Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 15. Juli 2002
Aktenzeichen: I-20 U 74/02

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 15.07.2002, Az.: I-20 U 74/02)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil der 1. Kammer für Han- delssachen des Landgerichts Duisburg vom 10. Januar 2002 wird zurück- gewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe

I.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 04. Dezember 2001 auf Antrag der Antragstellerin es auf Grund behaupteter Verstöße gegen § 49 Abs. 4 PBefG am 17./18. November 2001 der Antragsgegnerin untersagt, mit den Mietwagen DU-TT 78 und DU-TT 543 Beförderungsaufträge auszuführen, die nicht am Betriebssitz oder in der Wohnung des Unternehmers eingegangen sind. Nachdem die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2001 Widerspruch eingelegt hatte, hat die Kammer im Termin vom 10. Januar 2002 nach Beweisaufnahme den Beschluss aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil es den behaupteten Verstoß nicht für glaubhaft gemacht angesehen hat. Dieses Urteil ist der Antragstellerin am 26. Februar 2002 zugestellt worden. Dagegen hat sie mit Schriftsatz vom 21. März 2002 - bei Gericht eingegangen am 26. März 2002 - Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 26. April 2002 - bei Gericht am gleichen Tage eingegangen - um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gebeten. Sie hat sodann innerhalb der antragsgemäß verlängerten Frist die Berufung begründet.

II.

Der Senat weist die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurück, denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die übrigen Gründe, die einer Zurückweisung durch Beschluss entgegenstehen könnten, spielen hier keine Rolle, weil sie auf die Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) Bezug nehmen (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdnrn. 37/38), die in diesem Verfahren kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, § 542 Abs. 2 S. 1 ZPO).

1.

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin ist bereits deswegen nicht gerechtfertigt, weil sie ihre Dringlichkeit im Sinne des § 25 UWG verloren hat. Es besteht in Rechtsprechung (vgl. BGH NJW-RR 2000, 209) und Literatur (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 54 Rdnr. 24; Melullis, Handbuch Wettbewerbsprozess, 3. Aufl., Rdnr. 175; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdnr. 88; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 25 UWG Rdnr. 16; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 25 Rdnr. 16) weitgehend Einigkeit darüber, dass die zugunsten des Antragstellers bestehende Vermutung der Dringlichkeit durch dessen eigenes Verhalten widerlegt werden kann und insbesondere dann entfällt, wenn er das Verfahren zur Erlangung eines vorläufigen Titels nicht zügig führt oder der in erster Instanz unterlegene Antragsteller das Verfahren nicht zügig weiterbetreibt. Dies ist hier der Fall.

Zwar hat die Antragstellerin auf die behaupteten Verstöße am 17. und 18. November 2001 innerhalb angemessener Zeit reagiert und mit Schriftsatz vom 03. Dezember 2001 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Nachdem jedoch die Kammer mit Urteil vom 10. Januar 2002 - unter Aufhebung des Beschlusses vom 04. Dezember 2001 - den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, hat sie erst mit Ablauf der um einen Monat verlängerten Berufungsbegründungsfrist ihre Berufung begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gibt der in erster Instanz unterlegene Antragsteller durch die volle Ausnutzung einer nicht unerheblich verlängerten Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen zu erkennen, dass es ihm mit der Verfolgung des behaupteten Wettbewerbsverstoßes nicht (mehr) dringlich ist. Die gesetzliche Frist des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO reicht im Regelfalle aus, um zu entscheiden, ob und wie die Berufung begründet werden soll (vgl. Berneke a.a.O.; vgl. auch Melullis, a.a.O., Rdnr. 177a). Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen nicht unerheblichen Zeitraum und deren Ausschöpfung führt nämlich zu einer entsprechenden Verzögerung des Verfahrens, was dem Berufungskläger bewusst ist. Dies gilt in diesem Verfahren um so mehr, als die Ausnutzung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist dazu führte, dass die Sache nicht mehr zusammen mit den ähnliche Sachverhalte betreffenden Verfahren am 9. Juli 2002 verhandelt werden konnte.

Die dagegen erhobenen Einwendungen (OLG Hamburg WRP 1977, 109; WRP 1996, 27, 28), prozessual zulässiges Verhalten des Antragstellers könne nicht gleichzeitig zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung herangezogen werden, greift nicht durch. Die Voraussetzungen einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 S. 2 ZPO) hat mit der Dringlichkeit der Sache nichts zu tun. Eine - erste - Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist bei Geltendmachung üblicherweise als erheblich eingestufter Gründe, an die keinen hohen Anforderungen gestellt werden, zu bewilligen (vgl. Zöller-Gummer, a.a.O., § 520 Rdnr. 19). Demgegenüber führt die Ausschöpfung einer erheblich verlängerten Berufungsbegründungsfrist unweigerlich zu einer - mindestens - entsprechenden Verfahrensverzögerung und damit einer Lage, in der der Antragsteller ersichtlich das angeblich wettbewerbswidrige Verhalten des Antragstellers über einen längeren Zeitraum hinzunehmen bereit ist und damit für nicht so schwerwiegend erachtet.

Die von der Antragstellerin für das Fortbestehen der Dringlichkeit vorgetragenen Gründe reichen nicht aus. Arbeitsüberlastung - soweit diese überhaupt anzuerkennen ist - wird nur für die ersten Tage der verlängerten Frist behauptet. Für ernsthafte Vergleichsgespräche ist nichts ersichtlich. Das gilt um so mehr, als in einem Parallelverfahren der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Berufung Anfang Mai begründet hatte.

2.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Antragstellerin nicht rechtzeitig auf die Folgen einer Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist hingewiesen worden ist.

Ein Hinweis wäre überhaupt nur dann zu erwägen gewesen, wenn damals für den Senat ein Irrtum der Antragstellerin über die Folgen ersichtlich gewesen wäre. Das war jedoch nicht der Fall.

Die Rechtsprechung zum Verlust der Dringlichkeit bei Ausschöpfung der verlängerten Berufungsbegründungsfrist war in sämtlichen Kommentaren und Handbüchern nachlesbar und damit als bekannt vorauszusetzen; von einer Unkenntnis des Problems beim Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin konnte der Senat nicht ausgehen.

Zudem war denkbar, dass der Streitfall besondere Umstände aufwies, die - trotz Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - den Fortbestand der Dringlichkeitsvermutung rechtfertigten (z.B. außergewöhnliche Schwierigkeiten bei der Tatsachenermittlung). Ob und inwieweit derartige Gründe vorhanden waren oder sein würden, darüber konnte der Senat zum damaligen Zeitpunkt nur spekulieren. Auch aus diesem Grunde verboten sich rein vorsorgliche Hinweise.

Vor allem aber blieb offen, ob und inwieweit die Antragstellerin die gewährte Fristverlängerung überhaupt ausnutzen würde.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: 15.000,00 Euro

F.






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