Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 9. November 2011
Aktenzeichen: 27 A 62.07

(VG Berlin: Urteil v. 09.11.2011, Az.: 27 A 62.07)

1. Der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) kommt hinsichtlich der Frage, ob ein Angebot geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen (§ 5 Abs. 1 JMStV), kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu.

2. Die tatsächlichen Würdigungen, Feststellungen und Wertungen, die einer Beanstandungs- oder Sendezeitbeschränkungsentscheidung der KJM zugrunde liegen, sind als sachverständige Aussagen zu begreifen, soweit es um die Einschätzung geht, ob ein Angebot einen von dem für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen maßgeblichen gesellschaftlichen Wertekonsens abweichenden Einfluss auf Minderjährige einer bestimmten Altersgruppe haben kann.

3. Diese sachverständigen Aussagen im Verwaltungsprozess wirksam in Frage zu stellen, erfordert denselben Aufwand, der notwendig ist, um die Tragfähigkeit fachgutachterlicher Äußerungen zu erschüttern.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheits-leistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages.

Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Veranstalterin des medienrechtlich zugelassenen Fernseh-Vollprogramms "P...". Sie wendet sich gegen die Beanstandung der Ausstrahlung der Folge €Die Monogamisten€ der Serie €Sex and the City€ (nachfolgend: €SATC€) am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr in diesem Programm und gegen die Festlegung der Sendezeit für die künftige Ausstrahlung dieser Folge auf 20.00 Uhr.

Die genannte Serie hat insgesamt 94 Folgen. Die Klägerin legte der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) Serienfolgen, die sie für eine Ausstrahlung in der Zeit ab 6.00 Uhr vorgesehen hatte, zur Prüfung vor; ein Teil dieser Folgen war gegenüber dem Original gekürzt worden. Die FSF gab zwischen Februar 2002 und Juli 2006 42 Folgen der Serie zur Verbreitung im Tagesprogramm frei. Diese Freigaben wurden teilweise mit Auflagen (ab €17.00 Uhr€, €mit Schnitten€) verbunden.

Die FSF gab die ungeschnittene Fassung (Länge laut Klägerin: 24 Minuten und 47 Sekunden) der Folge €Die Monogamisten€, die die Klägerin ihr zunächst vorgelegt hatte, am 3. April 2002 zur Ausstrahlung in der Zeit ab 20.00 Uhr frei. Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft e.V. (FSK) bewertete dieselbe Fassung dieser Folge auf Antrag des DVD-Auswerters der Serie €SATC€ im Jahre 2003 als €nicht freigegeben unter 16 Jahren€.

Die Klägerin beantragte darauf bei der FSF, eine gekürzte Fassung (Länge laut Klägerin: 24 Minuten und 27 Sekunden) der Folge gemäß § 9 Abs. 1 des Jugendmedienschutzstaatsvertrages - JMStV - für die Sendezeit ab 6.00 Uhr freizugeben. Die FSF entschied am 8. Oktober 2003, diese Fassung lediglich für das Hauptabendprogramm - ab 20.00 Uhr - zuzulassen.

Die FSK, der die Klägerin eine noch weiter gekürzte Fassung (Länge: 23 Minuten inklusive Abspann) der Folge zur Prüfung vorlegte, gab diese Fassung mit Freigabebescheinigung vom 27. April 2006 ab zwölf Jahren frei.

Die Klägerin strahlte in der Zeit vom 12. Juli 2006 bis zum 4. August 2006 ab 18.00 Uhr - nach der Sendung €Taff€ und vor €Die Simpsons€ - Folgen der Serie €SATC€ in dem erwähnten Fernsehprogramm aus, darunter am 19. Juli 2006 die Folge €Die Monogamisten€.

Der Direktor der Beklagten vertrat in einer Vorlage vom 31. Juli 2006 für den Prüfausschuss der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) die Auffassung, die Ausstrahlung besagter Folge am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr auf €P...€ habe nicht gegen geltende Jungendschutzbestimmungen verstoßen. Der Vorsitzende der KJM wertete diese Ausstrahlung in seiner Vorlage vom 7. August 2006 für den genannten Ausschuss dagegen als Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 1, 2 JMStV. Die Sendung sei geeignet, die Entwicklung von Kindern zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

Die Leiterin der KJM-Stabsstelle teilte dem €Prüfausschuss der KJM zu Rundfunkfällen nach § 14 Abs. 5 JMStV€ mit Schreiben vom 7. August 2006 mit, dass die KJM €aufgrund der Vielzahl an aktuellen Beschwerden und Anfragen€ entschieden habe, €den Fall 'Sex and the City€ direkt an den Prüfausschuss zu geben€. Die Ausschussmitglieder wurden gebeten, €entgegen der üblichen Verfahrensweise zwischen der zunächst von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) eingereichten Vorlage und der abweichenden Vorlage des Vorsitzenden abzustimmen€. Die angeschriebenen Mitglieder des Prüfausschusses, Dr. H..., K... und K..., übersandten der KJM-Stabstelle unter dem 8. bzw. 9. August 2006 unterzeichnete Faxantworten €zum Prüffall 'Sex and the City: Die Monogamisten€ (P..., Folge vom 19.07.06)€, in denen jeweils die vorgedruckte Passage €Ich stimme der Vorlage des Vorsitzenden zu€ angekreuzt war.

Die Beklagte erklärte der Klägerin mit Schreiben vom 8. September 2006, dass der Prüfausschuss der KJM in der betreffenden Fernsehsendung einen möglichen Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 JMStV sehe, gab zur Begründung einen Großteil der Ausführungen in der Vorlage des Vorsitzenden der KJM vom 7. August 2006 wieder und gab der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin nahm mit Schreiben vom 6. Oktober 2006 im Wesentlichen wie folgt Stellung: Die frühere FSF-Beschränkung, die in Rede stehende Folge nicht vor 20.00 Uhr auszustrahlen, finde auf die von P... gesendete Fassung der Folge keine Anwendung, da der Beitrag um insgesamt 2 Minuten und 47 Sekunden gekürzt worden sei. Sexuelle Themenbezüge seien auch im Tagesprogramm zulässig. Entwicklungsbeeinträchtigungen von Kindern unter zwölf Jahren durch die um 18.00 Uhr gesendeten Fassungen von Episoden der Serie €SATC€, insbesondere durch die zu dieser Uhrzeit ausgestrahlte Fassung der Episode €Die Monogamisten€, könnten nicht angenommen werden. Außerdem sei von der Geschäftsordnung der KJM (GVO-KJM) erheblich abgewichen worden.

Die KJM-Stabsstelle empfahl dem KJM-Prüfausschuss in einer Vorlage vom 8. Januar 2007 €zum Prüffall 'Sex and the City - Folge: Die Monogamisten€€ (vgl. VV €Sex and the City - 4 Fälle, KJM-Unterlagen€, Unterlagen zum Fall €Die Monogamisten€, Bl. 17 bis 27) zu beschließen, dass die Ausstrahlung dieser Folge am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr durch den Veranstalter P... beanstandet und dass für die Folge eine Sendezeitbeschränkung auf den Zeitraum von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr verhängt werde. Dieser Vorlage waren als Anlagen die Prüfvorlagen des Direktors der Beklagten und des KJM-Vorsitzenden, das Anhörungsschreiben der Beklagten sowie die Stellungnahme der Klägerin beigefügt. Die Vorlage vom 8. Januar 2007, ihre Anlagen und ein Mitschnitt der betreffenden Sendung wurden mit Schreiben der KJM-Geschäftsstelle vom 9. Januar 2007 an den €35. Prüfausschuss der KJM zu Rundfunkfällen nach § 14 Abs. 5 JMStV€ weitergeleitet. Die Mitglieder dieses Prüfausschusses, Dr. H..., H... und K..., sandten im Januar 2007 unterzeichnete Faxantworten zu dem genannten Prüffall zurück, in denen jeweils der vorgedruckte Text €Ich stimme der Beschlussempfehlung der KJM-Stabsstelle zu€ angekreuzt war.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2007 beanstandete die Beklagte gegenüber der Klägerin die Ausstrahlung der Folge €Die Monogamisten€ der Serie €SATC€ am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr und legte für die künftige Ausstrahlung dieser Folge die Sendezeit 20.00 Uhr fest. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die KJM habe die beanstandete Ausstrahlung der Folge als Verstoß gegen § 5 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 1, 2 JMStV bewertet und insbesondere zwei Probleme hinsichtlich einer Ausstrahlung im Tagesprogramm kritisiert: Zum einen die Gestaltungsebene, hier insbesondere die in Bezug auf Sexualität explizite, derb-zotige Sprache, und zum anderen die auf der inhaltlichen Ebene vermittelten Botschaften und Wertvorstellungen bezüglich sexueller Verhaltensweisen. In der Sendung dominiere insgesamt eine sexualisierte bzw. vulgäre Sprache. Durch die deutlich ausgeführten Dialoge über Sexualität entstehe der Eindruck, Sex ohne Gefühle und Zärtlichkeit sei erstrebenswert. Zu befürchten sei außerdem eine Verrohung von jüngeren Kindern in Bezug auf ihren Wortschatz bzw. hinsichtlich sexueller Vorgänge. Auf der inhaltlichen Ebene sei durch die vermittelten Wertvorstellungen in Bezug auf Sexualität eine sozial- und sexualethische Desorientierung von Kindern unter 12 Jahren zu befürchten, da Kinder die zum Teil ironisch verzerrten Rollenklischees und Handlungsweisen der Hauptdarstellerin und ihrer Freundinnen nicht ausreichend verstehen könnten, um das Gezeigte korrekt einzuordnen.

Samanthas Verhalten grenze bereits an Nymphomanie. Kinder könnten durch eine Zurschaustellung derartiger Werte sozial- und sexualethisch desorientiert werden, da ihnen vorgegaukelt werde, man könne nur außerhalb einer Beziehung ein befriedigendes Sexualleben haben.

Insgesamt werde Monogamie in der Folge vor allem als €öde€ und in einer Stadt wie New York kaum praktikabel bezeichnet. Gerade bei Kindern ab 10 Jahren, die dabei seien, ihre Geschlechterrolle auszuformen und vor ihren ersten eigenen sexuellen Erfahrungen ständen, sei eine derartige Vermittlung eines gesellschaftlich nach wie vor anerkannten Wertes wie Monogamie beeinträchtigend. Damit gehe implizit die Auffassung einher, dass es normal sei, wenn man sich neben einer bereits bestehenden Paarbeziehung auch auf sexuelle Kontakte mit anderen Partnern einlasse.

Ausdrücke wie €sich den Verstand rausvögeln€, €du findest blasen furchtbar€ oder €Ich bin doch nicht dein privater Deckhengst nach dem Motto 'Auf Anruf ficken€€ seien in der Regel keineswegs im Vokabular eines Kindes im Alter von 0 bis 11 Jahren enthalten - und sollten es auch nicht sein. Insbesondere jüngere Kinder übernähmen Ausdrücke, die sie von Erwachsenen hörten, oftmals auch dann unreflektiert, wenn sie den Sinn des Wortes nicht verstanden hätten.

Die Klägerin trägt mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Klage vor, der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig. Es sei auf die in § 8 der Geschäftsordnung der KJM in der hier anwendbaren Fassung vorgesehene Vorbereitung durch eine Prüfgruppe verzichtet und der Prüffall stattdessen direkt an einen Prüfausschuss weitergeleitet worden. Eine Abweichung von der Einhaltung der Regeln dieser Geschäftsordnung in einem Einzelfall setze nach § 14 GVO-KJM eine Entscheidung der KJM, also des KJM-Plenums und nicht des Vorsitzenden allein, voraus, die im vorliegenden Fall nicht stattgefunden habe; auf die - mittlerweile eingeführte - Regelung des § 10 GVO-KJM n. F. könne sich weder die KJM noch die Beklagte berufen. Ein weiterer Verstoß gegen § 8 GVO-KJM liege darin, dass der Prüfausschuss aufgefordert worden sei, eine Abstimmung zwischen der Prüfvorlage der Beklagten und einer Prüfvorlage des KJM-Vorsitzenden vorzunehmen, zumal die Geschäftsordnung nicht vorsehe, dass der Vorsitzende der KJM in den Fällen des § 6 Abs. 2 Nr. 3 GVO-KJM eigene Stellungnahmen Prüfausschüssen zur Entscheidung vorlegen dürfe. Im Übrigen sei durch dieses Verhalten auch der in § 8 Abs. 2 Satz 6 GVO-KJM verankerte Begründungszwang umgangen worden. Es fehle außerdem an einem Austausch von Argumenten über die alternativen, divergierenden Prüfvorlagen zwischen den Mitgliedern des Prüfausschusses. Ferner sei davon auszugehen, dass Frau K...unzulässiger Weise in dem ersten Prüfausschuss tätig geworden sei. Frau K..., die Stellvertreterin von Frau W... als Mitglied der KJM sei, sei mit der Prüfung beauftragt worden, ohne dass ein Vertretungsfall vorgelegen habe.

Weiterhin habe die KJM die nach § 15 JMStV erforderliche Abstimmung unterlassen. Die KJM sei gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 JMStV verpflichtet gewesen, die Vorsitzenden der Gremien der Landesmedienanstalten einzubeziehen. Denn es habe sich vorliegend um eine grundsätzliche Angelegenheit gehandelt. Die Serie €SATC€, bei der es sich um eine Leitserie handele, sei als neues Genre im Fernsehen zu qualifizieren. Darüber hinaus sei die KJM mit ihrer hier getroffenen Entscheidung von der Freigabe der Serie für das Tagesprogramm durch die FSF abgewichen. Die FSF habe insgesamt 42 Folgen der Serie für das Tagesprogramm freigegeben. Aus § 4 der Vorlagesatzung der FSF ergebe sich, dass bei einer Serie grundsätzlich nur drei für die jeweilige Serie typische Folgen der FSF vorgelegt werden müssten. Die serielle Freigabe, von der auch die streitgegenständliche Folge erfasst werde, löse die Sperrwirkung des § 20 Abs. 3 Satz 1 JMStV aus. Hinzu komme ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 JMStV. Aus Gründen der Einheitlichkeit des Jugendschutzes habe es einer Konsultation der Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedurft. Zum einen sei die mediale Darstellung von Sexualität im Tagesprogramm auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk an der Tagesordnung. Zum anderen sei die Serie €SATC€ als neues Genre im Fernsehen zu qualifizieren.

Eine Entscheidung der beiden mit dem Prüffall befassten Prüfausschüsse der KJM im Umlaufverfahren sei unzulässig gewesen. Das Umlaufverfahren sei für die Entscheidungsfindung dieser Prüfausschüsse generell unzulässig gewesen. §§ 89 ff. VwVfG und somit auch die Bestimmung des § 90 Abs. 1 Satz 2 VwVfG, die bei Ausschüssen die Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren wie dem Umlaufverfahren zulasse, seien hier gemäß § 88 VwVfG a. F. schon gar nicht anwendbar, da die Vorschriften des JMStV etwas Abweichendes bestimmten. Denn für die Entscheidungsfindung durch die KJM bzw. ihre Prüfausschüsse komme es in ganz besonderem Maße auf die gemeinsame Beratung und Beschlussfassung an. Bei dem Umlaufverfahren bestehe für die Mitglieder der Prüfausschüsse nicht die Möglichkeit, untereinander Argumente auszutauschen, auch nicht in schriftlicher Form. Selbst wenn § 90 Abs. 1 Satz 2 VwVfG vorliegend Anwendung finde, sei das Umlaufverfahren rechtswidrig. Diese Vorschrift mache die Zulässigkeit des schriftlichen Verfahrens unter anderem davon abhängig, dass ein Widerspruchsrecht in der Geschäftsordnung der KJM vorgesehen sei. § 6 Abs. 3 Satz 1 GVO-KJM kenne kein Widerspruchsrecht für Prüfausschussmitglieder. Nach dieser Vorschrift sei es vielmehr das alleinige Recht des Vorsitzenden der KJM, festzulegen, ob die Prüfung durch den Prüfausschuss im Umlaufverfahren oder als Präsenzprüfung erfolge.

Eine Präsenzprüfung der streitgegenständlichen Serienfolge habe in dem Prüfverfahren der KJM, das dem Beanstandungsbescheid zugrundeliege, überhaupt nicht stattgefunden.

Die Zusammensetzung der hier befassten Prüfausschüsse sei verfassungswidrig. Sie widerspreche dem rundfunkrechtlichen Gebot der Staatsferne, da beide Prüfausschüsse gemäß § 6 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GVO-KJM de facto zu zwei Dritteln aus Vertretern des Bundes und der Länder beständen. Die Weisungsfreiheit der Mitglieder der KJM bewirke allein noch keine hinreichende Staatsferne. Ein Verstoß gegen das genannte Gebot - welches sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ableite - werde bereits durch die funktionale Zugehörigkeit eines Prüfausschussmitglieds zur staatlichen Organisationseinheit begründet.

Ein Eilbedürfnis vermöge hier erfolgte Abweichungen des Verfahrensablaufs von der Geschäftsordnung der KJM nicht zu rechtfertigen, zumal die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht eilbedürftig gewesen sei.

Der Bescheid sei auch materiell rechtswidrig. Ihm liege ein falscher Sachverhalt zugrunde. Die KJM habe unberücksichtigt gelassen, dass über 40 Folgen der Serie von der FSF für das Tagesprogramm freigegeben worden seien, woraus eine serielle Freigabe folge. Darüber hinaus sei die KJM - zu Unrecht - in ihrem gesamten Prüfverfahren davon ausgegangen, dass die am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr ausgestrahlte Fassung der Folge und die Fassung, die die FSF am 8. Oktober 2003 für das Hauptabendprogramm freigegeben habe, identisch seien. Am 19. Juli 2006 sei eine Fassung der Folge ausgestrahlt worden, die gegenüber der von der FSK für die Altersstufe ab 12 freigegebenen Schnittfassung um insgesamt circa 1 Minute und 20 Sekunden gekürzt worden sei. Schon die von der FSK €ab 12 Jahren€ freigegebene Fassung sei um all diejenigen Elemente gekürzt worden, die in der Entscheidung der FSF vom 8. Oktober 2003 eine Sendezeitbeschränkung auf das Hauptabendprogramm ab 20.00 Uhr zur Folge gehabt habe.

Die vor 20.00 Uhr ausgestrahlte Fassung der Folge habe keine beeinträchtigende Wirkung i.S.v. § 5 Abs. 1 JMStV auf Kinder unter 12 Jahren. Die KJM, der bei der inhaltlichen Bewertung von Angeboten der privaten Rundfunkveranstalter ein Beurteilungsspielraum nicht zustehe, habe bei der Subsumtion nicht nur ein unzutreffendes Weltbild der zu schützenden Kinder, sondern auch eine völlig unzutreffende Beurteilung der konkreten Ausgestaltung der Serie und des dort vermittelten Weltbildes zugrunde gelegt. Die beanstandete Serienfolge weise weder auf der inhaltlichen Ebene noch auf der Gestaltungsebene Angebotseigenschaften auf, die Kindern die Übernahme problematischer sexueller Verhaltensweisen, Einstellungen oder Rollenbilder nahe legen würde, die dazu beitragen könnten, die psychosoziale und psychosexuelle Entwicklung der Kinder zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Die Figuren der Folge entfalteten kein Identifikationspotenzial für kindliche Betrachter. Keine der Protagonistinnen der Serie stehe mit der realen Erlebniswelt von Kindern in Verbindung. Alle Hauptfiguren seien Frauen im Alter von 35 bis 40 Jahren und verkörperten damit aus Sicht von Kindern unter 12 Jahren eher die Generation ihrer Eltern, denn ihre eigene Lebenswelt. Auch die gesamten Lebensumstände der vier Hauptcharaktere in der artifiziellen Welt der Schönen und Reichen in der Upper Class Manhattens habe mit der Lebensrealität, wie Kinder und Jugendliche sie normalerweise erlebten, nichts gemein. Auf der Sprachebene seien sämtliche Ausdrücke, die aufgrund ihrer Drastik im Handlungskontext bei Kindern möglicherweise eine Art sozialethischer Verstörung hätten auslösen können, vorsorglich entfernt worden. Die verbliebenen Ausdrücke seien auch Kindern unter 12 Jahren vertraut. Bei der verbliebenen sog. €Vulgärsprache€ handele es sich um eine Randerscheinung.

Die dem angegriffenen Bescheid zu Grunde liegenden Wertungen der KJM seien durch das Gutachten vom 6. Juli 2009 (vgl. Kopien GA Bd. II Bl. 96 bis 108), das sie - die Klägerin - bei der FSF eingeholt habe, widerlegt. Dieses, von der FSF-Prüferin U...erstellte Gutachten beweise, dass die um 18.00 Uhr ausgestrahlte Fassung der Folge tatsächlich nicht geeignet sei, eine sexual- und sozialethische Desorientierung von Kindern unter 12 Jahren herbeizuführen. Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht das Gutachten als nicht ausreichend tragfähig ansehen sollte, beantrage sie die Einholung eines Obergutachtens.

Jedenfalls sei die Ausstrahlung der Folge im Tagesprogramm aufgrund der FSK-12-Freigabe nach § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV zulässig gewesen. Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift obliege es dem jeweils ausstrahlenden Sender bzw. dessen Jugendschutzbeauftragten zu beurteilen, ob ein Angebot zur Ausstrahlung im Tagesprogramm geeignet sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 7. Februar 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor: Der Bescheid sei in formell rechtmäßiger Weise ergangen. Der Klägerin würden keine Rechte abgeschnitten, wenn die KJM ohne die Mithilfe einer Prüfgruppe unmittelbar den turnusgemäß nächsten Prüfausschuss mit einer Angelegenheit befasse. Ob eine Behörde oder eine sonstige Stelle sich bei der Bewältigung ihrer Arbeit an die selbstverordneten Organisationsabläufe halte oder nicht, berühre die Rechte außen stehender Dritter jedenfalls solange nicht, wie am Ende die entscheidungsbefugte Stelle oder das entscheidungsbefugte Gremium entschieden habe. Die KJM - sei es das Plenum oder der Prüfausschuss - sei als Entscheidungsgremium für die dem späteren Verwaltungsakt zugrunde liegende Beschlussfassung funktionell zuständig. Die Prüfgruppe, die die gesetzlich vorgesehenen Prüfausschüsse durch KJM-interne Vorprüfungen und Materialsammlungen entlasten solle, habe eine rein vorbereitende und interne Funktion.

Unbeachtlich sei, dass die Prüfgruppen in der Regel aufgrund einer Präsenzprüfung, ihre Beschlussempfehlungen aussprächen. Denn eine Präsenzprüfung sei weder durch den JMStV noch durch sonstiges Recht zwingend vorgeschrieben. Hinzu komme, dass der mit der Angelegenheit befasste Prüfausschuss seine Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Umlaufverfahren verweigern könne. Stimme nur ein Mitglied dieses Ausschusses nicht für ein schriftliches Umlaufverfahren, könne eine abschließende Entscheidung durch den Ausschuss nicht erfolgen.

Die Entscheidung über die Verfahrenseinleitung durch eine höherrangige Stelle innerhalb des zuständigen Hauses - nämlich durch den (hier: ersten) Prüfausschuss - sei kein Verfahrensfehler. Wer innerhalb eines Hauses eine Vorbereitungshandlung für eine Verfahrenseinleitung vornehme, sei rechtlich ohne jeden Belang. Überdies könne ein außen stehender Dritter keine Rechte daraus herleiten, wenn die Regeln, die die KJM hierfür aufstelle, im konkreten Fall nicht eingehalten würden. Diese Regeln dienten ausschließlich der Gewährleistung sachgerechter Verfahrensabläufe, der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung der KJM und gehörten damit ihrem Organisationsrecht an.

Der KJM, die die Vorlagen für den Prüfausschuss erstelle, stehe es frei, unter Ausnutzung ihrer eigenen Ressourcen - etwa der KJM-Stabstelle - die für die Entscheidung des Prüfausschusses erforderlichen Sachverhalte zu ermitteln und zusammenzustellen, wenn - aufgrund der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit - die nächste Sitzung der Prüfgruppe nicht abgewartet werden könne. Die Angelegenheit sei eilbedürftig gewesen, weil insgesamt 40 Folgen der Serie der FSF zu keinem Zeitpunkt zur Prüfung vorgelegen hätten und zahlreiche Folgen noch zur werktäglichen Ausstrahlung im Vorabendprogramm angestanden hätten. Die Eilbedürftigkeit habe sich auch nach der Absetzung der Serie nicht erledigt, da die Klägerin die Serie ohne weiteres in das Vorabendprogramm wieder aufnehmen könne.

Bei der Befassung des ersten Prüfausschusses sei es ausschließlich darum gegangen, darüber zu entscheiden, ob aus der Sicht des Prüfausschusses grundsätzlich eine Verletzung von § 5 Abs. 1 i.V.m Abs. 4 Satz 3 JMStV vorliege. Diese Vorgehensweise sei sachgerecht und rationell gewesen, da eine KJM-interne Vorprüfung in Bezug auf die Frage einer Beanstandung der Folge zu einem anderen Ergebnis als der Direktor der Beklagten gekommen sei.

Selbstverständlich könne der KJM-Vorsitzende ein Verfahren jederzeit selbst einleiten, wenn er - zum Beispiel aus Gründen der Eilbedürftigkeit - von dem ihm zur Entlastung zur Seite gestellten Unterbau keinen Gebrauch machen wolle oder könne. Im Übrigen sei auch weder durch den ersten noch durch den zweiten mit der Angelegenheit befassten Prüfausschuss ein Widerspruch erfolgt.

Die Begründungspflicht der Ausschussmitglieder gemäß § 8 Abs. 2 Satz 6 GVO-KJM sei nicht umgangen worden. Diese Vorschrift meine die Entscheidungsempfehlung der KJM und nicht eine Stellungnahme eines funktional unzuständigen anderen Organs der zuständigen Landesmedienanstalt. Der (erste) Prüfausschuss habe - ebenso wie der zweite - einstimmig der KJM-Vorlage zugestimmt.

Ein Austausch von Argumenten, der nicht zwingend mündlich zu erfolgen habe, habe hier in umfassender Weise stattgefunden. In den beiden alternativen Beschlussvorlagen seien divergierende Auffassungen zu einer möglichen Beanstandung der Folge vertreten und ausführlich dargestellt worden. Die wesentlichen Argumente seien dadurch ausgetauscht gewesen. Die Ausschussmitglieder hätten sich mit den einzelnen Argumenten auseinander setzen können.

Frau W...sei durch Frau K... vertreten worden, da sie als Mitglied des ersten Prüfausschusses verhindert gewesen sei. Sie habe sich zu dieser Zeit in Urlaub befunden. Im Übrigen komme es auch auf einen etwaigen Fehler bei der Abstimmung des ersten Prüfausschusses nicht an. Denn der streitgegenständliche Bescheid beruhe auf der Beschlussfassung des zweiten Prüfausschusses.

Eine Abstimmung mit den Gremienvorsitzenden sei nach § 15 Abs. 1 JMStV nicht erforderlich gewesen. Es habe sich vorliegend - auch wenn letztlich vier Folgen der Serie beanstandet worden seien - um Einzelfallentscheidungen, um Beanstandungen einzelner Folgen, gehandelt. Eine wie auch immer geartete €Bindungswirkung€ hinsichtlich nicht vorgelegter Folgen der Serie - wie der streitgegenständlichen Folge - könne die FSF-Entscheidung zu den vorgelegten Folgen nicht entfalten. Sie bestreite auch, dass es sich bei den vorgelegten Episoden um €typische€ Episoden gehandelt habe. Zudem handele es sich bei der streitgegenständlichen Folge nicht um eine €typische€ Folge, sondern um einen €Ausreißer€. Hinzu komme, dass die Regelung des § 15 Abs. 1 JMStV, bei der es nur um interne Informationsgewinnung gehe, keine Außenwirkung entfalte.

Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 JMStV liege schon deswegen nicht vor, weil dieser nicht Einzelfallentscheidungen, sondern ausschließlich Satzungen und Richtlinien betreffe. Zudem sehe das Gesetz lediglich einen gemeinsamen Erfahrungsaustausch vor. Im Übrigen würde ein Verstoß gegen § 15 Abs. 2 JMStV auch keine Außenwirkung entfalten.

Eine Entscheidung der Prüfausschüsse im Umlaufverfahren sei jeweils zulässig gewesen. Die Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM gehe den §§ 88 ff. BlnVwVfG vor. Aufgrund dieser Ordnung sei es Sache des KJM-Vorsitzenden, über die Art der Abstimmung zu entscheiden. § 6 GVO-KJM habe vorgesehen, dass der Vorsitzende festlegen könne, ob die Prüfung im Umlaufverfahren oder als Präsenzprüfung erfolge. Darüber hinaus entspreche die Vorgehensweise der KJM auch § 90 Abs. 1 Satz 2 BlnVwVfG.

Das Umlaufverfahren sei auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Den Mitgliedern des Prüfausschusses lägen sämtliche Informationen vor, nämlich ein Mitschnitt der betreffenden Sendung und die Argumentation der vorbereitenden Stelle innerhalb der KJM sowie - bei der abschließenden Beurteilung - die Argumentation des Anbieters. Bestehe für ein Mitglied des Prüfausschusses weiterer Argumentationsbedarf, könne es seine Zustimmung zu der Beschlussempfehlung im Umlaufverfahren verweigern und eine Plenumsentscheidung der KJM herbeiführen.

Die Zusammensetzung der hier befassten Prüfausschüsse sei verfassungsgemäß gewesen. Soweit Mitglieder der KJM im Rahmen des JMStV tätig würden, handelten sie aufgrund von § 14 Abs. 6 Satz 1 JMStV in jeder Hinsicht weisungsfrei. Die Zusammensetzung der Prüfausschüsse sei im Übrigen durch § 14 Abs. 5 Satz 2 JMStV gesetzlich vorgegeben. Der Gesetzgeber habe bei einer Besetzung dieser Ausschüsse mit drei Mitgliedern bewusst in Kauf genommen, dass zwei Mitglieder von den für den Jugendschutz zuständigen obersten Landes- und Bundesbehörden entsandt würden. Zudem sei die Aufgabe der KJM der Schutz der Kinder und Jugendlichen, bei dem die KJM als sachverständiges Gremium tätig werde, und nicht die Sicherung einer Meinungsvielfalt.

Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Er und seine Grundlage, die Entscheidung der KJM, könnten durch das Gericht materiell nur eingeschränkt überprüft werden. Der KJM stehe ein Beurteilungsspielraum zu. Sie sei ein für den Jugendschutz sachverständiges Gremium und gemäß § 16 Satz 1 JMStV für die abschließende Beurteilung von Angeboten nach dem JMStV zuständig. Eine dieser Vorschrift entsprechende Regelung enthalte auch § 36 Abs. 4 Satz 1 RStV zur Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich - KEK -. Der KEK stehe nach Auffassung von Rechtsprechung und Literatur ein Beurteilungsspielraum zu. Dies sei auf die KJM übertragbar.

Es komme nach § 20 Abs. 3 Satz 1 JMStV und nach Nr. 4.1.5 der normkonkretisierenden Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und des Jugendschutzes (JuSchRiL) ausschließlich auf die streitgegenständliche, in sich abgeschlossene Folge in der Fassung der hier beanstandeten Ausstrahlung an. Zudem habe die Vorlagesatzung der FSF keine Normqualität, sondern sei lediglich vereinsintern gegenüber den Mitgliedern bindend. Im Übrigen gebe es auch gar keine €typischen Folgen€ der Serie.

Der Bescheid sei auch unabhängig davon, ob ein Beurteilungsspielraum der KJM bestehe, inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Person der €Carrie€ sei vor allem für Kinder unter 12 Jahren nicht so glaubwürdig wie der Moderator einer im Nachmittagsprogramm ausgestrahlten Talkshow. €Carrie€ sei eine fiktive Person und nicht authentisch. Das Thema der Folge sei schon nicht für Kinder unter 12 Jahren geeignet und auch die Umsetzung sei zu beanstanden. Dazu gehöre auch, dass die in der Folge parallel laufenden Geschichten allesamt nicht aufgelöst würden.

Die Stellungnahme der FSF-Prüferin vom 6. Juli 2009 widerlege die KJM-Entscheidung nicht als unrichtig. Schon die Voraussetzungen für die Verwertung einer privaten sachverständigen Stellungnahme lägen nicht vor. Insbesondere sei die privatgutachterliche Äußerung nicht geeignet, die sachverständige Äußerung der KJM ernsthaft zu erschüttern. Es eröffneten sich aufgrund der Stellungnahme weder neue Gesichtspunkte noch lasse sich der Stellungnahme eine nachvollziehbare Begründung des Ergebnisses entnehmen, zu dem sie komme. Es bestehe deshalb auch keinerlei Veranlassung, ein Obergutachten in Auftrag zu geben.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme einer Aufzeichnung der von der Klägerin am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr ausgestrahlten Serienfolge €Die Monogamisten€. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme hinsichtlich der Zeiten, zu denen diese Folge nach Anzeige der in der Aufzeichnung mitlaufenden Digitaluhr begann und endete, sowie der Zeiten, zu denen die Werbeunterbrechung der Folge nach Anzeige besagter Digitaluhr begann und endete, wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte (2 Bände) samt des von der Klägerin eingereichten Ordners und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Ordner), die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid, mit dem die Ausstrahlung der Folge €Die Monogamisten€ der Serie €SATC€ am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr beanstandet und die Sendezeit für die künftige Ausstrahlung dieser Folge auf 20.00 Uhr festgelegt wurde, leidet an keinem Rechtsfehler, der die Klägerin mit der Folge einer Aufhebung in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die genannte Beanstandung (dazu nachfolgend unter A.) sowie die erwähnte Sendezeitbeschränkung (dazu nachfolgend unter B.) leiden jeweils nur an einem Verfahrensfehler, dessentwegen allein die Aufhebung dieser Verwaltungsakte nicht beansprucht werden kann.

A.

Die angefochtene Beanstandung, für deren Erlass die Beklagte zuständig gewesen ist (nachfolgend I.), ist materiell rechtmäßig (nachfolgend II.) und entspricht in verfahrensrechtlicher Hinsicht lediglich den Anforderungen an eine Gremienentscheidung nicht; dieser Verfahrensfehler führt allerdings nicht zur Aufhebung der Beanstandung (nachfolgend III.)

I.

Die Beklagte ist gemäß § 20 Abs. 1 und 2 des Staatsvertrags über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien - JMStV - (mit Zustimmungsgesetz vom 11. Februar 2003 veröffentlicht in GVBl. 2003 S. 69) für den Erlass der Beanstandung zuständig gewesen. Stellt die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass ein Anbieter (vgl. dazu § 3 Abs. 2 Nr. 2 JMStV) gegen die Bestimmungen des JMStV verstoßen hat, trifft sie die erforderlichen Maßnahmen gegenüber dem Anbieter (§ 20 Abs. 1 JMStV) - und zwar für Veranstalter von Rundfunk - wie die Klägerin, die Rundfunk in Form von Fernsehen veranstaltet - €durch die KJM€ entsprechend den landesrechtlichen Regelungen (§ 20 Abs. 2 JMStV). Zuständig ist die Landesmedienanstalt des Landes, in dem die Zulassung des Rundfunkveranstalters erteilt wurde (§ 20 Abs. 6 Satz 1 JMStV). Demnach ist im vorliegenden Fall die Beklagte zuständig, von der die Sendeerlaubnis der Klägerin zuletzt erteilt, nämlich verlängert wurde.

Die KJM dient der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt als Organ bei der Umsetzung ihrer Aufgaben nach § 14 Abs. 1 JMStV (§ 14 Abs. 2 Satz 2 JMStV). Die Beschlüsse der KJM sind gegenüber den anderen Organen der zuständigen Landesmedienanstalt bindend und deren Entscheidungen zugrundezulegen (§ 17 Abs. 1 Sätze 5 und 6 JMStV). - Dies bedeutet: Stellt die KJM fest, dass ein Rundfunkveranstalter gegen die Bestimmungen des JMStV verstoßen hat, und beschließt sie, dass dieser Verstoß zu beanstanden ist, was durch Mehrheitsentscheidung aller ihrer gesetzlichen Mitglieder (§ 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV) oder - wie hier - durch die einstimmige Entscheidung eines Prüfausschusses (§ 14 Abs. 5 Satz 3 JMStV) geschehen kann, dann muss die zuständige Landesmedienanstalt - hier die Beklagte - diesen Beschluss ohne weitere Prüfung durch Beanstandung des Verstoßes - hier nach §§ 8 Abs. 3, 58 Abs. 1 MedienStV - gegenüber dem Veranstalter umsetzen; andere Aufsichtsmaßnahmen sind nicht gegeben. Funktionell zuständig für den Erlass des entsprechenden Verwaltungsaktes ist der Direktor der Beklagten in €Vollziehung der laufenden Geschäfte€ im Sinne von § 14 Abs. 1 MedienStV.

Aus der Bindung der Beklagten an den Beschluss der KJM folgt, dass die gerichtliche Überprüfung einer Beanstandung sich in derartigen Fällen darauf richtet, ob die von der KJM beschlossene Beanstandung materiell rechtmäßig ist, insbesondere ob die KJM einen Verstoß gegen Bestimmungen des JMStV zu Recht angenommen hat - dazu nachfolgend II. -, und ob die KJM im Rahmen des ihr obliegenden Prüfverfahrens keine zur Aufhebung der Beanstandung führenden Verfahrensfehler begangen hat - dazu nachfolgend III. -.

II.

Die angefochtene Beanstandung ist materiell rechtmäßig. Diese Maßnahme ist nicht nach § 20 Abs. 3 JMStV unzulässig (1.) und die Klägerin hat durch die Ausstrahlung der in Rede stehenden Serienfolge am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 JMStV verstoßen (2.).

1. Tritt die KJM an einen Rundfunkveranstalter mit dem Vorwurf heran, er habe gegen Bestimmungen des JMStV verstoßen, und weist der Veranstalter nach, dass er die Sendung vor ihrer Ausstrahlung einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle im Sinne des JMStV vorgelegt und deren Vorgaben beachtet hat, so sind Maßnahmen durch die KJM im Hinblick auf die Einhaltung der Bestimmungen zum Jugendschutz durch den Veranstalter nur dann zulässig, wenn die Entscheidung oder die Unterlassung der Entscheidung der Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums überschritten hat (§ 20 Abs. 3 Satz 1 JMStV). Für Entscheidungen u.a. nach § 9 JMStV gilt diese Vorschrift entsprechend (§ 20 Abs. 3 Satz 3 JMStV). Die Voraussetzungen, unter denen die Zulässigkeit von Maßnahmen durch die KJM nach § 20 Abs. 3 Sätze 1 und 3 JMStV eingeschränkt ist, liegen hier nicht vor. Die FSF, eine anerkannte Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle im Sinne des JMStV, hat die betreffende Sendung - die in Rede stehende Folge der Serie €SATC€ - vor ihrer Ausstrahlung am 19. Juli 2006 nicht für die Ausstrahlung um 18 Uhr freigegeben. Insbesondere hat die FSF nicht die gesamte Serie €SATC€ zur Ausstrahlung im Tagesprogramm - also in der Zeit zwischen 6.00 und 20.00 Uhr - zugelassen. Eine solche serielle Freigabe folgt nicht aus dem Umstand, dass die FSF im Zeitraum von Februar 2002 bis Juli 2006 42 Folgen der Serie für das Tagesprogramm freigab. Die gegenteilige Auffassung der Klägerin lässt sich nicht mit Erfolg auf § 4 der Vorlagesatzung der FSF (abgedruckt in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag, Kommentar, 49. Aktualisierung [Oktober 2011], Anhang Nr. 4 zu § 19 JMStV) stützen. Nach § 4 Abs. 1 dieser Satzung sind bei Serien €mindestens drei für sie typische Folgen€ vorzulegen; vorhandene Inhaltsangaben sind ebenfalls einzureichen, um den Prüfern eine Gesamteinschätzung der Serie zu erleichtern.

Der von der Klägerin gezogene Schluss, dass eine Freigabe von 42 Folgen der Serie für das Tagesprogramm zu einer entsprechenden Freigabe für alle Folgen der Serie führe, ist verfehlt. Die Vorlagepflicht bei Serien nach § 4 der Vorlagesatzung der FSF - die nach § 4 Abs. 5 dieser Vorlagesatzung offenbar immer besteht, wenn eine zuvor im Hauptabendprogramm ausgestrahlte Serie im Vorabendprogramm wiederholt werden soll - soll es dem Anbieter ermöglichen, eine Entscheidung über die jugendmedienschutzrechtliche Zulässigkeit der gesamten Serie - hier für die Ausstrahlung im Vorabendprogramm - zu erreichen. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein solches Begehren von der Klägerin jemals an die FSF gerichtet und von dieser geprüft worden ist. Vielmehr hat die Klägerin - lediglich - einzelne Episoden der Serie bei der FSF (zumindest teilweise in geschnittener Fassung erneut) eingereicht und für diese in der vorgelegten Fassung eine Entscheidung hinsichtlich der €Tagesfreigabe€ erwirkt; für mehr als die Hälfte der Folgen der Serie ist dies indes nicht erfolgt, darunter insbesondere auch nicht für die am 19. Juli 2006 ausgestrahlte Fassung der in Rede stehenden Folge.

Das von der Klägerin gewählte Verfahren - Überprüfungsanträge an die FSF hinsichtlich einzelner Folgen der Serie, um für diese teilweise zu diesem Zweck gekürzten oder nach Wertung der FSF noch zu kürzenden Folgen eine Ausstrahlung im Tagesprogramm zu ermöglichen - führt nicht zu einer Entscheidung der FSF über die Freigabe der gesamten Serie im Tagesprogramm. Das Freigabeverfahren der FSF für Serien nach § 4 der erwähnten Vorlagesatzung ist darauf gerichtet, den Prüfern eine Gesamteinschätzung der Serie zu erleichtern. Die Notwendigkeit einer Gesamteinschätzung besteht aber nur dann, wenn im Prüfauftrag klargestellt ist, dass die gesamte Serie unter Jugendschutzaspekten zur Prüfung gestellt wird; mit den von der Klägerin in einem Zeitraum von mehr als 4 Jahren der FSF vorgelegten Einzelfolgen wurde dagegen nur die Prüfung der jeweiligen Einzelfolge für eine Ausstrahlung im Tagesprogramm - gegebenenfalls unter Auflagen - veranlasst.

Im Übrigen wäre die in Rede stehende Folge selbst dann nicht für eine Ausstrahlung im Tagesprogramm freigegeben, wenn die vorliegenden 42 Tagesfreigaben €automatisch€ zu einer Tagesfreigabe der Serie geführt hätten. Auch vom Ausgangspunkt der Klägerin bezüglich der €seriellen Freigabe€ dürfte klar sein, dass diese Freigabe solche Einzelfolgen nicht erfasst, die von der FSF im Rahmen der Einzelprüfung für das Tagesprogramm nicht zugelassen worden sind. So verhält es sich hinsichtlich der Folge €Die Monogamisten€. Die FSF lehnte die begehrte Tagesfreigabe einer gegenüber der Originalfassung dieser Folge (Länge: 24 Minuten und 47 Sekunden) - diese Fassung hatte die FSF am 3. April 2002 für die Ausstrahlung ab 20.00 Uhr zugelassen - gekürzten Fassung der Folge (Länge: 24 Minuten und 27 Sekunden) am 8. Oktober 2003 ab. Es ist unerheblich, dass die FSF eine Entscheidung über die Tagesfreigabe der gegenüber letzterer Fassung noch weiter gekürzten, am 19. Juli 2006 gesendeten Fassung der Folge, die nach den von der Kammer im Rahmen der Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen (mit einem - kurzen - Abspann und ohne Werbeunterbrechung) eine Länge von etwa 21 Minuten und 41 Sekunden hatte und die zumindest vor ihrer Ausstrahlung der FSF nicht zur Prüfung vorgelegt wurde, nicht getroffen hat. Denn die Entscheidung der FSF vom 8. Oktober 2003, mit der die Ausstrahlung der Folge im Tagesprogramm versagt wurde, ist durch die weiteren Kürzungen der Folge, die die Klägerin für die am 19. Juli 2006 ausgestrahlte Fassung vornahm, nicht obsolet oder gegenstandslos geworden. Abgesehen davon macht das in § 4 Abs. 2 der Vorlagesatzung der FSF (Wortlaut: €Der Jugendschutzbeauftragte des Antragstellers überprüft auf der Grundlage der Prüfgutachten die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen für alle weiteren Folgen der Serie. Bestehen Zweifel, ob eine bestimmte Folge gegen Jugendschutzbestimmungen verstoßen könnte, so legt er diese der FSF vor.€) vorgeschriebene Verfahren deutlich, dass bei Zweifeln der genannten Art immer eine Entscheidung der FSF über die einzelne Folge bzw. die einzelne Fassung einer bestimmten Folge erforderlich ist. Solche Zweifel mussten hinsichtlich der am 19. Juli 2006 ausgestrahlten Version der Folge schon deshalb bestehen, weil die FSF am 8. Oktober 2003 die Tagesfreigabe einer längeren Version der Folge abgelehnt hatte.

2. Die Klägerin hat durch die Ausstrahlung der in Rede stehenden Folge am 19. Juli 2006 um 18.00 Uhr gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 JMStV verstoßen.

Nach § 5 Abs. 1 JMStV haben Anbieter, sofern sie Angebote verbreiten oder zugänglich machen, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen diese Angebote üblicherweise nicht wahrnehmen.

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen hier vor. Die Klägerin ist eine Anbieterin im Sinne des JMStV (vgl. dazu § 3 Abs. 2 Nr. 2 JMStV), nämlich - wie unter I. ausgeführt - eine Rundfunkveranstalterin. Die Ausstrahlung der erwähnten Folge im Fernsehen ist ein Angebot im Sinne dieses Staatsvertrages (vgl. dazu § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV), und zwar eine Rundfunksendung. Die Klägerin hat dieses Angebot verbreitet oder zugänglich gemacht, indem sie die betreffende Sendung in dem von ihr veranstalteten Fernsehprogramm ausgestrahlt hat. Diese Sendung ist geeignet, die Entwicklung von Kindern unter 12 Jahren zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

aa) Der KJM kommt hinsichtlich der Frage, ob eine Sendung geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen (zur Begriffsbestimmung vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV) zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen - geschweige denn hinsichtlich der Frage, ob eine Sendung gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 JMStV verstößt -, kein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. Urteil der Kammer vom 28. Januar 2009 - VG 27 A 61.07 -, juris, Rn. 37 ff., sowie BayVGH, Urteil vom 23. März 2011 - 7 BV 09.2512, 7 BV 09.2513 -, juris, Rn. 32 ff., jeweils m.w.N.).

Durch § 5 Abs. 1 JMStV, dessen Tatbestandmerkmal €€ die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, €€ wortgleich in § 14 Abs. 1 des Jugendschutzgesetzes - JuSchG - enthalten und wie das dortige Tatbestandsmerkmal zu verstehen ist (vgl. Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer [Hrsg.], Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, § 5 JMStV, Rn. 2, und in: Scholz/Liesching, Jugendschutz, 4. Auflage, § 5 JMStV, Rn. 2; Erdemir, in: Spindler/Schuster [Hrsg.], Recht der elektronischen Medien, § 5 JMStV, Rn. 5; Ukrow, Jugendschutzrecht, Rn. 442), wird die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen umfassend, also sowohl in körperlicher, geistiger als auch seelischer Hinsicht, geschützt (vgl. Liesching, in: Scholz/Liesching, a.a.O., § 14 JuSchG, Rn. 4; Erdemir, a.a.O., Rn. 7). Hinsichtlich Beeinträchtigungen der geistigen oder seelischen Entwicklung ist entscheidend, welche Wertmaßstäbe hierbei einzuhalten sind bzw. inwieweit die Inhalte von Angeboten im Sinne des JMStV von einem bestimmten allgemeinen Wertekonsens abweichen (vgl. Liesching, in: Scholz/Liesching, a.a.O., § 14 JuSchG, Rn. 4).

Als Wertemaßstäbe sind vor allem die Grundwerte der Verfassung, insbesondere die Achtung der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Toleranzgebot nach Art. 3 GG und der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1, 2 GG, zu beachten (vgl. Liesching, in: Paschke/Berlit/Meyer, a.a.O., § 14 JuSchG, Rn. 2, und in: Scholz/Liesching, a.a.O., § 14 JuSchG, Rn. 5; Ukrow, a.a.O., Rn. 266). Daneben können sich derartige Maßstäbe auch aus sittlichen Normen und Erziehungszielen ergeben (vgl. Ukrow, a.a.O., Rn. 265; insoweit kritisch von Gottberg, in: Wandtke [Hrsg.], Medienrecht Praxishandbuch, Kapitel 2: Jugendmedienschutz, Rn. 20 ff., insbesondere Rn. 22).

Unter Beeinträchtigungen sind Hemmungen, Störungen oder Schädigungen zu verstehen. Zu berücksichtigen sind danach alle Beeinträchtigungen, die von dem Angebot im Ganzen oder seinen Einzelheiten ausgehen können, wobei die Gesamtwirkung nicht außer Acht zu lassen ist. Eine Beeinträchtigung der Entwicklung können insbesondere Angebote verursachen, welche die charakterliche, sittliche (einschließlich religiöse) oder geistige Erziehung hemmen, stören oder schädigen, zu falschen oder abträglichen Lebenserwartungen verführen (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Grundsätze der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH - FSK-Grundsätze -, abgedruckt in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., Anhang Nr. 1 zu § 19 JMStV; Liesching in: Scholz/Liesching, a.a.O., § 14 JuSchG, Rn. 7; insoweit zurückhaltend Erdemir, a.a.O., § 5 JMStV, Rn. 5) oder die Erziehung zu verantwortungsbewussten Menschen in der Gesellschaft hindern (vgl. VG München, Urteil vom 17. Juni 2009 - M 17 K 05.598 -, juris, Rn. 102; Ukrow, a.a.O., Rn. 442; Hertel, in: Hahn/Vesting, Beck€ scher Kommentar zum Rundfunkrecht, 2. Auflage, § 5 JMStV, Rn. 5; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 5 JMStV, Rn. 12; Landmann, in: Eberle/Rudolf/Wasserburg [Hrsg.], Mainzer Rechtshandbuch der Neuen Medien, Kapitel VI: Jugendmedienschutzrecht, Rn. 87).

Für die Beurteilung der Beeinträchtigung ist nicht auf die durchschnittlichen, sondern auch auf die schwächeren und nicht so entwickelten Mitglieder der Altersgruppe abzustellen. Die mögliche Wirkung auf bereits gefährdungsgeneigte Kinder und Jugendliche ist angemessen zu berücksichtigen (vgl. 3.1.2 der Gemeinsamen Richtlinien der Landesmedienanstalten zur Gewährleistung des Schutzes der Menschenwürde und des Jugendschutzes [Jugendschutzrichtlinien - JuSchRiL] vom 8./9. März 2005, abgedruckt in Hahn/Vesting, a.a.O., Anhang zu § 15 JMStV; Urteil der Kammer vom 28. Januar 2009, a.a.O., Rn. 44; Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 5 JMStV, Rn. 12; a.M. Erdemir, a.a.O., Rn. 8 f., nach dem auf das durchschnittlich entwickelte Kind bzw. den durchschnittlich entwickelten Jugendlichen der jeweiligen Altersgruppe abzustellen ist). Lediglich Extremfälle (z. B. völliger Verwahrlosung und krankhafter Anfälligkeit) sind auszunehmen (vgl. § 18 Abs. 2 Nr. 4 FSK-Grundsätze und Ukrow, a.a.O., Rn. 267).

Für die Eignung von Angeboten zur Beeinträchtigung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit genügt der mutmaßliche Eintritt einer solchen Beeinträchtigung, d. h. die einfache Wahrscheinlichkeit der Beeinträchtigung. Als geeignet, die von § 5 Abs. 1 JMStV geschützte Entwicklung zu beeinträchtigen, wird man ein Angebot schon dann ansehen können, wenn dessen Inhalt oder die konkrete Art und Weise der Darstellung von dem für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen maßgeblichen gesellschaftlichen Wertekonsens derart abweicht, dass auch eine dahingehend abweichende Einflussnahme auf Minderjährige einer bestimmten Altersgruppe möglich erscheint (vgl. VG München, a.a.O., Rn. 121; Liesching in: Scholz/Liesching, a.a.O., Rn. 8, und Ukrow, a.a.O, Rn. 268, jeweils m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßstäben ist die in Rede stehende Sendung geeignet gewesen, die Entwicklung von Kindern unter 12 Jahren zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Es ist wahrscheinlich, dass diese Sendung die seelische Entwicklung einschließlich der charakterlichen und sittlichen Erziehung solcher Kinder gestört hat. Die Kammer ist überzeugt davon, dass durch die Sendung eine sozial- und sexualethische Desorientierung von unter zwölfjährigen Kindern in Bezug auf Sexualität, nämlich zumindest im Hinblick auf Monogamie (im Sinne einer auf Dauer angelegten exklusiven Geschlechtsgemeinschaft zweier Menschen), sowie eine Verrohung von derartigen Kindern in Bezug auf ihren Wortschatz zu befürchten ist. Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden sachverständigen Aussagen der KJM hat das Gericht nicht.

(1) Die tatsächlichen Würdigungen, Feststellungen und Wertungen, die einer (Bean-standungs-)Entscheidung der KJM zugrunde liegen, sind als sachverständige Aussagen zu begreifen, soweit es um die Einschätzung geht, ob ein Angebot einen von Werten, die gesellschaftlich für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen maßgeblich sind, abweichenden Einfluss auf Minderjährige einer bestimmten Altersgruppe haben kann. Diese sachverständigen Aussagen im Verwaltungsprozess wirksam in Frage zu stellen, erfordert denselben Aufwand, der notwendig ist, um die Tragfähigkeit fachgutachtlicher Äußerungen zu erschüttern (vgl. Urteil der Kammer vom 28. Januar 2009, a.a.O., Rn. 40 f., und BayVGH, a.a.O., Rn 45 f., jeweils m.w.N.).

(2) Die KJM ist bei der Fassung ihres Beschlusses, die Sendung zu beanstanden, zum einen davon ausgegangen, dass durch die in der Sendung auf der inhaltlichen Ebene vermittelten Wertvorstellungen eine sozial- und sexualethische Desorientierung von Kindern unter 12 Jahren in Bezug auf Sexualität zu befürchten ist. Insoweit hat die KJM insbesondere angenommen, dass Kinder durch eine - in Samanthas Verhalten in der Sendung zu erblickende - Zurschaustellung von an Nymphomanie grenzenden Werten sozial- und sexualethisch desorientiert werden und dass eine - in der Sendung insgesamt erfolgende - Vermittlung eines gesellschaftlich anerkannten Wertes wie Monogamie als €öde€ und in einer Stadt wie New York kaum praktikabel gerade bei Kindern ab 10 Jahre beeinträchtigend ist.

Zum anderen ist die KJM bei dem vorstehend bezeichneten Beschluss davon ausgegangen, dass durch die in der Sendung in Bezug auf Sexualität verwendete, zum Teil derb-zotige Sprache insbesondere eine Verrohung von jüngeren Kindern, nämlich von Kindern im Alter von 0 bis 11 Jahren, in Bezug auf ihren Wortschatz zu befürchten ist.

Dies geht aus der Begründung (vgl. dazu § 17 Abs. 1 Sätze 3 und 4 JMStV) des genannten Beschlusses, nämlich aus der Vorlage der KJM-Stabstelle vom 8. Januar 2007 (nachfolgend: Vorlage), hervor. Diese Vorlage stellt zumindest der Sache nach die Begründung des Beschlusses dar. Sie war die Grundlage des Beanstandungsbeschlusses, den der 35. Prüfausschuss fasste. Dieser Ausschuss stimmte im Januar 2007 der Beschlussempfehlung zu, die in der Vorlage enthalten war. Die Gründe, die die KJM-Stabstelle in der Vorlage für diese Empfehlung angeführt hatte, wurden dementsprechend im Wesentlichen in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

(3) Sowohl der Inhalt als auch die sprachliche Gestaltung der Sendung weichen von Werten ab, die in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für die seelische Entwicklung einschließlich der charakterlichen und sittlichen Erziehung von Kindern und Jugendlichen allgemein als maßgeblich anerkannt sind. Um dies festzustellen, bedarf es keiner besonderen Sachkunde. Selbst wenn besondere Sachkunde erforderlich wäre, um die entsprechenden Feststellungen zu treffen, würde sich an der Beurteilung im Ergebnis nichts ändern. Denn die KJM, die den für derartige Feststellungen etwa erforderlichen Sachverstand auf jeden Fall besitzt, ist insoweit zu jeweils denselben Feststellungen wie das Gericht gelangt. Zweifel an der Richtigkeit der diesbezüglichen Aussagen der KJM bestehen nicht.

Der Inhalt der Sendung weicht von zumindest einem Wert ab, der in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für die vorstehend bezeichnete Entwicklung allgemein als maßgeblich angesehen wird. Es kann dahinstehen, ob in der Sendung an Nymphomanie grenzende Werte zur Schau gestellt werden. Denn der Inhalt der Sendung weicht jedenfalls von dem Wert der Monogamie in dem oben genannten Sinne ab.

Monogamie in dem erwähnten Sinne ist in der liberalen und pluralistischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland offenkundig auch heute noch ein allgemein anerkannter sittlicher Wert und ein Teil des für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen maßgeblichen gesellschaftlichen Wertekonsenses, mit anderen Worten ein in der Gesellschaft unumstrittenes Erziehungsziel.

Die Sendung vermittelt ihrem gesamten Inhalt nach eine unangemessen skeptische Haltung gegenüber der Monogamie in diesem Sinne, zumindest aber gegenüber deren Praktikabilität, und somit letztlich eine Promiskuität - das Gegenteil der so verstandenen Monogamie - begünstigende Haltung, nämlich eine unkritisch-bagatellisierende Einstellung gegenüber der Promiskuität. Damit geht - wie auch die KJM zutreffend annahm (vgl. Nr. 6.3, Seite 10 der Vorlage) - implizit die Auffassung einher, dass es normal sei, wenn man sich neben einer bereits bestehenden Paarbeziehung auch auf sexuelle Kontakte mit anderen Partnern einlässt.

Die Sendung transportiert im Wesentlichen die folgenden Botschaften:

- Sexualität steht im Leben von erwachsenen Menschen €in einer Stadt wie New York mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten€ völlig im Vordergrund, insbesondere ist sie in Paarbeziehungen von Erwachsenen der absolut beherrschende Aspekt.

- Viele Erwachsene wollen in einer derartigen Stadt promiskuitiv leben, was ihnen auch verhältnismäßig einfach gelingt, während Erwachsene, die an solchen Orten monogam leben möchten, es schwer haben, diesen Wunsch zu realisieren.

Diese Botschaften kommen in zentralen Handlungen und Erklärungen der Hauptfiguren (Carrie Bradshaw und ihre Freundinnen Charlotte, Miranda und Samantha) und einiger bedeutenderer Nebenfiguren (z. B. Mr. Big, Skipper) der Folge zum Ausdruck.

Samantha, die nach einem Hintergrundkommentar von Carrie ihren größten Leidenschaften, nämlich Sex und Immobilien, nachgeht und mit ihrer Untreue protzt, hat bei Wohnungsbesichtigungen Sex mit zwei Immobilienmaklern, die sie zuvor nicht kannte.

Miranda erklärt ihrem ehemaligen Freund Skipper, mit dem sie zuvor Sex hatte, sie sei nicht reif für eine echte Beziehung; sie und Skipper könnten sich aber weiter zum Sex treffen und daneben jeweils auch sexuelle Treffen mit anderen haben.

Mr. Big, der seit kurzem eine Beziehung mit Carrie hat, trifft sich in einem Restaurant mit einer anderen Frau. Carrie, die ihn bei diesem €date€ zufällig überrascht und die ihre Verwunderung darüber zum Ausdruck bringt, dass Mr. Big sich mit anderen Frauen trifft, erklärt er: €Aber nicht mit vielen Frauen.€

Mr. Big wird auf einer Party, die er und Carrie gemeinsam besuchen, von einer anderen Frau zur Begrüßung umarmt und auf den Mund geküsst. Im weiteren Verlauf bittet diese Frau Mr. Big, ihr ihren Reisepass zurückzugeben. Der Gastgeber der Party, ein alter Freund von Mr. Big, spricht Carrie, die Mr. Big ihm gerade vorstellen will, mit einem andern weiblichen Vornamen an und erklärt ihr nach ihrer Vorstellung, wenn sie Material für ihre Zeitungskolumne €Sex and the city€ brauche, dann sei sie mit dem Richtigen zusammen. Carrie fragt Mr. Big anschließend, mit wie vielen Frauen er sich überhaupt treffe, worauf Mr. Big letztlich antwortet: €Was erwartest Du überhaupt€€

Mr. Big beantworte die von Carrie in der Schlussszene sinngemäß gestellte Frage, ob er eine monogame Beziehung mit ihr führen wolle (€Willst Du nicht auch einmal mit mir stehen bleiben€€), nicht ausdrücklich, sondern nimmt Carrie in den Arm und schaut in den nächtlichen Himmel.

Skipper, der Miranda immer noch liebt, nimmt an, dass sie ihn zurückhaben will, als sie ihm ein Treffen vorschlägt. Miranda will aber nur Sex mit ihm haben und entspricht Skippers Wunsch nicht, eine monogame Beziehung miteinander zu führen.

Charlotte und ihr neuer Freund, die sich gegenseitig als eigentlich ideale Partner ansehen und grundsätzlich eine monogame Beziehung miteinander führen wollen, können sich nicht über die Ausübung einer Sexualpraktik einigen: Während er oralen Sex wünscht, lehnt Charlotte diese Praktik ab.

Carrie, die mit Mr. Big eine monogame Beziehung führen will, fragt sich nach der erwähnten Szene mit Mr. Big im Restaurant, ob €Monogamie in einer Stadt wie New York mit ihren unbegrenzten Möglichkeiten zu viel verlangt€ sei. Carrie gewinnt auf einer Party, die sie allein besucht, den Eindruck, dass Monogamie bei unter Dreißigjährigen nur eine Marotte sei. Schließlich droht Carrie Mr. Big, mit einem anderen Mann Sex zu haben, falls er sie nicht von dieser Party abhole.

Samantha, Miranda und Mr. Big leben demnach relativ problemlos und erfolgreich promiskuitiv: Samantha hat - wie von ihr gewünscht - Sex mit zwei Männern, ohne mit diesen eine über die jeweils einmalige sexuelle Begegnung hinausgehende Beziehung einzugehen. Miranda hat immerhin einmal den von ihr gewünschten Sex mit Skipper, ohne wieder eine von ihr abgelehnte monogame Beziehung mit ihm einzugehen. Mr. Big gibt Carries Wunsch, eine monogame Beziehung miteinander zu führen, nur vordergründig nach, indem er sie von einer Party abholt, um zu verhindern, dass Carrie ihm - wie andernfalls angedroht - sexuell untreu wird. Mr. Big vermeidet jedoch das von Carrie gewünschte deutliche und klare, nämlich ausdrückliche Bekenntnis dazu, mit ihr monogam leben zu wollen. Vielmehr bleibt am Ende der Folge offen, ob Mr. Big Carrie treu bleiben wird; die Antwort auf diese Frage steht im wahrsten Sinne des Wortes in den Sternen, in die Mr. Big am Schluss der Folge blickt.

Die Erlebnisse von Skipper, Carrie und Charlotte, die monogam leben wollen, lassen dagegen zumindest an der Praktikabilität von Monogamie zweifeln. Das Streben dieser Figuren nach Monogamie hat entweder keinen Erfolg (Skipper) oder sein Erfolg bzw. wenigstens sein nachhaltiger, dauerhafter Erfolg bleibt ungewiss (Carrie, Charlotte). Skippers Wunsch, mit Miranda - wieder - eine monogame Beziehung zu führen, geht nicht in Erfüllung. Carrie gelingt es nicht, Mr. Big zu einem Bekenntnis zu einer gemeinsamen monogamen Beziehung zu bewegen. Es bleibt offen, ob die monogame Beziehung, die Charlotte und ihr neuer Freund im Prinzip miteinander zu führen wünschen, letztlich an dem Konflikt um die Praktizierung von Oralsex scheitert.

Insgesamt erscheint Monogamie allenfalls schwer verwirklichbar. So klingen selbst bei der monogam eingestellten Carrie verschiedentlich Zweifel an der Praktikabilität von Monogamie an. Außerdem erscheinen monogam eingestellte Figuren (Skipper, Carrie) ihren promiskuitiv eingestellten Wunschpartnern (Miranda, Mr. Big) unterlegen. Skipper und Carrie übernehmen teilweise - zumindest - Verhaltensweisen ihres promisken Umfelds, ohne dadurch ihre monogamen Beziehungswünsche verwirklichen zu können. Skipper geht eine - auch sexuelle - Beziehung mit einer Frau, die er anscheinend nicht liebt, ein und beendet diese Beziehung, als er (noch in seiner neuen Freundin €drin€ ist und) - irrtümlich - annimmt, Miranda, die er nach wie vor liebt, wolle erneut eine monogame Beziehung mit ihm führen. Carrie droht Mr. Big mit sexueller Untreue, ohne ihn letztlich zu einem Bekenntnis seiner eigenen Treue ihr gegenüber veranlassen zu können. Monogam Eingestellte wirken zudem verletzlicher als promiskuitiv Eingestellte. Das Risiko der €Monogamisten€, von ihren jeweiligen (Sexual-)Partnern enttäuscht zu werden, stellt sich größer dar als das entsprechende Risiko der Promiskuitiven, zumal den - sexuellen - Paarbeziehungen der €Monogamisten€ Gefühle wie Liebe und Zuneigung zugrunde liegen. Carrie äußert in der Szene auf der Party eines Freundes von Mr. Big, sie habe sich mit ihren Gefühlen zu weit vorgewagt und stände nun allein da, nachdem Mr. Big ihr eröffnet hat, er treffe sich noch mit weiteren Frauen. Skipper, dessen Gefühle Miranda nach einem Kommentar von Carrie unterschätzt hat, reagiert heftig, als Miranda seine Erwartung, sie würde von neuem eine monogame Beziehung mit ihm führen, nach einem sexuellen Treffen enttäuscht hat. - Schließlich erscheint Monogamie selbst dann kaum realisierbar, wenn beide potentielle Partner einer Paarbeziehung - wie Charlotte und ihr neuer Freund - miteinander monogam leben wollen. Denn auch in diesem Fall gibt es zwischen den potentiellen Beziehungspartnern oft noch Konflikte um Sexualpraktiken - wie das €klassische Ritual€ des €Blowjob-Tauziehens€ -, denen eine andere Beziehungsaspekte überragende Bedeutung zukommt und von denen ungewiss ist, ob und wie sie gelöst werden können.

Im Ganzen werden die Risiken und Nachteile der Monogamie bzw. der Praktikabilität von Monogamie in der Folge übertrieben, während die Chancen und Vorteile dieses Beziehungsmodells sowie diejenigen von Gefühlen wie Liebe und Zuneigung für die Paarbeziehungen von Erwachsenen zu kurz kommen. Weiterhin entsteht der Gesamteindruck, dass Promiskuität ein selbstverständliches, weitgehend problemlos und erfolgreich praktizierbares, der Monogamie sogar überlegenes Beziehungsmodell ist und dass die genannten Gefühle in - sexuellen - Beziehungen Erwachsener entbehrlich und eher nachteilig sind.

Im Übrigen ist auch die KJM - wie oben ausgeführt - zu dem Ergebnis gekommen, dass der Wert der Monogamie für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen gesellschaftlich als maßgeblich anerkannt ist und dass der Inhalt der Sendung von diesem Wert abweicht. An der Richtigkeit dieser Aussagen der KJM bestehen aus den vorstehend dargelegten Gründen keine Zweifel.

Auch die in der Sendung verwendete Sprache weicht zumindest teilweise von einem Wert ab, der für die seelische Entwicklung einschließlich der charakterlichen und sittlichen Erziehung von Kindern und Jugendlichen gesellschaftlich maßgeblich ist. Ein in Bezug auf Sexualität feiner - mit anderen Worten: dezenter oder gesitteter - Wortschatz ist in der liberalen und pluralistischen Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland offenkundig selbst heute noch ein für besagte Entwicklung generell als maßgeblich angesehener Wert, d. h. ein allgemein akzeptiertes Erziehungsziel. Jedenfalls die folgenden, in der Sendung gemachten Äußerungen sind nicht Bestandteil eines solchen Wortschatzes: €den Verstand rausvögeln€, €Wichser€, €blasen€, €Blowjob-Tauziehen€ und €Ich bin doch nicht dein privater Deckhengst, den du bestellen kannst nach dem Motto: 'Auf Anruf ficken€€.

Überdies hat die KJM zumindest der Sache nach ebenfalls festgestellt, dass der in der Sendung in Bezug auf Sexualität gebrauchte, zum Teil derb-zotige Wortschatz - etwa die vorstehend zitierten Äußerungen - von dem hier in Rede stehenden Wert abweicht. Ein Anlass, an der Richtigkeit der diesbezüglichen Aussagen der KJM zu zweifeln, ist nicht vorhanden.

(4) Es ist wahrscheinlich, dass die Sendung die Vermittlung wenigstens der bezeichneten Werte, von denen sie abweicht, an Kinder unter zwölf Jahren gestört hat.

Die sachverständigen Aussagen der KJM, dass durch die Sendung zum einen eine sozial- und sexualethische Desorientierung von derartigen Kindern in Bezug auf Sexualität, insbesondere im Hinblick auf - in dem oben genannten Sinne verstandene -Monogamie, und zum anderen eine Verrohung von solchen Kindern in Bezug auf ihren Wortschatz zu befürchten ist, sind in ihrer Tragfähigkeit nicht €erschüttert€.

Die Verwertung sachverständiger Aussagen ist - wie diejenige von Sachverständigengutachten und fachgutachterlichen Äußerungen - insbesondere dann unzulässig, wenn die Aussagen unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen nicht überzeugend sind, wenn sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 3. Februar 2010 - 7 B 35.09 -, juris, und vom 26. Juni 1992 - 4 B 1-11.92 -, juris). Die oben genannten sachverständigen Aussagen der KJM sind nach diesen Maßstäben verwertbar.

Diese Aussagen sowie ihre jeweiligen Begründungen sind vollständig, widerspruchsfrei und auch ansonsten mangelfrei.

Die Aussage, dass durch die Sendung eine sozial- und sexualethische Desorientierung von unter zwölfjährigen Kindern in Bezug auf Sexualität, insbesondere im Hinblick auf €Monogamie€, zu befürchten ist, ist nachvollziehbar und plausibel begründet. Die KJM hat diese Aussage im Wesentlichen auf folgende Annahmen gestützt:

- Kinder können die zum Teil ironisch verzerrten Rollenklischees und Handlungsweisen der vier Protagonistinnen nicht ausreichend verstehen, um das Gezeigte korrekt, nämlich in den von den Machern intendierten lustigen und unterhaltsamen Rahmen (vgl. Nr. 6.3, Seite 9 der Vorlage) einzuordnen.

- Es kann nicht - pauschal - ausgeschlossen werden, dass Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren, namentlich Kinder dieses Alters, die als besonders gefährdungsgeneigt gelten, sich an Frauen wie Carrie und ihren als modern und €cool€ inszenierten Freundinnen, die im €hippen€ und €trendigen€ New York wohnen, orientieren, was ihr Verhalten und die von ihnen vermittelten Lebensstile angeht.

Letztere Annahme hat die KJM, die zu Recht auch die möglichen Wirkungen der Sendung auf als besonders gefährdungsgeneigt geltende Kinder berücksichtigt hat, wiederum substantiell und schlüssig wie folgt begründet (vgl. Nr. 6.3, Seite 7 f. der Vorlage): Es gelte mittlerweile als wissenschaftlich erwiesen, dass Kinder auch in den Medien, besonders im Fernsehen, nach Anregungen für die Ausformung ihrer Werte und Normen, sowie auch nach personalen Vorbildern suchten. Durch ihre starke Präsenz im Alltag seien die Medien, insbesondere das Fernsehen, in den letzten Jahren zu einer Sozialisationsinstanz geworden, die Kindern und Jugendlichen die Werte und Normen der Gesellschaft mit vermittle. So habe auf die Frage nach Idolen und Vorbildern laut der KIM-Studie 2005 ein Drittel der befragten Kinder von 6 bis 13 Jahren Musiker und Schauspieler, die ihnen aus dem Fernsehen bekannt seien, wie z. B. Brad Pitt (KIM-Studie 2005, S. 11) genannt. Dieser Schauspieler habe jedoch aufgrund seines Alters und seiner Rollen kaum etwas mit der Lebenswelt deutscher Kinder zu tun. Die Wirkung medialer Vorbilder sei abhängig von den Alltagserfahrungen und den Handlungsmöglichkeiten der Heranwachsenden. Daher könne - insbesondere - nicht ausgeschlossen werden, dass Kinder, die in ihrem (realen) Umfeld niemanden mit Vorbildfunktion hätten, der das im Fernsehen gesehene Verhalten gerade rücken und erklären könnte, sich auch an medialen Vorbildern wie Samantha und Carrie orientierten.

Die Aussage, dass durch die in der Sendung in Bezug auf Sexualität verwendete, zum Teil derb-zotige Sprache eine Verrohung von Kindern im Alter von 0 bis 11 Jahren in Bezug auf ihren Wortschatz zu befürchten ist, ist ebenfalls einleuchtend begründet, nämlich damit, dass insbesondere jüngere Kinder Ausdrücke, die sie von Erwachsenen hören, oftmals auch dann unreflektiert übernehmen, wenn sie den Sinn des Wortes nicht verstanden haben (vgl. Nr. 6.4, Seite 10 der Vorlage).

Die erwähnten Aussagen gehen auch nicht von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus. Anhaltspunkte dafür, dass der 35. Prüfausschuss seinem Beschluss, die Sendung zu beanstanden, eine falsche Schnittfassung der in Rede stehenden Folge zugrunde gelegt hätte, sind nicht vorhanden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass den Mitgliedern dieses Ausschusses bei der Fassung besagten Beschlusses jeweils ein Mitschnitt der tatsächlich am 19. Juli 2006 um 18 Uhr von der Klägerin ausgestrahlten Fassung dieser Folge vorgelegen hat. Denn es steht fest, dass die von der Klägerin und von der Beklagten eingereichten Mitschnitte der entsprechenden Sendung identisch sind. Abgesehen davon ist auch unstreitig, dass die Klägerin der Beklagten mindestens einen Mitschnitt dieser Sendung übersandte.

Die in Rede stehenden sachverständigen Aussagen der KJM sind durch Vortrag der Klägerin, insbesondere durch das von der FSF-Prüferin B...erstellte Gutachten vom 6. Juli 2009, nicht ernsthaft erschüttert worden.

Das Vorbringen der Klägerin, die KJM habe bei der Subsumtion eine völlig unzutreffende Ausgestaltung der Serie und des dort vermittelten Weltbildes zu Grunde gelegt, vermag diese Aussagen schon deshalb nicht zu erschüttern, weil die Richtigkeit der Aussagen nicht von möglichen Auswirkungen der gesamten Serie, sondern nur von derartigen Auswirkungen der am 19. Juli 2006 gesendeten Schnittfassung besagter Folge auf unter zwölfjährige Kinder abhängt. Der weitere Einwand der Klägerin, die KJM habe bei der Bewertung der in Rede stehenden Folge €ein unzutreffendes Weltbild der zu schützenden Kinder€ zu Grunde gelegt, ist ebenso wenig geeignet, die Aussagen zu erschüttern. - Die Klägerin bezieht sich insoweit auf die Leitlinien zur inhaltlichen Ausgestaltung von Talkshows, die in den €Verhaltensgrundsätzen der im Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e. V. (VPRT) zusammengeschlossenen privaten Fernsehveranstalter zu Talkshows im Tagesprogramm€ (abgedruckt in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., Anhang Nr. 8 zu § 19 JMStV) enthalten sind; danach könnten auch €außergewöhnliche und abweichende Einstellungen zu gesellschaftlich anerkannten Normen und Werten€ verbreitet werden, wenn darauf geachtet werde, dass €das Außergewöhnliche nicht als das Durchschnittliche und das Abweichende nicht als das Normale erscheint€. - Dieser Einwand berücksichtigt nämlich nicht, dass in der beanstandeten Sendung gerade von der gesellschaftlichen Normalität abweichendes Verhalten als €Normalität€ dargestellt wird und dass Kinder der Altersgruppe unter 12 Jahren nicht verstehen können, dass dieser Darstellung zum Teil eine sarkastische oder ironische Überzeichnung zu Grunde liegt. In dieser Sendung wird Monogamie als €öde€ und - in einer Stadt wie New York - kaum praktikabel dargestellt, womit - wie die KJM zutreffend angenommen hat - implizit die Auffassung einhergeht, dass es normal sei, wenn man sich neben einer bereits bestehenden Paarbeziehung auch auf sexuelle Kontakte mit anderen Partnern einlässt.

Die Klägerin hat sich mit der Annahme der KJM, Kinder würden die zum Teil ironisch verzerrten Rollenklischees und Handlungsweisen der vier Protagonistinnen nicht ausreichend verstehen, um das Gezeigte korrekt einordnen zu können, fast gar nicht auseinander gesetzt. Allein in dem Gutachten von Frau B... wird zu dieser Annahme Stellung genommen. Frau B... hat dort die Ansicht geäußert, insbesondere von jüngeren Zuschauern €dürfte€ verstanden werden, dass es in der Szene in der 20. Minute, als Samantha beginnt, sich vor ihrem Immobilienmakler ausziehen zu lassen, nicht um Sex, sondern um Situationskomik gehe. Diese Aussage ist allerdings weder begründet noch belegt worden. Im Übrigen handelt es sich bei ihr auch lediglich um eine Vermutung.

Das Vorbringen der Klägerin vermag auch die weitere Annahme der KJM, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren sich an Frauen wie Carrie und ihren Freundinnen orientierten, was ihr Verhalten und die von ihnen vermittelten Lebensstile angehe, nicht zu erschüttern.

Die Klägerin hat den - oben wiedergegebenen - Gründen, auf die die KJM diese Annahme gestützt hat, im gerichtlichen Verfahren sachlich Neues nicht entgegengesetzt, sondern zu diesem Punkt zumindest sinngemäß im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren, wonach die Figuren der Folge kein Identifikationspotenzial für kindliche Betrachter entfalteten, wiederholt. Einer ohne Auseinandersetzung mit Gegenargumenten aufrechterhaltenen Behauptung braucht das Gericht nicht - durch Einholung eines (zusätzlichen) Sachverständigengutachtens - nachzugehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 1992 - 4 B 39.92 -, juris, Rn. 7, m.w.N.).

Im Übrigen hat Frau B... in ihrem Gutachten auch allenfalls ausgeschlossen, dass Zuschauer unter 12 Jahren sich mit Samantha identifizieren und an ihrem Verhalten orientieren. Es mag letztlich auf sich beruhen, ob die Gefahr besteht, dass von der Figur Samantha in der Sendung dargestellte Wertvorstellungen, Grundhaltungen und Verhaltensweisen von Kindern unter 12 Jahren übernommen werden. Denn die Botschaft der gesamten Folge, dass Monogamie €öde€ und - in einer Stadt wie New York - kaum praktikabel ist, wird - wie oben ausgeführt - durch Handlungen und Erklärungen auch der anderen drei weiblichen Hauptfiguren - sowie einiger männlicher Nebenfiguren (z. B. Mr. Big, Skipper) vermittelt.

Die sachverständige Aussage der KJM, dass durch die in der Sendung verwendete Sprache eine Verrohung von jüngeren Kindern in Bezug auf ihren Wortschatz zu befürchten ist, ist in ihrer Tragfähigkeit ebenfalls nicht, insbesondere nicht durch Vortrag der Klägerin, €erschüttert€ worden. Es mag letztlich auf sich beruhen, ob - wie Frau B...in ihrem Gutachten meint hinsichtlich der vorliegenden Episode nicht von einer durchgehend vulgären Sprache die Rede sein kann. Denn die KJM hat ihre Befürchtung auf bestimmte, einzelne Äußerungen gestützt, die in der Sendung getan wurden. Frau B...geht in ihrem Gutachten auf einen Teil dieser Äußerungen gar nicht ein, nämlich auf die Äußerung €den Verstand rausvögeln€ sowie den Passus €€ nach dem Motto: 'Auf Anruf ficken€€. Im Übrigen sind ihre Ausführungen zu derartigen Äußerungen teilweise spekulativ (€Auch Kindern dürfte hinlänglich bekannt sein, dass der Ausdruck 'Wichser€ als Schimpfwort gebräuchlich ist. Was ein 'Blowjob' ist, wissen sie vermutlich noch nicht, €€) und bzw. oder sie gehen an der Begründung der Aussage der KJM vorbei (€Was ein 'Blowjob' ist, wissen sie € noch nicht, und der Ausdruck 'Blasen€ ist ebenfalls dem sprachlichen Alltag entliehen.€). Die pauschale und nicht belegte Behauptung der Klägerin, die in der Sendung verbliebenen Ausdrücke seien auch Kindern unter 12 Jahren - welche zum Leserkreis von €Bravo€ oder €Bravo Girl€ zählten - vertraut, vermag an der Beurteilung schon deswegen nichts zu ändern, da offenkundig allenfalls ein geringer Teil der Kinder im Alter von 0 bis 11 Jahren diese Zeitschriften lesen.

Aus den genannten Gründen ist es für die Entscheidung ohne Bedeutung, ob - wie die Klägerin meint - in der Sendung keinerlei problematische Visualisierung der Themenbereiche €Oralsex€ oder €Polygamie€ erfolgt. Im Übrigen trifft die entsprechende Behauptung in ihrer Pauschalität zumindest hinsichtlich letzteren Themenbereichs nach Auffassung der Kammer auch nicht zu, wie nicht nur Samanthas Verhalten in der Sendung zeigt.

Das Gericht hält es nicht für erforderlich, eine Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen anzuordnen, da es die sachverständigen Aussagen der KJM aus den dargelegten Gründen nicht für ungenügend erachtet (§ 98 VwGO i.V.m. §§ 404 Abs. 1, 412 Abs. 1 ZPO; vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. März 1992, a.a.O., Rn. 5).

b) Die Klägerin hat ihrer Pflicht aus § 5 Abs. 1 JMStV nicht entsprochen. Der Anbieter kann seiner Pflicht aus § 5 Abs. 1 JMStV dadurch entsprechen, dass er die Zeit, in der die Angebote verbreitet oder zugänglich gemacht werden, so wählt, dass Kinder oder Jugendliche der betreffenden Altersstufe üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen (§ 5 Abs. 3 Nr. 2 JMStV). Aus dem Umstand, dass die FSK, die keine mit der Kinder- und Jugendschutzkontrolle im Rundfunk befasste Einrichtung, sondern vor allem für den Video- und Filmbereich zuständig ist, eine Fassung der Folge mit Freigabebescheinigung vom 27. April 2006 ab zwölf Jahren freigab, folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht, dass die Ausstrahlung dieser oder einer möglicherweise noch weiter gekürzten Fassung der Folge im Vorabendprogramm zulässig gewesen ist. Bei Filmen, die - wie die Fassung der Folge, für die besagte Freigabebescheinigung erteilt wurde - nach § 14 Abs. 2 JuSchG unter 12 Jahren nicht freigegeben sind, ist bei der Wahl der Sendezeit dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen (§ 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV). Dies geschieht in der Regel dadurch, dass solche Filme nicht in der Zeit zwischen 6.00 und 20.00 Uhr ausgestrahlt werden (vgl. auch Nr. 3.2.4 JuSchRiL; danach hat ein Anbieter seiner Pflicht aus § 5 Abs. 1 JMStV i.V.m. § 5 Abs. 3 Nr. 2 JMStV bzw. § 5 Abs. 4 Satz 3 JMStV jedenfalls dann Rechnung getragen, wenn er Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern unter 12 Jahren zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, nur zwischen 20.00 und 6.00 Uhr verbreitet oder zugänglich macht). Letzteres hat die Klägerin, die die in Rede stehende Folge am 19. Juli 2006, einem Mittwoch, um 18 Uhr ausstrahlte, nicht getan. Umstände, die es rechtfertigen könnten, im vorliegenden Fall eine Ausnahme von der genannten Regel zu machen, sind nicht vorhanden. Die von der Klägerin möglicherweise für die Ausstrahlung um 18 Uhr vorgenommenen Kürzungen der von der FSK ab 12 Jahren freigegebenen Fassung der Folge rechtfertigen eine solche Ausnahme nicht. Die - unzutreffende - Einschätzung des (stellvertretenden) Jugendschutzbeauftragten der Klägerin, dass die Ausstrahlung der am 19. Juli 2006 gesendeten Fassung der Folge im Tagesprogramm nicht entwicklungsbeeinträchtigend im Sinne des § 5 JMStV sei, reicht dafür ebenfalls nicht aus. Überdies kommt - wie die Beklagte zu Recht meint - auch weder dem Anbieter noch seinem Jugendschutzbeauftragten hinsichtlich der Wahl der Sendezeit von FSK-12-Filmen ein Beurteilungsspielraum zu, der die Zulässigkeit von Maßnahmen der KJM oder den Umfang der gerichtliche Überprüfung solcher Maßnahmen rechtlich beschränken würde (unklar insoweit Hertel, in: Hahn/Vesting, a.a.O., § 5 JMStV, Rn. 14). - Für die Ausstrahlung der in Rede stehenden Folge im Vorabendprogramm hätte es demnach einer Freigabe der FSK €ab 6 Jahren€ oder €ohne Altersbeschränkung€ (vgl. zu den Freigabebescheinigungen der FSK § 26 der FSK-Grundsätze [abgedruckt in Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., Anhang Nr. 1 zu § 19 JMStV]) bedurft.

III.

Verfahrensfehler, die zur Aufhebung der angefochtenen Beanstandung führen, liegen nicht vor.

1. Nach Auffassung der Kammer ist die Besetzung des im vorliegenden Verfahren für die KJM entscheidenden 35. Prüfausschusses nicht deshalb verfassungswidrig, weil ihm neben Dr. H... als Direktor einer Landesmedienanstalt mit Herrn K... und Herrn H... zwei weitere Personen angehört haben, die die Klägerin aufgrund ihrer beruflichen Stellung bei einer Bundes- bzw. einer Landesbehörde nicht als €staatsfern€ ansieht. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfordert im Bereich des Jugendmedienschutzes nicht, dass die nach § 14 Abs. 3 Nr. 3 JMStV von den obersten Bundes- oder Landesbehörden stammenden Mitglieder der KJM diesen Behörden nicht angehören, sondern nur von diesen entsandt werden und die Zusammensetzung der Prüfausschüsse nur dann verfassungsgemäß ist, wenn sie zu weniger als 50 % aus Staatsvertretern bestehen (so aber Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 14 JMStV, Rn. 13 ff., 19). Das OVG Lüneburg (Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 10 LA 101/07 -, juris) hat hierzu ausgeführt:

€...Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z. B. Urteil vom 12. März 2008 - 2 BvF 4/03 -, DVBl. 2008, 507 = NVwZ 2008, 658 m.w.N.) enthält Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen Auftrag zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, der auf eine Ordnung zielt, die sicherstellt, dass die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. ... Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks bezieht sich nicht nur auf die manifesten Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelung des Rundfunks; es sollen auch, weitergehend, alle mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates verhindert werden. Damit wird aber kein absolutes Trennungsgebot zwischen Staat und Rundfunk aufgestellt; gleichwohl sind Einflussmöglichkeiten insoweit auszuschalten, als sie nicht der Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit dienen und durch Schranken des Grundrechts nicht gedeckt sind. Es geht nicht um eine vollständige Freiheit des Rundfunks von jeglicher staatlicher Berührung; vielmehr ist eine weit gehende Staatsferne zur Verwirklichung der freien Meinungsbildung anzustreben.

Nach Maßgabe dessen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zusammensetzung des ... Prüfausschusses der KJM gegen das rundfunkrechtliche Gebot der Staatsfreiheit im o.g. Sinne verstößt. Denn schon der Zweck des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, wie er in § 1 JMStV Ausdruck gefunden hat, zielt nicht auf eine Beherrschung eines Rundfunkunternehmens oder auf eine politische Instrumentalisierung des Rundfunks. Zweck des Staatsvertrages ist der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien, die deren Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden, sowie der Schutz vor solchen Angeboten, die die Menschenwürde oder sonstige durch das Strafgesetzbuch geschützte Rechtsgüter verletzen. Dieser Zweck und die ihn umsetzenden Regelungen schränken nach Art. 5 Abs. 2 GG zulässig die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit ein und dienen u.a. dem Schutz des bereits grundgesetzlich gesicherten Gebots, die Menschenwürde zu achten. Dem weitergehenden Gebot, diesen Zweck durch eine Rundfunkordnung zu erreichen, die den Grundsatz der Staatsfreiheit wahrt, ist dadurch genügt, dass einerseits nach § 14 Abs. 4 JMStV u.a. Mitglieder und Bedienstete der Institutionen der Europäischen Union und der Verfassungsorgane des Bundes und der Länder nicht der KJM angehören dürfen. Dadurch wird eine Einflussnahme der Verfassungsorgane des Bundes und der Länder auf die Tätigkeit der KJM vermieden. Andererseits sind nach § 14 Abs. 6 Satz 1 JMStV die Mitglieder der KJM bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem Staatsvertrag an Weisungen nicht gebunden. Diese, den Mitgliedern der KJM zustehende und nicht verzichtbare Unabhängigkeit gewährleistet in einer den Anforderungen des Grundsatzes der Staatsfreiheit hinreichenden Weise, dass ein Einfluss des Staates auf Rundfunkunternehmen weitgehend ausgeschlossen ist. Unter diesen Voraussetzungen ist die Entsendung der von der Klägerin bezeichneten Prüfer in die KJM und deren Tätigkeit im Rahmen der Prüfausschüsse kein Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks.

Die Klägerin hat in diesem Zusammenhang auch nicht aufgezeigt, dass es in der bisherigen Praxis der Prüftätigkeit der KJM zu einer staatlichen Einflussnahme auf Entscheidungen der KJM gekommen sein könnte oder auch nur der Versuch einer solchen Einflussnahme unternommen worden ist. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass zu Zweifeln, dass die rundfunkordnungsrechtlichen Vorkehrungen, die der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien gegen staatliche Einflussnahme getroffen hat, wirkungslos sein oder der Forderung nach Staatsfreiheit im Rundfunk nicht genügen könnten...€

Die Kammer teilt diese Rechtsauffassung, wobei als weitere Begründung hinzuzufügen ist, dass dem Gebot der Staatsferne für die jugendschutzrechtliche Aufsicht über den privaten Rundfunk gesetzlich bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen worden ist, dass nach § 20 JMStV die KJM durch die zuständige Landesmedienanstalt zwar die originäre Kompetenz besitzt, aber wegen § 20 Abs. 3 JMStV nicht die primäre Prüfungskompetenz. Der jeweilige Anbieter kann eine völlig staatsferne und die KJM im Regelfall bindende Entscheidung über die Zulässigkeit einer Sendung nach dem JMStV dadurch erreichen, dass er die Sendung vor der Ausstrahlung einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle zur Prüfung vorlegt und die ihm gemachten Vorgaben bei der Ausstrahlung beachtet.

2. Ein Verfahrensfehler liegt auch nicht darin, dass es die KJM unterlassen hat, die Vorsitzenden der Gremien der Landesmedienanstalten bei der Entscheidung mit einzubeziehen. Eine derartige Einbeziehung sieht § 15 Abs. 1 Satz 2 JMStV nur in €grundsätzlichen Angelegenheiten€ vor. Hierzu gehören alle Angelegenheiten, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben (vgl. Schulz/Held, in: Hahn/Vesting, a.a.O., § 15 JMStV, Rn. 16). Um eine solche Angelegenheit handelte es sich indes bei der Prüfung der Frage, ob die Ausstrahlung der in Rede stehenden Folge am 19. Juli 2006 gegen Bestimmungen des JMStV verstoßen hat, nicht. Insbesondere ist es - was die Klägerin mit ihrer Einwendung verkennt - hierbei nicht um eine Bewertung der gesamten Serie €SATC€, sondern nur um die Bewertung einzelner Episoden und damit um Einzelfälle gegangen, auch wenn zu denen noch drei weitere Einzelfolgen dieser Serie gehört haben, die ebenfalls zu einer Beanstandung geführt haben. Die Frage, ob § 15 Abs. 1 Satz 2 JMStV über den Zweck hinaus, den Gremien der Landesmedienanstalten die Entwicklung eigener Wertvorstellungen im Jugendmedienbereich zu ermöglichen (vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, a.a.O., § 15 JMStV, Rn. 2), auch dem Schutz des Anbieters dient und eine Verletzung der Vorschrift zu einer Rechtswidrigkeit einer Beanstandungsverfügung führen kann, bedarf daher keiner Entscheidung.

3. Ein Verfahrensfehler liegt allerdings in der Behandlung der Sache bei dem 35. Prüfausschuss (a), dieser Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Aufhebung der angefochtenen Beanstandung (b).

a) Zu Unrecht wendet die Klägerin allerdings ein, dass eine Entscheidung des Prüfausschusses in einem schriftlichen Verfahren unzulässig sei. Ob für das Verfahren der KJM, die vorliegend als Teil der Beklagten anzusehen ist, und insbesondere der Prüfausschüsse das Verwaltungsverfahrensrecht des Landes Berlin - also § 1 Abs. 1 BlnVwVfG in Verbindung mit §§ 88 ff. VwVfG - anwendbar ist, ist allerdings schon deswegen nicht zweifelsfrei, weil die Beklagte keine Berliner Behörde, sondern eine von zwei Bundesländern errichtete Anstalt ist. Sieht man die Regelungen der §§ 88 ff. VwVfG als Ausdruck allgemeinen Verfahrensrechts an, wird ein schriftliches Verfahren für die Prüfausschüsse der KJM nicht ausgeschlossen: Die Subsidiaritätsklausel des § 88 VwVfG gilt wegen § 17 JMStV zwar für die KJM als Gremium - insbesondere für das nach § 17 Abs. 1 Satz 2 JMStV notwendige Quorum für die Beschlussfassung -, jedoch nicht für die Prüfausschüsse. Zwar ist nach § 14 Abs. 5 JMStV hinsichtlich der Prüfausschüsse €das Nähere€ in einer Geschäftsordnung festzulegen, jedoch stellt die Geschäftsordnung der KJM keine Rechtsvorschrift im Sinne der Subsidiaritätsklausel dar, da sie keine Satzung ist. Damit kann jedenfalls für die Prüfausschüsse dem § 90 Abs. 1 Satz 2 VwVfG entnommen werden, dass diese Gremien Beschlüsse auch im schriftlichen Verfahren fassen können, wenn kein Gremienmitglied widerspricht.

Das vom 35. Prüfausschuss vorgenommene - im Tatbestand dargestellte - Verfahren erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an eine Gremienentscheidung. Diese setzt stets einen Austausch von Argumenten unter den Mitgliedern voraus, was nicht nur mündlich, sondern auch durch €Übersendung eines Entscheidungsentwurfs im Umlaufverfahren€ erfolgen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 1992 - 7 C 21.92 -, juris, Rn. 15). Keine kollegiale Entscheidung, also die Entscheidung des Gremiums selbst, ist dagegen ein Verfahren, das sich als €Summe von parallelisierten Einzelentscheidungen€ darstellt (BVerwG, Urteil vom 26. November 1992, a.a.O.). Die Besonderheit des Verfahrens bei dem 35. Prüfausschuss besteht allerdings darin, dass kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass sich die Mitglieder des Ausschusses mündlich verständigt oder durch gremieninterne Weiterleitung ihrer €Faxantwort€ über die Zustimmung zu der von der Stabsstelle der KJM übersandten Beschlussempfehlung Kenntnis von der Entscheidung der anderen Gremienmitglieder erlangt haben. Vielmehr sind nach Aktenlage die den einzelnen Mitgliedern des Ausschusses übersandten €Faxantworten€ von diesen nach Ankreuzen des Kästchens für €Zustimmung€ direkt an den Vorsitzenden der KJM zurückgesandt worden. Damit liegt jedoch - was das OVG Lüneburg (Beschluss vom 20. Oktober 2008 - 10 LA 101/07 -, a.a.O., Rn. 10 f.) in seinen Ausführungen zur Zulässigkeit des €Umlaufverfahrens€ im KJM-Prüfausschuss nicht berücksichtigt - gerade kein €Umlaufverfahren€ vor. Mit dem Begriff €Umlaufverfahren€ wird die Übersendung eines Entscheidungsentwurfs innerhalb eines Gremiums umschrieben. Die kollegiale Entscheidung erfordert nämlich, dass jedes Gremienmitglied Kenntnis davon hat, für welche Entscheidung die anderen Gremienmitglieder votieren. Denn nur durch diese gegenseitige Kenntnis kann es zu einer gegenseitigen Beeinflussung der Gremienmitglieder hinsichtlich der Entscheidung kommen, die - mit den Worten des BVerwG (Urteil vom 26. November 1992, a.a.O.) - €gerade Sinn der kollegialen Entscheidungsfindung€ ist. Dagegen ist das tatsächlich vom Prüfausschuss praktizierte Verfahren - Rücksendung der €Faxantworten€ mit angekreuzter Einzelentscheidung durch jedes Ausschussmitglied an den KJM-Vorsitzenden ohne Kenntnis der Entscheidungen der anderen Ausschussmitglieder - geradezu das Paradebeispiel für das Vorliegen von parallelisierten Einzelentscheidungen. Schon deshalb liegt hier keine Gremienentscheidung des 35. Prüfausschusses vor.

Zweifelhaft - ebenfalls vom OVG Lüneburg a.a.O. nicht thematisiert - ist zudem, ob die Verfahrensweise des Prüfausschusses durch den Vorsitzenden der KJM, der dem 35. Prüfausschuss nicht angehört hat, vorgegeben werden durfte. Denn nach § 6 Abs. 3 Satz 1 der Geschäfts- und Verfahrensordnung der KJM - GVO-KJM - (diese zitiert in ihrer ursprünglichen Fassung vom 8. Dezember 2003 ohne die zumindest teilweise erst nach Erlass des angegriffenen Bescheides eingeführten Änderungen im Jahre 2006) legt der Vorsitzende der KJM fest, ob die Prüfung im Prüfausschuss im Umlaufverfahren oder durch Präsenzprüfung erfolgt; von dieser Festlegung ist nach Satz 2 der Vorschrift die Anzahl der Fälle abhängig, für die der Prüfausschuss zuständig ist. Die €externe€ Vorgabe der schriftlichen oder mündlichen Verfahrensweise im Prüfausschuss steht allerdings im Widerspruch dazu, dass einem Entscheidungsgremium gerade zur Wahrung der kollegialen Entscheidungsfindung das Recht zukommen muss, eigenständig darüber zu befinden, ob der gremienintern erforderliche Argumentationsaustausch eine mündliche Behandlung erfordert oder die Übersendung eines schriftlichen Entscheidungsvorschlags an die anderen Gremienmitglieder ausreicht. Denn die Möglichkeit des einzelnen Mitglieds des Prüfausschusses, durch Verweigerung seiner Zustimmung zur Beschlussempfehlung die Einstimmigkeit der Ausschussentscheidung zu verhindern und damit die Entscheidung des Plenums der KJM herbeizuführen (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 3 GVO-KJM), ersetzt die notwendige gremieninterne Abstimmung über die Verfahrensweise nicht: Vielmehr wird die Entscheidung dann vom Prüfausschuss weg in ein anderes Gremium verlagert, dem das einzelne Mitglied des Prüfausschusses zwar ebenfalls angehört (§ 6 Abs. 1 Satz 3 GVO-KJM), das aber bereits von der Mitgliederzahl und dem erforderlichen Quorum anders strukturiert ist als der Prüfausschuss (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 GVO-KJM einerseits, §§ 14 Abs. 3, 17 Abs. 1 JMStV andererseits).

b) Die Aufhebung der angefochtenen Beanstandung wegen des Verfahrensfehlers kommt jedoch nicht in Betracht. Denn die Einstimmigkeit der parallel, nicht kollegial getroffenen Ausschussentscheidung lässt es offensichtlich sein, dass jedenfalls der 35. Ausschuss in einem ordentlichen Umlaufverfahren - also einem koordinierten Miteinander der Entscheidungsfindung - zu keinem anderen Ergebnis gekommen wäre als bei dem vorliegenden unabgestimmten €Nebeneinander€. Da die getroffene Entscheidung auch materiell rechtmäßig ist - wie bereits oben unter II. dargestellt wurde -, ist der Verfahrensfehler damit entsprechend § 46 VwVfG als unbeachtlich anzusehen.

4. Mit dem Verzicht auf die Prüfgruppe zur Vorbereitung einer Entscheidung eines Prüfausschusses ist von der KJM zwar gegen die eigene Geschäftsordnung verstoßen worden (a), dieser Verstoß liegt aber im Vorfeld des Verwaltungsverfahrens und stellt daher keinen Verfahrensfehler dar, der die Rechtmäßigkeit des Beanstandungsbescheides berühren könnte (b).

a) Da die KJM nach § 17 Abs. 1 Satz 1 JMStV von Amts wegen tätig wird, bedarf es keiner weiteren Klärung, weshalb es zur Einleitung eines Prüfverfahrens wegen der streitigen Folge gekommen ist. Allerdings ist in der Vorlage der Beklagten vom 31. Juli 2006 kein Antrag auf Einleitung des Prüfverfahrens zu sehen, weil ja ein Verstoß gegen JMStV verneint wurde, diese Vorlage selbst dürfte ihrerseits allerdings durch herangetragene Beschwerden veranlasst worden sein. Nach § 8 GVO-KJM sind die Entscheidungen der Prüfausschüsse und der KJM durch Prüfgruppen vorzubereiten, das Ergebnis dieser Vorbereitung ist eine Entscheidungsempfehlung. Hiervon ist der Vorsitzende der KJM wegen eines angenommenen Eilbedürfnisses - das Abwarten der nächsten Sitzung der Prüfgruppe dauere zu lange - abgewichen und hat die Aufgabe der Prüfgruppe dem aktuellen Prüfausschuss übertragen, der somit an die Stelle der Prüfgruppe getreten ist. Eine Abweichung von der Regelung des § 8 GVO-KJM sah die Geschäftsordnung zum maßgeblichen Zeitpunkt - August 2006 - noch nicht vor, § 10 Abs. 1 GVO-KJM neuer Fassung ist unstreitig erst später in Kraft getreten.

Es kann dahinstehen, ob § 14 GVO-KJM, wonach €die KJM€ in einem Einzelfall von der Einhaltung der Regeln der GVO-KJM abweichen darf, eine Grundlage für die Entscheidung des Vorsitzenden der KJM gebildet haben könnte. Maßgeblich für die Wertung, dass der Vorsitzende der KJM sich mit der Übertragung der Aufgaben der Prüfgruppe auf einen Prüfausschuss geschäftsordnungswidrig verhalten hat, sind vielmehr zwei Punkte:

- Es ist weder ersichtlich noch von der Beklagten hinreichend dargelegt, dass wegen Eilbedürfnisses eine Abweichung von der Geschäftsordnung geboten war. Ein Eilbedürfnis ist bereits mit Sicht auf die vorliegende, aber einen Verstoß gegen JMStV verneinende Stellungnahme der Beklagten vom 31. Juli 2006 schwer nachzuvollziehen. Hinzu kommt, dass die Klägerin - unstreitig - die Ausstrahlung der Folgen von €SATC€ im Vorabendprogramm nur bis 4. August 2006 (Freitag) vorgenommen hat. Zeitlich ist die Ausstrahlung von Folgen der Serie also schon vor der am nachfolgenden Montag (7. August 2006) gefertigten Vorlage des KJM-Vorsitzenden und der Weiterleitung an den (ersten) Prüfausschuss eingestellt worden. Die Beklagte trägt auch nichts dafür vor, dass die Serie im Vorabendprogramm plötzlich und ohne weitere programmliche Ankündigung gestoppt worden wäre - was kaum vorstellbar ist, da Fernsehprogramme üblicherweise Wochen zuvor festgelegt werden - oder nach den entsprechenden Programmankündigungen eine Wiederaufnahme der Serie nach nur kurzzeitiger Unterbrechung zu erwarten gewesen wäre. Ohne €Eilbedürfnis€ kann jedoch auch keine Kompetenz des Vorsitzenden der KJM zur Abweichung von der eigenen Verfahrensordnung bestehen.

- Selbst wenn das Vorliegen eines Bedürfnisses für eine eilige Entscheidung über die jugendmedienschutzrechtliche Zulässigkeit der Ausstrahlung von Folgen der Serie €SATC€ im Vorabendprogramm anzunehmen wäre, ist das Vorgehen des Vorsitzenden der KJM, einen Prüfausschuss zur Vorbereitung einer Entscheidungsempfehlung zu bestellen, offensichtlich verfehlt: Denn nach § 14 Abs. 5 Satz 2 JMStV sind Prüfausschüsse im Falle der Einstimmigkeit Entscheidungsträger anstelle der KJM, sie wirken also bei der Entscheidungsfindung in den Fällen des § 16 JMStV mit und nicht bei der Vorbereitung einer solchen Entscheidung durch eine Entscheidungsempfehlung. Im Eilfall hätte es damit für den Vorsitzenden der KJM nahegelegen, die eigene Entscheidungsempfehlung an den Prüfausschuss zur Entscheidung vorzulegen - wie jetzt auch in der Neufassung des § 10 Abs. 1 GVO-KJM vorgesehen ist - und damit zu einer zeitnahen Entscheidung über die Zulässigkeit der Sendung zu kommen.

Eine innere Rechtfertigung dafür, im Eilfall einen Prüfausschuss darüber entscheiden zu lassen, welchem Entscheidungsvorschlag - dem der Beklagten, dem des Vorsitzenden der KJM - nun für die Entscheidungsempfehlung gefolgt werden soll, ist nicht ersichtlich. Denn dieses Verfahren führt zu einer zeitlichen Verzögerung der Entscheidungsfindung, weil - wie auch tatsächlich geschehen - der Entscheidungsvorschlag dann einem Prüfausschuss zur Entscheidung über den Entscheidungsvorschlag vorgelegt werden muss.

b) Das geschäftsordnungswidrige Verhalten des Vorsitzenden der KJM in Zusammenhang mit der Einsetzung des (ersten) Prüfausschusses zur Findung eines Entscheidungsvorschlags stellt jedoch keinen Fehler im Verwaltungsverfahren dar. Die Tätigkeit der Prüfgruppe nach § 8 GVO-KJM - und damit auch die Tätigkeit des an die Stelle der Prüfgruppe getretenen (ersten) Prüfausschusses - gehört noch nicht zum Verwaltungsverfahren, sondern dient allein der Vorbereitung der Entscheidungsfindung. Dies wird zum einen daraus deutlich, dass die erforderliche Anhörung (§ 28 VwVfG) des Betroffenen erfolgt, wenn die Entscheidungsempfehlung der Prüfgruppe vorliegt. Zum anderen ist die Entscheidungsempfehlung der Prüfgruppe nach § 8 Ab. 2 GVO-KJM in jedem Fall - also selbst dann, wenn die Prüfgruppe in ihrer Empfehlung einen Verstoß des Anbieters gegen Jugendschutzregelungen verneinen sollte - einem Prüfausschuss vorzulegen; erst dieser kann eine - einstimmige - Entscheidung treffen. Die Prüfgruppe kann damit keine Verfahrenshandlungen mit Außenwirkung treffen, so dass in diesem Verfahrensstadium noch kein Verwaltungsverfahren im Sinne von § 9 VwVfG begonnen hat.

c) Damit ist auch der Einwand der Klägerin gegen die Besetzung des (ersten) Prüfausschusses gegenstandslos, in dem Frau K... als Vertreterin von Frau W... mitgewirkt hatte; darüber hinaus hat die Beklagte auch das Vorliegen eines Vertretungsfalles - unter Beweisangebot - substantiiert dargelegt.

B.

Die angefochtene Sendezeitbeschränkung findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 und 2 JMStV i.V.m. § 8 Abs. 3 MedienStV. Diese Beschränkung ist erforderlich, um Verstöße der Klägerin gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 3 JMStV durch Ausstrahlung der in Rede stehenden Folge künftig zu verhindern. Im Weiteren wird auf die Ausführungen unter I. Bezug genommen, die hier entsprechend gelten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

Die Berufung und die Sprungrevision sind zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO und im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. An der Klärung der im gerichtlichen Verfahren aufgetretenen und höchstrichterlich noch nicht entschiedenen revisiblen Rechtsfragen (vgl. § 22 JMStV), insbesondere der Frage, ob der KJM ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukommt, besteht ein über den Einzelfall hinausgehendes Interesse.






VG Berlin:
Urteil v. 09.11.2011
Az: 27 A 62.07


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/736e8dc04296/VG-Berlin_Urteil_vom_9-November-2011_Az_27-A-6207




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