Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 24. März 2010
Aktenzeichen: VII-Verg 58/09

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 24.03.2010, Az.: VII-Verg 58/09)

Tenor

1.

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen werden die Beschlüsse der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 24. November 2009 (VK-26/2009 - L) und vom 25. November 2009 (VK-23/2009 - L) aufgehoben.

2.

Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag im Vergabeverfahren „Ab-schlepp- und Inkassodienstleistungen für das Gelände des Düsseldorfer Flughafens“ zu erteilen, ohne zuvor den Bietern die Möglichkeit eingeräumt zu haben, neue Angebote nach Erstellung entsprechend der Rechtsauffassung des Senats abgeänderter Vergabeunterlagen einzurei-chen.

3.

Die Kosten der Vergabekammer tragen die Antragsgegnerin und die Beigela-dene als Gesamtschuldner.

Die zur weckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerinnen tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene je zur Hälfte.

Die Hinzuziehung von anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antrag-stellerinnen notwendig.

4.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerinnen, auch soweit sie das Verfahren gemäß § 118 Abs. 1 S. 3 GWB betreffen, trägt die Antragsgegnerin.

Der Streitwert wird auf 112.500 € festgesetzt.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I.

Die Antragsgegnerin, eine Tochtergesellschaft der F… GmbH, schrieb im März 2009 die Vergabe von Abschlepp- und Inkassodienstleistungen für das Gelände des Düsseldorfer Flughafens durch EU-Bekanntmachung aus. Die Auftragserteilung sollte im Verhandlungsverfahren nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb erfolgen. Weil keine Bewerbung ordnungsgemäß war, hat die Antragsgegnerin das Verfahren aufgehoben, ein neues Verhandlungsverfahren ohne erneuten Teilnahmewettbewerb begonnen und die früheren Bewerber zur Abgabe eines Angebotes bis zum 05. Juni 2009 aufgefordert. Sie hat folgende Unterlagen angefordert, die - wenn nicht anderes vermerkt - mit dem Angebot vorzulegen waren:

(1) Nachweis der Inkassoberechtigung: Nachweis der erfolgten Registrierung gem. §§ 10 ff. RDG oder durch einen Nachweis (z.B. Rechtsgutachten eines neutralen Rechtsanwalts oder behördliche Bestätigung), dass die Inkassotätigkeit nicht als selbständige Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ausgeführt wird, sondern als zulässige Dienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit. Dieser Nachweis kann wegen der durch die auf Grund der in der Regel wohl erforderlichen behördlichen Registrierung womöglich eintretenden Verzögerung durch den künftigen Auftragnehmer spätestens bis zum Beginn der Auftragsausführung nachgereicht werden. Wird der Nachweis nicht fristgerecht nachgereicht, stellt dies für die Auftraggeberin einen Grund zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund dar und kann zu Schadensersatzforderungen für eine anderweitige Vergabe mit schlechteren Konditionen führen. Im Übrigen steht selbstverständlich jedem Bewerber dieses Verfahrens die Möglichkeit des § 5 Nr. 5 VOL/A-SKR offen, wonach sich ein Bieter auch auf die Fähigkeiten Dritter berufen kann…

(2) …

(3) Nachweis mindestens eines Referenzauftrages vergleichbarer Größenordnung: Hier sollten mindestens 2.000 Abschleppvorgänge p.a. z.B. durch die Vorlage konkreter Statistiken oder Bestätigungen eines aktuellen Auftraggebers nachgewiesen werden können.

Als Zuschlagskriterien waren vorgesehen:

1. Preis gem. beigefügtem Preisblatt: Gewichtung: 50 % 2. Konkret für die Auftragserfüllung vorgesehene technische Ausstattung. Gewichtung: 50 %

Nach Öffnung der Angebote bemerkte die Antragsgegnerin - möglicherweise veranlasst durch eine Rüge der Antragstellerin zu 1. -, "dass in dem Preisblatt versehentlich die Leerfahrten, bei denen das betreffende Fahrzeug nicht abtransportiert wird, z.B. weil der Fahrer vor dem Abtransport bei seinem Fahrzeug eintrifft, nicht berücksichtigt wurden. Die Leerfahrten wurden versehentlich als gewöhnliche Transportfahrten in die Gesamtmenge eingerechnet, obwohl sie mit ungefähr einem Drittel der Aufträge zu Buche schlagen. Die unverbindlichen Prognosezahlen können Sie dem anliegenden überarbeiteten Preisblatt entnehmen, um dessen erneute Ausfüllung unter Berücksichtigung der Änderung wir Sie hiermit bitten möchten. … Wir erwarten den Eingang Ihres unter Berücksichtigung der Änderungen überarbeiteten und finalen Angebots bis zum 03.07.2009 12.00 Uhr."

Die Antragsgegnerin hat angekündigt, der Beigeladenen den Auftrag zu erteilen. Die Antragstellerin zu 2. hat sie ausgeschlossen, weil sie innerhalb der Frist bis zum 05. Juni 2009 keine hinreichenden Referenzen vorgelegt habe. Die Beigeladene habe ein wirtschaftlicheres Angebot als die Antragstellerin zu 1. abgegeben.

Dagegen haben beide Antragstellerinnen Nachprüfungsanträge mit teilweise übereinstimmenden Rügen eingereicht, die von der Vergabekammer in getrennten Entscheidungen zurückgewiesen worden sind. Dagegen wenden sich die Antragstellerinnen mit der sofortigen Beschwerde. Die Antragstellerin zu 1. beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses der Vergabekammer die Vergabestelle zu verpflichten, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung ihres, der Antragstellerin, Angebots zu erteilen.

Die Antragstellerin zu 2. beantragt,

unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Vergabeverfahren unter ihrer, der Antragstellerin, Berücksichtigung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu wiederholen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeakten und die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten Bezug genommen.

Der Senat hat die Beschwerdeverfahren VII - Verg 58/09 und VII - Verg 59/09 miteinander verbunden.

II.

Es kann offen bleiben, ob sich das Vergabe- und Vergabenachprüfungsverfahren nach dem GWB in der vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 790) am 24. April 2009 geltenden Fassung oder nach der nunmehr geltenden Fassung richtet. Insbesondere bedarf keiner Entscheidung, ob das Vergabeverfahren im Sinne des § 131 Abs. 8 GWB bereits mit dem Schreiben der Antragsgegnerin vom 22. April 2009, mit dem das ursprüngliche Verfahren aufgehoben und die Einleitung eines neuen Verfahrens für einen späteren Zeitpunkt angekündigt worden ist, oder erst mit der Zusendung der Vergabeunterlagen im Mai 2009 begonnen worden ist. Die unterschiedlichen Gesetzesfassungen sind, wie noch näher ausgeführt wird, nicht entschuldigungsunerheblich.

Die sofortigen Beschwerden der Antragstellerinnen haben Erfolg. Ihre Nachprüfungsanträge sind zulässig und begründet.

1.

Das Vergabenachprüfungsverfahren ist zulässig.

Näherer Erörterung bedarf lediglich, ob es sich bei der Antragsgegnerin um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 GWB und ob es sich bei dem fraglichen Auftrag um einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 GWB handelt. Beides ist der Fall.

a) Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 4, § 127 Nr. 2 GWB a.F, § 8 Nr. 4 lit. a) VgV a.F. bzw. (§ 98 Nr. 4, Anlage hierzu unter 4. 1. Absatz GWB n.F.). Nach dieser Vorschrift gehören - teilweise wörtlich von Art. 7 lit. b) Richtlinie 2004/17/EG übernommen - zu den Sektorentätigkeiten Tätigkeiten zur Nutzung eines geographisch abgegrenzten Gebietes zum Zwecke der Versorgung von Beförderungsunternehmen im Luftverkehr mit Flughäfen durch Flughafenunternehmer, die einer Genehmigung nach § 38 Abs. 2 Nr. 1 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (d. h. Flughäfen des allgemeinen Verkehrs [Verkehrsflughäfen]) bedürfen. Flughäfen sind nach § 38 Abs. 1 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung Flugplätze, die nach Art und Umfang des vorgesehenen Flugbetriebs einer Sicherung durch einen Bauschutzbereich nach § 12 des Luftverkehrsgesetzes bedürfen. Zu den "Tätigkeiten zur Nutzung … zum Zwecke der Versorgung (oder Bereitstellung, so die Richtlinie) von Flughäfen für Beförderungsunternehmen im Luftverkehr" gehören ersichtlich nicht nur die in § 12 Abs. 1 Luftverkehrsgesetz aufgeführten Start- und Landebahnen (einschließlich Sicherheitsflächen), sondern sämtliche Tätigkeiten zur Nutzung des betreffenden Gebiets als Flughafen. Damit zählen nicht nur der eigentliche Flugbetrieb auf den Start- und Landebahnen zu den Sektorentätigkeiten, sondern auch die Hilfstätigkeiten auf dem geographisch abgegrenzten Gebiet. Die Vorschrift lässt keine Begrenzung auf den Flugbetrieb als solchen erkennen. Wie sich aus Art. 20 der Richtlinie 2004/17/EG ergibt (dazu EuGH NZBau 2008, 393 = VergabeR 2008, 632 - Stadtwärme Wien), unterfallen alle Tätigkeiten zu Zwecke der Nutzung des Geländes als Flughafen der Sektorenrichtlinie (vgl. auch Kühnen, in Kapellmann/Messerschmitt, VOB/A und B, 3. Aufl., § 8 VgV Rdnr. 14, wonach der Begriff der Nutzung weit zu verstehen ist). Zur Nutzung als Flughafen gehören auch Tätigkeiten, die die Sicherheit des Flughafens sowie den ungehinderten Verkehr auf dem Flughafengelände sichern sollen.

Die Antragsgegnerin ist auch auf der Grundlage besonderer oder ausschließlicher Rechte tätig, wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat. Dieser Begriff ist Art. 86 Abs. 1 EG (jetzt Art. 106 Abs. 1 AEUV) entlehnt (vgl. Werner, in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 98 Rdnr. 373) und nunmehr in Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie 2004/17/EG dahingehend definiert, dass die Ausübung der betreffenden Tätigkeit "einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird" (vgl. Bischoff, in Wittenbruch / Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 98 GWB Rdnrn. 85 ff.). Die Antragsgegnerin leitet ihre Rechte von der F... GmbH ab. Diese ist als Flughafenbetreiberin im Hinblick auf das Luftverkehrsgesetz, welches die Errichtung und den Betrieb insbesondere im Hinblick auf die zu berücksichtigenden Belange der Raumordnung (§ 6 Abs. 2 LuftVG) stark beschränkt, Inhaberin eines ausschließlichen oder jedenfalls besonderen Rechts (zur Definition s. Ehricke, in Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff, Kartellrecht, 2. Aufl., Art. 86 EG Rdnrn. 49 ff.; Mestmäcker/ Schweitzer, in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht EG, Art. 86 Abs. 1 EGV Rdnrn. 38 ff; zu Flughäfen s. Ehricke, a.a.O., Rdnr. 52, Mestmäcker/Schweitzer, a.a.O., Rdnr. 44 unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 29.03.2001, C-163/99 - Portugal/ Kommission). Dementsprechend sind in Anlage X zur Richtlinie 2004/17/EG - wenn auch nicht konstitutiv (vgl. EuGH VergabeR 2009, 744) - sämtliche Betreiber von Verkehrsflugplätzen als Auftraggeber im Bereich der Flughafenanlage aufgezählt. Dass die F... GmbH als Flughafenbetreiberin die fragliche Tätigkeit nicht selbst in Auftrag gibt, sondern ersichtlich damit ihre Tochtergesellschaft beauftragt hat (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 VgV a.F., § 100 Abs. 2 lit. o) GWB n.F.), führt nicht dazu, dass die Weitergabe des Auftrages an außenstehende Dritte vergaberechtsfrei wäre (vgl. bereits Senat, Beschluss vom 18.06.2008 - VII-Verg 23/08 unter II.3.b)).

Aus diesem Grunde gehört die Antragsgegnerin auch zu den in den genannten Vorschriften angesprochenen Unternehmen.

b) Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, dienen die Aufträge der Tätigkeit des Sektorenauftraggebers im Sektorenbereich (vgl. § 9 Abs. 2 VgV a.F., § 100 Abs. 2 lit. i) GWB n.F.). Es handelt sich um einen Dienstleistungsauftrag, und zwar im Hinblick auf die vorgesehene Auftragserteilung im Einzelfall um einen Rahmenvertrag (§ 4 VOL/A-SKR). Der Auftragsgegenstand betrifft keine Dienstleistungskonzession. Wie unter 3. noch näher ausgeführt wird, ist die Antragsgegnerin Schuldnerin der Vergütung.

Ob die Antragsgegnerin auch als öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB anzusehen ist, insbesondere ob sie - mittelbar - von Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 1 bis 3 GWB beherrscht und nichtgewerblich tätig wird (was von der Vergabekammer unter Berufung auf den Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg vom 21.06.2005 - 1 VK 33/05 - zitiert nach juris verneint worden ist) und damit auch ihre übrige Tätigkeit dem Vergaberechtsregime unterliegt (vgl. EuGH NZBau 2008, 393 = VergabeR 2008, 632 - Stadtwärme Wien), bedarf daher keiner Entscheidung.

2.

Die Auftragserteilung unterliegt nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 VgV den Vorschriften des 4. Abschnitts der VOL/A (VOL/A-SKR), und zwar unabhängig davon, ob es sich bei der Antragsgegnerin - auch - um eine Auftraggeberin im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB handelt. Die SektVO ist gemäß seinem § 34 aus zeitlichen Gründen nicht anwendbar.

Die Antragsgegnerin durfte nach § 3 Nr. 1, Nr. 2 lit. c) VOL/A-SKR ein Verhandlungsverfahren nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb wählen. Nachdem die Anträge im Teilnahmewettbewerb sämtlich mängelbehaftet waren, durfte die Antragsgegnerin das Verfahren nach § 3 Nr. 3 lit. a) VOL/A-SKR (die Nennung von lit. b) dürfte irrtümlich erfolgt sein) ohne erneuten öffentlichen Teilnahmewettbewerb fortsetzen.

Soweit es um das Abschleppen geht, handelt es sich nach § 1 Abs. 2 VOL/A-SKR (= Art. 31 Richtlinie 2004/17/EG) um eine prioritäre Dienstleistung nach Kategorie 2 (entweder CPV 60 00 00 00-8 oder -9 in der Fassung der VO 213/08); im Übrigen handelt es sich gemäß § 1 Abs. 3 VOL/A-SKR (= Art. 32 Richtlinie 2004/17/EG) um nichtprioritäre Dienstleistungen (Kategorie 20, CPV 63 11 00 00-3 für das Lagern, Kategorie 20, 21 oder 27 für die Inkassotätigkeit). Nach § 1 Abs. 4 VOL/A-SKR (= Art. 33 Richtlinie 33 Richtlinie 2004/17/EG) sind insgesamt die Regelungen über prioritäre Dienstleistungen anzuwenden, weil deren Wert ersichtlich überwiegt.

3.

Das Verlangen der Antragsgegnerin an die Bieter, ihre Inkassoberechtigung nachzuweisen, war vergaberechtswidrig.

a) Die Antragsgegnerin hat im ersten Vergabeverfahren unter den Teilnahmebedingungen den "Nachweis der Inkassoberechtigung" vermerkt. Im zweiten Vergabeverfahren hieß es dazu:

Nachweis der Inkassoberechtigung: Nachweis der erfolgten Registrierung gem. §§ 10 ff. RDG oder durch einen Nachweis (z.B. Rechtsgutachten eines neutralen Rechtsanwalts oder behördliche Bestätigung), dass die Inkassotätigkeit nicht als selbständige Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ausgeführt wird, sondern als zulässige Dienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit. Dieser Nachweis kann wegen der durch die auf Grund der in der Regel wohl erforderlichen behördlichen Registrierung womöglich eintretenden Verzögerung durch den künftigen Auftragnehmer spätestens bis zum Beginn der Auftragsausführung nachgereicht werden. Wird der Nachweis nicht fristgerecht nachgereicht, stellt dies für die Auftraggeberin einen Grund zur fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund dar und kann zu Schadensersatzforderungen für eine anderweitige Vergabe mit schlechteren Konditionen führen. Im Übrigen steht selbstverständlich jedem Bewerber dieses Verfahrens die Möglichkeit des § 5 Nr. 5 VOL/A-SKR offen, wonach sich ein Bieter auch auf die Fähigkeiten Dritter berufen kann…

b) Dieses Verlangen, das in Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung auch noch in den Verdingungsunterlagen erfolgen konnte (vgl. Art. 54 Richtlinie 2004/17/EG, § 5 Nr. 1 Abs. 1 S. 2 VOL/A-SKR), verstieß gegen § 5 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A-SKR. Nach dieser Vorschrift dürfen Nachweise nur verlangt werden, soweit dies "durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist". Das ist nicht der Fall.

Nach § 2 Abs. 2 S. 1 RDG ist als - der Registrierung bedürftige (§§ 10 ff. RDG) - Rechtsdienstleistung die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen anzusehen, wenn die Forderungseinziehung als selbständiges Geschäft betrieben wird. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Auftragsgegenstand nicht vor.

aa) Etwaige Forderungen gegen den Fahrer/Halter des Fahrzeuges sind allerdings für den Abschleppunternehmer - jedenfalls ursprünglich - fremde Forderungen. Ansprüche wegen Eigentums- oder Besitzverletzung (vgl. BGH NJW 2009, 2530) stehen jedenfalls nicht dem Abschleppunternehmer, sondern der Antragsgegnerin bzw. der F... GmbH zu. Das Gleiche gilt für etwaige Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. BGH NJW-RR 2004, 81; Lorenz, NJW 2009, 1025, 1028).

Nach dem Vertrag werden sie in den überwiegenden Fällen auch nicht nachträglich eigene Forderungen. Eine Abtretung an den Auftragnehmer findet im Allgemeinen nicht statt (zu einer Ausnahme sogleich). Im Normalfall soll der Auftragnehmer das Fahrzeug nur gegen Zahlung der (geltend gemachten) Forderung herausgeben; anderes gilt nur in den Fällen des § 3 Nr. 2 des Vertrages (Anweisung der Auftraggeberin, gerichtliche Herausgabeanordnung). Nach § 3 Nr. 4 des Vertrages haftet der Auftragnehmer der Antragsgegnerin im Falle eigenmächtiger Herausgabe des Fahrzeuges ohne Inkasso (was auch nach dem Gesetz für weisungswidriges Verhalten gälte, vgl. Palandt/Sprau, § 665 Rdnr. 8); nur für diesen Fall greift § 3 Nr. 9 (Abtretung der Forderung gegen den Fahrzeugberechtigten an Zahlung Statt) ein. § 3 Nr. 9 des Vertrages gilt nicht für den Fall der Nichtabholung des Fahrzeuges, diese Fallgestaltung ist in § 4 geregelt, wonach in diesem Fall die Antragsgegnerin die Abschleppkosten bezahlt.

Lediglich im Falle des § 3 Nr. 4 i.V.m. Nr. 9 des Vertrages (Abtretung der Forderung an Zahlung Statt im Falle der eigenmächtigen Herausgabe des Fahrzeuges) handelt es sich um eine eigene Forderung des Auftragnehmers, deren Einziehung - teilweise im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach (vom BVerwG für nichtig erklärten, NJW 2003, 2767) § 1 Abs. 1 S. 1 Fünfte Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes - keiner Registrierung bedarf (vgl. BR-Dr. 623/06 S. 70 - 73, 99). Dies gilt aber nur für die Minderzahl der Fälle.

Die Äußerung der Antragstellerin zu 1. in der Beschwerdeschrift (Bl. 3) im Anschluss an eine Bemerkung in der Aufforderung zur Angebotsabgabe unter 1.2, das Inkassorisiko solle beim Auftragnehmer liegen, trifft daher nicht zu.

bb) Der Auftragnehmer soll die Forderung auch einziehen.

Nach der Rechtsprechung zum gleichlautenden Merkmal in Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG handelt es sich bei der Entgegennahme des Geldes vom Halter/Fahrer oder sonstigen Fahrzeugberechtigten auch um eine Einziehung der Forderung (OLG München NJW 2000, 1347; OLG Naumburg NJW-RR 2006, 746; offen gelassen von BGH NJW 2006, 1804). Zwar erfolgt die Einziehung nur mittelbar, nämlich durch die Verweigerung der Herausgabe des Kraftfahrzeugs, nicht aktiv (soweit ausnahmsweise ein Fall des § 3 Nr. 9 des Vertrages vorliegt, zieht das Unternehmen - auch wirtschaftlich - eigene Forderungen ein, so dass § 2 Abs. 2 RDG nach dem oben Gesagten von vornherein nicht vorliegt). Es ist aber nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber an der ihm bekannten Rechtsprechung etwas ändern wollte.

cc) Jedoch liegt das Tatbestandsmerkmal des eigenständigen Geschäfts nicht vor.

Der Gesetzesbegründung (BR-Dr. 623/06 S. 100) zufolge sollte mit diesem Merkmal die Forderungseinziehung als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit von der Erlaubnispflicht ausgeschlossen werden. Die Haupttätigkeit der Auftragnehmer besteht in dem Abschleppen und der Verwahrung von Kraftfahrzeugen. Die Entgegennahme des Entgelts, die zudem nur passiv erfolgt (vgl. oben unter bb)), fällt dagegen weder vom zeitlichen Aufwand her noch nach dem dafür notwendig werdenden Personal oder sachlichen Aufwand ins Gewicht. Sie erfolgt nach den selben Grundsätzen wie bei der Entgegennahme des Entgelts für eigene Leistungen. Es ist kein besonderes Personal oder eine besondere Organisation dafür notwendig. Es handelt sich dabei, und zwar noch weitergehender als in dem von der Gesetzesbegründung ausdrücklich angesprochenen Fall der Einziehung von Schadensersatzforderungen durch eine Kraftfahrzeugwerkstatt um eine Nebentätigkeit.

c) Der Rechtswidrigkeit der Anforderung steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin das Problem erkannt und - ersichtlich mangels bisheriger Rechtsprechung (die Kommentierung von Kleine-Cosack, RDG, 2. Aufl., § 2 Rdnrn. 73, 74 wiederholt lediglich die Gesetzesbegründung) - ersatzweise das Gutachten eines Rechtsanwalts oder einer Behörde zugelassen hat, wonach der Auftraggeber mit dem Inkasso keine "selbständige" (gemeint ist wohl eigenständige) Tätigkeit durchführe. Es ist allein Sache der Antragsgegnerin, die von ihr zu stellenden Anforderungen zu definieren. Sie kann das Risiko, dass eine von ihr gestellte Anforderung unnötig ist, nicht auf die Bieter überwälzen, zumal die den Bietern angesonnene Klärung für sie mit Kosten verbunden war.

d) Dieser Fehler ist vom Senat zu beachten, obwohl er von den Antragstellerinnen als solcher nicht gerügt worden ist.

Allerdings darf nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 15.06.2005 - VII-Verg 5/05) bei einer Berücksichtigung von Vergaberechtsfehlern von Amts wegen die Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB nicht unterlaufen werden. Eine Rügepräklusion ist jedoch nicht, und zwar weder nach der ursprünglichen noch nach der jetzigen Fassung des § 107 Abs. 3 GWB, eingetreten. Von einer frühzeitigen Kenntnis oder frühzeitigem Kennenmüssen der Antragstellerinnen von der Vergaberechtswidrigkeit kann wegen der komplexen Rechtslage nicht ausgegangen werden.

f) Die Antragstellerinnen sind durch die rechtswidrige Anforderung auch in ihren Rechten verletzt; ihnen drohen auch Nachteile. Infolge der unzulässigen Anforderung müssen sie sich entweder selbst registrieren lassen oder eine nach den §§ 10 ff. RDG registrierte Person mit der Einziehung beauftragen. Beides ist mit Kosten verbunden, was die Chancen eines Angebotes verringert.

g) Auf die Frage, welche Folgen es hat, dass die Antragsgegnerin ausdrücklich unter Bezugnahme auf § 5 Nr. 5 VOL/A-SKR darauf hingewiesen hat, es reiche aus, wenn ein Nachunternehmer Inhaber einer Registrierung sei, kann offen bleiben. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2009, 3242 Rdnrn. 23 ff.) verlangt eine Registrierung des Vertragspartners selbst und lässt die tatsächliche Durchführung durch einen Rechtsanwalt oder eine registrierte Person nicht ausreichen. Dies wiederum wäre im vorliegenden Fall, in dem es um eine prioritäre Dienstleistung geht (vgl. oben unter 2.) mit Art. 54 Abs. 6 Richtlinie 2004/17/EG nicht vereinbar.

4.

Vergaberechtswidrig ist des Weiteren die Wahl des Zuschlagskriteriums "konkret für die Auftragserfüllung vorgesehene technische Ausstattung".

Damit hat die Antragsgegnerin eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vorgenommen (vgl. zuletzt Beschluss des Senats vom 30.11.2009 - VII-Verg 41/09 m.w.N.; vgl. auch Beschluss der Vergabekammer des Bundes vom 09.09.2009 - VK 2-111/09). Unterschiedliche Eignungsgrade von Bietern dürfen bei der Entscheidung über den Zuschlag im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht in der Weise berücksichtigt werden, dass dem Angebot eines für geeignet befundenen Bieters dasjenige eines Konkurrenten maßgeblich wegen dessen höher eingeschätzter Eignung vorgezogen wird (BGH NZBau 2008, 505 = VergabeR 2008, 641 Rdnr. 11).

Dementsprechend hat der EuGH jüngst (NZBau 2010, 120) folgendes Zuschlagskriterium beanstandet, weil es "auf die Erfahrung und die tatsächliche Fähigkeit, eine ordnungsgemäße Ausführung des betreffenden Auftrags zu gewährleisten" abstelle und "die fachliche Eignung der Bieter für die Ausführung betreffe und die daher nicht die Eigenschaft von ‚Zuschlagskriterien‘ … haben.":

Technische Kapazität zur Durchführung einer Studie innerhalb des vorgesehenen Zeitrahmens und zur Übernahme von Verpflichtungen zur Durchführung anderer Studien; spezielles Wissenschafts- und Betriebspersonal, das zur Durchführung der fraglichen Studie vorgesehen ist, sowie Ausrüstung im Hinblick auf das Ziel der Studie.

Insbesondere der letztere Punkt ist mit dem vorliegenden Zuschlagskriterium vergleichbar.

Auch dieser Punkt ist aus den unter 3. d) angesprochenen Gründen vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen.

5.

Folge der Vergaberechtsverstöße ist es, dass die Antragsgegnerin auf der Grundlage der bisherigen Verdingungsunterlagen einen Zuschlag nicht erteilen darf.

Allerdings hat der Bundesgerichtshof (a.a.O., Rdnr. 20) im Rahmen eines Schadensersatzprozesses als Rechtsfolge eines unzulässigen, die Wirtschaftlichkeit betreffenden Zuschlagskriteriums angenommen, dass für die Zuschlagsentscheidung des Auftraggebers dann allein der Angebotspreis maßgeblich sei. Dieser Auffassung vermag der Senat jedenfalls für den Streitfall nicht zuzustimmen. Nach Art. 55 der Richtlinie 2004/17/EG und § 11 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A-SKR ist es allein Sache des Auftraggebers, die Zuschlagskriterien festzulegen. Sollten Teile der gewählten Zuschlagskriterien unzulässig sein, steht es ihm frei, ob er neue Zuschlagskriterien entwickelt oder die übrigen Zuschlagskriterien - gegebenenfalls unter abweichender Gewichtung - verwenden will. In jedem Falle muss den Bietern Gelegenheit gegeben werden, sich auf die geänderte Situation einzustellen und neue Angebote einzureichen. Es ist nicht auszuschließen sondern der Erfahrung sogar wahrscheinlich, dass ein Bieter sein Angebot auf das - nunmehr als unzulässig erkannte - Zuschlagskriterium zu Lasten des Zuschlagskriteriums "Preis" ausgerichtet hat und bei anderen Zuschlagskriterien oder einem alleinigen Zuschlagskriterium "Preis" ein anderes Angebot eingereicht hätte.

Eine Vorlagepflicht nach § 124 Abs. 2 GWB besteht aber schon deswegen nicht, weil eine Zuschlagsentscheidung auf der Grundlage der bisherigen Verdingungsunterlagen auch aus dem unter 3. genannten Grund nicht in Betracht kommt. Das unzulässige Eignungskriterium "Vorlage einer Inkassogenehmigung" war geeignet, zusätzliche Kosten des Bieters hervorzurufen, welche naturgemäß in das Angebot einkalkuliert werden mussten. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ein Bieter ohne das unzulässige Eignungskriterium ein Angebot zu niedrigerem Preis abgegeben hätte.

6.

Im Hinblick auf die vorstehende Anordnung bedürfen die weiteren Rügen der Antragstellerinnen keiner Entscheidung. Auch im Hinblick auf ein wiederholtes Vergabeverfahren bemerkt der Senat dazu lediglich Folgendes:

a) Die Rüge der Antragstellerin zu 2., die Antragsgegnerin habe zu Unrecht die Vorlage einer Genehmigung nach dem GüKG nicht verlangt, greift nicht durch.

aa) Allerdings bedarf die Beförderung von Kraftfahrzeugen mittels Kraftfahrzeugen der Genehmigung nach dem GüKG. Bei Kraftfahrzeugen handelt es sich um Güter im Sinne des § 1 GüKG, wie sich auch aus der Ausnahmevorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 3 GüKG für beschädigte und verkehrsuntüchtige Kraftfahrzeuge ergibt.

bb) Jedoch ist es nach § 5 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A-SKR Sache des Auftraggebers, die Kriterien für die Auftragserteilung festzulegen und bekannt zu geben (vgl. Hausmann, in Kulartz/Marx/ Portz/ Prieß, VOL/A, § 7a Rdnrn. 60, 61). Wenn bestimmte Nachweise nicht bekannt gegeben worden sind, können sie vom Auftraggeber nicht verlangt werden. Angesichts der verlangten Referenzen, die eine umfangreiche vorherige Tätigkeit voraussetzten, konnte die Antragsgegnerin auch auf die Vorlage verzichten.

Weitere Nachprüfungen durch die Antragsgegnerin zur materiellen Eignung der Beigeladenen bedurfte es im Übrigen schon deswegen nicht, weil die Beigeladene in ihrem Angebot angegeben hat, dass die Lizenz gemäß § 3 GüKG in den Fahrzeugen mitgeführt wird.

b) Die Antragstellerin zu 1. ist zu Unrecht wegen unzureichender Referenznachweise ausgeschlossen worden.

aa) Nach den Verdingungsunterlagen war mit dem Angebot einzureichen:

Nachweis mindestens eines Referenzauftrages vergleichbarer Größenordnung: Hier sollten mindestens 2.000 Abschleppvorgänge p.a. z.B. durch die Vorlage konkreter Statistiken oder Bestätigungen eines aktuellen Auftraggebers nachgewiesen werden können.

Die Antragstellerin zu 1. hat mit ihrem ursprünglichen Angebot als Referenzen mit den meisten Abschleppfällen im Jahr 2008 die "Polizei Düsseldorf" mit 1.785 (davon Polizeipräsidium hat allerdings nur 1038 bestätigt) sowie für den "Daimler Rhein-Ruhr Verband" mit 1.710 (ohne jede Bestätigung oder Statistik) benannt. Diesen Nachweis hat die Antragsgegnerin als unzureichend angesehen.

Auf Anfrage der Antragsgegnerin übersandte die Antragstellerin zu 1. sodann per E-Mail vom 25. Juni 2009 (Bl. 558 ff. Vergabeakte) eine korrigierte Berechnung, aus der sich ergab, dass die Polizei Düsseldorf sie im Jahre 2008 insgesamt in mehr als 2.000 Fällen beauftragt hatte, wobei die Differenz zu den früheren Zahlen dadurch zustande gekommen sei, dass unmittelbare Abrechnungen der Abschleppfahrten mit dem alHHalterHalter, z.B. nach Unfällen, von der Polizei nicht berücksichtigt wurden. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist diese Liste fristgerecht eingereicht worden. Zwar ist die Abgabefrist zum 05. Juni 2009 bereits überschritten gewesen. Die Antragsgegnerin hat den Bietern jedoch eine weitere bis zum 23. Juli 2009 laufende Frist zur Einreichung von Angeboten gewährt. Diese Frist ist gewahrt.

Damit hat auch die Antragstellerin zu 1. innerhalb der - erneut eröffneten - Angebotsfrist eine Referenz mit einem Abschleppvolumen von mehr als 2000 Abschleppfahrten im Jahr nachgewiesen, und zwar durch eine von der Antragsgegnerin zugelassene "konkrete Statistik". Die Divergenz zur Bestätigung der Polizei Düsseldorf hat die Antragstellerin zu 1. damit nachvollziehbar erläutert.

bb) Die Anforderung, das Abschleppvolumen eines einzigen Auftraggebers müsse sich auf mehr als 2.000 Fälle belaufen, dürfte vergaberechtskonform sein. Fraglich kann allenfalls sein, ob die Beschränkung der Referenzen auf "aktuelle" Auftraggeber zulässig ist (vgl. § 5 Nr. 1 Abs. 7 lit. a) VOL/A-SKR; s. jetzt allerdings § 20 Abs. 1 SektVO).

c) Unbegründet ist des Weiteren die Rüge der Antragstellerin zu 1., das Preisblatt berücksichtige nicht gesondert die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Beifahrers oder der Verwendung von Radrollen.

Vergaberechtlich ist die Rüge allenfalls unter dem Gesichtspunkt des "ungewöhnlichen Wagnisses" (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A) relevant. Es mag sein, dass im Allgemeinen derartige Positionen gesondert berechnet werden (dafür spricht, dass die Beigeladene den Interimsvertrag mit diesen Sonderpositionen - wohl vertragswidriger Weise - abrechnet). Es ist aber nichts dafür vorgetragen, dass diese Positionen nicht auf Grund von Erfahrungswerten in die Pauschalen mit eingerechnet werden konnten. Es kann daher offen bleiben, ob der Grundsatz des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A überhaupt für Sektorenauftraggeber gilt; eine entsprechende Vorschrift fehlt in der VOL/A-SKR vollständig, ebenso jetzt in der SektVO, wo in § 7 Abs. 1 lediglich der § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A übernommen worden ist.

d) Die Rüge der Antragstellerin zu 1., die von der Antragsgegnerin vorgeschriebene Gestaltung der gegenüber dem Berechtigten des abgeschleppten Fahrzeuges zu erstellenden Rechnung, welche nicht zwischen Abschleppkosten und Aufwendungspauschale der Antragsgegnerin differenziere, sei vergaberechtswidrig, trifft nicht zu.

Die gewählte Gestaltung beeinträchtigt allerdings die Transparenz der Kosten und erschwert dadurch deren Kontrolle der Höhe nach durch den Berechtigten des abgeschleppten Fahrzeuges. Als Grundlage für einen Anspruch der Antragsgegnerin gegen den Berechtigten des abgeschleppten Fahrzeuges kommen nur ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (vgl. BGH NJW 2009, 2530) sowie Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. Lorenz NJW 2009, 1025, 1028) in Betracht. Ob danach von der Antragsgegnerin eine Aufwendungspauschale verlangt werden kann, ist nicht zweifelsfrei (vgl. für den Schadensersatzanspruch BGH NJW 2009, 2530 Rdnr. 21; für Geschäftsführung ohne Auftrag s. Palandt/Sprau, a.a.O., § 683 Rdnr. 8).

Eine etwaige Rechtswidrigkeit des Handelns der Antragsgegnerin verletzt jedoch keine Rechte der Bieter (§ 97 Abs. 7, § 104 Abs. 2 GWB). Die Art der Gestaltung der Rechnung verstößt - unabhängig von der Frage, zwischen welchen Personen umsatzsteuerrechtlich Leistungsverhältnisse bestehen - nicht gegen § 14 UStG, wie bereits die Vergabekammer ausgeführt hat. Unabhängig davon, ob im Sektorenbereich auch vergaberechtlich das Verbot unlauteren Handelns gilt (vgl. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A), handelt es sich bei der Geltendmachung - möglicherweise überhöhter - gesetzlicher Ansprüche nicht um eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, weil sie keinen Einfluss auf eine Entscheidung des Fahrzeugberechtigten über den Absatz oder Bezug von Waren oder Dienstleistungen haben kann.

Die Anweisungen der Antragsgegnerin über das Verhalten des Auftragnehmers gegenüber dem Fahrzeugberechtigten (z.B. die Entgelthöhe, die Regelung des § 4 des Vertrages über die Verwertung von Fahrzeugen) mögen sein Risiko erhöhen, von Fahrzeugberechtigten außergerichtlich oder gerichtlich in Anspruch genommen zu werden. Mangels abweichender Regelungen im Vertrag trägt die damit verbundenen Kosten die Antragsgegnerin, § 675 Abs. 1, § 670 BGB (vgl. Palandt/Sprau, a.a.O, § 670 Rdnrn. 8 ff.).

e) Ob die Beigeladene zuverlässig und geeignet ist, wird die Antragsgegnerin gegebenenfalls in einem erneuten Vergabeverfahren zu klären haben.

Dabei wird zu erwägen sein, ob die Beigeladene willens ist, lediglich die vertraglichen Entgelte von den Fahrzeugberechtigten zu erheben. Dieses Problem tritt dadurch auf, dass die Antragsgegnerin im Normalfall nicht an den Auftragnehmer zahlt, sondern dieser unmittelbar mit den Fahrzeugberechtigten abrechnet; die Antragsgegnerin kann die Einhaltung des Vertrages daher im Allgemeinen nicht unmittelbar überprüfen. Von daher berührt es die Zuverlässigkeit eines Bieters, wenn dieser - hinter dem Rücken des Vertragspartners - vertragswidrige Entgelte erhebt, wie die Beigeladene im Termin vor der Vergabekammer selbst eingestanden hat.

f) Soweit die Antragstellerinnen beanstandet haben, die Antragsgegnerin bzw. ihre Muttergesellschaft habe durch Vermietung eines Geländes an die Beigeladene gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bieter (§ 97 Abs. 2 GWB) verstoßen, hat sich die Rüge dadurch erledigt, dass der Mietvertrag jedenfalls nachträglich auf die Laufzeit des Interimsvertrages befristet und das Gelände inzwischen von der Beigeladenen geräumt worden ist.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Antragsgegenerin vom 23. März 2010 gibt keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (entsprechend § 156 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Verfahren vor der Vergabekammer beruht auf § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB. Die Beigeladene ist an den Kosten zu beteiligen, weil sie sich an den Verfahren beteiligt und den Anträgen der Antragstellerinnen entgegen getreten ist.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren rechtfertigt sich durch § 91 Abs. 1 ZPO analog bzw. § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB analog. Die Beigeladene hat sich am Verfahren nicht beteiligt und ist daher an den Kosten nicht zu beteiligen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG, wobei das mutmaßliche Auftragsvolumen berücksichtigt wurde.

Dicks Schüttpelz Frister






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 24.03.2010
Az: VII-Verg 58/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/784f46baac3e/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_24-Maerz-2010_Az_VII-Verg-58-09




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