Oberlandesgericht Stuttgart:
Beschluss vom 24. Juni 2010
Aktenzeichen: 20 W 2/09

(OLG Stuttgart: Beschluss v. 24.06.2010, Az.: 20 W 2/09)

Tenor

1. Die gegen den Antragsgegner Ziff. 1 gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass deren Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung gegenüber dem Antragsgegner Ziff. 1 als unbegründet zurückgewiesen wird.Im Übrigen wird der Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Ravensburg vom 19.12.2008 - Az. 8 AR 7/06 KfH 2 - auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerina u f g e h o b e n .Das Verfahren über den Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung gegenüber dem Antragsgegner Ziff. 2 wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht Ravensburgz u r ü c k v e r w i e s e n .2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird für die Gerichtskosten auf 200.000,00 EUR und für die außergerichtlichen Kosten auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Zwischen den Parteien steht die Angemessenheit der Barabfindung gem. §§ 327 f Abs. 1 Satz 2, 306 AktG (a.F.) nach einem durchgeführten Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Streit.

Die Antragsgegnerin Ziff. 1, über deren Vermögen am 06.04.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, ist ein im Jahr 1933 gegründetes und seit Juli 1983 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft betriebenes Unternehmen, welches Teile aus Metall oder vergleichbaren Materialien herstellt, bearbeitet und vertreibt. Die Antragstellerin hielt 15 Aktien; der Antragsgegner Ziff. 2 verfügte über eine Beteiligung von über 95 Prozent.

Der Antragsgegner Ziff. 2 stellte als Hauptaktionär ein Verlangen auf Übertragung sämtlicher Aktien auf ihn. In seinem Bericht vom 21.06.2002 (Anl. AG 3) hat er dazu den Unternehmenswert zum 06.08.2002 mit 5.792.000,00 EUR ermittelt und daraus einen Wert je Aktie von 14,27 EUR abgeleitet. Die zu zahlende Barabfindung hat er nach einer freiwilligen Erhöhung mit einem Betrag von 15,00 EUR je Aktie festgesetzt.

Die mit Beschluss des Landgerichts vom 28.05.2002 zum sachverständigen Prüfer der Angemessenheit der Barabfindung gem. § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG bestellte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die B.GmbH, hat in ihrem Bericht vom 21.06.2002 (Anl. AG 4) den rechnerischen Wert von 14,27 EUR je Aktie als zutreffende Folge der Unternehmensbewertung bestätigt und die auf 15,00 EUR je Aktie festgesetzte Barabfindung als angemessen bezeichnet.

Die Hauptversammlung der Antragsgegnerin Ziff. 1 beschloss am 06.08.2002 - mit einer Mehrheit von über 99,7% der vertretenen Stimmen - die Übertragung sämtlicher (Stamm- und Vorzugs-)Aktien auf den Hauptaktionär nach Maßgabe der §§ 327 a ff. AktG gegen eine Barabfindung von 15,00 EUR pro Aktie (Anl. AG 1). Die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Antragsgegner Ziff. 2 wurde am 30.09.2002 in das Handelsregister beim Amtsgericht Biberach eingetragen (Anl. AG 2).

Am 25.11.2002 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf gerichtliche Bestimmung der angemessenen Barabfindung gemäß §§ 327 f Abs. 1 Satz 2, 306 AktG (a.F.). Sie behauptete, die vom Hauptaktionär festgesetzte Barabfindung sei unangemessen. Zur Begründung ihres Antrags machte sie geltend, der Bericht des Hauptaktionärs und der Prüfungsbericht seien so dürftig, dass bereits die Ermittlung der Barabfindung nicht nachvollzogen werden könne, erst recht sei es nicht möglich, deren Angemessenheit zu bewerten. Die Antragstellerin hat die Meinung vertreten, die Rechtslage sei nicht nach den Vorschriften des heute geltenden SpruchG zu beurteilen, vielmehr sei über den Antrag unter Anwendung der bis zum 31.08.2003 geltenden Vorschriften zu entscheiden. Danach obliege es ihr nicht, ihren Antrag zu begründen. Abgesehen davon habe sie den Antrag mit einer Begründung versehen, soweit dies überhaupt möglich sei. Sie sei auch nicht gehalten, ein besonderes Rechtsschutzinteresse dazulegen; dieses folge vielmehr ohne weiteres aus dem Umstand, dass sie Minderheitsaktionärin gewesen sei und diese Stellung durch den Übertragungsbeschluss verloren habe.

Die Antragstellerin hat beim Landgericht beantragt,

die angemessene Barabfindung gerichtlich festzusetzen.

Die Antragsgegner haben beantragt,

den Antrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Sie haben die Ansicht vertreten, der Antrag sei bereits als unzulässig einzustufen. Die Beurteilung der Rechtslage habe sich an dem Spruchverfahrensrecht zu orientieren, welches zum 01.09.2003 in Kraft getreten sei, da das Verfahren im Dezember 2002 zum Ruhen gekommen sei. Wesentlich sei, dass die Antragstellerin erst am 19.01.2006 und somit nach dem maßgeblichen Stichtag des 31.08.2003 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt habe. Unabhängig davon sei jedenfalls § 4 SpruchG - somit die Pflicht zur Begründung des Antrags - anzuwenden. Dies ergebe sich aus § 17 Abs. 2 SpruchG, wonach weiter die entsprechenden bis zu diesem Tag geltenden Vorschriften des Aktiengesetzes und des Umwandlungsgesetzes anzuwenden" seien. Daraus folge, dass die Bestimmungen der alten Rechtslage einschlägig seien, die nicht in Widerspruch zu den Vorschriften der Neuregelung stünden. Dessen ungeachtet sei der von der Antragstellerin erhobene Vorwurf, die Bemessung der Höhe der Barabfindung sei nicht nachvollziehbar, weder substantiiert noch zutreffend. In dem Bericht des Hauptaktionärs sei näher ausgeführt worden, wie die Übertragung der Aktien auf die Minderheitsaktionäre erfolgen solle und wie die angemessene Barabfindung ermittelt worden sei. Weitere Erläuterungen enthalte der Prüfungsbericht der B.GmbH, in dem die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung sowie die angewendeten Methoden dargestellt worden seien und in dem erläutert werde, wie man aus dem Ertragswert des Unternehmens die Barabfindung abgeleitet habe. Im Übrigen habe es die Antragstellerin trotz mehrfacher Aufforderungen durch das Gericht unterlassen, ein konkretes Rechtschutzbedürfnis an der Durchführung des Verfahrens darzulegen. Sie habe bis zuletzt nicht aufgezeigt, welche konkreten Beanstandungen sie gegenüber dem Bericht des Hauptaktionärs oder dem Prüfungsbericht vorbringen wolle, vielmehr habe sie lediglich pauschal beanstandet, die Berichte seien nicht verständlich. Dies reiche zur Darlegung eines eigenen Rechtschutzbedürfnisses nicht aus. Auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit müsse ein Antragsteller nach dem geltenden Grundsatz der Prozessförderungspflicht konstruktiv mitarbeiten. Er dürfe sich daher nicht darauf zurückziehen, lediglich einen verfahrenseinleitenden Antrag zu stellen und alles andere der Amtsermittlung zu überlassen.

Außerdem sei das Vorgehen der Antragstellerin als schikanös und rechtsmissbräuchlich einzustufen. Sie habe zwar als ehemalige Minderheitsaktionärin grundsätzlich das Recht, einen Antrag auf gerichtliche Festsetzung einer angemessenen Barabfindung zu stellen. Die Rechtsausübung sei aber dann missbräuchlich, wenn dem Antrag kein eigenes schutzwürdiges Interesse zugrunde liege. Dies sei hier der Fall. Die Antragstellerin habe lediglich über 15 Aktien verfügt. Selbst wenn die vorgenommene Bewertung um 100 Prozent zu niedrig gewesen sei, würde sich daher für die Antragstellerin eine zusätzliche Barabfindung in Höhe von lediglich 225,00 EUR ergeben. Diesem marginalen wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin stünden auf der Antragsgegnerseite zu erwartende Verfahrens- und Gutachterkosten in bis zu sechsstelliger Höhe gegenüber. Angesichts der Prozesskosten sei das geringe wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin nicht schutzwürdig. Der alleinige Zweck des Vorgehens der Antragstellerin bestehe darin, den Antragsgegnern einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Auf das Verfahren seien die Vorschriften des § 306 AktG in der bis zum 31.08.2003 geltenden Fassung, nicht jedoch die Regelungen des erst zum 01.09.2003 in Kraft getretenen SpruchG anzuwenden. Auf Grund dieser Rechtslage sei das Landgericht Ravensburg örtlich und sachlich zuständig. Der Antrag sei jedoch unzulässig, weil er nur mit einer unzureichenden Begründung versehen worden sei. Die Antragstellerin habe trotz mehrfacher Nachfrage durch das Gericht und trotz entsprechender Rüge der Antragsgegner zur Begründung ihres Antrags bis zuletzt lediglich pauschal vorgebracht, dem Bericht des Hauptaktionärs fehle es an jedweder ordentlichen Unternehmensbewertung, die diesen Namen verdiene, bzw. es fehle an jeder zahlenmäßigen Herleitung des behaupteten Ergebnisses in den Prognosejahren. Eine echte Auseinandersetzung mit der aus Sicht des Gerichts im Bericht des Hauptaktionärs durchaus ausreichend und inhaltlich nachvollziehbar dargelegten Ermittlung der Barabfindung finde nicht statt. Im Grunde habe sich die Antragstellerin darauf beschränkt, den verfahrenseinleitenden Antrag zu stellen. Dies sei zu beanstanden. Es könne von der Antragstellerin erwartet werden, dass sie Gründe aufzeige, welche die Abfindung aus ihrer Sicht als nicht angemessen erscheinen lasse. Mit Auferlegung dieser Pflicht würden außenstehende Aktionäre nicht überfordert, da es ihnen möglich sei, in der Hauptversammlung Auskünfte zum Prüfungsbericht und insbesondere zu den Bewertungsgrundlagen zu verlangen. Außerdem sei es ihnen zumutbar, sich vor Einleitung des Spruchverfahrens sachkundigen Rat einzuholen. Eine andere Handhabung würde den Entlastungseffekt vereiteln, den der Gesetzgeber mit der obligatorischen Prüfung des Unternehmensvertrages und der Angemessenheit der Abfindung habe erreichen wollen. Die Antragstellerin habe eine Begründung auch erarbeiten können, weil der Prüfungsbericht vorgelegen habe, in dem dargelegt worden sei, nach welcher Methode man die Abfindung ermittelt habe, warum die Anwendung dieser Methode gewählt worden sei und aus welchen Gründen man die vorgeschlagene Abfindung als angemessen einzustufen habe. Der gegebene Begründungsmangel führe zur Unzulässigkeit der Antragstellung.

Darüber hinaus sei das Vorgehen der Antragsstellerin unter Berücksichtigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls deswegen als unzulässig einzustufen, weil diese ihre formal bestehende Antragsbefugnis missbrauche. Dies habe zur Folge, dass das erforderliche Rechtschutzbedürfnis an einer Entscheidung in der Sache zu verneinen sei. Im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung sei zu berücksichtigen, dass sich das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, die lediglich 15 Aktien halte, in einem äußerst überschaubaren Rahmen bewege. Von wesentlicher Bedeutung sei die Tatsache, dass es sich bei der Antragstellerin um eine Kleinaktionärin handele, die sich in ähnlich geringem Umfang an vergleichbaren Unternehmen beteilige und bei der gerichtsbekannt sei, dass sie bereits zahlreiche Verfahren der vorliegenden Art durchgeführt habe. Auch sei auffällig, dass die Antragstellerin als juristische Person von einer natürlichen Person beherrscht werde, die sich ebenfalls in wirtschaftlich geringem Umfang an der Antragsgegnerin Ziff. 1 beteiligt und einen (identischen) Antrag auf gerichtliche Bestimmung der angemessenen Barabfindung gestellt habe. Weiter komme hinzu, dass die Antragstellerin keinerlei Bemühungen unternommen habe, das Verfahren zu fördern, um die aus ihrer Sicht angemessene Barabfindung zu realisieren. Mehrfach seien durch missverständliche bzw. wechselnde Äußerungen zur Frage, von wem die Antragstellerin vertreten werde, unklare Situationen heraufbeschworen worden. Auch seien Versuche einer gütlichen Einigung bereits im Ansatz abgeblockt worden. Letztlich lasse das Gesamtverhalten der Antragstellerin für das Gericht nur den Schluss zu, dass es ihr im Ergebnis nicht darum gehe, eine zusätzliche Barabfindung zu erhalten, sondern - zumindest vorrangig - bestehende Verfahrensstrukturen auszunutzen, um entweder die Antragsgegner zu schädigen oder sich auf anderem Wege Vorteile zu verschaffen.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, das Landgericht habe verkannt, dass nach der einschlägigen Rechtslage eine Begründung des Antrags auf Einleitung eines Spruchverfahrens überhaupt nicht erforderlich sei. Abgesehen davon seien der Bericht des Hauptaktionärs und der Prüfungsbericht unzulänglich. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage der Angemessenheit der Barabfindung sei nicht möglich. Auch könne nicht von einem Rechtsmissbrauch ausgegangen werden. Die vom Landgericht aufgezeigten Umstände des Einzelfalls seien nicht geeignet, einen derartigen Vorwurf zu rechtfertigen. Dessen ungeachtet könnten etwaige Defizite in der Antragsbegründung und der Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs allenfalls zur Unbegründetheit, nicht jedoch zur Unzulässigkeit des Antrags führen. Die Antragstellerin meint, das Verfahren sei unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Landgericht zurückzuverweisen, da die gebotene Sachaufklärung unterblieben sei und es andernfalls zur Verweigerung eines Instanzenzugs komme. Dabei sei eine Verweisung an eine andere Kammer für Handelssachen veranlasst, weil die Begründung des angefochtenen Beschlusses eine Befangenheit des Gerichts besorgen lasse.

Sie beantragt,

den angefochtenen Beschluss des Landgerichts Ravensburg aufzuheben und das Verfahren zur weiteren Entscheidung in der Sache an eine andere Kammer für Handelssachen an das Landgericht Ravensburg zurückzuverweisen.

Die Antragsgegner hatten Gelegenheit, Stellung zu nehmen.

Wegen der näheren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache zum Teil Erfolg.

A.

Gegen die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist sie gemäß dem nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SpruchG anwendbaren § 12 SpruchG form- und fristgerecht eingelegt worden.

B.

Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.

Das Landgericht hat zu Unrecht die Ansicht vertreten, dass der Antrag auf Festsetzung einer angemessenen Barabfindung wegen einer fehlenden Begründung und eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens unzulässig sei. Der Antrag ist zulässig, jedoch gegenüber dem Antragsgegner Ziff. 1 wegen fehlender Passivlegitimation unbegründet, weshalb die Beschwerde insoweit zurückzuweisen war. In Bezug auf den Antragsteller Ziff. 2 ist die sofortige Beschwerde dagegen begründet, führt insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht, das die Anträge des Beschwerdeführers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden hat.

1. Zutreffend hat das Landgericht das am 01.09.2003 in Kraft getretene SpruchG nicht zur Anwendung gebracht.

Nach der Übergangsvorschrift des § 17 Abs. 2 S. 1 SpruchG sind für erstinstanzliche Verfahren, in denen ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem 01.09.2003 gestellt worden ist, weiter die entsprechenden, bis zu diesem Tag geltenden Vorschriften des AktG und des UmwG anzuwenden. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da die Antragstellerin ihren Antrag auf Einleitung des Spruchverfahrens bereits am 25.11.2002 und folglich vor dem Stichtag bei dem Landgericht eingereicht hat.

An dieser - eindeutigen - Regelung ändert der Umstand nichts, dass das Verfahren in erster Instanz (faktisch) zum Ruhen gekommen ist. Dies hat das Landgericht zutreffend ausgeführt.

2. Zu Recht hat das Landgericht auch davon abgesehen, durch Zwischenbeschluss über das anwendbare Recht zu entscheiden.

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sieht einen Zwischenfeststellungsbeschluss nicht vor. Die Vorschrift des § 280 ZPO, deren entsprechende Anwendung in Betracht kommt, erlaubt eine abgesonderte Verhandlung über die Zulässigkeit der Klage. Maßgeblicher Gesichtspunkt ist die mit Rechtsmitteln selbständig anfechtbare und in Rechtskraft erwachsende Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage.

Die von den Antragsgegnern beantragte Entscheidung über das anwendbare Recht ist indessen nicht auf die Klärung der Zulässigkeit der Anträge im Wege der Zwischenfeststellung gerichtet, vielmehr soll über eine rechtliche Vorfrage befunden werden. Es soll die abstrakte Rechtsfrage, nach welchem Recht das Verfahren zu behandeln ist, entschieden werden. Jedoch kann die Klärung von Vorfragen auch bei entsprechender Anwendung nicht Gegenstand des Zwischenverfahrens nach § 280 ZPO (analog) sein (OLG Düsseldorf AG 2007, 205).

Über das maßgebliche Verfahrensrecht konnte auch nicht in entsprechender Anwendung von § 256 ZPO im Wege einer Zwischenfeststellung entschieden werden. Voraussetzung für § 256 ZPO ist die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, also die rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen oder einer Sache. Abstrakte Rechtsfragen können ebenso wenig Gegenstand eines Rechtsverhältnisses sein wie die Frage des anzuwendenden Rechts (OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 283; AG 2007, 205; Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 5).

3. Das Landgericht hat den Antrag auf Festsetzung der angemessenen Barabfindung indessen zu Unrecht als unzulässig eingestuft. Eine Unzulässigkeit kann weder aus einer fehlenden Begründung abgeleitet werden noch ergibt sie sich hier aus einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten.

a) Das Fehlen einer Begründung kann die Unzulässigkeit des Antrags nicht rechtfertigen.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die von den Antragsgegnern vorgelegten Bewertungsgutachten so dürftig sind, dass es nicht möglich ist, die Ermittlung der Angemessenheit der Barabfindung nachzuvollziehen. Unabhängig davon kann der Antrag nicht als unzulässig eingestuft werden.

Vor Einführung des SpruchG war ein Antragsteller nicht verpflichtet, seine Ansicht, dass die von ihm angegriffene Kompensation nicht angemessen sei, zu rechtfertigen. Der Antrag allein genügte, um die gerichtliche Nachprüfung zu initiieren (vgl. etwa KG WM 1971, 764; Leuering in Simon, SpruchG, 2007, § 4 Rn. 34; Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, 2004, § 4 Rn. 18).

Die Statuierung einer Begründungsobliegenheit durch das SpruchG hatte gerade den Zweck, zu verhindern, dass Antragsteller ohne jede sachliche Erläuterung ein aufwendiges und kostenträchtiges Überprüfungsverfahren in Gang setzen können (Begr. RegE B-Drucks. 15/371, S. 13; dazu auch Wasmann WM 2004, 819, 823).

Da es der Antragstellerin nach der maßgeblichen Rechtslage nicht oblag, ihren Antrag zu begründen, kann dessen Unzulässigkeit nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass eine echte Auseinandersetzung mit der aus Sicht des Gerichts im Bericht des Hauptaktionärs durchaus ausreichend und inhaltlich nachvollziehbar dargelegten Ermittlung der Barabfindung (vgl. LGB S. 12) nicht stattgefunden habe.

Aus dem vom Landgericht erwähnten Gesichtspunkt, dass trotz des nach § 12 FGG (a.F.) geltenden Amtsermittlungsgrundsatz die Antragsteller nicht schlechthin aus jeder Verantwortung entlassen seien, folgt nichts Abweichendes.

Richtig mag sein, dass in sog. echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen auch die Spruchverfahren zu zählen sind, davon auszugehen ist, dass die Beteiligten regelmäßig ein besonderes Interesse daran haben, das Gericht durch ihren Vortrag von Tatsachen oder Beweismitteln in seiner Sachaufklärung zu unterstützen, weshalb vorausgesetzt werden kann, dass die Beteiligten die ihnen vorteilhaften Umstände von sich aus vorbringen. Dies bedeutet aber nicht, dass dann, wenn es an einem entsprechenden Vorbringen mangelt, die Antragstellung als unzulässig eingestuft werden könnte. Vielmehr ist diesem Umstand durch eine Einschränkung des Amtsermittlungsgrundsatzes Rechnung zu tragen. Das Gericht kann - ohne seine Aufklärungspflicht zu verletzen - annehmen, dass die Parteien ihnen vorteilhafte Umstände von sich aus aufzeigen (BGH NJW 1988, 1839, 1840). Kommt ein antragstellender Aktionär seiner Darlegungslast nicht nach, führt das somit nicht zwangsläufig zur Abweisung seines Antrags. Vielmehr hat das Gericht, wenn es über die erforderliche Sachkunde verfügt, im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle der vorgelegten Gutachten zu entscheiden, ob die Abfindung überzeugend begründet worden ist. Wenn dies bejaht wird, kann davon abgesehen werden, weitere Ermittlungen anzustellen (vgl. etwa OLG Düsseldorf AG 1998, 37; OLG Frankfurt NZG 2007, 875; Bilda in MünchKomm., AktG, 2. Aufl., § 306 Rn. 16 ff, insb. Rn. 20, vgl. auch Rn. 56; ders. NZG 2000, 296, 298 ff., insb. S. 300; Ehricke/Roth DStR 2001, 1120, 1127). Eine Unzulässigkeit der Antragstellung kann aus einer unzulänglichen Begründung - nach der einschlägigen Rechtslage - jedoch nicht abgeleitet werden.

Das Landgericht hat auf Grund der Zurückverweisung Gelegenheit, die veranlassten Feststellungen nachzuholen.

b) Auch ist es nach Aktenlage nicht möglich, der Antragstellerin ein missbräuchliches Verhalten anzulasten.

Die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs sind nicht erfüllt.

aa) Der Antrag auf gerichtliche Festsetzung der angemessenen Barabfindung setzt, wie jedes gerichtliche Verfahren, ein Rechtsschutzbedürfnis desjenigen voraus, der das Gericht in Anspruch nimmt. Besondere Feststellungen dazu sind jedoch regelmäßig nicht erforderlich, denn aus der Eigenschaft, Minderheitsaktionär zu sein, ergibt sich ohne weiteres ein rechtliches Interesse, die Angemessenheit der Barabfindung überprüfen zu lassen.

Auf die Anzahl der von dem Antragsteller gehaltenen Aktien und den zu erwartenden Verfahrensaufwand kommt es dabei nicht entscheidend an (vgl. etwa KG WM 1971, 764; Koppensteiner in KK-AktG, 3. Aufl., § 306 Rn. 6; Hasselbach in KK-AktG, 2003, § 327f Rn. 7; Martens/Martens AG 2009, 173, 176).

Die Antragstellerin war daher nicht gehalten, zu erläutern, welches Rechtsschutzinteresse sie an der Durchführung des Verfahrens hat. Es ist ausreichend, dass sie Minderheitsaktionärin war und durch die Eintragung des Übertragungsbeschlusses ihre Aktionärsstellung verloren hat.

bb) Da die Darlegung eines besonderen Eigeninteresses für die Antragstellung nicht erforderlich ist, kann eine Antragstellung nur in Ausnahmefällen, für die nach allgemeinen Grundsätzen die Antragsgegner die Feststellungslast tragen (vgl. auch Poelzig DStR 2009, 1151, 1153), als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden.

(1) Voraussetzung dieses Ausnahmefalls, der teilweise als Unterfall des Rechtsschutzbedürfnisses - mit der Rechtsfolge einer Unzulässigkeit der Antragstellung (dazu etwa KG WM 1971, 764; Koppensteiner, a.a.O., § 306, Rn. 7; Meilicke/Meilicke ZGR 1974, 296, 309) - interpretiert und zum Teil - wie bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage (dazu etwa Dörr in Spindler/Stilz, AktG, 2007, § 245 Rn. 56, 65 m.w.N.) - dem Bereich der Unbegründetheit zugeordnet wird (so Diekgräf, Sonderzahlungen an opponierende Kleinaktionäre, 1990, S. 303 f.), ist, dass ein Antragsteller ausschließlich illoyale bzw. eigennützige Absichten hat und weder berechtigte Interessen als Teilhaber des Unternehmens noch allgemeine Aktionärsinteressen verfolgt.

Hauptanwendungsfall ist die Konstellation, in der der Antrag auf Feststellung der angemessenen Barabfindung allein mit dem Ziel gestellt wird, eine Sonderleistung zu erhalten, auf die kein Anspruch besteht, so etwa, wenn beabsichtigt ist, sich den Lästigkeitswert des Verfahrens abkaufen zu lassen (vgl. für die Anfechtungsklage etwa BGHZ 107, 296, 310 f.; OLG Stuttgart AG 2001, 315, 317; 2003, 456, 457). Erforderlich ist dabei nicht, dass ein Antragsteller die Gesellschaft zur Leistung auffordert, es genügt vielmehr, dass er erstrebt, die Gesellschaft werde sich unter dem Druck der infolge seines Vorgehens befürchteten wirtschaftlichen Nachteile an ihn wenden und ihm Zahlungsangebote unterbreiten (BGH AG 1990, 259 - DAT-Altana II; 1991, 102, 104; vgl. auch Wardenbach ZGR 1992, 563, 566 ff.).

Der Nachweis des Missbrauchstatbestandes als einer sogenannten inneren Tatsache kann sich schwierig gestalten. Die Verwerflichkeit ist in der subjektiven Motivation zu sehen, auf die gegebenenfalls nur aus Indizien geschlossen werden kann (vgl. dazu Wardenbach ZGR 1992, 563 ff.; OLG Stuttgart AG 2003, 456). Entscheidend für die Beurteilung ist eine Gesamtbetrachtung, bei der in der Regel mehrere Indizien für den Rechtsmissbrauch sprechen müssen (vgl. auch BGH AG 1992, 448; BGH AG 1990, 259, - DAT-Altana II; OLG Frankfurt a.M. NZG 2009, 222; Poelzig DStR 2009, 1151, 1153).

Im Rahmen der Prüfung, ob solche Tatsachen festgestellt werden können, muss allen von den Parteien zu diesem Vorwurf vorgetragenen Umständen nachgegangen und müssen diese einer umfassenden Würdigung unterzogen werden. Dabei ist ein besonderes Augenmerk auf die Einzelheiten des Parteivortrags zu richten, der geeignet erscheint, die dargelegte Absicht zu belegen. Insbesondere gehört dazu, wie ein Antragsteller bei den Verhandlungen über die Beilegung des zur Entscheidung anstehenden Verfahrens agiert hat; aber auch das Verhalten, das er im Rahmen anderer Gerichtsverfahren gezeigt hat, kann, insbesondere in Zusammenhang mit bestimmten Einzelheiten seines aktuellen Vorgehens, indizielle Bedeutung für die behauptete Erwartungshaltung bekommen (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.03.2007 - 12 U 77/06 (BeckRS 2008 13889)).

Nach der objektiven Sachlage, wie sie sich aufgrund der Indizien darstellt, muss ein anderer Zweck als derjenige, der Gesellschaft selbstsüchtig seinen Willen aufzuzwingen, ausgeschlossen sein.

(2) Hier kann den Einzelfallumständen nicht entnommen werden, dass die Durchführung des Verfahrens allein zur Verfolgung sachfremder, eigennütziger Motive ausgenutzt werden soll.

(11) Unstreitig ist die Antragstellerin lediglich Inhaberin von 15 Aktien. Dies genügt aber nach dem Gesetz, um einen Antrag auf Feststellung der angemessen Barabfindung zu stellen, kann also allein den Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit nicht begründen (vgl. nur EuGH AG 2000, 470; OLG Stuttgart AG 2003, 456, 457; OLG Köln AG 2004, 39). Ein geringer Aktienbesitz stellt im Rahmen einer Gesamtabwägung allenfalls ein schwaches Indiz für ein missbräuchliches Vorgehen dar (Martens/Martens AG 2009, 173, 176; a.A. Seibert ZIP 2008, 910 für die Anfechtungsklage).

(22) Auch unter Berücksichtigung des Umstand, dass die Antragstellerin eine Vielzahl anderweitiger Gerichtsverfahren betrieben hat, kann der Vorwurf eines Missbrauchs nicht bejaht werden (allg. dazu BGHZ 107, 296; AG 1990, 259; 1992, 448; OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 22.03.2007 - 12 U 77/06 (BeckRS 2008 13889)).

Das Verhalten des Verfahrensbeteiligten in früheren oder in Parallelverfahren wurde zwar vom Bundesgerichtshof als mögliches Missbrauchsindiz anerkannt (vgl. BGH ZIP 1992, 1391). Bereits der Rechtssatz Einmal Räuber, immer Räuber wird aber allgemein abgelehnt (etwa Wardenbach ZGR 1992, 563, 569; vgl. auch OLG Frankfurt a.M. NZG 2009, 222; dazu Poelzig DStR 2009, 1151). Auch in Fällen eines früheren missbräuchlichen Verhaltens kann in der Regel nur ein ergänzendes Indiz angenommen werden, wobei ein Rückschluss auf einen aktuellen Missbrauchsfall vor allem dann gerechtfertigt sein kann, wenn zwischen den früheren und dem aktuellen Verfahren ein zeitlicher oder sachlicher Fortsetzungszusammenhang gegeben ist und die Umstände, die sich in dem früheren Verfahren für ein missbräuchliches Verhalten ergeben haben, so schwerwiegend und offensichtlich sind, dass sich die Annahme eines erneuten Missbrauchs aufdrängt (Martens/Martens AG 2009, 173, 176; v. Falkenhausen/Baus ZIP 2007, 2038). Liegen die anderen Verfahren dagegen bereits einige Zeit zurück, ist bei der Annahme rechtsmissbräuchlichen Verhaltens Zurückhaltung geboten (OLG Stuttgart AG 2003, 456, 457; Wardenbach ZGR 1992, 563, 570).

Hier hat das Landgericht noch nicht einmal festgestellt, dass sich die Antragstellerin früher rechtsmissbräuchlich verhalten hat, weshalb es erst recht nicht angängig ist, ihr anzulasten, sie habe bereits mehrfach gerichtliche Verfahren eingeleitet. Diesem Aspekt kann - wenn überhaupt - allenfalls eine (sehr) untergeordnete Bedeutung bei der gebotenen Gesamtabwägung beigemessen werden.

(33) Dass diese Umstände nicht ausreichen, um den Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs zu rechtfertigen (vgl. auch Poelzig DStR 2009, 1151, 1153), hat auch das Landgericht erkannt. Es hat gleichwohl die Ansicht vertreten, eine verwerfliche Gesinnung ergebe sich mit der erforderlichen Klarheit aus weiteren Gesichtspunkten.

Die dazu aufgeführten Gründe tragen diese Wertung jedoch nicht.

Mitunter wird als Indiz für einen Missbrauch gewertet, wenn ein Antragsteller seinen Aktienbestand im Zusammenhang mit der Strukturmaßnahme, also etwa nach deren Ankündigung, erwirbt (etwa OLG Köln AG 2004, 39; Wardenbach ZGR 1992, 563, 568). Die Voraussetzungen für dieses Indiz sind hier allerdings nicht erfüllt. Die Antragstellerin hält ihre Beteiligung an der Antragsgegnerin Ziff. 1 bereits seit dem Jahr 1990.

Das Landgericht hat betont, die Antragstellerin habe eine gütliche Erledigung stets abgelehnt. Deren Beharren auf einer Durchführung des Verfahrens spricht jedoch nicht für eine verwerfliche Gesinnung. Im Gegenteil wird regelmäßig angenommen, dass die Bereitwilligkeit zum Abschluss eines Vergleichs ein starkes Indiz für das Vorhandensein eines missbräuchlichen Verhaltens darstelle (vgl. etwa OLG Frankfurt a.M. NZG 2009, 222; Poelzig DStR 2009, 1151, 1153; kritisch Martens/Martens AG 2009, 173, 175 f.). Ein derartiger Fall kann hier - auch nach den Feststellungen des Landgerichts - jedoch gerade nicht bejaht werden. Wenn die Bereitwilligkeit zum Abschluss eines Vergleichs als ein (starkes) Indiz für das Vorhandensein eines missbräuchlichen Verhaltens anzusehen ist, kann nicht umgekehrt das Fehlen einer Vergleichsbereitschaft als Beleg für eine verwerfliche Gesinnung herangezogen werden. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass der einzelne antragstellende Aktionär nach dem einschlägigen Recht eine Kontrollfunktion wahrnimmt, für die es ohne Belang ist, ob er sich aus unternehmerischen, finanziellen oder anderen Gründen für eine Investition in die Gesellschaft entschieden hat (Martens/Martens AG 2009, 173, 176). Wenn er dieser Funktion entsprechend eine für erforderlich gehaltene Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung anstrengt und meint, dafür sei die Durchführung einer Beweisaufnahme veranlasst, kann dieses Verhalten grundsätzlich nicht als verwerflich eingestuft werden.

Die Tatsache, dass die Antragstellerin von einer natürlichen Person beherrscht wird, die ebenfalls mit einem geringen Aktienbestand einen Antrag auf Feststellung der angemessenen Barabfindung gestellt hat, rechtfertigt ebenfalls keine andere Bewertung. Allein die Schaffung formeller Antragsberechtigungen ist nicht als verwerflich zu bewerten. Vielmehr könnte ein missbräuchliches Verhalten daraus nur abgeleitet werden, wenn dies allein zur Verfolgung eigensüchtiger Zwecke geschehen wäre. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

Den Vorwurf eines mehrfach unklaren bzw. wechselnden Antragstellervortrags, der wiederholt zu einer unklaren Prozesssituation geführt habe, vermag der Senat nach Aktenlage ebenfalls nicht nachzuvollziehen. Abgesehen davon, dass der vom Landgericht damit angesprochene Anwaltswechsel soweit ersichtlich keine besonderen Schwierigkeiten in der Verfahrensbearbeitung verursacht hat, ist nicht erkennbar, dass dieses prozessuale Agieren der Antragstellerin Ausdruck einer verwerflichen Gesinnung sein könnte.

Der Umstand, dass die Antragstellerin ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis nicht aufzeigt hat, sondern (stets) darauf verwies, dass nach der einschlägigen Gesetzeslage ein dementsprechender Vortrag entbehrlich sei, kann - entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht - ebenfalls nicht als Indiz für einen Missbrauch gewertet werden. Vielmehr entspricht diese Ansicht der Antragsstellerin der allgemeinen Meinung. Die mehrfachen Aufforderungen seitens des Gerichts und der Antragsgegner, ein konkretes Interesse darzutun, waren weder geeignet, die Rechtslage zu ändern, noch kann daraus, dass die Antragstellerin davon absah, weitere Ausführungen zu machen, ein Indiz für ein missbräuchliches Verhalten abgeleitet werden.

Entsprechendes gilt, soweit die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf gerichtliche Festsetzung der angemessenen Barabfindung trotz mehrfacher Aufforderungen nicht näher begründete. Nach dem anzuwendenden Recht war die Antragstellerin nicht gehalten, diesen Aufforderungen nachzukommen. Wenn entsprechend dieser Gesetzeslage von einer weiteren Begründung abgesehen wird, kann dies kein Indiz für eine verwerfliche Gesinnung darstellen. Diesem Umstand hätte das Landgericht allenfalls durch eine Entscheidung zu der Frage Rechnung tragen können, ob es über die nötige Sachkunde verfügt, um beurteilen zu können, dass die von den Antragsgegnern vorgelegten Gutachten die Angemessenheit der angebotene Barabfindung plausibel begründen, oder ob Anlass besteht, durch Beauftragung eines Sachverständigen in die Beweisaufnahme einzutreten.

(44) Auch eine Gesamtschau aller Einzelfallumstände kann ein missbräuchliches Verhalten nicht begründen. Es hätte vielmehr eindeutiger Anhaltspunkte dafür bedurft, dass die Beschwerdeführerin zumindest die Erwartung hegte, dass die Antragsgegner an sie zum Zwecke des Abkaufs des Antragsrechts herantreten würden. Diese sind jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4. Die sofortige Beschwerde bleibt im Ergebnis allerdings ohne Erfolg und ist entsprechend teilweise zurückzuweisen, soweit sich diese gegen den Antragsgegner Ziff. 1 als Insolvenzverwalter wendet.

a) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Insolvenzverwalter kraft Amtes selbst zum Beteiligten des - nicht unterbrochenen (dazu sogleich) - Spruchverfahrens (vgl. etwa OLG Schleswig AG 2008, 828; OLG Frankfurt NZG 2005, 556).

b) Mit der auf den Antragsgegner Ziff. 1 bezogenen sofortigen Beschwerde dringt die Beschwerdeführerin in der Sache nicht durch.

aa) Dies folgt unmittelbar daraus, dass im Verfahren zur Überprüfung der Barabfindung auch nach der - anzuwendenden - Regelung in § 327f Abs. 1 S. 2 AktG i.V.m. § 306 AktG (a.F.) nur der Hauptaktionär als passivlegitimiert anzusehen ist.

Dem Antragsgegner Ziff. 1 fehlt die erforderliche Passivlegitimation. Gegen wen sich der Antrag auf Feststellung der angemessenen Barabfindung zu richten hat, war bis zum Inkrafttreten des SpruchG nicht ausdrücklich geregelt (vgl. dazu etwa Neye ZIP 2002, 2097, 2098). In Anlehnung an das Zivilverfahren war allerdings auch im streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Antrag gegen den Schuldner der Ausgleichsforderung zu richten (OLG Düsseldorf NZG 2004, 622). Schuldner der Ausgleichsforderung ist jedoch allein der Hauptaktionär und damit der Antragsgegner Ziff. 2 (vgl. auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 30.03.2010 - 5 W 32/09 (BeckRS 2010, 11181); OLG Saarbrücken Der Konzern 2004, 34; OLG Hamburg AG 2004, 622, 623; OLG Düsseldorf NZG 2004, 622; vgl. ferner Gessmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1208; Krieger BB 2002, 53, 57; Vetter AG 2002, 176, 190; Koppensteiner, a.a.O., § 327f., Rn. 17; Wasmann in KK-SpruchG, 2005, § 5 Rn. 4; Gude AG 2005, 233, 235; vgl. auch Ehricke/Roth DStR 2001, 1120, 1127; Grunewald ZIP 2002, 18, 20).

bb) Die fehlende Passivlegitimation führt zur Unbegründetheit des Antrags und nicht zu dessen Unzulässigkeit (vgl. OLG Saarbrücken Der Konzern 2004, 34; OLG Hamburg AG 2004, 622, 623; Puszkajler in KK-SpruchG, a.a.O., § 11 Rn. 11 m.w.N.; a.A. Bungert/Mennicke BB 2003, 2021, 2026; Gude AG 2005, 233, 236; wohl auch OLG Düsseldorf NZG 2004, 622).

Die sofortige Beschwerde war daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Antrag gegenüber dem Antragsgegner Ziff. 1 nicht als unzulässig, sondern als unbegründet einzustufen ist.

Dieser Bewertung steht das Verbot einer reformatio in peius (allg. dazu Sternal in Keidel/Engelhardt/Sternal, a.a.O., § 1 Rn. 40; § 69 Rn. 18 ff.) nicht entgegen. Eine unzulässige Verschlechterung ist mit der Zurückweisung eines Antrags als unbegründet statt als unzulässig nicht verbunden (vgl. etwa KG JurBüro 1986, 220; KG OLGZ 1967, 41, 44; Sternal in Keidel/Engelhardt/Sternal, a.a.O., § 69 Rn. 18; Heßler in Zöller, a.a.O., § 572 Rn. 41 für die Beschwerde nach der ZPO).

5. Die zwischenzeitlich eingetretene Insolvenz der (ursprünglichen) Antragsgegnerin Ziff. 1 führt nicht zu einer Unterbrechung des Verfahrens und steht einer Entscheidung des Senats nicht entgegen.

Zweifelhaft ist, ob die §§ 239, 240 ZPO für Spruchverfahren trotz deren Besonderheiten entsprechend anzuwenden sind, wie dies für echte Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit teilweise in Erwägung gezogen wird (vgl. Sternal in Keidel/Engelhardt/Sternal, a.a.O., § 1 Rn. 39, § 21 Rn. 39). Dies ist fraglich, weil die gerichtliche Entscheidung in Spruchverfahren, durch die eine höhere Abfindung oder ein höherer Ausgleich festgesetzt wird, anders als ein Urteil im Zivilprozess, keine unmittelbare Leistungspflicht begründet, vielmehr lediglich zu einer rückwirkenden Umgestaltung des der jeweiligen Strukturmaßnahme zu Grunde liegenden Vertrags oder Gesellschafterbeschlusses (dazu etwa Simon, a.a.O., § 13 Rn. 6) führt, und eine inter-omnes-Wirkung nicht nur für die Verfahrensbeteiligten, sondern für alle betroffenen Anteilsinhaber hat. Auch ist der Abfindungs- oder Ausgleichsanspruch im Spruchverfahren weitergehend als Streitgegenstände im Zivilprozess der Disposition der Verfahrensbeteiligten entzogen.

Nach herrschender Auffassung findet wegen dieser Besonderheiten keine Unterbrechung des Spruchverfahrens bei Insolvenz des Unternehmensträgers, gegen welchen sich der Anspruch auf Abfindung oder Ausgleich richtet, statt (vgl. etwa BGH FamRZ 2009, 872; NZI 2001, 75; BayObLG DB 1978, 2163; ZIP 1998, 1876; DZWIR 2002, 430; OLG Frankfurt NZG 2006, 556; OLG Schleswig, Beschluss v. 23.06.2008 - 5 W 24/08; Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, § 11 Rn. 31; Simon/Winter, SpruchG, 2007, § 17 Rn. 19; Puszkajler in KK-SpruchG, a.a.O., § 11 Rn. 58; Sternal in Keidel/Engelhardt/Sternal, FamFG, 16. Aufl., § 1 Rn. 39; a.A. Stürner in Festschr. f. Uhlenbruck, 2000, S. 669 ff.; Malitz EWiR 2003, 71, 72).

Ob dem gefolgt werden kann und die Besonderheiten des Spruchverfahrens generell der Anwendung des § 240 ZPO über die Unterbrechung des Verfahrens entgegenstehen, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung, weil hier nicht der Hauptaktionär in Insolvenz gegangen ist, sondern eine juristische Person, der die Passivlegitimation fehlt (s.o.). Jedenfalls in derartigen Fällen besteht keine Veranlassung anzunehmen, das Spruchverfahren werde durch die Insolvenz eines Antragsgegners unterbrochen.

6. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

a) Ein Antrag auf Zurückverweisung ist nicht erforderlich (etwa OLG Frankfurt NZG 2007, 875), im Übrigen aber von der Beschwerdeführerin auch gestellt worden.

Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache zu entscheiden. Angesichts des Umstandes, dass das Landgericht den Antrag als unzulässig behandelt hat, erschien es sachgerecht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht zurückzuverweisen. Eine Abwägung ergibt einen Vorrang des Interesses an dem Erhalt einer weiteren Tatsacheninstanz (vgl. dazu etwa BayObLG FamRZ 1988, 1321; OLG Frankfurt NZG 2007, 875).

Auch sind die Antragsgegner dem Zurückverweisungsantrag der Beschwerdeführerin nicht entgegen getreten.

b) Demgegenüber konnte dem Antrag auf Zurückverweisung des Verfahrens an eine andere Kammer des Landgerichts nicht stattgegeben werden. Dem steht bereits das Gebot des gesetzlichen Richters entgegen. Mangels einer dem § 563 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechenden oder darauf verweisenden gesetzlichen Regelung kommt auch in den echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein derartiges Vorgehen nicht in Betracht (vgl. BayObLG NJW-RR 1995, 653).

III.

1. Die Festsetzung des Beschwerdewerts für die Gerichtskosten beruht auf § 15 Abs. 1 S. 2 SpruchG, für die außergerichtlichen Kosten auf § 31 RVG.

2. Über die Kosten war nicht zu befinden.

Die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners Ziff. 1 zulasten der Antragstellerin entspricht weder erstinstanzlich noch im Beschwerdeverfahren der Billigkeit (§§ 15, 17 Abs. 2 SpruchG i.V.m. § 13a Abs. 1 FGG (a.F.)), weswegen dieser seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Zusätzliche Gerichtskosten sind durch die Einbeziehung des Antragsgegners Ziff. 1 in das Spruchverfahren nicht entstanden.

Im Übrigen ist die Kostenfrage von der noch zu treffenden Entscheidung über die Hauptsache abhängig, weshalb die Beschwerdeentscheidung, die eine Zurückverweisung an die erste Instanz ausspricht, keine Kostenentscheidung zu enthalten hat.

3. Auch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

Die mit Wirkung zum 01.09.2009 in Kraft getretenen Vorschriften des FamFG, auf die § 17 Abs. 1 Abs. 1 SpruchG verweist, sind hier nicht anwendbar. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Durchführung eines Spruchverfahrens wurde vor dem 01.09.2009 gestellt. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 111 FGG-RG, die von der umfassenden Verweisung in § 17 Abs. 1 SpruchG umfasst ist, sind deshalb weiterhin für das gesamte Verfahren - einschließlich des Rechtsmittelverfahrens - die vor dem 01.09.2009 geltenden Verfahrensvorschriften maßgeblich (Kubis in MünchKomm., AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 3). Entscheidend für das anzuwendende Verfahrensrecht ist der Beginn des den Instanzenzug einleitenden erstinstanzlichen Verfahrens (vgl. OLG Stuttgart OLGR 2009, 872; OLG Schleswig NJW 2010, 242; OLG Dresden MDR 2010, 104; OLG Köln FGPrax 2009, 240; FGPrax 2009, 287; OLG Düsseldorf FGPrax 2009, 284; OLG Hamm FGPrax 2009, 285; OLG München ZIP 2010, 496).

Welche Rechtsmittel statthaft sind, richtet sich deshalb nach §§ 12, 17 SpruchG (a.F.) i.V.m. §§ 27 ff. FGG (a.F.). Danach ist ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats nicht gegeben, denn die weitere Beschwerde - das regelmäßig gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts statthafte Rechtsmittel, § 27 FGG (a.F.) - ist nach § 12 Abs. 2 S. 3 SpruchG (a.F.) ausgeschlossen.






OLG Stuttgart:
Beschluss v. 24.06.2010
Az: 20 W 2/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/76e20baf678c/OLG-Stuttgart_Beschluss_vom_24-Juni-2010_Az_20-W-2-09




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