Verwaltungsgericht Cottbus:
Urteil vom 18. Juli 2013
Aktenzeichen: VG 1 K 420/12

(VG Cottbus: Urteil v. 18.07.2013, Az.: VG 1 K 420/12)

Im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG sind "zur Vertretung berechtigte Personen" einer juristischen Person, die sich um eine Fahrschulerlaubnis bewirbt, allein die organschaftlichen Vertreter (hier: Geschäftsführer einer GmbH).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Fahrschulerlaubnis.

Sie ist ein Unternehmen, das als Dienstleister im Öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis mit einem Schwerpunkt in der Sicherung der Schülerbeförderung tätig ist und daneben auch Gelegenheits- und Mietwagenverkehre erbringt. Sie stellte mit Schreiben vom 25. August 2011 beim Beklagten einen Antrag auf Anerkennung ihrer Fahrschule für die Ausbildung der Führerscheinklasse D. Im Antrag gab sie unter anderem an, dass der 1961 geborene Udo M., der über einen Fahrlehrerschein verfüge und an einem Fahrschulbetriebswirtschaftslehrgang teilgenommen habe, zur verantwortlichen Person der Fahrschule bestellt werden solle. Unter dem 10. Oktober 2011 führte sie aus, dass sie der Rechtsansicht des Beklagten nicht folgen könne, als Fahrschulleiter einer juristischen Person komme nur der Geschäftsführer in Betracht. § 11 FahrlG stelle auf eine Vertretung der Gesellschaft ab, ohne diese Vertretung auf den organschaftlichen Vertreter zu beschränken. Es sei beabsichtigt, den Fahrschulleiter mit einer entsprechenden Handlungsvollmacht auszustatten.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 13. Januar 2012 ab. Eine Handlungsvollmacht, die Herrn M. erteilt werden solle, stelle keine Vertretungsberechtigung im Sinne des § 11 Abs. 2 FahrlG dar, da hierunter nur die organschaftliche Vertretung der juristischen Person zu verstehen sei. Der verantwortliche Leiter des Ausbildungsbetriebes müsse berechtigt sein, die juristische Person allein zu vertreten, weil er allgemein und gegenüber den staatlichen Aufsichtsorganen die alleinige Verantwortung für die Betätigung der juristischen Person im Fahrschulbereich trage. Ein Prokurist oder ein sonstiger Angestellter könne nicht zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebes ernannt und bestellt werden.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 15. Februar 2012 Widerspruch. Die vom Beklagten vertretene Rechtsansicht sei weder durch den Gesetzeswortlaut noch durch die Auslegung gerechtfertigt. Die Vertretung einer juristischen Person sei entweder organschaftlich oder aufgrund rechtsgeschäftlicher Vollmacht möglich. Der Hinweis, dass nur einem Vertreter mit Alleinvertretungsmacht die Fahrschulleitung übertragen werden könne, weil er die alleinige Verantwortung gegenüber den staatlichen Behörden trage, gehe schon deshalb fehl, weil das Gesetz grundsätzlich von einer gemeinschaftlichen Vertretung aller Geschäftsführer ausgehe. Zudem könne auch einem Prokuristen eine Alleinvertretungsmacht erteilt werden. Auch § 17 Nr. 7 FahrlG stehe ebenso wenig entgegen, da diese Regelung nur eine Anzeigepflicht vorgebe, nicht aber die Voraussetzungen für die Erteilung der Fahrschulerlaubnis normiere. Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 lit. b der Durchführungsverordnung zur Fahrlehrergesetz stütze ihre Auffassung, da darin ausdrücklich auch auf die rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht abgestellt werde.

Die Klägerin hat nach Zurückweisung des Widerspruchs am 24. April 2012 Klage erhoben, mit der sie ihr Antragsbegehren weiterverfolgt. Sie nimmt Bezug auf ihr Widerspruchsvorbringen und vertieft dieses.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2012 zu verpflichten, ihr eine Fahrschulerlaubnis für die Klasse D zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die getroffene Entscheidung und führt ergänzend aus, dass auch eine Ausnahme nach § 34 FahrlG nicht erteilt werden könne.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 25. April 2013 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen, wird auf die Gerichtsakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (Beiakte I) Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung einer Fahrschulerlaubnis. Der Bescheid des Beklagten vom 13. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. März 2012 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO]). Die Klägerin erfüllt nicht alle gesetzlich notwendigen Voraussetzungen für einen solchen Anspruch.

Rechtsgrundlage des Begehrens ist das Gesetz über das Fahrlehrerwesen (Fahrlehrergesetz - FahrlG) vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1336), im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 - 11 B 98.1496 -, NZV 2001, 275, juris Rn. 29) zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2013 (BGBl. I S. 1558). Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 FahrlG bedarf, wer als selbständiger Fahrlehrer Fahrschüler ausbildet oder durch von ihm beschäftigte Fahrlehrer ausbilden lässt, einer Fahrschulerlaubnis. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Fahrschulerlaubnis sind (von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen) in § 11 FahrlG normiert. Da es sich bei der Klägerin als Gesellschaft mit beschränkter Haftung um eine juristische Person handelt (vgl. § 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung [GmbHG]), sind vorliegend die Sonderregelungen in § 11 Abs. 2 FahrlG heranzuziehen. Danach wird in den Fällen, in denen der Bewerber eine juristische Person ist, die Fahrschulerlaubnis erteilt, wenn die in § 11 Abs. 1 Nr. 6 FahrlG genannten Voraussetzungen erfüllt sind und keine Tatsachen vorliegen, die die zur Vertretung berechtigten Personen als unzuverlässig erscheinen lassen und eine von ihnen, die die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 FahrlG erfüllt, zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebs bestellt wird.

Dem Anspruch der Klägerin steht vorliegend entgegen, dass sie keine im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG zur Vertretung berechtigte Person zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebs bestellt hat bzw. bestellen will. Der von ihr hierfür vorgesehene Udo M. wird, da er nicht zum Kreis der Geschäftsführer der Klägerin, mithin zu deren organschaftlichen Vertretern, gehört, den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht.

Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift - wie auch die Klägerin anführt - nicht eindeutig, da nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (§§ 164 ff. BGB) und des Handelsgesetzbuches (§§ 48 ff. HGB) auch diejenigen im Rechtssinne zu einer Vertretung berechtigt sind, die aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Erteilung über eine (Handlungs-)Vollmacht oder Prokura verfügen. Jedoch sprechen die Entstehungsgeschichte und der Wille des Gesetzgebers ebenso wie systematische Gründe für ein Verständnis des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG dahingehend, dass mit den "zur Vertretung berechtigten Personen" die organschaftlichen Vertreter der juristischen Person, die sich um die Erteilung einer Fahrschulerlaubnis bemüht, gemeint sind. Dies wird auch vom Sinn und Zweck der Bestimmung getragen (in diesem Sinne auch: Dauer, Fahrlehrerrecht, 2010, § 11 Anm. 26; Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 6. Aufl. 1999, § 11 Rn. 15; a.A.: Koch, Das neue Fahrlehrerrecht, 1999, § 11 Rn. 98; offengelassen: VG Augsburg, Beschluss vom 21. August 2002 - Au 3 S 02.882 -, juris Rn. 27).

In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1336) verlangte § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG für die Erteilung einer Fahrschulerlaubnis, dass keine Tatsachen vorliegen, die die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen als unzuverlässig erscheinen lassen, womit zweifelsfrei allein auf die Organe der juristischen Person bzw. des (seinerzeit als tauglicher Bewerber für eine Fahrschulerlaubnis vorgesehenen) nicht-rechtsfähigen Vereins - namentlich den Geschäftsführer einer GmbH, den Vorstand einer Aktiengesellschaft bzw. Genossenschaft oder den Vorstand des Vereins - abgestellt wird, deren Vertretungsmacht jeweils durch das Gesetz (§§ 35, 37 GmbHG, §§ 78, 82 AktG oder §§ 26 f. GenG) bzw. durch die Vereinssatzung (§ 26 Abs. 1 BGB) bestimmt werden. Hiervon ist der Gesetzgeber auch durch die Ersetzung der Fassung "nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen" durch die Fassung "zur Vertretung berechtigte Personen" durch Art. 2 Nr. 8 lit. b des Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes vom 13. Mai 1986 (BGBl. I S. 700) nicht abgerückt. Denn wie sich aus der Erwägungen der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 10/4490 S. 24) ergibt, diente dies - ebenso wie die im selben Zuge erfolgte Streichung der Möglichkeit für nicht-rechtsfähige Vereine, die Fahrschulerlaubnis zu erlangen - allein der Verwaltungs- und Gesetzesvereinfachung. Da der Gesetzgeber darauf abstellte, dass der Hinweis auf Gesetz oder Satzung in § 11 Abs. 2 FahrlG verzichtbar sei, "weil sich die Vertretung einer juristischen Person stets nach den zugrundeliegenden Rechtsvorschriften, wie z.B. §§ 6, 35 GmbHG, richtet", kann nicht angenommen werden, dass er eine Erweiterung des für die Zuverlässigkeitsprüfung relevanten Personenkreises beabsichtigte.

Dass das Fahrlehrergesetz auch weiterhin allein die organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person als relevant für die Fahrschulerlaubnis nach § 11 Abs. 2 FahrlG ansieht, lässt sich zudem an anderen Vorschriften des Gesetzes erkennen. So wird insbesondere in der korrelierenden Vorschrift des § 17 Nr. 7 FahrlG über die Anzeigepflicht angeordnet, dass der Inhaber bzw. der verantwortliche Leiter des Ausbildungsbetriebs (nur) die Bestellung oder das Ausscheiden von Personen, die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufen sind, unverzüglich der Erlaubnisbehörde anzuzeigen hat. Diese Regelung wurde weder im Zusammenhang mit dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Fahrlehrergesetzes vom 13. Mai 1986 noch in der Folgezeit einer Änderung unterzogen. Außerdem sind nach dieser Bestimmung der Anzeige bei einer juristischen Person ein beglaubigter Auszug aus dem Handelsregister oder Vereinsregister, bei einem nicht-rechtsfähigen Verein Unterlagen über die Vertretungsbefugnis der für ihn handelnden Personen beizufügen, was den Bezug auf die organschaftlichen Vertreter nochmals verdeutlicht. Dass eine solche Verpflichtung zur Vorlage von beglaubigten Auszügen aus dem Handels- oder Vereinsregister beim Antrag auf Erteilung einer Fahrschulerlaubnis nach § 12 Abs. 2 FahrlG seit der Streichung durch Art. 1 Nr. 10 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Fahrlehrergesetzes vom 19. März 2008 (BGBl. I S. 418) nicht mehr erforderlich ist, spricht nicht dagegen. Denn die letztgenannte Änderung beruht nach der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/7080 S. 19) allein auf der mit dem Vierten Änderungsgesetz verfolgten Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl.EG L 255, S. 22) für den Bereich des Fahrlehrerrechts sowie auf dem Ziel, eine Inländerdiskriminierung auszuschließen.

Auch eine weitere systematische Erwägung spricht gegen die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG. Die Norm verlangt für die Erteilung der Fahrschulerlaubnis das Fehlen von Tatsachen, die die zur Vertretung berechtigten Personen als unzuverlässig erscheinen lassen. Die Verwendung des bestimmten Artikels ("die zur Vertretung berechtigten Personen") macht klar, dass es für die Frage einer Zuverlässigkeit auf alle Vertreter ankommt (so bereits die amtliche Begründung [VkBl. 1957, 411 f.] zu § 5 der Verordnung über Fahrlehrer im Kraftfahrzeugverkehr [Fahrlehrerverordnung] vom 23. Juli 1957 [BGBl. I S. 769], auf die die Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 2 FahrlG [BT-Drs. V/4181 S. 16] Bezug genommen hat; vgl. auch VG Augsburg, Urteil vom 17. November 2009 - Au 3 K 09.16 -, juris Rn. 38). An das (Fort-)Bestehen der Zuverlässigkeit der "zur Vertretung berechtigten Personen" knüpft das Fahrlehrergesetz auch den Bestand der erteilten Fahrschulerlaubnis. Denn wenn eine der Voraussetzungen des § 11 FahrlG nicht vorgelegen hat, ist die mit der Überwachung der Fahrschulen betraute Behörde verpflichtet, die Fahrschulerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Satz 1 FahrlG zurückzunehmen; sie ist nach § 21 Abs. 2 Satz 1 FahrlG (ohne dass ihr ein Ermessen eingeräumt ist, vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 1996 - BVerwG 1 B 199.96 -, GewArch 1997, 72, juris Rn. 5; Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 - 11 CS 05.2748 -, juris Rn. 23) verpflichtet, die Fahrschulerlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich eine der in § 11 Abs. 2 FahrlG genannten Voraussetzungen weggefallen ist. Wollte man der Auslegung der Klägerin folgen, zu den "zur Vertretung berechtigten Personen", die zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebs bestimmt werden können, zählten auch die (nur) mit einer rechtsgeschäftlichen Handlungsvollmacht ausgestatteten Angestellten der juristischen Person, würde dies das Erfordernis der Zuverlässigkeit nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG auch auf diesen Personenkreis ausdehnen. Damit würde das Fahrlehrerrecht deutlich über das übrige Gewerberecht hinausgehen, ohne dass erkennbar wäre, aus welchen Notwendigkeiten des Rechtsgebiets dies geboten sein sollte. Die Vorschriften über die an Fahrschulinhaber zu stellenden Anforderungen sind nach ständiger Rechtsprechung gewerberechtlicher Art (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. Juni 1965 - BVerwG I C 34.63 -, BVerwGE 21, 203, juris Rn. 10 f.; BVerwG, Beschluss vom 29. November 1982 - BVerwG 5 B 62.81 -, Buchholz 451.28 Fahrlehrer Nr. 11, juris Rn. 4; BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - BVerwG 1 B 197.96 -, Buchholz 451.28 Fahrlehrer Nr. 17, juris Rn. 6). Die im allgemeinen Gewerberecht entwickelten Grundsätze für die Beurteilung der Zuverlässigkeit gelten auch für den Bereich des Fahrschulrechts (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1996 - BVerwG 1 B 197.96 -, Buchholz 451.28 Fahrlehrer Nr. 17, juris Rn. 8). Im Bereich des Gewerberechts kommt es für den Untersagungstatbestand der Unzuverlässigkeit nach § 35 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1738), bei einer juristischen Person als Gewerbetreibende nach einhelliger Auffassung jedoch grundsätzlich allein auf die gesetzlich vertretungsberechtigten Personen, im Fall einer GmbH mithin auf den bzw. die Geschäftsführer an (vgl. Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Aufl. 2011, § 35 Rn. 95; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand: Februar 2013, § 35 Rn. 65; Brüning in Pielow, GewO, 2009, § 35 Rn. 27, jeweils m.w.N. der Rechtsprechung). Ausnahmen bestehen zwar für den Betriebsleiter (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) und den Stellvertreter (§ 45 GewO) sowie für den Fall, dass der Gewerbetreibende einem unzuverlässigen Dritten einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung einräumt oder nicht willens oder in der Lage ist, einen derartigen Einfluss auszuschalten (vgl. hierzu: Brüning in Pielow, GewO, § 35 Rn. 29 f.; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, § 35 Rn. 66 ff.). Aber nicht jeder Vollmachtinhaber wird hiervon erfasst.

Die Verknüpfung der organschaftlichen Vertretung und der verantwortlichen Leitung des Ausbildungsbetriebs in § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG ist auch angesichts der Aufgaben des Leiters sachgerecht. Denn das Fahrlehrergesetz legt dem verantwortlichen Leiter eine Reihe verschiedener, persönlich zu erfüllender Pflichten auf, die ihm eine wesentliche Stellung in der Führung der Fahrschule für die juristische Person gibt. Zentrale Norm ist hierbei § 16 FahrlG, der die allgemeinen Pflichten des Inhabers der Fahrschule bzw. des verantwortlichen Leiters definiert. Zu nennen sind daneben die dem Leiter obliegenden Anzeigepflichten nach § 17 FahrlG und sowie die Aufzeichnungspflichten nach § 18 FahrlG. Er ist in der von einer juristischen Person betriebenen Fahrschule der eigentliche Garant dafür, dass die notwendige, staatlich vorgeschriebene und für den Fahrschüler zeit- und kostenaufwendige Ausbildung vorschriftsmäßig und qualitativ hochwertig angeboten und durchgeführt wird. An seinen Pflichtenkreis sind daher hohe Anforderungen zu stellen, denn der Betrieb einer Fahrschule soll die ordnungsgemäße Ausbildung der Fahrschüler im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs und zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter, wie Leben und körperliche Unversehrtheit sicherstellen, schließlich stellen Fahrerlaubnisinhaber, die ohne nachgewiesene ausreichende Kenntnisse der straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen und der Verhaltensweisen zur Gefahrenabwehr am Straßenverkehr teilnehmen, eine erhebliche Gefahr für diese Rechtsgüter dar (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 5. Oktober 2006 - 11 CS 05.2748 -, juris Rn. 36; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. August 2002 - 9 S 1039/02 -, NVwZ-RR 2003, 30, juris Rn. 9; VG Augsburg, Beschluss vom 27. Oktober 2008 - Au 3 S 08.1161 -, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urteil vom 8. Juli 1999 - 6 K 1842/98 -, juris Rn. 17). Dies gilt auch für die Pflichten nach §§ 17, 18 FahrlG, bei denen es sich nicht um bloße Ordnungsvorschriften handelt, sondern um notwendige Grundlagen für die wirksame Überwachung durch die Aufsichtsbehörden, dass die Fahrschüler eine ordnungsgemäße Ausbildung erfahren; auch sie dienen damit zugleich der Sicherheit des Straßenverkehrs (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. August 2002 - 9 S 1039/02 -, NVwZ-RR 2003, 30, juris Rn. 5; Sächsisches OVG, Beschluss vom 12. November 2010 - 3 B 32/10 -, juris Rn. 11). Der verantwortliche Leiter hat daher insbesondere dafür zu sorgen, dass die Ausbildung der Fahrschüler den Anforderungen des § 6 Abs. 1 und 3 FahrlG entspricht (§ 16 Abs. 1 Satz 1 FahrlG), somit die gewissenhafte Ausbildung der Fahrschüler und die Vermittlung der Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen an die Fahrschüler zu gewährleisten, die das Straßenverkehrsgesetz und die auf diesem sowie auf dem Fahrlehrergesetz beruhenden Rechtsverordnungen für die Ausbildung und Prüfung der Fahrerlaubnisbewerber erfordern. Nicht zuletzt zu diesem Zweck hat er die beschäftigten Fahrlehrer gründlich in die Aufgaben einer Fahrschule einzuführen und sie bei der Ausbildung der Fahrschüler und bei der Durchführung von Aufbauseminaren im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes sachgerecht anzuleiten und zu überwachen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 FahrlG). Der Leiter darf danach die angestellten Fahrlehrer nicht ohne inhaltliche und organisatorische Vorgabe arbeiten lassen und muss ständig kontrollieren, ob diese Vorgaben eingehalten werden (vgl. Dauer, Fahrlehrerrecht, § 16 Anm. 7). Diese Überwachungs- und Anleitungsaufgabe kann der verantwortliche Leiter nur effektiv wahrnehmen, wenn er gegenüber den angestellten bzw. von der juristischen Person beschäftigten Fahrlehrern mit wirksamen und umfassenden Weisungsbefugnissen ausgestattet ist, die eine Durchsetzung der Vorgaben sicherstellen. Dies bedingt die Ausstattung einer in ihrem Umfang (gerade auch durch die angestellten Fahrlehrer) unbezweifelbaren Vertretungsmacht, mit der er im Namen der juristischen Person, die Vertragspartner des angestellten Fahrlehrers ist, auftritt. Bei einer rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht ist dies - da sie auch nach außen auf bestimmte Rechtsgeschäfte beschränkt erteilt werden kann (vgl. Schramm in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 164 Rn. 70; Valenthin in Bamberger/Roth, BeckOK-BGB, Stand: Mai 2013, § 167 Rn. 20) - nicht in einem gleichen Maße sichergestellt, wie dies beispielsweise bei dem Geschäftsführer einer GmbH der Fall ist. Denn dessen Vertretungsmacht ist kraft Gesetzes nach außen (ungeachtet interner Bindungen durch Weisungen der Gesellschafter) nicht beschränkbar (§ 37 GmbHG); Gleiches gilt für Vorstände einer Aktiengesellschaft (vgl. § 82 AktG) oder einer Genossenschaft (§ 27 GenG).

Soweit die Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung auf den Wortlaut des § 16 Abs. 1 lit. b der Durchführungsverordnung zur Fahrlehrergesetz vom 19. Juni 2012 (BGBl. I S. 1346), zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. Januar 2013 (BGBl. I S. 35), verweist, wonach im örtlichen Fahrlehrerregister bei Erlaubnissen und Anerkennungen von juristischen Personen und Behörden für die Zwecke des § 38 FahrlG Name oder Bezeichnung und Anschrift sowie zusätzlich bei juristischen Personen die nach Gesetz, Vertrag oder Satzung zur Vertretung berechtigten Personen einzutragen sind, ist dem nicht zu folgen. Denn ungeachtet der Frage, ob mit dem genannten "Vertrag" das gemeint ist, was die Klägerin damit verbindet - denkbar erscheint insoweit, dass hiermit die durch einen Gesellschaftsvertrag erfolgte Bestellung zum Geschäftsführer der juristischen Person erfasst werden soll -, kann jedenfalls angesichts des eindeutigen, aus dem Fahrlehrergesetz hergeleiteten Auslegungsergebnisses die untergesetzliche Verordnungsvorschrift kein anderes Verständnis begründen.

Die Klägerin kann ihren Anspruch auf Erteilung einer Fahrschulerlaubnis auch nicht auf die Bewilligung einer Ausnahme stützen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 FahrlG kann die zuständige Behörde unter anderem von der Vorschrift des § 11 Abs. 2 FahrlG Ausnahmen zulassen. Die Ausnahmen nach § 34 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FahrlG können jedoch gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 FahrlG nur genehmigt werden, wenn Gründe der Verkehrssicherheit nicht entgegenstehen. Ungeachtet der Frage, ob die vom Beklagten (erstmals) im Schriftsatz vom 30. April 2013 angestellten Erwägungen die Versagung einer Ausnahmebewilligung rechtfertigen könnten, steht der Einräumung einer Ausnahme von der Verpflichtung des § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG, nur einen organschaftlichen Vertreter zum verantwortlichen Leiter des Ausbildungsbetriebes zu bestellen, jedenfalls entgegen, dass vorliegend unklar ist, mit welcher Vertretungsmacht der als verantwortlicher Leiter vorgesehene Herr M. von der Klägerin ausgestattet werden soll. Im Schreiben vom 10. Oktober 2011 heißt es lediglich pauschal, dass er "mit einer entsprechenden Handlungsvollmacht" versehen werden soll; im Klageverfahren wurde dies nicht weiter konkretisiert. Eine konkrete und sachgerechte Prüfung ist somit schon nicht möglich, ob die Gewährleistung der von § 11 Abs. 2 Satz 1 FahrlG in Verbindung insbesondere mit § 16 FahrlG verfolgten Ziele einer an der Verkehrssicherheit orientierten Ausbildung der Fahrschüler auch dann hinreichend gegeben ist, wenn der verantwortliche Leiter des Ausbildungsbetriebs bei der Klägerin nicht aus dem Kreis der Geschäftsführer bestimmt wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.






VG Cottbus:
Urteil v. 18.07.2013
Az: VG 1 K 420/12


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