Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 1. April 2008
Aktenzeichen: 6 W 203/07

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 01.04.2008, Az.: 6 W 203/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in seinem Beschluss vom 1. April 2008, Aktenzeichen 6 W 203/07, die Beschwerde des Vertreters der Landeskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 7. November 2007 - 3 O 276/05 - zurückgewiesen. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei und es werden keine Kosten erstattet.

In dem Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 28. Februar 2007 wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und dem Antragsteller mit Kanzleisitz in F. beigeordnet. Der Antragsteller hat verschiedene Kosten und Auslagen, darunter Reisekosten und Abwesenheitsgeld in Höhe von insgesamt 278,60 € angemeldet.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 3. September 2007 die dem Antragsteller zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf den angemeldeten Betrag festgesetzt. Hiergegen hat die Landeskasse Erinnerung eingelegt, die jedoch vom Landgericht Neuruppin zurückgewiesen wurde. Daraufhin hat die Landeskasse Beschwerde eingelegt.

Die Landeskasse argumentiert in ihrer Beschwerde, dass der Prozesskostenhilfebeschluss des Landgerichts dahingehend auszulegen ist, dass die Beiordnung des Anwalts beschränkt ist, nämlich zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts. Die Beschränkung ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und sei nicht notwendig im Beschluss auszusprechen. Zudem sei seit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2006 klar, dass im Beiordnungsantrag eines auswärtigen Anwalts ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthalten sei.

Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde als zulässig angesehen, da der Wert der Beschwer, also der betroffenen Kosten, mehr als 200 € beträgt. Die Beschwerde der Landeskasse wurde jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Der Anspruch des beigeordneten Anwalts bestimmt sich nach dem Inhalt des Prozesskostenhilfebeschlusses. In diesem Fall wurde der Antragsteller ohne irgendeine Einschränkung beigeordnet. Es besteht keinerlei Anlass zu einer Auslegung des Beschlusses.

Die Landeskasse argumentiert, dass der Beschluss im Lichte des Mehrkostenverbots zu interpretieren ist, da grundsätzlich nur beim Prozessgericht zugelassene Anwälte beigeordnet werden dürfen. Das Gericht hat diese Argumentation jedoch abgelehnt und festgestellt, dass der Beschluss eindeutig ist und keiner Auslegung bedarf. Eine Beschränkung der Beauftragung auf einen ortsansässigen Anwalt ergibt sich nicht aus dem Beschluss. Die Gesetzeslücke, die nach Ansicht der Landeskasse entstanden ist, kann nicht durch Heranziehung einer anderen Gesetzesvorschrift gefüllt werden.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2006 kann ebenfalls nicht für eine Auslegung der richterlichen Entscheidung herangezogen werden. Sie bezieht sich lediglich auf die Interpretation von Beiordnungsanträgen auswärtiger Anwälte. Es bleibt festzuhalten, dass bei Kostenentscheidungen am Wortlaut der Gerichtsentscheidung festgehalten werden muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf den relevanten gesetzlichen Bestimmungen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 01.04.2008, Az: 6 W 203/07


Tenor

Die Beschwerde des Vertreters der Landeskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Neuruppin vom 7. November 2007 - 3 O 276/05 - wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Das Landgericht Neuruppin hat mit Beschluss vom 28.2.2007 der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt und den Antragsteller mit Kanzleisitz in F. beigeordnet.

Die während der Beiordnung angefallenen Kosten bzw. Auslagen hat der Antragsteller am 2.8.2007 zur Festsetzung angemeldet, unter anderem Reisekosten und Abwesenheitsgeld von insgesamt 278,60 €.

Der Antragsteller hat insgesamt 1.323,90 € angemeldet.

Mit Beschluss vom 3.9.2007 hat das Landgericht die dem Antragsteller zu zahlenden Gebühren und Auslagen festgesetzt auf den angemeldeten Betrag.

Hiergegen hat der Bezirksrevisor die Erinnerung vom 5.9.2007 eingelegt.

Mit Beschluss vom 7. November 2007 hat das Landgericht Neuruppin - 3. Zivilkammer - die Erinnerung der Landeskasse zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Landeskasse vom 13.11.2007.

Der Vertreter der Landeskasse meint, der Prozesskostenhilfebeschluss des Landgerichts sei dahin auszulegen, dass die Beiordnung des Rechtsanwalts beschränkt, nämlich zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts erfolgt sei. Der ausdrückliche Ausspruch der Beschränkung im Prozesskostenhilfebeschluss sei nicht notwendig, da die Beschränkung lediglich deklaratorischer Art sei. Die Beschränkung selbst ergebe sich aus dem Wortlaut des Gesetzes.

Zudem sei seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.10.2006 (RPfl 2007, 83) nunmehr klargestellt, dass im Beiordnungsantrag des auswärtigen Rechtsanwaltes ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO entsprechenden Einschränkung der Beiordnung enthalten sei.

Das Landgericht Neuruppin hat die Beschwerde zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3, Abs. 8 RVG.

Insbesondere ist auch der Wert der Beschwer, nämlich mehr als 200 €, erreicht.

Die Beschwerde der Landeskasse bleibt jedoch ohne Erfolg.

Wie das Landgericht Neuruppin in dem angefochtenen Beschluss vom 7.11.2007 zutreffend ausführt, bestimmt sich der Anspruch des beigeordneten Anwalts nach dem Inhalt des Prozesskostenhilfebeschlusses (§ 48 Abs. 1 RVG).

Mit dem Prozesskostenhilfebeschluss vom 28. Februar 2007 ist der Antragsteller mit Kanzleisitz in F. ohne irgendeine Einschränkung der Klägerin beigeordnet worden im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens.

Der Wortlaut dieses Beschlusses ist eindeutig. Es besteht keinerlei Anlass zu einer Auslegung desselben.

Soweit die Landeskasse meint, der zitierte Prozesskostenhilfebeschluss sei im Lichte des § 121 Abs. 2 ZPO dahin zu interpretieren, dass die Beiordnung nur zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt sei, kann ihr nicht gefolgt werden.

Zwar ist es richtig, dass das Gesetz ein so genanntes Mehrkostenverbot in § 121 Abs. 3 ZPO enthält und deshalb grundsätzlich ein beim Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist.

Setzt sich jedoch das über die Prozesskostenhilfebewilligung entscheidende Gericht über diese gesetzliche Vorschrift hinweg, so ist für die Festsetzung der Vergütung nach § 48 RVG ausschließlich der Inhalt des Bewilligungsbeschlusses maßgeblich.

Der Ansicht der Landeskasse, eine Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO müsse nicht ausdrücklich ausgesprochen werden, vielmehr sei ein solcher Ausspruch lediglich deklaratorischer Art und sich für diese Ansicht auf eine Entscheidung des OLG Brandenburg (Familiensenat) vom 20.1.2000 (JurBüro 2000, 481) beruft, kann ebenfalls nicht gefolgt werden.

In dem zitierten Beschluss vom 20.1.2000 hatte der entscheidende Senat ausgeführt, da sich die Beschränkung im Anwaltsprozess unmittelbar aus § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ergebe, sei der ausdrückliche Ausspruch einer beschränkten Beiordnung im Bewilligungsbeschluss nicht zwingend erforderlich, da lediglich deklaratorischer Art.

Es kann dahinstehen, ob dieser unter der Geltung der BRAGO entstandenen Rechtsansicht beigetreten werden solle. § 126 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist mit Inkrafttreten des RVG aufgehoben worden; eine entsprechende Vorschrift enthält das RVG nicht.

Diese nach Ansicht der Landeskasse nunmehr entstandenen Gesetzeslücke kann nicht durch entsprechende Heranziehung des § 121 Abs. 3 ZPO ausgefüllt werden (so auch OLG Celle, RPfl 2007, 402). Zum einen enthält § 121 Abs. 3 ZPO kein generelles Verbot der Beiordnung eines auswärtigen Anwaltes; vielmehr betrifft die zitierte Vorschrift nur den Fall, dass durch die Beiordnung des auswärtigen Anwaltes weitere Kosten entstehen. Zum anderen ergibt sich aus § 46 Abs. 1 RVG, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder zu vergüten sind, die zur sachgemäßen Wahrnehmung der Parteiinteressen erforderlich waren.

Auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.10.2006 (RPfl 2007, 83) kann der Beschwerde der Landeskasse nicht zum Erfolg verhelfen. Der der zitierten Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier zur Entscheidung vorliegenden. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes enthält ein Beiordnungsantrag eines auswärtigen (nicht beim Prozessgericht zugelassenen) Rechtsanwalts regelmäßig ein konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 entsprechenden Einschränkung der Beiordnung nur zu den Bedingungen eines am Prozessgericht zugelassenen Anwaltes. Zur Begründung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Rechtsanwalt bei Stellung seines Beiordnungsantrages davon ausgehen müsse, seinem Antrag werde nur im gesetzlich zulässigen Umfange unter Berücksichtigung von § 121 Abs. 2 ZPO stattgegeben werden. Demzufolge könne das entscheidende Gericht auf einen solchen Antrag hin eine beschränkte Beiordnung aussprechen.

Aus dieser Entscheidung kann allenfalls hergeleitet werden, wie der Antrag eines auswärtigen Anwaltes auf Beiordnung zu interpretieren ist.

Die zitierte Entscheidung kann aber keinesfalls für eine Auslegung der richterlichen Entscheidung herangezogen werden.

Wie das Oberlandesgericht Celle zutreffend ausgeführt hat, gebietet es der Grundsatz der Klarheit von Kostenentscheidungen am Wortlaut der richterlichen Entscheidung festzuhalten. Der Inhalt gerichtlicher Entscheidungen ergibt sich aus dem tatsächlich Verlautbartem.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.






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