Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 4. August 2009
Aktenzeichen: 7 O 277/09

(LG Düsseldorf: Urteil v. 04.08.2009, Az.: 7 O 277/09)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Ersatz des Kursdifferenzschadens wegen der unterlassenen unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen sowie der Veröffentlichung unwahrer Informationen in Anspruch.

Die Beklagte ist ein Kreditinstitut in Form einer Aktiengesellschaft, deren Kunden hauptsächlich mittelständische Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungsgewerbe sind.

Seit 2001 gründete die Beklagte eine Reihe von Zweckgesellschaften, die in einem Verbund, dem "XXX", kurz XXX, zusammengefasst waren. Einen Großteil seiner Erträge erwirtschaftete das XXXXXX durch Investments in verbriefte internationale Forderungsportfolien, welche auch Forderungen aus dem US-Hypothekenmarkt beinhalteten. Zur Refinanzierung des Erwerbs der Forderungsportfolien gab das XXX seinerseits sogenannte "XXX" (XXX’s) heraus, welche am Kapitalmarkt platziert und gehandelt wurden.

Die Beklagte beteiligte sich an diesen Geschäften, indem sie den Zweckgesellschaften Liquiditätslinien zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen zur Verfügung stellte.

Die Beklagte hat zum 30.06.2007 einen Geschäftsbericht veröffentlicht, der für das Geschäftsjahr 2006/2007 ein operatives Ergebnis von 263 Mio. € gegenüber 232,5 Mio. € im Jahr zuvor auswies.

Anfang Juli 2007 geriet der Kurs der Aktie der Beklagten im Zuge der US-Immobilienkrise unter Druck. Es kam zu einem Kursverfall, der seit dem 09.07.2007 beständig anhielt. Ab dem 25.07.2007 stürzte der Aktienkurs regelrecht ab.

Am 20.07.2007 veröffentlichte die Beklagte ihr vorläufiges Quartalsergebnis (1. April - 30. Juni) in Form einer Pressemitteilung. Darin bestätigte sie die Erwartungen eines operativen Jahresergebnisses von 280 Millionen € und erklärte, dass insoweit die Unsicherheiten im US-Hypothekenmarkt "praktisch keine Auswirkungen" haben würden. Die Veröffentlichung des vollständigen Quartalsberichts kündigte sie für den 14.08.2007 an. Wegen des genauen Inhalts der Pressemitteilung wird auf die Anlage K 20 Bezug genommen.

Ende Juli zeichnete sich ab, dass der Markt für XXX's infolge der Probleme auf dem US-Hypothekenmarkt zusammenbrechen würde und das XXX seine Geschäfte mit den verbrieften Forderungsportfolien nicht würde refinanzieren können. Der Beklagten drohte aus den Liquiditätslinien, die sie zugunsten der XXX vergeben hatte, in Anspruch genommen zu werden.

Im Rahmen eines Standardgeschäfts am 27.07.2007, einem Freitag, erfuhr die Beklagte, dass einer ihrer wichtigen und langjährigen Geschäftspartner im Interbankenmarkt seine Handelslinie an die Beklagte für Neugeschäfte gesperrt hatte. Die Beklagte hatte versucht über ihren Händler in Luxemburg einen Swap-Auftrag zu platzieren. Dieser Auftrag wurde abgelehnt.

Nach einer Krisensitzung am Wochenende des 28. und 29.07.2007 veröffentlichte die Beklagte am Montag, den 30.07.2007, um 1.49 Uhr eine Adhoc-Mitteilung mit einer Gewinnwarnung. Sie teilte unter anderem mit, dass ihre Bonität in Frage gestellt sei, dass das prognostizierte Jahresergebnis deutlich niedriger als 280 Millionen € ausfallen werde und dass der Vorstandsvorsitzende aus dem Vorstand der Beklagten ausgeschieden sei.

Der Kläger erwarb am 27.07.2007 200 Stück Aktien der Beklagten zu einem Kurs von 22,- € und damit zu einem Gesamtpreis ohne Gebühren in Höhe von 4.400,- €.

Der Kläger trägt vor: Die Beklagte habe mit ihrem Publikationsverhalten gegen die Vorschriften zur Veröffentlichung von Insiderinformationen verstoßen. Sie habe, obwohl es ihre Pflicht gewesen sei, nicht darauf hingewiesen, dass sie seit 2002 in einem neuen Kerngeschäft, nämlich demjenigen der Subprime-Finanzierung tätig gewesen sei. Außerdem habe sie es unterlassen, darauf hinzuweisen, dass sie außerhalb ihrer Bilanz Engagements am hoch defizitären US-Immobilienmarkt getätigt und den dort aktiven Zweckgesellschaften Zahlungsgarantien in einem ihr Eigenkapital um ein Vielfaches übersteigendem Ausmaß gegeben habe, die sie im Ernstfall nicht habe einhalten können.

Die Beklagte habe 2002 ein neues Geschäftsfeld durch das Engagement am US-Immobilienmarkt, insbesondere im Subprime Bereich durch die Gründung von XXXs erschlossen. Diese XXXs zeichneten sich dadurch aus, dass sie praktisch über kein Eigenkapital verfügten, aber Verbriefungen in Milliardenhöhe gehalten hätten, deren Werthaltigkeit äußert fragwürdig gewesen sei. Die XXX habe zum 31.03.2007 lediglich über einen Anteil von 9% angekaufter Kreditverbriefungen verfügt, hinter denen zahlungsfähige Forderungsschuldner gestanden hätten. Das Gesamtvolumen der Kreditverbriefungen habe sich zu diesem Zeitpunkt auf 11,5 Mrd. € belaufen. Zum 31.07.2007 habe die Beklagte der XXX Liquiditätslinien in Höhe von 8,1 Mrd. € eingeräumt und dies bei einer Eigenkapitalquote von nur 1,2 Mrd. €. Die zur Risikobegrenzung gedachte Großkreditregelung (§§ 13 ff KWG) besage, dass bei Vergabe an verbundene Unternehmen eine Kreditlinie lediglich 20% des Eigenkapitals ausmachen dürfe. Diese habe die Beklagte bei weitem überschritten.

Außerdem habe die XXX sogenannte Credit Enhancements benötigt. Diese hätten der Abdeckung der ausfallbedingten Verluste gedient und seien zu dem Zeitpunkt fällig geworden, zu dem der Hypothekenschuldner seine Forderungen nicht habe tilgen können. Die Enhancements seien von der Beklagten zusätzlich zu der Einräumung der Liquiditätslinien gewährt worden. Bis 2005 seien die Credit Enhancements bei der Beklagten bilanziert worden. Ab 2006 seien diese auf die Dresdner Bank ausgelagert worden. Allerdings deckten die von der Dresdner Bank begebenen Enhancements nur in der Praxis äußerst selten vorkommende Risiken ab, so dass es sich lediglich um eine leere Hülle gehandelt habe und das tatsächliche Risiko bei der Beklagten verblieben sei. Aus alledem ergebe sich eine Konsolidierungspflicht der Beklagten, der sie nicht nachgekommen sei. In diesem Fall hätten die Geschäftsberichte ein deutlich schlechteres Ergebnis ausgewiesen. Der Verzicht auf die Einbeziehung des Engagements auf dem US-Hypothekenmarkt in die eigene Bilanz stelle zudem eine Missachtung bestehender Bilanzrichtlinien dar.

Schon ab 2005 habe es daher hausinterne Warnungen des Risikomanagements gegeben. Es seien Verlustszenarien in den Studien "XXX" und "XXX" durchgespielt worden. Gleichwohl habe es keine Informationen der Anleger durch Ad-Hoc-Mitteilungen über die Aufnahme und die Ausweitung des XXX-Engagements gegeben. Noch im Mai/Juni 2007 habe die Beklagte zwei weitere Zweckgesellschaften gegründet, über die sie gleichfalls die Öffentlichkeit nicht informiert habe. Auch die Gesellschaften XXX I und II hätten nur als Absicherungsmechanismen für außenstehende Kreditgeber gedient. Die Beklagte habe dagegen mit der Zurverfügungstellung der Liquiditätslinien das gesamte Bonitätsrisiko getragen.

Dass die Beklagte Kenntnis von den hieraus resultierenden Risiken gehabt habe, sei deutlich geworden, als sie im November 2006 bei einem US-Rückversicherer vorstellig geworden sei, um das Liquiditätsrisiko auf die Versicherung zu verlagern. Durch falsche Angaben sei es dem Vorstand gelungen, die Versicherung abzuschließen. Darüber verhalte sich nunmehr ein zwischen der Beklagten und dem Versicherer in den Vereinigten Staaten geführter Rechtsstreit. Seit Ende 2006/Beginn 2007 hätten zudem die volkswirtschaftlichen Kernzahlen zunehmend auf eine ernsthafte Krise am US-Hypothekenmarkt hingedeutet. Auch in der Fachpresse hätten sich die kritischen Stimmen gemehrt, die vor einem Durchschlagen auf den Verbriefungsmarkt gewarnt hätten. Dennoch habe die Beklagte die Anleger in den Pressemitteilungen vom 16.05.2007 und 28.06.2007 über das wirtschaftliche Gesamtbild und das Engagement am Subprime-Markt getäuscht (Anlagen K 16 und K 17). Dies gelte v.a. vor dem Hintergrund, dass der Beklagten in der zweiten Februarwoche 2007 bekannt geworden sei, dass im Onbalance Portfolio Abschreibungen in Milliardenhöhe vorzunehmen gewesen wären.

Er hätte die streitgegenständlichen Aktien in keinem Fall erworben, wenn die Beklagte die Anleger ordnungsgemäß über die ihr aus dem Zusammenbruch des US-Hypothekenmarktes entstehenden Gefahren informiert hätte. Hätte die Beklagte dem Markt die veröffentlichungspflichtigen Informationen zur Verfügung gestellt, so hätte der Aktienkurs bei lediglich 4,77 € pro Aktie gelegen. Die Differenz zwischen dem tatsächlich aufgewandten Aktienkurs von 22,- € und dem "Fair Value" von 4,77 €, d.h. 17,23 € pro Aktie entspreche dem ihm entstandenen Schaden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe des erlittenen Kursdifferenzschadens, vorläufig beziffert mit EUR 3.446,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 31.07.2007, zu zahlen, dessen genaue Bestimmung gemäß § 287 ZPO in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht: Sie habe weder falsche Kapitalmarktinformationen veröffentlicht noch pflichtwidrig eine notwendige Veröffentlichung von Insiderinformationen in Form einer Adhoc-Mitteilung unterlassen. Sie habe Finanzprodukte mit guten bzw. sehr guten Bonitätsbewertungen in ihrem Portfolio gehabt. Bei der im Sommer 2007 eingetretenen Krise habe vielmehr im Vordergrund gestanden, dass die Zweckgesellschaften sich nicht mehr hätten refinanzieren können, weil die XXX wegen einer erloschenen Nachfrage praktisch nicht mehr handelbar gewesen seien. Das Risiko, dass die Liquiditätslinien umfassend und dauerhaft gezogen werden könnten, habe sich erst Ende Juli 2007 abgezeichnet. Etliche andere Bankhäuser, vor allem die amerikanische XXX, seien von der Krise massiv betroffen gewesen. Zusammen mit der Beschränkung der eigenen Kreditlinie auf dem Interbankenmarkt habe dies zu der Ende Juli eingetretenen krisenhaften Situation geführt. Im Einklang mit der gesamten Branche habe die Beklagte das Risiko für sehr gering gehalten und auf hohe Ratings der zugrunde liegenden Forderungen geachtet. Nach dem berichtigten Geschäftsbericht 2006/2007 seien von den 11,5 Mrd. € Gesamtinvests des XXX 11,3 Mrd. € in den bis dahin ungefährdet eingeschätzten Ratingklassen "Aaa" oder A investiert worden und nur 0,2 Mrd. € in niedrigere Rangklassen. Dies gelte auch für ihre Eigeninvests. Die Liquiditätslinien seien in den jeweiligen Geschäftsberichten veröffentlicht worden. Bei den Liquiditätslinien habe es sich um 364 Tage laufende echte Kreditfazilitäten gehandelt, die im Rahmen der Jahresabschlüsse von den Wirtschaftsprüfern der XXX geprüft worden seien. Sie habe hierfür eine marktgerechte Vergütung erhalten. Sowohl den Wirtschaftsprüfern als auch der Bankenaufsicht seien die Geschäftsbeziehungen bekannt gewesen. Eine Unterlegung des Engagements mit haftendem Eigenkapital sei mit Blick auf die damalige Rechtslage nicht erforderlich gewesen. Auch andere Kreditinstitute hätten zugunsten der von der Beklagten beratenen Zweckgesellschaften Liquiditätslinien und zwar in Höhe von 5,4 Mrd. € zur Verfügung gestellt. Liquiditätsreserven für eine zeitweise Inanspruchnahme seien vorhanden gewesen. Dass sie im Jahr 2006 mit der XXX verhandelt habe, belege nicht die Kenntnis von der drohenden existentiellen Krise, sondern sei ein normaler Vorgang im Rahmen ihres Risikomanagements gewesen.

Die streitigen Geschäfte seien seit dem Jahr 2001 unter Hinzuziehung externer Experten und in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), der Deutschen Bundesbank und dem Aufsichtsrat vorbereitet und durchgeführt worden. Über die Umsetzung der festgelegten Strategie für das Segment Verbriefung sei regelmäßig, korrekt und in notwendigem und angemessenem Umfang intern und extern berichtet worden. Dies ergebe sich aus den Geschäftsberichten. Die Risikoeinschätzung der Beklagten decke sich mit derjenigen des Kapitalmarktes bis zur Krise im Sommer 2007. Führende Rating Agenturen hätten die Risiken noch im März 2007 in einem Special Report für Investoren als gering eingeschätzt.

Die herausgegebenen Presseinformationen seien korrekt gewesen. Nach umfassender interner Beratung habe sie sich zu der Pressemitteilung vom 20.07.2007 entschlossen, um - nach damaliger eigener Ansicht - unzutreffende Gerüchte, sie treffe mit Blick auf den US-Subprime Markt ein substanzielles Risiko, auszuräumen. Sie habe das durch Liquiditätslinien abgesicherte Engagement des XXX wegen der geringen Ziehungswahrscheinlichkeit als praktisch risikolos eingestuft. Sie habe daher die Presseerklärung auf die Risiken der Eigenbilanz konzentriert, die - wie die Analysen der Ratingagenturen XXX und XXX belegen - aus damaliger Sicht die Nervosität des Marktes in Bezug auf die XXX nicht rechtfertigten. Sie habe mit der Presseerklärung klarstellen wollen, dass die Auswirkungen der Ratingherabstufungen auf ihr eigenes Portfolio geringer seien als vom Markt offensichtlich vermutet. Aus der exante Betrachtung sei die Pressemitteilung auch deshalb korrekt gewesen, weil die Wirtschaftsprüfer XXX dem Geschäftsabschluss 2006/2007 ein unbeschränktes Testat erteilt hätten. Auf deren Rechtsauffassung habe sie sich verlassen dürften.

Der Kläger habe die Kausalität zwischen seinen Kaufentscheidungen und den behaupteten Falschinformationen bzw. den angeblich pflichtwidrig nicht veröffentlichten Insiderinformationen bereits nicht schlüssig dargelegt. Der Behauptung des Klägers, bei ordnungsgemäßem Informationsverhalten hätte er die Aktien nicht erworben, und dem Verweis auf die eigene konservative Investitionspolitik stehe die aus seinem Anlageverhalten ablesbare Risikobereitschaft entgegen.

Die Beklagte beruft sich hilfsweise auf die Einrede der Verjährung nach § 37 b Abs. 4 WpHG.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Kursdifferenzschadens.

1.

Ein solcher Anspruch des Klägers folgt nicht aus § 37 b WpHG wegen unterlassener unverzüglicher Veröffentlichungen von Insiderinformationen.

§ 37 b WpHG begründet die Haftung eines Emittenten von Finanzinstrumenten, der ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen nicht unverzüglich veröffentlicht. § 13 Abs. 1 S. 1 WpHG definiert Insiderinformationen als konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten oder auf die Finanzinstrumente selbst beziehen und die geeignet sind, im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktwert der Papiere erheblich zu beeinflussen. Als Umstände gelten nach § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG auch solche, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass sie in Zukunft eintreten werden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet dabei, dass aufgrund konkreter Anhaltspunkte zumindest eine überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit, das heißt eine Wahrscheinlichkeit von über 50 %, vorliegen muss (BGH, Beschluss vom 25.02.2008, Az. II ZB 9/07, Rz. 25 zitiert nach juris).

Der Kläger meint, bei folgenden Umständen handele es sich um publikationspflichtige Insidertatsachen, die die Beklagte unverzüglich nach ihrer jeweiligen Entstehung hätte veröffentlichen müssen:

Engagement am US-Hypothekenmarkt als "neues Kerngeschäftsfeld" Erheblicher Ausbau dieses Geschäftsfeldes 2005 - 2007 Risiken dieses neuen Kerngeschäftsfeldes, insbesondere "Zahlungsgarantien" gegenüber Zweckgesellschaften Führen des Engagements außerhalb der Bilanz Drohende Verpflichtungen der Beklagten aufgrund des (bevorstehenden) Zusammenbruchs des US-Subprime-Marktes

Der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht dargetan, dass es sich um publikationspflichtige Insiderinformationen handelt, deren Veröffentlichung die Beklagte im Sinne des § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG pflichtwidrig unterlassen hat.

Der Kläger hat nicht schlüssig dargelegt, dass es sich bei dem Engagement auf dem US-Hypothekenmarkt um ein neues Kerngeschäftsfeld gehandelt habe, das die Beklagte in ihren Geschäftsberichten nach außen nicht habe erkennbar gemacht. Diese These ist nicht belegt. Aus den Geschäftsberichten ergibt sich der Umfang und die sukzessive Ausweitung des Engagements.

Bei dem Umfang des Engagements der Beklagten auf dem US-Hypothekenmarkt handelt es sich nicht um eine Insiderinformation im Sinne des § 13 Abs. 1 S.1 WpHG. Dieses Engagement der Beklagten im US-Hypothekenmarkt ergibt sich aus den Geschäftsberichten. Der Geschäftsbericht 2006/2007 weist auf den Seiten 51 ff die Struktur der verbrieften internationalen Kreditportfolien zum 31.03.2007 aus. Die Bonitätsstruktur des XXX Portfolioinvestments ist auf S. 52 erläutert. Ausgewiesen sind 11,5 Mrd €. Der Anteil der Investments mit AAA bzw. AA Rating betrug 85%. Vor dem Hintergrund einer Bilanzsumme von 63 Mrd. € zum 31.03.2007 ist auch nicht erkennbar, dass es sich um ein schwerpunktmäßiges Engagement am US-Immobilienmarkt mit schlechten Ratings handelt. Die Geschäftsberichte können im Internet unter http://www.ikb.de/content/de/ir/finanzberichte eingesehen werden.

Das allgemeine Risiko einer Inanspruchnahme ist nicht publikationspflichtig. Aus der Tatsache, dass die Beklagte der XXX Liquiditätslinien zur Verfügung gestellt hat, folgt das allgemeine Risiko, aus diesen Garantien in Anspruch genommen zu werden. Über dieses Risiko geben die Geschäftsberichte Auskunft. Eine darüber hinausgehende besondere Warnpflicht der Beklagten im Wege einer Adhoc-Mitteilung bestand nicht, weil die Beklagte nicht von einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung ihrer Bonität vor dem Aktienerwerb des Klägers am 27.07.2007 ausgehen musste. Die finanziellen Probleme der Beklagten und damit der Wertverfall ihrer Aktien beruhten auf dem Zusammentreffen des vollständigen und dauerhaften Zusammenbruchs des XXX-Marktes und der Kappung der Handelslinie am 27.07.2007 durch einen ihrer wichtigen Geschäftspartner. Beide Umstände waren für die Beklagte nach ihrem damaligen Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Presseveröffentlichung nicht voraussehbar. Erst die Geschehnisse am 27.07.2007 führten zu einer Gefährdung der Zahlungsfähigkeit der Beklagten und damit zu einer Pflicht zur unverzüglichen Adhoc-Mitteilung. Mit der Veröffentlichung am frühen Morgen des 30.07.2007 ist die Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen.

Der Vortrag des Klägers hinsichtlich der Notwendigkeit einer Ad-Hoc-Mitteilung bezüglich der Erschließung neuer Kerngeschäftsfelder am US-Hypothekenmarkt ab 2002 ist auch deshalb nicht schlüssig, da zu diesem Zeitpunkt des Engagement keine Risiken, sondern im Gegenteil noch erhebliche Gewinnchancen barg, die eine Gewinnwarnung nicht rechtfertigten.

Nicht ersichtlich ist auch, welchen Einfluss eine Adhoc Mitteilung im Jahre 2002 oder 2005 über die Ausweitung der Geschäftsaktivitäten der Beklagten in diesem Bereich auf die Anlageentscheidungen des Klägers im Jahre 2007 gehabt hätte. § 37 b WpHG begründet eine Haftung nur dann, wenn die unterlassenen Insiderinformation kausal für den Erwerb der Aktien war: "durch die Unterlassung". Dies ist aber allein schon auf Grund des großen zeitlichen Abstands zwischen den nach Ansicht des Klägers erforderlichen Ad-Hoc-Mitteilungen und dem Zeitpunkt des Aktienerwerbs nicht ersichtlich.

Der Kläger hat auch nicht dargelegt, aus welchem Grund die von ihm dargestellte Kumulation von Haftungsrisiken aus der Gewährung von Liquiditätlinien und Credit Enhancements sowie der Auslagerung von Credit Enhancements auf die XXX zu einer Publikationspflicht hätte führen müssen. Die Richtigkeit der vom Kläger dargestellten Konstruktion unterstellt, so hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, dass es zu einer tatsächlichen Ziehung des Credit Enhancements bis zu der Ad-Hoc-Mitteilung am 30.07.2007 nicht gekommen ist. Dies verdeutlicht, dass die Risikobewertung der Beklagten im Hinblick auf die Inanspruchnahme aus den Credit Enhancements zutreffend war und sie nicht zu einer Ad-Hoc-Meldung verpflichtete.

Soweit der Kläger darüber hinaus bemängelt, für die Beklagte habe auf Grund der Risikokumulation eine Konsolidierungspflicht bestanden, führt auch dies nicht zu der Verpflichtung der Herausgabe einer Ad-Hoc-Mitteilung. Bei der Frage der Bilanzierung der Zweckgesellschaften handelt es sich nicht um eine Insiderinformation, deren unterlassene Veröffentlichung auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht.

Die Abschlussprüfer von XXX haben in ihrem Testat vom 04.06.2007 zu dem Geschäftsbericht 2006/2007 ausgeführt, dass der Jahresabschluss gesetzlichen Vorschriften entspreche und unter Beachtung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Buchführung ein an den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittele. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang auch zu Recht darauf verwiesen, dass der Bericht des Bundesrechnungshofes (Anlage B 22) auf Seite 19 hervorhebt, dass auch unter Berücksichtigung der außerbilanziellen Postionen bei der Berechnung der Kernkapital- und Eigenmittelquote die bankenaufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen von der Beklagten unverändert erfüllt worden wären. Die Eigenmittelquote habe stets über der erforderlichen Eigenmittelquote gelegen. Zu der Sonderprüfung durch PwC im August 2007 führt der Bericht auf S. 47 ff. aus, dass diese eine Konsolidierung der XXX im Konzernabschluss der Beklagten nach internationalen Regelungsstandards der IFRS für geboten gehalten, die Auslagerung des Verbriefungsgeschäfts der Tochtergesellschaften kritisch gesehen und in den Liquiditätslinien - abweichend von der Einschätzung der Bankenaufsicht - ein Kreditgeschäft gesehen habe, das die Beklagte mit Eigenmitteln habe unterlegen müssen. Zu der Frage der Eigenmittelhinterlegung vertrete die Bundesbank aber unverändert eine andere Position und halte die Feststellungen für unzutreffend. Die Bafin hingegen halte die Auslegung lediglich nicht für zwingend.

Dies erhellt, dass die Bilanzierungspraxis der Beklagten der Rechtslage und auch der Ansicht der Bankenaufsicht entsprach. Die Ansicht der Sonderprüfer kann daher nicht als einhellige Ansicht bewertet werden, der die Beklagte unbedingt hätte folgen müssen. Die Auszüge aus dem Bericht des Bundesrechnungshofes widerlegen zugleich die Behauptung des Klägers, dass diesem lediglich öffentlich zugängliche Unterlagen für seinen Bericht zur Verfügung standen. Der Sonderprüfungsbericht von PwC ist ausweislich der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2009 (Bl. 494 GA) vertraulich.

Es fehlt zudem an den Voraussetzungen in subjektiver Hinsicht. Dass nach den hausinternen Studien, volkswirtschaftlichen Kennzahlen und/oder der allgemeinen Presseberichterstattung Anhaltspunkte dafür gegeben waren, dass die XXX der Beklagten am 27.07.2007 ihre Kreditlinien sperren würde und die Beklagte sich daher nicht mehr würde refinanzieren können, ist nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger vorbringt, die Beklagte habe aufgrund zweier hausinterner Studien, volkswirtschaftlicher Kennzahlen und der allgemeinen Presseberichterstattung Kenntnis von den ihre Existenzkrise auslösenden Ereignissen gehabt, so hat die Beklagte hierzu vorgetragen, dass

die Studien nicht vor Risiken gewarnt hätten, die tatsächlich zur Existenzkrise der Beklagten geführt hätten, nämlich Sperrung der Handelslinien und Zusammenbruch des XXX-Marktes;

volkswirtschaftliche Kennzahlen bzw. die angeblich gestiegene Ausfallrate nicht auf die im Sommer 2007 eintretende Finanzmarktkrise hingedeutet hätten, insbesondere die Sperrung der Handelslinien und Zusammenbruch des XXX-Marktes nicht absehbar gewesen sei,

sich aus der allgemeinen Presseberichterstattung keine Rückschlüsse auf die konkrete Risikosituation der Beklagten ziehen ließen; die Pressemitteilung zum Ergebnis der PwC-Sonderuntersuchung zwar Schwachstellen in der Risikoanalyse belegten, nicht aber eine Kenntnis der Beklagten von den Ende Juli 2007 eintretenden Ereignissen.

Ihrer Verpflichtung, die Sperrung ihrer eigenen Kreditlinien und die dadurch hervorgerufene existenzbedrohende Krise bekannt zu machen, ist die Beklagte mit der Veröffentlichung am 30.07.2007 nachgekommen. Dem Vorbringen der Beklagten, dass die Sperrung ihrer eigenen Kreditlinien für Neugeschäfte durch die XXX am 27.07.2007 erfolgte, woraufhin sie nicht mehr in der Lage war, sich selbst uneingeschränkt zu refinanzieren, ist der Kläger nicht entgegengetreten, so dass das Vorbringen als unstreitig anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Im Hinblick auf das dazwischen liegende Wochenende ist die Veröffentlichung am frühen Morgen des 30.07.2007 auch unverzüglich erfolgt.

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte aus den § 37 b Abs. 1 Nr. 1 WpHG scheidet auch deshalb aus, weil es jedenfalls an hinreichendem Vortrag zu der erforderlichen Kausalität zwischen der behaupteten Pflichtverletzung und den Kaufentscheidungen des Klägers fehlt. Dass die Beklagte zur Zeit der streitgegenständlichen Käufe eine weitergehende Kenntnis als der Kläger, insbesondere im Hinblick auf die Sperrung ihrer Handelslinie durch die XXX und den Zusammenbruch des XXX-Marktes hatte, hat der Kläger - wie ausgeführt - ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

2.

Dem geltend gemachten Anspruch aus § 37 c Abs. 1 WpHG steht entgegen, dass es sich bei den in Bezug genommenen Pressemitteilungen vom 16.05.2007, 28.06.2007 und 20.07.2007 schon nicht um Adhoc-Mitteilungen i.S.d. § 15 WpHG handelt.

Die Vorschrift begründet die Haftung eines Emittenten von Finanzinstrumenten, der eine ihn unmittelbar betreffende unwahre Insiderinformation in einer Mitteilung nach § 15 WpHG veröffentlicht. Die Pressemitteilungen vom 16.05.2007, 28.06.2007 und 20.07.2007 sind jedoch keine Adhoc-Mitteilung im Sinne des § 15 WpHG. Dagegen spricht schon der eindeutige Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber wollte damit die kapitalmarktrechtliche Informationshaftung bewusst auf diejenigen Informationsformen begrenzen, die bei dem Empfänger ein begründetes Vertrauen erwecken und mit einer erhöhten Wahrnehmungswahrscheinlichkeit verbunden sind.

Wenn der Kläger meint, § 37 c Abs. 1 Nr. 1 WpHG sei nach seinem Schutzzweck zu eng formuliert und analog auch auf Pressemitteilungen anzuwenden, da, um eine Umgehung der Vorschrift zu vermeiden, nicht die äußere Form der Nachricht maßgeblich sein dürfe, so kann dem nicht gefolgt werden. Die Voraussetzungen für eine Analogie sind nicht gegeben. Es fehlt insoweit bereits an einer planwidrigen Regelungslücke sowie an einer vergleichbaren Interessenlage. Schutzzweck der §§ 37 b, 37 c WpHG ist es, eine zutreffende Marktpreisbildung sicherzustellen. Aus diesem Grund sind Verstöße gegen die Publikationspflichten haftungsbewährt (Assmann - Sethe, WpHG, § 37 b Rn. 4). Besondere Verlässlichkeit genießen im Hinblick auf ihre gesonderte Definition in § 15 WpHG nur Ad-Hoc-Mitteilungen. Eine Ausweitung dieser Haftung würde das Unternehmensrisiko unangemessen ausweiten, zumal die Grenze zwischen Pressemitteilungen und einer wirtschaftlichen Bewertung durch Medien zuweilen fließend sind. Anders als die Ad-Hoc-Mitteilung ist nicht immer eine eindeutige Zuordnung der Publikation zu dem herausgebenden Unternehmen möglich. Das Haftungsrisiko wäre unüberschaubar.

Eine analoge Anwendung der Vorschrift scheidet auch deshalb aus, weil das äußere Erscheinungsbild der Pressemitteilung nicht auf eine Adhoc-Mitteilung schließen lässt und die Presseerklärung auch inhaltlich nicht Kapitalmarktinformationen enthält, deren Form in § 15 WpHG gesetzlich niedergelegt ist. Aus diesem Grund ist auch kein Formmissbrauch ersichtlich, d.h. die Beklagte hat sich nicht bewusst eines anderen Informationsmediums bedient, um sich der Haftung zu entziehen.

3.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch aus § 826 BGB.

Eine sittenwidrige Schädigung erfordert ein Handeln, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). Dafür genügt im Allgemeinen die bloße Tatsache, dass der Täter eine gesetzliche Vorschrift verletzt, ebenso wenig wie der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss es sich um ein besonders verwerfliches Vorgehen handeln, wobei sich die Verwerflichkeit aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteile vom 19.07.2004, Az. II ZR 271/03, NJW 2004, 2668, 2670 und Az. II ZR 402/02, NJW 2004, 2971, 2973 - "Infomatec"). Das Verhalten der Organe der Beklagten erfüllt die beschriebenen Anforderungen nicht. Dies ergibt der Vergleich mit den Fällen, in denen eine Haftung von Vorstandsmitgliedern für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen nach § 826 BGB angenommen wurde. So hatte der Vorstand in den oben zitierten "Infomatec"-Fällen wiederholt bewusst unzutreffende Adhoc-Mitteilungen veröffentlicht, beispielsweise über den Erhalt eines Großauftrags, der in Wirklichkeit ein wesentlich geringeres Auftragsvolumen aufwies. Darüber hinaus verfolgten die Vorstandsmitglieder in diesen Fällen mit der Herausgabe der falschen Meldungen auch in jedenfalls objektiv unlauterer Weise "eigene Zwecke". Denn sie besaßen im Millionenumfang Aktien ihres Unternehmens und profitierten auf diesem Wege zumindest mittelbar von eventuellen Kurssteigerungen. Auch wenn der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung nicht voraussetzt, dass die "eigenen Zwecke" das vorrangige Ziel oder gar das Endziel dieser ungesetzlichen Handlungsweise sein müssen, so stellt sich doch die sittenwidrige Schädigung als Zusammenspiel von wiederholt grob unrichtiger Ad-Hoc-Mitteilung über Geschäftsabschlüsse und eine objektiv unlautere Handlungsweise zu eigenen Zwecken dar. Beides zusammen bildet die Grundlage für ein Handeln, das derart gegen die Mindestanforderungen des Rechtsverkehrs auf dem Kapitalmarkt verstößt, dass ein Ausgleich für die eingetretenen Vermögensschäden zu gewähren ist (BGH, a.a.O., zitiert nach juris Rn. 49/50).

Vergleichbares ist Organen der Beklagten nicht vorzuwerfen. Weder hat sie wiederholt nachweisbar falsche Meldungen veröffentlicht, noch haben ihre Vorstandsmitglieder bei den streitgegenständlichen Erklärungen den Kapitalmarkt bewusst getäuscht.

Die Beklagte hat sich eingehend mit den Einwendungen des Klägers auseinandergesetzt und dargelegt, dass die in der Presseerklärung vom 20.07.2007 dargestellten Geschäftsergebnisse zum damaligen Zeitpunkt zutreffend waren. Die Gewinnprognose von 280 Mio € basierte auf den Ergebnissen des ersten Quartals des Geschäftsjahrs 2007/2008. Die in Bezug genommene XXX Analyse datiert vom 11.07.2007 und die Analyse von XXX vom 19.07.2007. Die aus Sicht der beiden Analysen kritischen Tranchen hat die Beklagte in der Klageerwiderung dargelegt, ohne dass der Kläger im Folgenden seinen Vortrag zur Unrichtigkeit der Presseerklärung konkretisiert hätte.

Die Beklagte hat weiter im Einzelnen nachvollziehbar und vom Kläger nicht bestritten, vorgetragen, dass die finanzielle Krise vor dem 27.07.2007 nicht erkennbar war. Hierzu führt sie aus, dass sie auf Grund interner Analysen vom 11. und 19.07.2007 zu dem Schluss gekommen sei, durch die US-Immobilienkrise lediglich in Höhe eines mittleren einstelligen Millionenbetrages betroffen zu sein, so dass sie sich aus ihrer damaliger Sicht unproblematisch refinanzieren konnte. Ferner verweist die Beklagte darauf, dass die Existenz bedrohende Lage erst eingetreten ist, nachdem ein wichtiger und langjähriger Geschäftspartner im Interbankenmarkt am 27.07.2007 überraschend seine Kreditlinie gekündigt hat, zur gleichen Zeit der XXX-Markt zusammengebrochen und dadurch eine Refinanzierung für sie unmöglich geworden ist. Diese Umstände hat sie am frühen Morgen des 30.07.2007 und damit im Hinblick auf das dazwischen liegende Wochenende unverzüglich veröffentlicht. Gründe für eine frühere Veröffentlichung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten bestanden nicht.

In subjektiver Hinsicht erfordert § 826 BGB bedingten Vorsatz, das heißt, der Schädiger muss so leichtfertig gehandelt haben, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (Palandt/Sprau, BGB, 67. Auflage 2008, § 826 Rn. 9). Ein derartig leichtfertiges Vorgehen kann den Organen der Beklagten nicht zur Last gelegt werden. Hierzu hat der Kläger gleichfalls nichts vorgetragen.

Die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB liegen schon nicht vor. Aus diesem Grund bedarf die Frage der Kausalität keiner abschließenden Entscheidung.

An der Kausalität zwischen Pressemitteilung und den Kaufentscheidungen des Klägers bestehen allerdings Zweifel. Zur Vermeidung einer uferlosen Ausweitung des offenen Tatbestandes der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB muss für fehlerhafte Adhoc-Mitteilungen stets der Nachweis des konkreten Kausalzusammenhangs zwischen der fehlerhaften Meldung und der individuellen Anlageentscheidung geführt werden, selbst wenn die Kapitalmarktinformation vielfältig und extrem unseriös gewesen ist (BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 173/05, Rz. 16 zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 04.06.2007, Az. II ZR 147/05, Rz. 16 zitiert nach juris). Dies hat seinen Grund darin, dass die Anlageentscheidung eines potenziellen Aktienerwerbers einen durch vielfältige rationale und irrationale Faktoren, insbesondere teils durch spekulative Elemente beeinflussten, sinnlich nicht wahrnehmbaren individuellen Willensentschluss darstellt, so dass es grundsätzlich keinen Anscheinsbeweis für sicher bestimmte Verhaltensweisen von Menschen in bestimmten Lebenslagen gibt (BGH, aaO, jeweils Rz. 13 zitiert nach juris). Soweit der Kläger zur Begründung der Kausalität lediglich vorträgt, dass er die Aktien bei rechtzeitiger Information durch die Beklagte jedenfalls zu einem Kurs gekauft hätte, der deutlich niedriger gewesen wäre als der tatsächlich bezahlte, bleibt bereits unklar, aufgrund welcher Umstände der Kläger sich zu dem Aktienkauf seinerzeit entschieden hat. Der Kläger gibt auch keine Erklärung dazu ab, ob er vor dem Aktienerwerb den Kursverfall, der unstreitig seit dem 09.07.2007 anhielt, bemerkt hat. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass der Kläger den fallenden Kurs zur Kenntnis genommen und darauf spekuliert hat, dass die Talsohle des Aktienkurses erreicht ist. Die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass der Behauptung des Klägers, bei ordnungsgemäßem Informationsverhalten hätte er die Aktien nicht erworben, und dem Verweis auf die eigene konservative Investitionspolitik nicht mit der aus seinem Anlageverhalten ablesbaren Risikobereitschaft in Einklang zu bringen ist.

4.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB ist nicht hinreichend dargetan. Es ist schon nicht ersichtlich, inwieweit ein vertretungsberechtigtes Organ der Beklagten Verhältnisse im Jahresabschluss unrichtig wiedergegeben oder verschleiert hat. Der Hinweis darauf, dass nach dem Gutachten der Sonderprüfer im Herbst 2007 die Abschlüsse geändert worden sind, lässt nicht den zwingenden Schluss auf Verstöße gegen Bilanzierungsrichtlinien zu. Genannt hat der Kläger lediglich die Pflicht zur Konsolidierung nach SEC- 12.8 bzw. SEC 12.9. Dies allein führt allerdings noch nicht zu einer Haftung aus § 331 Abs. 1 Nr. 1 HGB. Die Bilanzierung muss schlechthin unvertretbar gewesen sein. Dem steht entgegen, dass die Wirtschaftsprüfer XXX den Jahresabschlüssen in Kenntnis der Gegebenheiten ein unbeschränktes Testat erteilt haben und die Bundesbank wie ausgeführt die ursprüngliche Bilanzierung durch die Beklagte nach wie vor für rechtens hält. Dies steht zumindest der Vorsätzlichkeit entgegen.

5.

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist, dass ein Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates oder ein Abwickler die Verhältnisse der Gesellschaft einschließlich ihrer Beziehungen zu verbundenen Unternehmen in Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand, in Vorträgen oder Auskünften in der Hauptversammlung unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Ein Schadensersatzanspruch erfordert, dass die Pressemitteilung der Beklagten vom 20.07.2007 als Darstellung oder Übersicht über den Vermögensstand anzusehen ist. Dies verlangt einen Bericht, der den Vermögensstand umfassend wiedergibt, d.h. eine Zusammenstellung von Zahlenmaterial, insbesondere aller Arten von Bilanzen, die einen Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage ermöglicht und den Eindruck der Vollständigkeit erweckt (BGH, Urteil vom 09.05.2005, Az. II ZR 287/02, NJW 2005, 2450, 2451; BGHZ 160, 134, zitiert nach juris Rn. 26; Kropf, in: Münchener Kommentar zum AktG, 2. Auflage 2006, § 400 Rn. 21). Ein solcher Bericht kann auch ein Quartalsbericht sein. Denn der Quartalsbericht ist gekennzeichnet durch den Anspruch auf vollständige Information der Adressaten über die Unternehmenssituation im Berichtszeitraum (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Diese Anforderungen sind bei den Erklärungen der Beklagten nicht erfüllt. Denn Bestandteil eines Quartalsberichts sind zwingend Zahlenangaben über Umsatzerlöse und das Ergebnis vor und nach Steuern bzw. eine Gewinn- und Verlustrechnung (BGH, Urteil vom 16.12.2004, Az. 1 StR 420/03, NZG 2005, 132, 135). Die Äußerungen bzw. Mitteilungen der Beklagten enthalten diese Angaben jedoch nicht. In der Pressemitteilung vom 20.07.2007 heißt es unter der Überschrift "Vorläufiges Quartalsergebnis", dass angesichts der guten Entwicklungen das operative Ergebnis im 1. Quartal voraussichtlich um 15 % gegenüber dem gleichen Vorjahrsquartal auf 63 Mio. € gesteigert werden könne. Ferner findet sich in der Mitteilung der Hinweis, dass der vollständige Quartalsbericht am 14. August veröffentlicht werde. In den Erklärungen der Beklagten ist also lediglich von Erwartungen und vorläufigen Ergebnissen die Rede. Endgültige Zahlenangaben sind hingegen nicht enthalten, sondern werden ausdrücklich für einen späteren Zeitpunkt angekündigt. Zudem erwecken beide Informationen nicht den Eindruck der Vollständigkeit. Vielmehr wird klargestellt, dass eine vollständige Übersicht der Vermögensverhältnisse noch herausgegeben wird.

Darüber hinaus fehlt es, aus den bereits oben erörterten Gründen, zumindest auch an dem erforderlichen Verschulden der Beklagten. Aufgrund der Strafnormqualität des § 400 AktG setzt letzteres Tatbestandsmerkmal - wie § 826 BGB - ebenfalls vorsätzliches Handeln voraus.

6.

Das Vorbringen des Klägers in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 06.07.2009 und 15.07.2009 rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens der Beklagten in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 28.07.2009 und 31.07.09

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: 3.446,- €






LG Düsseldorf:
Urteil v. 04.08.2009
Az: 7 O 277/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/74956f0db509/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_4-August-2009_Az_7-O-277-09


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