizielles Hoheitszeichen verstanden werden kann und wird.

Aufgrund dessen steht die Eignung zur Irreführung nach Auffassung der Kammer außer Zweifel. Dies gilt auch dann, wenn man mit den Beklagten davon ausgeht, daß das Schreiben nur im kaufmännischen Verkehr verwendet wurde. Auch Kaufleuten wird nicht ohne weiteres erkennbar, daß das so gestaltete Schreiben entgegen seinem prägnanten äußeren Anschein keinerlei Beziehung zu offiziellen Stellen hat, zumal auch der Kaufmann hiermit angesichts der Gestaltung, die massiv den gegenteiligen Eindruck vermittelt, nicht rechnen muß. Schon deshalb kann dieser Eindruck auch nicht durch aufklärende Hinweise im Kleingedruckten - erst recht nicht, soweit sich diese in umseitigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen befinden - ausgeräumt werden. Die Beklagten allein haben durch die von ihnen gewählte Gestaltung des Formulars in massiver Weise den unzutreffenden Eindruck eines offiziellen Schreibens geschaffen. Sie können sich deshalb nicht darauf berufen, daß die Adressaten den wahren Hintergrund des Schreibens erkennen könnten, wenn sie nur genau genug läsen und dass der geschäftserfahrene Kaufmann dies selbstverständlich tun werde, bevor er den Auftrag unterschreibe. Diese die Verantwortlichkeiten umdrehende Argumentation läßt im Gegenteil die Motivation der Beklagten offenbar werden. Das Schreiben ist danach nach Auffassung der Kammer einzig darauf angelegt, seinen wahren Charakter zu verschleiern und den Adressaten vertragliche Verpflichtungen unterzuschieben. Wenn es den Beklagten nur darum ginge, ihr Dienstleistungsangebot unter anderem in Konkurrenz zu der Klägerin zu bewerben, so entspräche es den Gepflogenheiten eines redlichen Kaufmanns, dies auf transparente Weise zu tun.

2. Auch die Annexansprüche auf Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht stehen der Klägerin zu. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 242 BGB und dient der Vorbereitung eines etwaigen Schadensersatzanspruches aus § 9 UWG. Ein solcher besteht dem Grunde nach, da die Beklagten zumindest fahrlässig, nach Auffassung der Kammer aber sogar vorsätzlich, gegen die Vorschriften des UWG verstoßen haben. Der Eintritt eines Schadens ist überdies auch nicht von vornherein ausgeschlossen, sondern vielmehr nach der Lebenserfahrung hinreichend wahrscheinlich. Er mag in Aufwendungen zur Beseitigung von Marktverwirrungen bestehen oder aber in der konkreten Konstellation in einem entgangenen Gewinn aufgrund des Verlustes (potentieller) Klienten. Da Eintritt und Umfang eines solchen Schadens aber derzeit mangels Kenntnis der Klägerin von dem Umfang der Verletzungshandlung nicht abschließend feststeht, ist die Klägerin einerseits auf die begehrte Auskunft angewiesen und hat andererseits bereits jetzt ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Teilklagerücknahme hinsichtlich der ursprünglich auch begehrten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bleibt ohne Kostenfolgen, da dieser Teil als Nebenforderung im Sinne des § 4 ZPO bereits nicht streitwerterhöhend wirkte.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

4. Streitwert: EUR 50.000,00






LG Köln:
Urteil v. 26.08.2010
Az: 31 O 182/10


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