Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. September 2006
Aktenzeichen: 32 W (pat) 50/05

(BPatG: Beschluss v. 27.09.2006, Az.: 32 W (pat) 50/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. April 2005 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 12. Februar 2004 für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 41 und 42 angemeldete Wortmarkelinguadictist von der mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzten Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 12. April 2005 teilweise, nämlich für die Waren und Dienstleistungen

"Datenverarbeitungsgeräte und Computer; elektronische Geräte zur Spracherkennung und/oder Sprachübersetzung; Software, soweit in Klasse 09 enthalten; bespielte Ton- und Datenträger, soweit in Klasse 09 enthalten; Druckereierzeugnisse; Anfertigung von Übersetzungen, auch unter Verwendung elektronischer Medien; Online-Publikation von elektronischen Wörterbüchern; Erstellen, Aktualisieren, Design und Installieren von Computersoftware; Bereitstellung von Computersoftware in Datennetzen; Vermittlung und Vermietung von Zugriffszeit zu Datenbanken"

wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen worden. Der Begriff "linguadict" werde vom Verkehr in Bezug auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen dahingehend verstanden, dass diese es mit einem Sprachwörterbuch - sei es in gedruckter oder elektronischer Form - zu tun hätten. Den Verkehrskreisen, die sich mit Fremdsprachen befassten, werde "lingua" für Sprache und "dict" als Kurzform für "dictionary = Wörterbuch" bekannt sein. Der Markenbegriff weise direkt und in glatt beschreibender Form auf den Verwendungszweck und die Art der Waren bzw. Dienstleistungen hin, nämlich als Fremdwörterbuch zu dienen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie stellt den Antrag, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.

Die Bezeichnung "linguadict" sei entgegen der Auffassung der Markenstelle unterscheidungskräftig. Insbesondere sei "linguadict" keine glatt beschreibende Angabe. Dass der Verbraucher "dict" zwingend als Abkürzung des englischen Wortes "dictionary" auffasse, sei zweifelhaft. Der Verkehr werde zunächst an das lateinische Wort "dictum" (= Aussage, Befehl, Ausspruch, Satz) bzw. "dicere" (= sagen, nennen, äußern) denken. Auch ein mögliches Verständnis im Sinne von "Diktat" bzw. "diktieren" dürfe nicht außer Acht gelassen werden. Unterscheidungskräftig sei die Marke auch deshalb, weil es sich um die Zusammenfügung zweier fremdsprachiger Begriffe aus zwei unterschiedlichen Fremdsprachen handele, von denen auch noch ein Bestandteil eine Abkürzung sei.

Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet, da einer Registrierung der angemeldeten Marke für die versagten Waren und Dienstleistungen weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) noch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinne vom § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.

Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, 235 [Nr. 45] - Standbeutel; BGH GRUR 2006, 850, 854 [Nr. 18] - FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw. eine Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das (die) vom Verkehr, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2006, 850, 854 [Nr. 19] - FUSSBALL WM 2006 m. w. N.).

Die Markenstelle ist zutreffend davon ausgegangen, dass die angemeldete Marke aus den Elementen "lingua" und "dict" zusammengesetzt ist. Das Wort "lingua" entstammt dem Lateinischen und bedeutet u. a. "Sprache"; "dict" kann als Abkürzung für das englische Wort "dictionary" (= Wörterbuch) stehen. Mit der Markenstelle kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die mit Fremdsprachen befassten oder an diesen interessierten Durchschnittsverbraucher die genannten Sinngehalte verstehen und insoweit einen beschreibenden Bezug zu den beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen herstellen. Das allein reicht aber nicht aus, der angemeldeten Marke die Schutzfähigkeit abzusprechen. Hierfür kommt es nämlich nicht allein darauf an, ob die Wortbestandteile für sich betrachtet unterscheidungskräftig sind; entscheidend ist, ob dem durch die Verbindung der Bestandteile entstandenen Gesamtzeichen die Eignung zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung fehlt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 92). Insbesondere ist insoweit anerkannt, dass ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes im Einzelfall durch eine hinreichend phantasievolle Wortbildung so weit überlagert sein kann, dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft nicht mehr abzusprechen ist (sog. sprechende Marke, vgl. etwa zur Zusammensetzung zweier Abkürzungen BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; zur Zusammensetzung einer lateinischstämmigen Wirkstoffangabe mit einer dem Deutschen entnommenen Bezeichnung der Darreichungsform BPatG GRUR 1997, 639, 640 - FERROBRAUSE). So liegt es hier.

Durch die ungewöhnliche Verschmelzung des lateinischen Wortes "lingua" mit der englischsprachigen Abkürzung "dict" entsteht ein neues Kunstwort "linguadict", das aus sich heraus originell und insoweit ohne Weiteres individualisierend wirkt. Der beschreibende Aussagegehalt von "linguadict" bleibt demgegenüber auch für sprachgewandte Verkehrskreise eher unklar und lässt sich ohne analysierende Betrachtung des Zeichens kaum zuverlässig ermitteln. Jedenfalls drängt er sich nicht in den Vordergrund, was aber Voraussetzung für eine Verneinung der erforderlichen Unterscheidungskraft wäre. Sprachlich weniger versierte Verkehrskreise haben ohnehin keinen Anlass, der angemeldeten Marke die erforderliche Herkunftsfunktion abzusprechen.

Im Hinblick auf ihre phantasievolle Wortbildung unterliegt die angemeldete Marke ungeachtet der beschreibenden Anklänge auch keinem Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.






BPatG:
Beschluss v. 27.09.2006
Az: 32 W (pat) 50/05


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