Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 16. April 2007
Aktenzeichen: 9 WF 68/07

(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 16.04.2007, Az.: 9 WF 68/07)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat in dem Beschluss vom 16. April 2007 (Aktenzeichen 9 WF 68/07) eine Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragstellerin hatte eine Ermäßigung der Kosten beantragt, was jedoch laut Gericht nicht gerechtfertigt war. Das Gericht erläutert, dass gemäß § 66 Abs. 2 GKG die Beschwerde in diesem Fall zwar statthaft und zulässig war, aber keine Erfolgsaussichten hatte.

Im ersten Abschnitt der Begründung führt das Gericht aus, dass die Nr. 1311 Ziffer 2 des Kostenverzeichnisses zum GKG in diesem Fall nicht anwendbar ist. Dies liegt daran, dass das Amtsgericht in seinem Urteil vom 14. November 2006 einen vollständigen Tatbestand und vollständige Entscheidungsgründe niedergelegt hatte. Gemäß Nr. 1311 Ziffer 2 KV GKG würde die Gebühr nur dann ermäßigt, wenn das Urteil keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält. Da das Urteil aber sowohl hinsichtlich des Scheidungsausspruches als auch hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich sowohl mit einem Tatbestand als auch mit Entscheidungsgründen versehen war, war die Anwendung dieser Kostenermäßigung nicht möglich.

Im nächsten Abschnitt wird erläutert, dass auch die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG nicht in Betracht kommt. Auch wenn sich die Antragstellerin nicht ausdrücklich auf diese Norm berufen hat, ist dies unschädlich, da die Vorschrift auch von Amts wegen beachtet werden muss. Trotzdem liegen die Voraussetzungen dieser Norm nicht vor. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Es muss also eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichts vorliegen, wobei ein offensichtlich schwerer Fehler erkennbar sein muss. Das Abfassen eines Tatbestandes und der Entscheidungsgründe, entgegen der Möglichkeit des Weglassens gemäß § 313a Abs. 1 ZPO, stellt keinen solchen schweren Fehler dar. Das Gericht hat die Freiheit, das Urteil in verkürzter Form zu erlassen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Wenn es von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, handelt es sich allenfalls um einen Ermessensfehler, der nicht ausreicht, um die Kostenermäßigung zu rechtfertigen.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 16.04.2007, Az: 9 WF 68/07


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die gemäß § 66 Abs. 2 GKG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Ein Ermäßigungstatbestand, dessen Anwendung die Antragstellerin hinsichtlich des Kostenansatzes begehrt, greift tatbestandlich nicht ein.

1.

Die Nr. 1311 Ziffer 2 des Kostenverzeichnisses (= KV) zum GKG (Anlage 1 zum GKG), dessen Anwendung die Antragstellerin primär begehrt, greift schon deshalb nicht ein, weil das Amtsgericht einen vollen Tatbestand und vollständige Entscheidungsgründe in dem Urteil vom 14. November 2006 niedergelegt hat.

Gemäß Nr. 1311 Ziffer 2 KV GKG ermäßigt sich die Gebühr nur dann, wenn das Urteil nach § 313 a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält. Das Amtsgericht hat das am 14. November 2006 verkündete Urteil aber sowohl hinsichtlich des Scheidungsausspruches als auch hinsichtlich der Regelung zum Versorgungsausgleich sowohl mit einem Tatbestand als auch mit Entscheidungsgründen versehen. Die Streitfrage, ob ein als Folgesache allein den Versorgungsausgleich durchführendes Verbundurteil, welches hinsichtlich des Scheidungsausspruches gemäß § 313 a Abs. 2 und 4 Nr. 1 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält, den Tatbestand der Gebührenermäßigung nach Nr. 1311 Ziffer 2 des KV GKG erfüllt (vgl. dazu KG, NJW 2007, 90), braucht daher nicht entschieden zu werden, da diese Sachlage von vornherein nicht gegeben ist.

2.

Ebenso wenig kommt die Nichterhebung von Kosten wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG in Betracht. Soweit sich die Antragstellerin auf diese Norm zwar nicht (ausdrücklich) berufen hat, ist dies zwar unschädlich, da die Vorschrift auch von Amts wegen zu beachten ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm liegen aber ebenfalls nicht vor.

5Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Vorausgesetzt wird also eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichtes, wobei ein offensichtlich schwerer Fehler vorliegen muss und dieser Verstoß offen zutage treten muss (BPatG, GRUR 2006, 263; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl. 2007, § 21 GKG, Rn. 8). Das Abfassen eines Tatbestandes und der Entscheidungsgründe entgegen der gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO eingeräumten Möglichkeit des Weglassens derselben kann einen solchen offensichtlich schweren Fehler nicht - jedenfalls nicht im Normalfall - begründen. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO wie auch § 313 a Abs. 2 ZPO stellen es dem Gericht im Interesse einer Entlastung der Richter und der Kanzleien frei, das Urteil in verkürzter Form zu erlassen (vgl. nur Musielak/Musielak, ZPO, 5. Aufl. 2007, § 313 a, Rn. 3). Der Richter entscheidet daher in freiem Ermessen darüber, ob er das Urteil in vollständiger oder in abgekürzter Form verfasst, so denn die Voraussetzungen des § 313 a ZPO vorliegen. Macht er von der ihm eingeräumten Möglichkeit einer Verkürzung keinen Gebrauch, so kann es sich dann - wenn überhaupt - allenfalls um einen bloßen Ermessensfehler handeln. Derartige leichte Verfahrensfehler - so denn ein solcher überhaupt vorliegen sollte - genügen zur Anwendung des § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG aber nicht (vgl. auch BGH, MDR 2005, 956). Insbesondere genügt es nicht, wenn das Gericht von einer Ermessenvorschrift keinen Gebrauch gemacht hat (Hartmann, a.a.O., Rn. 10 a. E.).






Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 16.04.2007
Az: 9 WF 68/07


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