Verwaltungsgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. August 2007
Aktenzeichen: 26 K 1055/07

(VG Düsseldorf: Urteil v. 24.08.2007, Az.: 26 K 1055/07)

Tenor

Der Bescheid des Bürgermeisters der Stadt O1 vom 19. Juli 2006 und der Widerspruchsbescheid des Bürgermeisters der Stadt O1 vom 13. Februar 2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 13.116,22 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist für den Kläger wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist seit März 1998 hauptamtlicher Bürgermeister der beklagten Stadt. Er wurde durch den Vorstand der RWE Energy AG als Mitglied des Regionalbeirates West für fünf Jahre berufen. Als Mitglieder berufen werden u.a. aktive Landräte sowie Oberbürgermeister und Bürgermeister, deren Gebietskörperschaften RWE-Aktionäre und Mitglied im „Verband der Kommunalen RWE-Aktionäre GmbH (VkA)" in F sind und deren Kommunen mehr als 10.000 Aktien an der RWE AG halten. Die Beklagte ist zu 0,01 % an der RWE AG beteiligt und hält 0,84 % des Kapitals des VkA.

Am 1. März 2005 trat das Korruptionsbekämpfungsgesetz NRW vom 16. Dezember 2004 - GVBl. NW 2005, S. 8 - in Kraft. Nach dessen § 18 Abs. 2 hat der Hauptverwaltungsbeamte dem Rat bis zum 31. März des dem Rechnungsjahr folgenden Jahres die Aufstellung nach § 71 LBG über die Nebentätigkeiten und daraus erhaltenen Vergütungen vorzulegen. Aus Anlass dieses Gesetzes teilte das Innenministerium des Landes NRW den betroffenen Körperschaften in Vertiefung und Ergänzung seines Beratungserlasses vom 9. April 2003 mit Erlass vom 25. Februar 2005 seine Auffassung zu der Abführungspflicht für Vergütungen aus Tätigkeiten u. a. in den Beiräten der RWE Energy AG mit und zwar bejahte es die Abführungspflicht der Vergütung für die Beiratstätigkeit gemäß § 13 Nebentätigkeitsverordnung mit der Begründung, dass es sich um eine Nebentätigkeit handele, die gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichgestellt sei. Die Tätigkeit erfolge „im Hinblick auf die dienstliche Stellung" im Sinne dieser Vorschrift und diene zudem auch der Wahrung von Belangen der VkA GmbH, eines Verbandes im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 NtV.

In der Sitzung vom 4. März 2005 legte der Kläger dem Rat die Auflistung über seine Mitgliedschaften und in der nächsten Ratssitzung am 15. April 2005 die Liste der erhaltenen Vergütungen für das Jahr 2004 vor. Die Vergütung für seine Regionalbeiratstätigkeit betrug 6.650,00 Euro. In der Sitzung vom 12. Mai 2006 legte der Kläger dem Rat die Auflistung über seine Mitgliedschaften und die erhaltenen Vergütungen für das Jahr 2005 vor. Die Vergütung für die Regionalbeiratstätigkeit betrug ebenfalls 6.650,00 Euro.

Mit Schreiben vom 24. Mai 2006 forderte der Landrat des S-Kreises O1 den Kläger auf, die Vergütungen für die Tätigkeit im Regionalbeirat West der Firma RWE für die Jahre 2004 und 2005 an die Beklagte abzuführen. Unter dem 11. Juli 2006 wies der Landrat den 1. Beigeordneten T der Stadt O1 an, vom Kläger diese Beträge einzufordern. Mit Leistungsbescheid vom 19. Juli 2006 forderte der 1. Beigeordnete der Beklagten den Kläger zur Abführung der Vergütungen aus Nebentätigkeiten an die Beklagte in Höhe von 6.466,22 Euro für das Jahr 2004 und in Höhe von 8.689,20 Euro für das Jahr 2005 auf, also insgesamt 15.155,42 Euro. Da der Kläger für das Jahr 2005 einen Betrag von 2.039,20 Euro bereits abgeführt hat, verblieb ein Betrag in Höhe von 6.650,00 Euro für 2005, insgesamt also 13.116,22 Euro. Diesen Betrag zahlte der Kläger an die Beklagte unter Vorbehalt.

Den Widerspruch des Klägers vom 15. August 2006 wies der 1. Beigeordnete der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007, zugestellt am 19. Februar 2007, zurück. Zur Begründung führte er aus: Der Rat der Stadt habe die Zurückweisung des Widerspruchs in seiner Sitzung vom 9. Februar 2007 beschlossen. Streitig sei die Abführungspflicht für die Einnahmen aus der Tätigkeit im Regionalbeirat West der RWE Energy AG. Der Auffassung des Innenministeriums sei zu folgen. Es handele sich um eine Nebentätigkeit, die einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichgestellt sei, da der Kläger seine Tätigkeit im Beirat im Hinblick auf seine dienstliche Stellung ausübe.

Mit seiner am 16. März 2007 erhobenen Klage trägt der Kläger vor: Der RWE- Beirat bestehe seit langer Zeit; die Tätigkeit der Hauptverwaltungsbeamten im Beirat sei immer als Nebentätigkeit im privaten Bereich angesehen worden und habe keiner Ablieferungspflicht unterlegen. Diese Auffassung werde noch heute von den Innenministerien in Rheinland-Pfalz und Bayern vertreten. Als Mitglied des Beirates sei er dem Unternehmensinteresse, das in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG als „Wohl der Gesellschaft" bezeichnet werde, verpflichtet. Er dürfe dort weder dienstlich tätig werden noch im Hinblick auf seine dienstliche Stellung tätig werden. Er sei nicht als Amtsträger in den Beirat gewählt worden sondern als Person, die aufgrund ihrer beruflichen Erfahrung besondere Kenntnisse habe. Die Tätigkeit diene auch nicht der Wahrung der Belange des VkA. Die Interessen der kommunalen Aktionäre seien keineswegs mit den Interessen der Gesellschaft des RWE identisch. Hilfsweise berufe er sich für das Jahr 2004 auf Vertrauensschutz, die Beiratsvergütung für das Jahr 2004 sei ihm vor dem Erlass des Innenministeriums vom Februar 2005 gezahlt worden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt O1 vom 19. Juli 2006 und den Widerspruchsbescheid des Bürgermeisters der Stadt O1 vom 13. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 13.116,22 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Ausführungen der Verwaltungsentscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Leistungsbescheid des Bürgermeisters der Stadt O1 vom 19. Juli 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtlicher Ausgangspunkt ist § 13 Abs. 2 i. V. m. § 3 der Verordnung über die Nebentätigkeit der Beamten und Richter im Lande Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1982 (Nebentätigkeitsverordnung - NtV). Nach dieser Vorschrift hat ein Beamter die Vergütungen für eine oder mehrere Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst (§ 3) insoweit an seinen Dienstherrn im Hauptamt abzuführen, als sie für die in einem Kalenderjahr ausgeübten Tätigkeiten zusammengerechnet die Höchstgrenze von 6.000,00 Euro übersteigen.

Die Tätigkeit des Klägers als Mitglied des Beirats der RWE Energy AG ist keine Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 NtV und sie steht auch keiner Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 2 NtV gleich.

Nach Abs. 1 des § 3 NtV ist eine Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst jede im Dienst des Bundes, eines Landes, einer Gemeinde, eines Gemeindeverbandes, einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder der Verbände von solchen ausgeübte Nebentätigkeit. Da die RWE Energy AG als Vertriebs- und Netzgesellschaft im RWE-Konzern für Kontinentaleuropa ein privates Versorgungsunternehmen ist, stellt die Tätigkeit im Beirat keine Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst dar; das ist zwischen den Parteien auch unstreitig.

Nach Abs. 2 des § 3 NtV stehen einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst bestimmte in den Nrn. 1 - 3 dieser Vorschrift aufgezählte Nebentätigkeiten gleich. Nach Nr. 1 steht die Tätigkeit für ein Unternehmen gleich, dessen Kapital (Grundkapital, Stammkapital) sich unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 vom Hundert in öffentlicher Hand befindet oder fortlaufend in dieser Höhe aus öffentlichen Mitteln unterhalten wird. Das ist bei dem RWE Konzern bzw. der RWE Energy AG nicht der Fall. Nach Nr. 2 ist die Tätigkeit, um als gleichgestellt eingestuft zu werden, zu erbringen für zwischenstaatliche oder überstaatliche Einrichtungen, an denen eine juristische Person oder ein Verband im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Halbsatz 1 durch Zahlung von Beiträgen oder Zuschüssen oder in anderer Weise beteiligt ist. Auch dies ist unstreitig zu verneinen.

Hinter beiden Alternativen steht das Ziel des Gesetzgebers, eine Doppelzahlung aus öffentlichen Haushalten an den Beamten - einmal in seinem Hauptamt und zum anderen in seiner Nebenbeschäftigung - zu vermeiden. Um das Ziel der in § 13 NtV normierten Abführungspflicht zu erreichen, werden auch Fälle erfasst, in denen die Arbeitsstelle der Nebentätigkeit des Beamten faktisch, sei es auch bloß wirtschaftlich, von der öffentlichen Hand beherrscht und die zu zahlende Vergütung, möglicherweise nur mittelbar, aus Beiträgen der öffentlichen Haushalte bestritten wird,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980, - 2 BvL 7-9/76 -, BVerfG E 55, 207 ff.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Februar 1997, - 6 A 5744/94 -; BVerfG, Beschluss vom 16. Januar 2007, - 2 BvR 1188/05.

Diese Beherrschung der privaten Gesellschaft durch die öffentliche Hand ist jedenfalls für die vorliegend allein in Betracht kommende Alternative der Nr. 3 des § 3 Abs. 2 NtV, auf die der Beklagte seinen Leistungsbescheid stützt, nicht mehr gegeben. Ob die Tätigkeit für die RWE Energy AG im Sinne des Wortlautes des § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV einer Nebentätigkeit im öffentlichen Dienst gleichsteht, weil die RWE Energy AG eine juristische Person ist, die der Wahrung von Belangen einer juristischen Person oder eines Verbandes im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Halbsatz 1 dient oder weil der Kläger sie im Hinblick auf seine dienstliche Stellung - nämlich als Hauptverwaltungsbeamter der Stadt - ausübt, kann dahingestellt bleiben. Denn für die in § 3 Abs. 2 Nr. 3 NtV getroffene Regelung fehlt die erforderliche Ermächtigungsgrundlage im Landesbeamtengesetz NRW.

Nach § 75 Abs. 1 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes ist die Landesregierung zum Erlass der Nebentätigkeitsverordnung ermächtigt. Entsprechend Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des § 75 LBG werden in § 3 Abs. 2 Nr. 1 NtV die Tätigkeiten bei den Einrichtungen und Unternehmen, die zu mehr als fünfzig vom Hundert in öffentlicher Hand sind oder fortlaufend unterhalten werden, der Tätigkeit im öffentlichen Dienst gleichgestellt. Nur in diesem Umfang ist die Ermächtigung in § 75 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 LBG durch das Bundesverfassungsgericht als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen worden,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. November 1980, - 2 BvL 7/76 -, BVerfG E 55, 207 ff.

Ihr Wortlaut ist durch die Angabe einer Finanzierungsquote eindeutig und daher auch keiner erweiternden Auslegung durch den Verordnungsgeber zugänglich. Die Vorschrift des § 75 Satz 2 Nr. 1 LBG erlaubt nicht, jegliche Tätigkeiten dem öffentlichen Dienst gleichzustellen. Es muss vielmehr eine Beziehung, ein Zusammenhang zum öffentlichen Dienst an sich bestehen, der in seiner Ausgestaltung im Blick auf vorhandene Regelungen hinreichend deutlich wird. Dies wäre vorliegend aber nur dann der Fall, wenn die RWE Energy AG faktisch, sei es auch bloß wirtschaftlich, von der öffentlichen Hand beherrscht und die gezahlte Vergütung an die Hauptverwaltungsbeamten, möglicherweise nur mittelbar, aus Beiträgen der öffentlichen Haushalte bestritten würde.

Da sonstige Anspruchsgrundlagen für eine Abführung der Vergütung nicht ersichtlich sind, war der Klage stattzugeben.

Das Ziel des Innenministeriums, den Anreiz dafür zu kappen, dass Hauptverwaltungsbeamte eine Beschäftigung bei großen Unternehmen gegen einen hohen Stundensatz (circa 830,00 Euro) annehmen, ist nicht auf dem Wege des Nebentätigkeitsrechts zu erreichen, sondern nur im Wege einer neuen gesetzlichen Regelung.

Da der Kläger die geforderte Summe bereits abgeführt hat, war die Beklagte entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Antrag des Klägers zur Rückzahlung zu verpflichten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Düsseldorf:
Urteil v. 24.08.2007
Az: 26 K 1055/07


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