Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 28. Juli 2011
Aktenzeichen: I-28 U 35/11

(OLG Hamm: Urteil v. 28.07.2011, Az.: I-28 U 35/11)

Überträgt der Rechtsanwalt das Mandat weiter, ohne dies dem Mandanten mitzuteilen, trifft er Dispositionen, die das Verjährungsrisiko für die Forderung des Mandanten erhöhen.

Tenor

Auf die von ihrem Streithelfer geführte Berufung der Klägerin wird das am 28. Dezember 2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dortmunds abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 145.828,77 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2002 sowie 1.237,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Oktober 2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin oder der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung. Nach Abweisung der Regressklage in erster Instanz wird die Berufung von dem in zweiter Instanz beigetretenen Streithelfer der Klägerin geführt. Der Streithelfer und der Beklagte streiten im Wesentlichen darum, wer für die Verjährung einer der Klägerin abgetretenen Werklohnforderung verantwortlich ist.

Die Klägerin, die sich mit der Verwirklichung von Bauprojekten befasst, stand geschäftlich mit der "I-gesellschaft mbh" (fortan: GmbH) in Verbindung. Geschäftsführer der GmbH war T; Gesellschafter waren er und seine Ehefrau (nachfolgend nur: Eheleute).

Mit Darlehensvertrag vom 27. November 2001 gewährte die Klägerin der GmbH ein Darlehen in Höhe von zunächst 380.000 DM bis zum 30. Juni 2002, später nach und nach erhöht auf 540.000 DM, jeweils nebst Zinsen. Das Darlehen diente zur Finanzierung der Errichtung von Doppelhaushälften. Der vom Geschäftsführer der GmbH unterzeichnete Darlehensvertrag enthielt u.a. folgende Bestimmung: "Die Rückzahlung erfolgt durch Abtretung der Kaufpreiszahlungen der Erwerber …".

Mit notariellen Verträgen vom 28. November 2001 erwarben die Eheleute zwei Grundstücksparzellen von der Klägerin. Am 30. November 2001 schlossen die Eheleute mit der GmbH zwei Verträge über die Errichtung je einer Doppelhaushälfte. Vereinbart war, dass die Zahlungsansprüche der GmbH gegen Eheleute an die Klägerin abgetreten wurden.

Die Klägerin wollte die GmbH wegen des gewährten Darlehens in Anspruch nehmen und wandte sich Anfang 2002 an den als Rechtsanwalt zugelassenen Streithelfer. Dieser bat den Beklagten, das Mandat zu bearbeiten. Der seit Ende 2001 zur Rechtsanwaltschaft zugelassene Beklagte war für den Streithelfer als freier Mitarbeiter tätig. Das vorliegende Mandat bearbeitete der Beklagte jedoch unter eigenem Briefkopf, der seinen eigenen, von dem des Streithelfers verschiedenen Kanzleisitz nannte. Mündlich vereinbarten der Streithelfer und der Beklagte, dass der Beklagte das Mandat der Klägerin nach außen selbstständig bearbeiten sollte. Der Streithelfer sollte 50% des Honorars des Beklagten erhalten.

Die Klägerin verlangte mit Schreiben vom 18. Februar 2002 an die Eheleute unter Fristsetzung Zahlung des Werklohns an sich.

Der Beklagte legte keine gesonderte Handakte an, soweit es den der Klägerin abgetretenen Werklohnanspruch gegen die Eheleute betraf; er sah diesen Vorgang als "Anhängsel" zu dem Darlehensanspruch der Klägerin gegen die GmbH an. Der Beklagte wandte sich außergerichtlich mit Schreiben vom 1. März 2002 an die Eheleute und forderte diese auf, den mit der GmbH vereinbarten Werklohn zu zahlen. Er übersandte ihnen mit einem auf den 10. April 2002 datierten Schreiben den Entwurf einer Klageschrift. Er bezweckte damit, Druck auf die Eheleute auszuüben.

Mit Schreiben vom 30. April 2002 an die Klägerin riet der Beklagte, Klage gegen die Eheleute nicht vor Ablauf der Darlehenslaufzeit am 30. Juni 2002 zu erheben; der Beklagte verwendete in dem Schreiben einen doppelten Betreff: "Klägerin ./. GmbH" sowie "Klägerin ./. Eheleute".

Der Geschäftsführer der Klägerin übersandte der Kanzlei des Streithelfers per Telefax einen Vermerk vom 24. Mai 2002 mit einer Klageaufforderung gegen die Eheleute. Der Beklagte, der kein Telefaxgerät besaß und Fax-Schreiben damals über die Kanzlei des Streithelfers bezog, behauptet, dieses Telefaxschreiben nicht erhalten zu haben. Der Beklagte erhob in der Folgezeit keine Klage gegen die Eheleute.

Im Frühjahr 2002 nahmen die Eheleute die Doppelhaushälften ab, so dass die Werklohnforderung der GmbH gegen sie nunmehr fällig war. Der Beklagte erwirkte wegen der Darlehenszinsen Mitte August 2002 einen Mahnbescheid gegen die GmbH. Nach Widerspruch der GmbH wurde der Rechtsstreit an das Landgericht Dortmund abgegeben (10 O 232/02, später 8 O 261/02). Der Beklagte begründete den Anspruch mit Schriftsatz vom 13. August 2002.

Im Jahr 2003 wickelten der Streithelfer und der Beklagte ihre Zusammenarbeit ab. Mit Schreiben vom 24. Juni 2003 an den Streithelfer teilte der Beklagte den Sach- und Streitstand der Ansprüche der Klägerin gegen die GmbH wegen des Darlehens und der Zinsen sowie gegen die Eheleute mit. Der Beklagte sprach von "drei Akten". Nach seinen Angaben im Senatstermin führte er jedoch nur eine Handakte; die von ihm verwendete Anwaltssoftware habe aber unterschiedliche Registraturnummern angeboten. Der Streithelfer bestreitet den Zugang des vorgenannten Schreibens; das Bestreiten ist nach den Feststellungen des Landgerichts nicht glaubhaft.

In dem auf Zahlung von Zinsen gerichteten Rechtsstreit der Klägerin gegen die GmbH verkündete das Landgericht Dortmund am 9. Juli 2003 sein Urteil. Der Beklage war zu dieser Zeit noch Prozessbevollmächtigter der Klägerin. Die Klage hatte im Wesentlichen Erfolg. Die GmbH legte Berufung ein (11 U 130/03 - OLG Hamm).

In der zweiten Hälfe des Jahres 2003 übergab der Beklagte, der noch nicht im Oberlandesgericht zugelassen war, die die Klägerin betreffenden Handakten durch eine Botin, die vom Landgericht vernommene Zeugin Rechtsanwältin C, an den Streithelfer. Der Beklagte unterrichtete die Klägerin nicht von der Übergabe der Handakten. Die Klägerin erkannte jedoch, dass sich der anwaltliche Briefkopf geändert hatte. Das Berufungsverfahren 11 U 130/03 (OLG Hamm), in dem der Streithelfer die Klägerin anwaltlich vertrat, endete später mit einem Prozessvergleich der Klägerin und der GmbH.

Intern rechnete der Beklagte Forderungen mit dem Streithelfer ab. Am 19. November 2003 überwies der Beklagte ihm 349,74 €.

Um diese Zeit, nämlich mit Schriftsatz vom 3. November 2003 überreichte der Streithelfer eine Anspruchsgründung in Höhe einer restlichen Darlehensforderung von 145.328,77 € gegen die GmbH (8 O 502/02 - LG Dortmund). Der Streithelfer erwirkte ein Versäumnisurteil vom 16. November 2004 gegen die GmbH in Höhe der vorgenannten Summe. Das Versäumnisurteil wurde rechtskräftig. Die GmbH war jedoch nicht mehr werbend tätig.

Die Verjährung des der Klägerin abgetretenen Werklohnanspruchs der GmbH gegen die Eheleute trat mit Ablauf des 31. Dezember 2004 ein; dies ist im Regressprozess nicht im Streit. Weder der Beklagte noch der Streithelfer ergriffen zuvor verjährungshindernde Maßnahmen.

Der Streithelfer behauptet dazu, er habe von der Klägerin erst am 7. Januar 2005 den Auftrag erhalten, wegen der an sie abgetretenen Werklohnforderung gegen die Eheleute vorzugehen. Sein Aufforderungsschreiben an die Eheleute datiert ebenfalls vom 7. Januar 2005.

Ende 2005 erwirkte der Streithelfer einen Mahnbescheid wegen des an die Klägerin abgetretenen Werklohnanspruchs gegen die Eheleute. Nach dem Widerspruch der Eheleute wurde der Rechtsstreit an das Landgericht Dortmund abgegeben (2 O 13/06). Die Klage hatte in erster Instanz trotz der von den Eheleuten erhobenen Verjährungseinrede Erfolg. Gegen das Urteil des Landgerichts vom 8. Oktober 2007 legten die Eheleute Berufung ein. Das Berufungsgericht änderte das angefochtene Urteil ab und wies die Werklohnklage durch Urteil vom 17. Juli 2008 ab (17 U 22/08 - OLG Hamm). Der Senat führte aus, dass die von den Eheleuten erhobene Verjährungseinrede begründet sei. Der Werklohnanspruch gegen die Eheleute sei mit Ablauf des Jahres 2004 verjährt. Maßgeblich sei eine mit der Abnahme beginnende Verjährungsfrist von zwei Jahren zum Jahresende (§ 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB (a.F.) i.V. mit Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB). Das vor der Schuldrechtsreform geltende Recht sei anzuwenden, weil die Bauverträge der Eheleute mit der GmbH vor dem 1. Januar 2002 geschlossen worden seien.

Der Streithelfer erstattete der Klägerin den entstandenen Kostenschaden, weil er eine verjährte Forderung gerichtlich geltend gemacht hatte. Die Klägerin nahm nunmehr den Beklagten mit der Regressklage auf Zahlung von 145.328,88 € nebst entgangener Zinsen in Anspruch. Sie hat in erster Instanz ihrem jetzigen Streithelfer den Streit verkündet. Der Beklagte hat zu seiner Verteidigung im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Verjährung der Werklohnforderung der Klägerin gegen die Eheleute nicht von ihm zu verantworten sei.

Das Landgericht hat die Parteien angehört und zwei Zeugen vernommen, nämlich Rechtsanwältin C und den in erster Instanz noch nicht beigetretenen Streithelfer. Zur Begründung der Klageabweisung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass eine anwaltliche Pflichtverletzung des Beklagten nicht bewiesen sei. Zur Zeit der Forderungsverjährung Ende 2004 habe nicht mehr der Beklagte das Mandat bearbeitet, sondern der Streithelfer. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Der Streithelfer ist dem Rechtsstreit in zweiter Instanz auf Seiten der Klägerin beigetreten. Er hat gleichzeitig Berufung eingelegt und führt mit der Begründungsbegründung, deren Ausführungen die Klägerin beitritt, unter anderem aus: Das Landgericht habe die Beweislast verkannt. Der Beklagte habe das Mandat unstreitig übernommen, daher müsse er die Rückübertragung des Mandats auf ihn beweisen. Der Beklagte habe das Mandat nicht vor Verjährungsablauf auf ihn, den Streithelfer, übertragen. Selbst wenn der Beklagte den die Eheleute betreffenden Vorgang "versteckt" in einer die GmbH betreffenden Handakte auf ihn übertragen haben sollte, habe der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten dennoch verletzt, weil er der Klägerin die Mandatsübertragung nicht mitgeteilt habe und sie nicht auf den Verjährungsablauf hingewiesen habe.

Der Streithelfer und die Klägerin beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 145.828,77 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. Mai 2002 sowie vorgerichtliche Anwaltsgebühren in Höhe von 1.237,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil, vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und trägt vor: Der Streithelfer habe die Mandate Ende 2003/Anfang 2004 übernommen. Das streitige Mandat sei beendet worden, bevor er seinen Kanzleisitz zu Beginn des Jahres 2004 in eine andere Stadt verlegt habe.

Der Senat hat die Parteien und den Streithelfer persönlich gehört und die Beiakten 2 O 13/06, 8 O 502/02 und 8 O 261/02, jeweils LG Dortmund, beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Sitzungsprotokoll sowie den Berichterstattervermerk zum Senatstermin Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

A. Die Berufung des Streithelfers ist zulässig.

1. Die Klägerin hat mit der Klageschrift dem jetzigen Streithelfer den Streit verkündet. Zwar ist er dem Rechtsstreit in erster Instanz nicht beigetreten. Der Streithelfer ist aber gemäß § 74 Abs. 1, § 66 Abs. 2 ZPO berechtigt, Berufung einzulegen und - wie hier - gleichzeitig dem Rechtsstreit beizutreten. Der Beitritt kann mit der Einlegung des Rechtsmittels verbunden werden (§ 74 Abs. 1, § 70 Abs. 1 ZPO).

2. Der Betritt genügt den inhaltlichen Anforderungen der § 74 Abs. 1, § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO. Das gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO erforderliche Interesse des Streithelfers ist gegeben. Dies folgt schon daraus, dass nicht völlig auszuschließen ist, dass die Klägerin den Streithelfer auf Leistung von Schadensersatz in Anspruch nimmt (zu diesem Gesichtspunkt siehe BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, NJW 1997, 2385, unter II 1).

3. Rechtsmittelführer ist zwar der Streithelfer; die von ihm unterstützte Partei ist jedoch Hauptpartei des Rechtsmittelverfahrens, denn das Rechtsmittel eines Streithelfers ist stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei (BGH, Beschluss vom 29. April 2004 - IX ZR 265/03, juris, Rn. 3; Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, aaO, unter II 2; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 3. Aufl., § 511 Rn. 25).

4. Eine Beschwer des Streithelfers ist nicht erforderlich, denn der Streithelfer ist nicht Partei (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - I ZR 208/94, aaO; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., Vor § 511 Rn. 24). Die Beschwer richtet sich somit nach der - hier gegebenen - Beschwer der Hauptpartei.

5. Die vom Streithelfer in der Rechtsmittelinstanz zu wahrenden Fristen beginnen mit der Zustellung an die Hauptpartei. Der Streithelfer hat hier die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist gewahrt.

6. Das Rechtsmittels eines Streithelfers ist zwar unzulässig nach rechtskräftiger Ablehnung des Beitritts oder bei Widerspruch der Hauptpartei (Musielak/Ball, ZPO, 8. Aufl., § 511 Rn. 13). Beide Fälle liegen hier jedoch nicht vor. Der Streithelfer setzt sich im vorliegenden Fall insbesondere nicht in Widerspruch zur Hauptpartei (§ 67 Halbsatz 2 ZPO). Die Klägerin ist dem Rechtsmittel nicht entgegengetreten. Sie hat sich am Rechtsstreit beteiligt und ist damit einverstanden, dass das erstinstanzliche Urteil nicht rechtskräftig wird.

7. Die Zulässigkeit der Streitverkündung wird im anhängigen Prozess nicht geprüft, sondern erst in einem etwaigen Folgeprozess zwischen dem Streitverkünder und dem Streitverkündeten (BGHZ 70, 187, 189; BGHZ 160, 159, 163). Daher stellt sich hier nicht die Frage, ob aus der Sicht der Klägerin im Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des Streitverkündeten in Betracht kommt, was zur Unzulässigkeit der Streitverkündung führen würde (siehe BGHZ 70, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, § 72 Rn. 8. m.w.N.). Es bedarf daher keiner Erörterung, ob der Streithelfer die Forderungsverjährung durch unsorgfältige Aktenbearbeitung mitverursacht hat.

B. Die Berufung ist begründet. Der Beklagte ist der Klägerin wegen schuldhafter anwaltlicher Pflichtverletzungen zum Schadensersatz verpflichtet (§ 280 Abs. 1 BGB).

1. Der Beklagte wurde von der Klägerin mandatiert, um ihre Interessen gegenüber der GmbH zu vertreten. Das schloss den zur Sicherung des Darlehens abgetretenen Werklohnanspruch der GmbH gegen die Eheleute mit ein. Der Beklagte war nicht Unterbevollmächtigter des Streithelfers, sondern trat gegenüber der Klägerin selbständig auf, wie sein Schreiben vom 30. April 2002 zeigt.

2. Der Beklagte hat seine anwaltlichen Pflichten im Sommer/Herbst 2003 verletzt und dadurch die Verjährung der Werklohnforderung mitversacht. Das ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt. Die Klägerin war Inhaberin einer ihr von der GmbH abgetretenen Werklohnforderung gegen die Eheleute. Mit Rücksicht auf die anwaltliche Verpflichtung, vermeidbare Nachteile für seine Mandantin zu verhindern, musste der Beklagte deren Ansprüche vor der Verjährung sichern (siehe BGH, Urteil vom 17. Juni 1993 - IX ZR 206/92, NJW 1993, 2797, unter III 1 a). Die Pflicht setzt nicht erst bei oder unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang vor dem Ablauf der Verjährungsfrist ein, hier Ende 2004. Die anwaltliche Pflicht, Vorkehrungen zu treffen, damit es nicht zur Verjährung kommt, setzt vielmehr wesentlich früher ein. Sie ist bereits dann verletzt, wenn ein Rechtsanwalt Dispositionen trifft, die das Risiko der Verjährung erhöhen (BGH, Urteile vom 18. März 1993 - IX ZR 120/92, NJW 1993, 1779, unter I 2 b bb; vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, unter III 2 c; vom 6. November 2008 - IX ZR 158/07, NJW 2009, 1806, Rn. 14; Fahrendorf in: Fahrendorf/ Mennemeyer/ Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 2065). Der Beklagte hat dem nicht Rechnung getragen, sondern hat vermeidbare Risiken geschaffen, die die Forderungsverjährung mitverursacht haben.

a) In rechtlicher Hinsicht ist die vom Beklagten beabsichtigte Übertragung des Mandats auf den Streithelfer als Vertragsübernahme einzuordnen. Die rechtsgeschäftliche Übertragung eines ganzen Schuldverhältnisses ist in der Weise rechtlich möglich und zulässig, dass eine neue Vertragspartei an die Stelle des bisherigen Vertragspartners tritt (BGHZ 44, 229, 231; Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 398 Rn. 41, m.w.N.). Dabei handelt es sich um einen dreiseitigen, auf Austausch des Vertragspartners gerichteten Vertrag (Palandt/Grüneberg, aaO, § 398 Rn. 42; Wolff, NJW 2009, 1302, 1304). Die Vertragsübernahme setzt die Mitwirkung von drei Parteien voraus, des bisherigen anwaltlichen Vertreters des Mandanten, des neuen Anwalts und des Mandanten. Der Beklagte hat die Mandantin jedoch nicht von der von ihm beabsichtigten Vertragsübernahme informiert und ihre Einwilligung nicht eingeholt. Zwar mag es sein, dass die Klägerin die Vertragsübernahme später, nämlich Anfang 2005, genehmigte, denn eine Zustimmung zur Vertragsübernahme kann nicht nur als Einwilligung, sondern auch rückwirkend als Genehmigung erteilt werden (MünchKomm-BGB/Möschel, 5. Aufl., vor § 414 Rn. 8). Das ändert jedoch nichts daran, dass der Beklagte ein unsicheres Zwischenstadium schuf, welches von Sommer/Herbst 2003 bis über den Ablauf der Verjährungsfrist hinaus andauerte. In dieser Zeit fühlte sich niemand dafür zuständig, Ansprüche der Mandantin gegen die Eheleute vor der Verjährung zu sichern. Der Beklagte fühlt sich nach Abgabe der Handakte an den Streithelfer nicht mehr verantwortlich, obwohl er die Mandantin zuvor nicht über den Ablauf der Verjährungsfrist im Hinblick auf die abgetretene Werklohnforderung in Kenntnis gesetzt hatte, während der Streithelfer - sei es zu Recht oder zu Unrecht - meinte, das Mandat sei auf Ansprüche der Mandantin gegen die GmbH beschränkt, obwohl die der GmbH abgetretenen Werklohnansprüche gerade zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs der Mandantin gegen die GmbH dienten.

b) In tatsächlicher Hinsicht erhöhte der Beklagte das Verjährungsrisiko, indem von vornherein keine gesonderte Handakte für das Mandat anlegte, soweit es den Anspruch der Klägerin gegen die Eheleute betraf. Der Beklagte sah die der Klägerin abgetretenen Ansprüche gegen die Eheleute nur als "Anhängsel" der Ansprüche der Klägerin gegen die GmbH, obwohl die GmbH der Klägerin die Werklohnforderung gerade zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs abgetreten hatte. Die Übergabe der Handakten in der zweiten Jahreshälfte 2003 an den Streithelfer erhöhte das Risiko, dass der Streithelfer nur den Darlehensrückzahlungsanspruch gegen die GmbH ins Auge fasste und ihm der abgetretene Werklohnanspruch gegen die Eheleute aus dem Blick geriet. Dadurch hat der Beklagte eine Verpflichtung gegenüber seiner Mandantin verletzt, denn die Verpflichtung des Anwalts, geordnete Handakten zu führen (§ 50 Abs. 1 BRAO), ist eine gegenüber dem Mandanten bestehende Nebenpflicht aus dem Anwaltsvertrag (Stobbe in: Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl., § 50 Rn. 2; Sieg in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rn. 782; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 15 Rn. 13).

3. Die Pflichtverletzungen des Beklagten sind schadensursächlich geworden. Hätte der Beklagte dafür Sorge getragen, dass die Verjährung des der Klägerin abgetretenem Werklohnanspruchs der GmbH gegen die Eheleute vor Ablauf des 31. Dezember 2004 gehemmt worden wäre, hätte die Werklohnforderung gegen die Eheleute durchgesetzt werden können.

a) Die Werklohnforderung war gemäß § 631 BGB, § 398 BGB in Höhe von 145.328,77 € begründet. Das hat bereits das Berufungsgericht im Vorprozess in seinem Urteil vom 17. Juli 2008 zu Recht festgestellt (17 U 22/08 - OLG Hamm). Zwar haben die Eheleute im Februar 2002 bereits 153.946,92 € an die GmbH gezahlt. Dies muss die Klägerin jedoch gemäß § 407 Abs. 1 BGB nicht gegen sich geltend lassen, denn der Ehemann hatte Kenntnis von der Abtretung der Werklohnforderung der GmbH an die Klägerin, weil er den Darlehensvertrag vom 27. November 2001 als Geschäftsführer der GmbH unterzeichnete. Seine Gattin muss sich diese Kenntnis zurechnen lassen, weil ihr Ehemann im Rahmen der Baumaßnahmen ihr Vertreter war (§ 166 Abs. 1 BGB). Dies folgt aus dem vorgenannten Berufungsurteil, dessen Tatsachenfeststellungen der Beklagte nicht in Frage stellt.

b) Für die Haftung des Beklagten gegenüber seiner früheren Mandantin ist es ohne Bedeutung, dass der Schaden in Gestalt des Verjährungsablaufs erst eintrat, als das Mandat des Beklagten bereits beendet war (siehe dazu BGH, Urteil vom 29. November 2001 - IX ZR 278/00, NJW 2002, 1117, unter II 3 b cc). Es ist auch ohne Belang, ob und ggf. inwieweit der Streithelfer den Schaden seinerseits mitverursacht haben mag. Das Verhalten Dritter und die von ihnen eigenständig gefassten Entschlüsse beseitigen allgemein die Schadenszurechnung im Verhältnis zu früheren Verursachern nur, sofern es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des Geschehensablaufs zu werten ist. Dementsprechend wird der Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht dadurch unterbrochen, dass nach dem pflichtwidrig handelnden Anwalt andere rechtskundige Personen mit der Angelegenheit befasst worden sind, die noch in der Lage gewesen wären, den Schadenseintritt zu verhindern, die ihnen obliegende Sorgfaltspflicht jedoch ihrerseits nicht beachtet haben (BGH, Urteil vom 7. April 2005 - IX ZR 132/01, NJW-RR 2005, 1146, unter II 3 b; Fahrendorf, aaO, Rn. 830, 834, 2066, jew. m.w.N.). Ein gänzlich ungewöhnliches Fehlverhalten des Streithelfers steht hier nicht in Rede, mag er auch seinerseits die Verjährung der abgetretenen Werklohnforderung mitverursacht haben.

c) Die der Klägerin abgetretene Werklohnforderung hätte mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegen die Eheleute durchgesetzt werden können (§ 287 Abs. 1 ZPO). Zwar sind die Eheleute im Jahr 2008 in Vermögensverfall geraten. Vor dem Vermögensverfall waren die Eheleute jedoch unstreitig Eigentümer von Grundbesitz mit einem Wert von 450.000 €, der unstreitig bei weitem nicht wertausschöpfend belastet war. Damit stand ein geeignetes Vollstreckungsobjekt zur Verfügung. Wenn die Verjährung des Werklohnanspruchs vor Ablauf des Jahres 2004 gehemmt worden wäre, hätte ein (vorläufig) vollstreckbarer Titel deutlich vor dem Vermögensverfall der Eheleute erwirkt und durchgesetzt werden können, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bereits im Lauf des Jahres 2005.

4. Sollte der Streithelfer seinerseits durch Pflichtverstöße zum Schadenseintritt beigetragen haben, z.B. in dem er beim Studium der ihm überlassenen Handakten den Werklohnanspruch gegen die Eheleute sowie das insoweit bestehende Verjährungsrisiko übersah, braucht sich die Klägerin einen solchen Fehler im Verhältnis zum Beklagten nicht als Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 2, § 278 BGB anrechnen zu lassen. Zwar kann es Mitverschulden begründen, wenn ein neu beauftragter Anwalt pflichtwidrig eine Forderung verjähren lässt (BGH, Urteil vom 29. November 2001 - IX ZR 278/00, NJW 2002, 1117, unter II 3 b cc und II 5 a und b; Fahrendorf, aaO, Rn. 2066). Ein neu beauftragter Anwalt ist jedoch im Verhältnis zum früheren Anwalt grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe des Mandanten. Lediglich dann, wenn der Mandant den neuen Anwalt gerade im Rahmen seiner Obliegenheit zur Minderung eines als drohend erkannten oder für möglich gehaltenen Schadens aus dem ersten Anwaltsvertrag beauftragt hat, gilt es etwas anderes (BGH, Urteile vom 20. Januar 1994 - IX ZR 46/93, NJW 1994, 1211; vom 24. Mai 2005 - IX ZR 276/03, NJW-RR 2005, 1435, unter B II 2; vom 14. Oktober 2010 - I ZR 212/08, AnwBl. 2011, 587, Rn. 19; Vollkommer/ Greger/ Heinemann, aaO, § 20 Rn. 53; Mennemeyer in: Fahrendorf/ Mennemeyer/ Terbille, Die Haftung des Rechtsanwalts, 8. Aufl., Rn. 997, jew. m.w.N.). Im vorliegenden Fall wurde der Streithelfer jedoch nicht von der Klägerin beauftragt, um einen Schaden abzuwenden; vielmehr beschlossen der Beklagte und der Streithelfer von sich aus, dass der Streithelfer das Mandat weiterbearbeiten sollte, weil der Beklagte damals mangels Zulassung beim Oberlandesgericht das Berufungsverfahren in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen die GmbH nicht weiterführen konnte.

5. Die Klägerin verlangt zu Recht Ersatz entgangener Zinsen als Hauptsacheschaden für die Zeit ab dem 1. Mai 2002 (Verzugsbeginn der Eheleute). Zwar ist dieser Anspruch, wie im Senatstermin erörtert worden ist, zeitlich begrenzt bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Werklohnforderung gegen die Eheleute hypothetisch hätte realisiert werden können. Im Senatstermin ist jedoch unstreitig geblieben, dass die Klägerin im gesamten fraglichen Zeitraum Kredite mit einem Zinssatz von 7½ bis 9% in Anspruch genommen hat. Daraus kann sie den geltend gemachten Anspruch herleiten. Da die Klägerin als Handelsgesellschaft gilt (§ 13 Abs. 3 GmbHG) und ständig Bankkredit in Anspruch nahm, entspricht es dem typischen Geschehensablauf, dass sie rechtzeitig eingegangene Zahlungen zur Rückführung des Kredits verwendet hätte (siehe BGH, Urteil vom 12. Dezember 1990 - VIII ZR 35/90, NJW-RR 1991, 793, unter II 2 b).

6. Zinsen als Nebenforderung stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzugs ab dem 23. Januar 2009 zu (§ 288 Abs. 1 BGB).

7. Die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin, deren Erstattung sie gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu Recht fordert, sind nicht im Streit.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.






OLG Hamm:
Urteil v. 28.07.2011
Az: I-28 U 35/11


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