Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Januar 2007
Aktenzeichen: 11 W (pat) 9/03

(BPatG: Beschluss v. 22.01.2007, Az.: 11 W (pat) 9/03)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 198 82 480.7-24 mit der Bezeichnung "Verbessertes System für das Verarbeiten, das Speichern und den Transport von Flüssigerdgas" ist am 20. Dezember 1999 als deutsche Fassung der internationalen Anmeldung (PCT / US98 / 12726) , mit dem PCT-Anmeldetag 18. Juni 1998 und der Veröffentlichungsnummer WO 98 / 59085 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen und angemeldet worden. Für die Anmeldung sind die vier Unionsprioritäten der Erstanmeldungen in den USA vom 20. Juni 1997 (US-Aktenzeichen 60 / 050 280), vom 28. Juli 1997 (US-Aktenzeichen 60 / 053 966), vom 19. Dezember 1997 (US-Aktenzeichen 60 / 068 226) und vom 14. Mai 1998 (US-Aktenzeichen 60 / 085 467) in Anspruch genommen. Der PCT-Veröffentlichungstag ist der 30. Dezember 1998, für die deutsche Übersetzung der 21. Juni 2000.

Die Prüfungsstelle für Klasse C 22 C hat die Anmeldung mit Beschluss vom 12. September 2002, der auf den Bescheid vom 4. Januar 2002 Bezug nimmt, zurück gewiesen, da die Patentanmeldung mit den am 21. Mai 2002 eingegangenen neuen Ansprüchen 1 bis 17 samt neuer Beschreibung nach § 34 PatG nicht einheitlich sei wegen der Gruppe von beanspruchten Gegenständen - wie Behälter sowie Wasserfahrzeug, Verfahren zur Verarbeitung und zum Transport von Erdgas und ein System zum Verarbeiten von Erdgas, welche diesen Behälter aufweisen. Außerdem sei der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 nicht so hinreichend offenbart, dass der Fachmann ihn zweifelsfrei und ohne erfinderisches Zutun nacharbeiten könnte, was sich primär auf die zu wählende Stahllegierung bezieht, die zu ungenau angegeben sei, so dass die Zahl der in Betracht zu ziehenden Stähle ins Unüberschaubare steige. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei unbestimmt und daher nicht gewährbar, was ebenso für die Ansprüche 6, 8, 9, 13 und 16 gelte. Die Unteransprüche müssten mit dem Haupt- bzw. den Nebenansprüchen fallen, auf die sie bezogen sind.

Schließlich fehle es an einem erfinderischen Schritt gegenüber den Druckschriften EP 757 113 A1 (1) und US 55 45 269 (2), aus denen entsprechende Platten und Behälter bekannt seien sowie der US 41 82 254 (3), die nahelege, solche Naturgasbehälter in Transportschiffen zu verwenden. Auch die übrigen Anspruchsgegenstände seien nahegelegt und nicht erfinderisch.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und das Patent mit den Schutzansprüchen 1 bis 4 gemäß Hauptantrag vom 22. Januar 2007, hilfsweise mit dem Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag vom 22. Januar 2007 sowie jeweils mit der Beschreibung vom 21. Mai 2002 und den Zeichnungen (4 Blatt) Figuren 1 bis 5 B zu erteilen.

Die geltenden Ansprüche 1 bis 4 nach dem Hauptantrag lauten:

1. "Behälter zum Speichern von Flüssigerdgas unter Druck bei einem Druck von etwa 1035 kPa bis etwa 7590 kPa und einer Temperatur von etwa -123¡C bis etwa -62¡C, wobei der Behälter durch Verschweißen mehrerer diskreter Platten aus einem ultrahochfesten, niedrig legierten Stahl, der 1 bis 3 Gew.-% Nickel enthält, und eine Zugfestigkeit von mehr als 830 MPa und eine DBTT von weniger als etwa -73¡C aufweist, wobei die Schweißverbindungen zwischen den diskreten Platten etwa dieselbe Festigkeit und Zähigkeit bei diesen Druck- und Temperaturbedingungen aufweisen, um das Flüssigerdgas unter Druck festzuhalten.

2. Behälter nach Anspruch 1, bei welchem das Verschweißen durch Gasmetall-Lichtbogenschweißen erfolgt.

3. Behälter nach Anspruch 1, bei welchem das Verschweißen durch Wolframinertgasschweißen erfolgt.

4. Verwendung eines ultrahochfesten, niedrig legierten Stahls, der 1 bis 3 Gew.-% Nickel enthält, und eine Zugfestigkeit von mehr als 830 MPa und eine DBTT von weniger als etwa -73¡C aufweist für einen Behälter aus mehreren diskreten, miteinander verschweißten Platten, wobei die Schweißverbindungen zwischen den diskreten Platten etwa dieselbe Festigkeit und Zähigkeit aufweisen wie die diskreten Platten, zum Speichern von Flüssigerdgas unter Druck bei einem Druck von 1035 kPa bis etwa 7590 kPa und einer Temperatur von etwa -123¡C bis etwa -62¡C."

Der einzige Anspruch nach dem Hilfsantrag ist identisch mit dem Anspruch 4 des Hauptantrags.

Zur Begründung ihres Antrags führt die Anmelderin aus, dass dem Fachmann nicht bekannt sei, wie er Erdgas aus kleinen Vorkommen wirtschaftlich über große Strecken transportieren könne. Er kenne hochfeste, niedrig legierte Stähle mit geringem Nickelgehalt, hoher Zugfestigkeit und Tieftemperaturzähigkeit, beispielsweise aus der EP 757 113 A1 (1), der US 55 45 269 (2) oder der US 4182 254 (3) und forsche ausgehend von solchen gering nickelhaltigen, gut schweißbaren bekannten Stählen, die er aus Bibliotheken für seine Verwendung auswählen könne, um die beanspruchten Bedingungen zu erfüllen und den erfindungsgemäßen Behälter zu bauen. Die Erfindung bestehe also darin, erkannt zu haben, dass man aus miteinander verschweißten einzelnen Platten aus einem nickelarmen, ultrahochfesten niedrig legierten Stahl mit einer Zugfestigkeit über 830 MPa und einer Sprödbruchtemperaturgrenze DBTT von weniger als etwa -73¡C einen Speicherbehälter bauen kann, mit dem es gelingt, flüssiges Erdgas unter hohem Druck zwischen 1035 und 7590 kPa bei niedrigen Temperaturen von -123 bis -62¡C wirtschaftlich über weite Strecken zu transportieren.

Das neue Patentbegehren sei ursprünglich offenbart, zulässig und gegenüber dem Stand der Technik neu und erfinderisch, also patentfähig.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die in der Anmeldung offenbarten Hauptziele der Erfindung betreffen sinngemäß die Bereitstellung eines verbesserten, kostengünstigeren Systems zum Verarbeiten, Speichern und Transportieren von Flüssigerdgas (LNG) von entfernten Quellen zu kommerziellen Märkten bei wesentlich erhöhten Drücken und Temperaturen (vergl. Beschreibung vom 21.05.2002, S. 5, Abs. 4 i. V. m. S. 8, Abs. 2), wobei erfindungsgemäß das Schlüsselprodukt für diese Anwendungen ein Behälter zum Speichern von Flüssigerdgas bei Tieftemperatur und unter hohem Druck bildet.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet.

Fachmann ist ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Verfahrenstechnik mit Hochschul- oder Universitätsabschluss, langjährig tätig und erfahren in der Entwicklung und dem Bau von Speicherdruckbehältern für flüssige Gase insbesondere Erdgas, der über die dafür notwendigen schweiß- und werkstofftechnischen Kenntnisse auch für hohe Festigkeit und Tieftemperaturbedingungen verfügt oder sich diesbezüglich beraten lässt.

1. Die Ansprüche nach dem Hauptantrag und der Anspruch nach dem Hilfsantrag leiten sich zulässig aus der Ursprungsoffenbarung her, beispielsweise den Ansprüchen 1, 8, 9 u. 10 unter zulässigen Beschränkungen innerhalb der ursprungsoffenbarten Bereiche für den Nickelgehalt und der Festigkeit der Schweißverbindungen.

2. Aufgabenstellung der Erfindung Wirtschaftliches Handeln ist insbesondere im industriellen Bereich eine wesentliche alltägliche Aufgabenstellung. Kann aus wirtschaftlichen Gründen Erdgas nicht in Leitungen transportiert werden, weil sich der Bau einer Leitung nicht lohnt, muss man Speicherbehälter für den Transport verwenden um Gas zu transportieren. Das ist bekanntermaßen umso wirtschaftlicher, je dichter das Gas vorliegt, je größer also seine Masse pro Volumen ist. Deshalb werden Gase üblicherweise fast immer unter hohem Druck, z. T. auch flüssig gespeichert und transportiert (vgl. auch Beschreibungseinleitung der Patentanmeldung).

Das Speichern von Gas in flüssigem Zustand lohnt sich dabei nur, wenn der Kostenanteil zur Gasverflüssigung und zum Erhalten des flüssigen Zustands klein genug ist gegenüber den Gesamttransportkosten.

Die Zustandsabhängigkeiten flüssiger Gase vom Druck und der Temperatur sind aus der Physik allgemein bekannt, vgl. u. a. auch die von der Anmelderin (in urspr. Beschr. S. 7, Z. 9) genannte US 32 98 805 mit schematischer Zeichnung. Danach gilt, je höher der Druck ist, umso höher ist auch die Siedetemperatur, was auch für Methan und flüssiges Erdgas gilt. Diese Abhängigkeit zwischen Druck- und Temperatur von flüssigem Erdgas sind der einschlägigen Physikliteratur zu entnehmen. Gegebenenfalls unter Mithilfe eines flüssiggaserfahrenen Physikers kann daraus leicht die Festlegung wirtschaftlich zweckmäßiger Druck- und Temperaturbereiche für flüssiges Erdgas (LNG) gefunden werden, das in Behältern transportiert werden soll. Dabei sind energiesparend bekanntermaßen möglichst wenig tiefe Temperaturen, dafür aber die entsprechend hohen Drücke zu wählen.

Die Anmeldung (a. a. O. S. 7, Z. 13) nennt die US 41 82 254 (3) für Flüssiggastanks zum Transport von flüssigem Naturgas auf Schiffen bei Drücken bis 10 Atmosphären (rund 1000 kPa) und Temperaturen von -100¡C bis -140¡C, aus Stahl mit 9 % Nickel. Weiter nennt sie die vorgenannte US 32 98 805 mit 9 % Nickelgehalt im Stahl (s. Sp. 5, Z. 47) für den Flüssiggastransport von z. B. LNG und beispielhaft für solche dichten flüssigen Gasmischungen einen Bereich für den Druck zwischen ca. 6900 kPa (1000 psia [Sp. 3, Z. 74] bzw. 70 ata) und ca. 700 kPa (100 psia [Sp. 4, Z. 21] bzw. 7 ata) - also z. B. 3450 kPa (500 psia [Sp. 4, Z. 1] bzw. 35 ata) - und Temperaturen von -90¡C (-130¡F; Sp. 3, Z. 27) bis etwa -130¡C(-200¡C; Sp. 3, Z. 64).

Ausgehend von solchen bekannten LNG-Temperaturbereichen von ca. -90 bis -130¡C mit zugehörigen Drücken von rund 700 bis 7000 kPa wählt der Fachmann für möglichst weniger tiefe Temperaturen dann z. B. rund -60 bis -120¡C, was gemäß der geltenden physikalischen Abhängigkeit f(T) Å f(p) rechnerisch zu höheren Drücken von über 1000 bis etwa 8000 kPa führen kann.

Daher sind die beanspruchten Temperaturbereiche von etwa -123¡C bis -62¡C mit den dann zugeordneten Gasdrücken von beispielsweise etwa 1035 kPa bis 7590 kPa als Zielsetzung, wie das beansprucht ist, vom Fachmann einfach auszuwählen. Dies gilt um so mehr, weil solche Bedingungen für den Erdgastransport, wie die anmeldungsgemäße Beschreibungseinleitung ausführt, in der Fachwelt u. a. von Roger Ffooks ("Natural Gas by Sea", The Development of a New Technology, veröffentlicht von Witherby & Co. Ltd., Ausgaben 1979 und 1993 zu den Bedingungen des Flüssiggastransportes auf Schiffen) bereits diskutiert worden sind, und zwar in Bereichen von mit 1390 kPa bis 7935 kPa und -115¡C bis -60¡C in Verbindung mit niedrig legierten Stählen guter Festigkeit von 760 MPa.

Diese einfachen Überlegungen und wirtschaftlich sinnvoll ausgewählten Druck- und Temperaturbereiche führen direkt zu der Zielsetzung, für das zu speichernde Erdgas einen geeigneten Behälter zu bauen. Größere Gasbehälter - auch für Flüssiggas - werden üblicherweise aus Stahlplatten geschweißt und müssen mit ihren Schweißverbindungen selbstverständlich den Druck- und Temperaturbedingungen des Flüssiggases standhalten.

Die Kernaufgabe ist also, für die gewählten möglichst hohen Flüssigerdgasdrücke bei möglichst wenig tiefen Flüssigerdgastemperaturen geeignete preisgünstige Stähle zur Herstellung hochfester Stahlplatten herauszufinden, die zu einem Flüssigerdgas-Speicherbehälter verschweißt werden können.

Die Lösungssuche richtet sich deshalb auf preisgünstige Stähle mit ausreichender Zugfestigkeit sowie Tieftemperatur- und Schweißeignung zur Herstellung hochfester verschweißbarer Stahlplatten, die den vorgegebenen Temperatur- und Druckbedingungen standhalten.

3. Offenbarung der technischen Lehre Aus Kostengründen kommen nur nieder legierte Stähle mit wenig Nickel in Betracht, also z. B. unter 3 % Nickel, was auch die Schweißbarkeit erleichtert. Mit bekannten Methoden der Festigkeitslehre errechnet sich aus dem Druck im Speicher in Verbindung mit der Speicherkonstruktion und -dimensionierung unmittelbar die notwendige Mindestzugfestigkeit für den Stahl, beispielsweise zu mehr als 830 MPa.

Wegen der tiefen Flüssigerdgastemperaturen muss der Stahl bekanntermaßen eine geeignete Übergangstemperatur zwischen dem Spröd- und Duktilbruchverhalten im Tieftemperaturbereich (DBTT) aufweisen, beispielsweise unter -73¡C.

Die anspruchsgemäßen Festlegungen für den Flüssigerdgas- Speicherbehälter führen den Fachmann somit direkt zu dem Problem, im Bereich der niedrig legierten hochfesten Stähle geeignete herauszufinden, um daraus Platten zum Bau der Behälter herzustellen, die dann die beanspruchten Merkmale erfüllen.

Es bestehen dabei erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit und Nacharbeitbarkeit der beanspruchten technischen Lehre.

Stahllegierungen, auch niedrig legierte, sind stets durch eine Reihe von gewollten Legierungszusätzen und ungewollten Verunreinigungen festgelegt, die für bestimmte Eigenschaften innerhalb bestimmter Bereiche liegen müssen.

Solche Stähle sind entweder veröffentlicht und daher Stand der Technik oder aber der Öffentlichkeit nicht bekannt oder noch nicht gefunden und daher nicht Stand der Technik.

Bekanntlich sind Stähle und ihre Eigenschaften zunächst durch die Stahl-Zusammensetzung und die Stahl-Herstellungsmaßnahmen, wie Erschmelzen und Urformung, bestimmt. Außerdem nehmen weitere Verarbeitungsmaßnahmen, wie Wärmebehandlungen und/oder Umformungen, großen Einfluss auf die Werkstoffeigenschaften und sind daher maßgeblich für das Produkt und dessen Festigkeiten, Formgebung, Abmessungen, Verschweißbarkeit usw. ausschlaggebend; also letztlich für die Belastbarkeiten der Stähle und Platten bei ihrer Verwendung als fertig verschweißte Platten im fertigen Druckbehälter und über die Dauer deren betrieblicher Verwendung.

In den anmeldungsgemäßen Schutzansprüchen gibt es keine näheren Angaben zur Stahlzusammensetzung, zu Behandlungen und zur Plattenherstellung als technische Lehre. Die Beschreibung nennt zwar zahlreiche Veröffentlichungen von bekannten Produkten, die aber nicht unter die beanspruchten Bedingungen fallen sollen.

Die Beschreibung nennt aus parallelen Schutzrechtsanmeldungen drei Stahlbeispiele mit Legierungszusammensetzungen, Behandlungs- und Herstellungsbedingungen, um damit erfindungsgemäß geeignete Stahlplatten herzustellen, die in Verbindung mit geeigneten Schweißzusatzwerkstoffen zur Fertigung von beanspruchten Behältern dienen.

Diese drei konkreten Beispiele kann der Fachmann nacharbeiten.

Verlässt der Fachmann aber die Parameter der drei Beispiele, z. B. hinsichtlich der Stahlzusammensetzung und/oder -herstellung, ist fast alles unbestimmt, so dass er dann nicht mehr sicher und zuverlässig zu einem brauchbaren Produkt mit den beanspruchten Eigenschaften kommen kann, sobald er mit veränderten Parametern in Anlehnung an die Beispiele fachmännisch nachzuarbeiten versucht.

Wegen der Vielzahl maßgeblicher Parameter und den Auswirkungen bei deren Veränderungen ist das Ergebnis nicht mehr vorherzusagen. Erst an den fertigen Produkten Platte bzw. Behälter ist feststellbar, ob die geforderten Eigenschaften erfüllt sind.

Weicht der Nacharbeitende mangels konkreter Festlegungen in den Schutzansprüchen von den Beispiel-Legierungen ab und/oder wählt er andere Herstellungsbedingungen und Behandlungen, so kann er schon wegen der vielen Parameter, Einflussfaktoren und Wechselwirkungen, deren Auswirkungen nur wenig vorhersehbar sind, zu ganz anderen Ergebnissen kommen und erst im Nachhinein feststellen, ob das Ergebnis in den beanspruchten Bereichen liegt, also brauchbar ist oder nicht.

So kann z. B. die beanspruchte Zugfestigkeit und DBTT immer erst am fertigen Produkt gemessen und festgestellt werden. Daher steht der Fachmann vor dem Problem, die Stahllegierung, deren Herstellung, Verarbeitung und Behandlung außerhalb der drei konkret genannten Beispiele dann ohne weitere anmeldungsgemäße Hilfe so wählen zu müssen, dass die fertigen verbauten Stahlplatten und ihre Verschweißung die beanspruchten Werte erfüllen, was er nur im Nachhinein am fertigen Produkt messen und feststellen kann.

Sind geeignete, die beanspruchten Eigenschaften erfüllende Stähle außerhalb der drei anmeldungsgemäß benannten Beispiele nicht ohne weiteres in den einschlägigen Stahltabellen und -veröffentlichungen zusammen mit ihren genannten, hier maßgeblichen Eigenschaften zu finden, so bleibt die beanspruchte Lehre für den nacharbeitenden Fachmann nur eine reine Aufgabenstellung.

Mit seinem fachmännischen Wissen und Können kann er sie weder einfach und zielgerichtet noch vorhersehbar und auch nicht mit Sicherheit zuverlässig lösen. Außerhalb der drei konkret genannten Beispiele ist anmeldungsgemäß für den Fachmann weder eine vollständige technische Lehre noch eine zuverlässige Nacharbeitbarkeit gegeben, so dass es für die Ausführbarkeit an der ausreichenden Offenbarung fehlt.

So sind aus den anmeldungsgemäßen Merkmalen deren Zusammenwirken und Bedeutung für die Erfindung nicht klar und vollständig zu erkennen (vgl. BGH GRUR 90, 432, "Spleißkammer"). Es bleibt daher dem Fachmann überlassen, aus der Vielzahl möglicher Legierungsbestandteile, Herstellungs- und Behandlungsparameter die für die Erfindung wesentlichen herauszusuchen und richtig auszuwählen (vgl. BPatGE 21, 64, Schaltungsanordnungen). Es ist eine Kombinationsfülle konkreter Maßnahmen notwendig, wovon aber nur einige wenige konkret und ohne Hinweis auf deren Zusammenhang, Wechselwirkungen, Einflüsse und mögliche Kombinationen genannt sind (vgl. Schulte PatG. 7. Aufl. § 1, RN. 309 - funktionale Zusammenwirkungen). Diese ergeben sich dem Fachmann im vorliegenden Fall keinesfalls auf einfache, vorhersehbare Weise in Richtung auf ein erfolgreiches Ergebnis. Es handelt sich somit um eine zu allgemeine, zu unbestimmte Lehre, für die lediglich Einzelbeispiele offenbart sind, aus denen der Fachmann eine so weite Verallgemeinerung, wie sie beansprucht ist, nicht herleiten kann (vgl. EPA Entscheidungen TBK, T 435/ 91 ABl 95, 188, 195 u. T 694/92 ABl 97, 408 Nr. 18). Die allgemeine Lehre kommt daher der Aufforderung zur Durchführung einer Forschungsreihe gleich. Die Anmelderin sagt dazu in der mündlichen Verhandlung: Der Fachmann forsche ausgehend vom Stand der Technik in Bibliotheken, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen.

Anders als im Fall "Alpinski" (BGH Entscheidung v. 16.06.1998, X ZB 3/97), wo durch Messwerte ein Lösungsweg aufgezeigt wird, dürfte es im vorliegenden Fall bereits an der notwendigen Deutlichkeit und Vollständigkeit der Gesamtoffenbarung zur Erfüllung der Ausführbarkeit nach § 34, Satz 4 PatG fehlen. Wie dargelegt lassen die wenigen Merkmale der Schutzansprüche - ergänzt durch die Beschreibungsangaben - nicht erkennen, wie der Durchschnittsfachmann durch übliches Handeln einschließlich Routineversuchen zielgerichtet und erfolgreich zu Lösungen außerhalb der drei konkret genannten Stahlbeispiele gelangen kann.

4. Dies kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil zumindest im Rahmen der drei zitierten Stahlbeispiele, einschließlich gegebenenfalls notwendiger Routineuntersuchungen, insoweit eine technische Lehre offenbart ist, die nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Aus keiner der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen ist ein Speicherbehälter mit sämtlichen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen bekannt. Er beruht aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Wie zur Aufgabenstellung unter 2. ausgeführt, führen vorgegebene Bedingungen unter wirtschaftlichen Gesichtpunkten zur Aufgabenstellung der Erfindung; übliche Maßnahmen und einfache, nahe liegende Überlegungen führen zu einem Speicherbehälter für Flüssigerdgas unter hohem Druck, zumal an Hand des anmeldungsgemäß genannten Buchs von Roger Ffooks, "Natural Gas by Sea", The Development of a New Technology (veröffentlichet von Witherby & Co. Ltd., erste Ausgabe 1979, zweite Ausgabe 1993) zu den Bedingungen des Flüssiggastransportes auf Schiffen zielführende Hinweise gegeben sind.

Einfache Überlegungen und die bekannten physikalischen Zusammenhänge führen zur Auswahl und Festlegung von wirtschaftlich zweckmäßigen, technisch erreichbar erscheinenden Druck- und Temperaturbereichen für das flüssig zu transportierende Erdgas - wie beansprucht von etwa 1035 kPa bis etwa 7590 kPa sowie von etwa -123¡C bis etwa -62¡C -, wie sie ähnlich für Flüssigerdgas in der US 41 82 254 (3) und US 32 98 805 genannt sind und sich mit den beanspruchten Druck- und Temperaturbereichen überdecken.

Einen Flüssigerdgasspeicherbehälter für kommerzielle LNG-Verwendung durch Verschweißen aus mehreren Einzelplatten herzustellen, ist eine Selbstverständlichkeit.

Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte führen einerseits zu möglichst energiesparenden Tieftemperaturen, die eine entsprechende Materialeignung voraussetzen, und demzufolge andererseits zu entsprechend hohen Flüssiggasdrücken, die hohe Materialfestigkeiten des Stahls verlangen, der aus Kostengründen auch unter Reduzierung des teuren Nickels niedrig legiert sein soll. Hierdurch ergibt sich für die Behälterstahlplatten ohne weiteres der beanspruchte ultrahochfeste, nieder legierte Stahlbereich mit Nickel zwischen 1 und 3 Gew. %.

In soweit sind die Festlegungen einfacher und nahegelegter Art.

Es ist somit zu prüfen, ob für die Lösung der Kernaufgabe entsprechende Stähle in naheliegender Weise bereitstanden.

Die Mindestzugfestigkeit für den Stahl von 830 MPa und der untere Grenzwert für die Übergangstemperatur DBTT von weniger als -73¡C ergeben sich aus üblichen Festigkeitsberechnungen der Behälterkonstruktion, was zur genannten Kernaufgabe führt, den dazu passenden Werkstoff und dessen Behandlung für die Stahlplatten aufzufinden.

Dies betrifft auch die Schweißverbindung der Stahlplatten, die sinnvollerweise etwa dieselbe Festigkeit und Zähigkeit bei den angegebenen Druck- und Temperaturbedingungen aufweisen müssen.

Aus der EP 0 757 113 A1 (1) sind hochfeste nieder legierte Stähle mit guter Tieftemperaturzähigkeit und Schweißbarkeit bekannt, die mindestens 950 MPa Zugfestigkeit erreichen (vgl. z. B. S. 2, Abs. 1), also mehr als anmeldungsgemäß gefordert. Deren Nickelgehalt beträgt 1 % oder weniger (vgl. S. 5, Z. 51), und überdeckt sich im Randwert insoweit mit dem anmeldungsgemäßen. Diese Stähle sind zwar für Leitungsrohre zum Transport gasförmigen Erdgases benannt, können gemäß Beschreibungseinleitung aber auch für verschiedene Druckbehälter verwendet werden (vgl. S. 1, Z. 15). Als 50 % Bruchübergangstemperatur sind für diese Stähle -120¡C bis -160¡C (Beispiel 1, Tabelle 2, vTrs) und -85¡C bis -195¡C (Beispiel 2, Tabelle 4, vTrs) genannt, was im Unterschied zum beanspruchten Stahl außerhalb des beanspruchten DBTT- Bereiches von weniger als -73¡C liegt. Zu den zahlreichen Legierungskomponenten und deren Bereichen nach (1) fehlen anmeldungsgemäße Angaben. In (1) sind auch nicht, wie anmeldungsgemäß beansprucht, die Druck- und Temperaturbereiche zur Aufnahme von Flüssigerdgas genannt.

Aus der US 5 545 269 (2) sind ebenfalls ultrahochfeste nieder legierte Stähle für Stahlplatten mit hervorragender Schweißbarkeit und Niedertemperaturzähigkeit bekannt (vgl. z. B. Sp. 1, Abs. 1). Die Legierungskomponenten dieser aus (2) bekannten Stähle (vgl. dort Anspruch 6) überdecken sich mit allen notwendigen Legierungskomponenten aus den drei patentgemäß genannten Stahlbeispielen.

Mit 0,5 bis 2,0 % Nickel überdeckt sich auch dieser Gehalt der Stähle mit dem beanspruchten. Durch die Behandlungen und Sekundärhärtung erreichen diese Stähle Zugfestigkeiten von mindestens 827 MPa (vgl. Anspruch 9: ³ 120 ksi), was im anmeldungsgemäß beanspruchten Bereich liegt.

Zwar sind diese Stähle für Platten zum Verschweißen zu Leitungsrohren genannt, doch sind solche Platten offensichtlich auch für Behälter zu verwenden. Die Charpy-V-Kerbschlagzähigkeit bei -40¡C liegt deutlich über 200 Joules, vorzugsweise über 120 Joules. Eine DBTT ist dazu nicht genannt, auch nicht von weniger als -73¡C. Eine Umrechnung der Duktil-/Sprödbruchergebnisse oder Vergleichstafeln erlauben keine sichere Zuordnung, so dass ein zuverlässiger Vergleich und Schlussfolgerungen aus den Werten nach (2) gegenüber der beanspruchten DBTT nicht möglich sind.

Zur Speicherung von flüssigem Gas nennt die DE 17 58 593 einen nieder legierten Stahl mit 0,5 bis 3 % Nickel, hoher Zugfestigkeit sowie guter Kerbschlagfestigkeit bei Übergangstemperaturen unter -73¡C.

Wenngleich für den geforderten Anwendungsbereich bei den aus diesem Stand der Technik bekannten Stählen nicht im Einzelnen die beanspruchten mechanischen Eigenschaften (Zugfestigkeit, DBTT) in den gewünschten Druck- und Temperaturbereichen angegeben sind, so kann sich der Fachmann dennoch an diesen, den anmeldungsgemäß beanspruchten Stählen sehr nahe kommenden bekannten Stahlbeispielen orientieren und/oder nach weiteren Stahlbeispielen mit dazu angegebenen DBTT-Werten recherchieren, oder entsprechende übliche Versuche anstellen.

Soweit der Fachmann mit solchen bekannten Stählen und einfachen üblichen Versuchen zu Legierungszusammensetzungen und Behandlungsbedingungen gelangen kann, mit denen die beanspruchten Zugfestigkeits- und DBTT-Werte für Behälterstahlplatten erreicht werden, beruht der beanspruchte Speicherbehälter bzw. dessen Lehre nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit, weil alle insoweit notwendigen Schritte - wie dargelegt - dann bereits bekannt oder üblich und fachmännisch einfach sind.

Eine patentbegründende erfinderische Tätigkeit ist damit nicht verbunden.

Der Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar.

Auch die Anmelderin selbst konnte in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen, in welchen Merkmalen oder Merkmalskombinationen die erfinderische Leistung begründet sein soll. Sie hat die Gesamtheit aller Anspruchsmerkmale genannt.

Sollte der Fachmann jedoch mit den bekannten Stählen und Behandlungen, gegebenenfalls auch üblichen einfachen Versuchen nicht zu entsprechenden geeigneten beanspruchten Stahlplatten gelangen können, so ist die anmeldungsgemäß beanspruchte Lehre dann, wie bereits zuvor dargelegt, weder vollständig noch vom Fachmann nacharbeitbar.

Stahlplatten nach den Ansprüchen 2 und 3 zu einem Behälter mit an sich bekannten Schweißverfahren wie dem Gasmetall-Lichtbogen- oder Wolframinertgasschweißen zu verbinden, betrifft rein fachmännisches Handeln ohne erfinderischen Gehalt.

Der Anspruch 4 nach dem Hauptantrag, inhaltsgleich mit dem einzigen Anspruch nach dem Hilfsantrag, betrifft die Verwendung des im Anspruch 1 nach Hauptantrag festgelegten Stahls für einen ebensolchen Behälter aus Platten mit Schweißverbindungen zum Speichern von Flüssigerdgas unter Druck und Temperaturen, wie sie ebenfalls bereits im Anspruch 1 Hauptantrag festgelegt sind.

Diese Verwendung des in Anspruch 1 Hauptantrag definierten Stahls für die Platten des dort festgelegten Speicherbehälters zum Speichern von Flüssigerdgas unter den dort angegebenen Bedingungen ist selbstverständlich, zumindest naheliegend.

Die zu Anspruch 1 aufgezeigten Gründe stehen entsprechend auch hier entgegen.

Deshalb hat auch der Anspruch 4 nach dem Hauptantrag und der übereinstimmende einzige Anspruch nach dem Hilfsantrag keinen erfinderischen Gehalt.

Die Ansprüche 2 bis 4 nach dem Hauptantrag sowie der Anspruch des Hilfsantrags sind daher ebenfalls nicht gewährbar.

Die Beschwerde der Anmelderin ist daher zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 22.01.2007
Az: 11 W (pat) 9/03


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