Hessischer VGH:
Beschluss vom 11. Dezember 1991
Aktenzeichen: 7 TP 459/89

Gründe

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg, denn das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller im Ergebnis zu Recht die Gewährung von Prozeßkostenhilfe und die Beiordnung von Rechtsanwalt M H versagt.

Der Senat kann offenlassen, ob der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der beabsichtigten Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob insoweit grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife - in dem das Verwaltungsgericht bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang über den Prozeßkostenhilfeantrag hätte entscheiden müssen - abzustellen ist und/oder ob die im Beschwerdeverfahren nachgereichten Unterlagen und nachgeschobenen Angaben über die wirtschaftliche Situation des Antragstellers und diejenige seiner Eltern vom beschließenden Senat noch zu berücksichtigen sind (vgl. zum Streitstand Hess. VGH, B. v. 22. Oktober 1991 - 7 TP 694/90 - m.w.N.); ebenso kann dahinstehen, ob dem Antragsteller ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen seine geschiedenen Eltern zustand oder zusteht, welchen er als Teil seines eigenen Vermögens zur Bestreitung der Kosten des beabsichtigten Klageverfahrens einzusetzen hätte. All dies ist nämlich für die Entscheidung im vorliegenden Beschwerdeverfahren im Ergebnis ohne rechtlichen Belang.

Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung jedenfalls bei der hier gegebenen besonderen Fallkonstellation mutwillig erscheint und daß der Antragsteller deshalb keine Prozeßkostenhilfe erhalten und ihm infolgedessen auch ein Rechtsanwalt nicht beigeordnet werden kann (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 S. 1, 121 Abs. 2 ZPO). Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für ein bisher nicht rechtshängig gemachtes Klageverfahren, dessen Gegenstand sich bereits vor der mit der Beschwerde angegriffenen, unter dem 23. Januar 1989 getroffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Prozeßkostenhilfeantrag erledigt hat; der Antragsteller hatte überdies mit Schriftsatz vom 10. Januar 1989 ausdrücklich angekündigt, das beabsichtigte Klageverfahren in der Hauptsache für erledigt zu erklären - es also nicht mit einem Fortsetzungsfeststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO fortzuführen -, und die künftige Prozeßgegnerin hatte sich mit Schriftsatz vom 13. Januar 1989 dieser in Aussicht genommenen Erledigungserklärung angeschlossen. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausginge, daß im vorliegenden Fall Bewilligungsreife bereits Ende Dezember 1987/Anfang Januar 1988 oder zu einem späteren Zeitpunkt vor Eintritt des erledigenden Ereignisses vorgelegen hat, daß auf diesen Zeitpunkt grundsätzlich abzustellen ist und daß dies - mindestens im Umfang der trotz Erledigterklärung anfallenden Kosten - auch gilt, wenn die Hauptsache sich in der Zeit zwischen dem Eintritt der Bewilligungsreife und der gerichtlichen Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag erledigt (vgl. Baumbach/Lauterbach- Hartmann, ZPO, 49. Aufl. 1991, § 119, Anm. 3 D g; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl. 1991, § 119, Erl. 1 a; Zöller- Schneider, ZPO, 16. Aufl. 1990, § 119, Rdnr. 17, jeweils m.w.N.), so könnte der Antragsteller daraus gleichwohl keinen Anspruch auf Bewilligung der von ihm beantragten Prozeßkostenhilfe herleiten. Das rückwirkende Abstellen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife verfolgt nämlich allein den Zweck, grobe Unbilligkeiten zu vermeiden und insbesondere den um Prozeßkostenhilfe Nachsuchenden vor solchen Nachteilen zu schützen, die eine von ihm nicht beeinflußbare Verzögerung der Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag mit sich bringt (Baumbach/ Lauterbach-Hartmann, a.a.O., § 119, Anm. 2 B). Der betreffende Grundsatz muß demnach seine Grenze in und an solchen Fällen finden, in denen der um Prozeßkostenhilfe Nachsuchende des Schutzes deshalb nicht bedarf, weil Kosten für das beabsichtigte und bereits erledigte Klageverfahren bisher gar nicht angefallen sind und bei verständiger Verfahrensfortführung auch nicht mehr anfallen können. So liegt der Fall hier, weil Klage noch gar nicht erhoben ist und deshalb bisher weder eine Gerichtsgebühr noch die anwaltliche Prozeßgebühr für das Klageverfahren gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO entstanden sind. Soweit der Antragsteller sein fortbestehendes Interesse an der weiterhin begehrten Gewährung von Prozeßkostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren unter Berufung auf § 51 Abs. 1 S. 1 BRAGO zu begründen versucht, wonach der Rechtsanwalt im Verfahren über die Prozeßkostenhilfe eine halbe Gebühr erhält, verkennt er, daß es sich hierbei um Kosten des Prozeßkostenhilfeverfahrens selbst und nicht um solche des beabsichtigten Klageverfahrens handelt, für welches er Prozeßkostenhilfe mit der vorliegenden Beschwerde - nach wie vor - zu erstreiten sucht. Ein verständiger Rechtssuchender würde in einem gleichliegenden Fall nicht so verfahren, wie es der Antragsteller beabsichtigt, nämlich im Falle der Prozeßkostenhilfebewilligung bei gleichzeitiger Beantragung der Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist noch Klage erheben und alsdann Hauptsacheerledigung erklären, denn dadurch würden Verfahrenskosten in unnötiger Weise erst zum Entstehen gebracht.

Ob - worauf der Antragsteller in der Beschwerdeschrift vom 7. Februar 1989 u.a. abgehoben hat - ein ausreichend bemittelter Beteiligter möglicherweise bei Erledigung der Hauptsache im Zeitpunkt zwischen Bewilligungsreife und Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag noch rückwirkend Prozeßkostenhilfe erhalten könnte, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtlichen Belang; denn jener kann in eine dem hiesigen Antragsteller vergleichbare Situation von vornherein deshalb nicht gelangen, weil er innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO hätte Klage erheben müssen und sich nicht auf die isolierte Beantragung von Prozeßkostenhilfe hätte beschränken können, wie dies von dem Antragsteller, der seiner Auffassung nach die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe erfüllt, praktiziert worden ist. Unter Berücksichtigung von alledem kann zwar nicht schon die Stellung des Prozeßkostenhilfeantrags unter dem 8. Dezember 1987 als mutwillig qualifiziert werden, wohl aber - entgegen der Auffassung des Antragstellers - die Fortführung dieses Prozeßkostenhilfeverfahrens nach Eintritt des erledigenden Ereignisses in der Hauptsache und trotz der erklärten Absicht, eine entsprechende Erledigungserklärung in dem beabsichtigten Hauptsacheverfahren auch abzugeben (vgl. zum Begriff der Mutwilligkeit insbesondere Baumbach/Lauterbach-Hartmann, a.a.O., § 114, Anm. 8 A; Thomas/Putzo, a.a.O., § 114, Erl. 2 b; Zöller- Schneider, § 114, Rdnr. 50).

Soweit der Antragsteller die im Verfahren über die Prozeßkostenhilfe bereits entstandenen Anwaltskosten angesprochen hat, ist dies allein deshalb geschehen, um sein "berechtigtes Interesse an einer für ihn günstigen Entscheidung" über die weiterhin begehrte Prozeßkostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren darzulegen, wie sich zweifelsfrei daraus ergibt, daß er im Beschwerdeverfahren seinen erstinstanzlich gestellten Prozeßkostenhilfeantrag nicht abgeändert und insbesondere ausdrücklich erklärt hat, das ursprünglich beabsichtigte Klageverfahren weiterhin rechtshängig machen zu wollen (vgl. vor allem S. 4, 2. Abs., der Beschwerdeschrift). Der anwaltlich vertretene Antragsteller hat also den Eintritt des erledigenden Ereignisses ersichtlich nicht zum Anlaß genommen, anstelle von Prozeßkostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren nunmehr Prozeßkostenhilfe für das eingeleitete Prozeßkostenhilfeverfahren zu beantragen, um seine Freistellung von den insoweit entstandenen Anwaltskosten zu erreichen. Grundsätzlich ist die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das Prozeßkostenhilfeverfahren freilich ohnehin nicht statthaft (Baumbach/Lauterbach, a.a.O., § 114, Anm. 4 B "Prozeßkostenhilfeverfahren"; Thomas/Putzo, a.a.O., § 114, Erl. 1; Zöller-Schneider, a.a.O., Vor § 114, Rdnr. 8; vgl. ferner Hess. VGH, Be. v. 7. Oktober 1991 - 7 TP 459/89 - u. v. 9. Mai 1988 - 12 D 6062/88 zu 12 TP 1174/88 -), weil Prozeßkostenhilfe nach § 114 S. 1 ZPO nur für die "Prozeßführung", mithin lediglich für das eigentliche Streitverfahren, bewilligt werden kann, weil sich ein Prozeßkostenhilfeantrag zum Prozeßkostenhilfeverfahren von eben diesem praktisch kaum abgrenzen ließe und weil durch die §§ 1 bis 3 des Beratungshilfegesetzes die anwaltliche Beratung eines nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen bedürftigen Rechtssuchenden gesichert ist und das ggfs. erforderliche anschließende Prozeßkostenhilfeverfahren regelmäßig von dem Rechtssuchenden selbst ohne anwaltliche Vertretung durchgeführt werden kann (vgl. dazu statt vieler BGH, B. v. 30. Mai 1984 - VIII ZR 298/83 -, BGHZ 91, 311 = NJW 1984, 2106). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird für Fallgestaltungen der vorliegenden Art - also bei Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Bewilligungsreise im Verlaufe eines isolierten Prozeßkostenhilfeverfahrens - zwar in Erwägung gezogen (vgl. Thomas/Putzo, a.a.O., § 114, Erl. 1. unter Berufung auf OLG Köln, B. v. 25. Mai 1984 - 4 WF 133/84 -, FamRZ 1984, 916, u. Baumbach/Lauterbach-Hartmann, a.a.O., § 114, Anm. 4 B "Prozeßkostenhilfeverfahren" a.E.), jedoch offenbar nur für den besonderen Fall, daß schon die Einreichung des Prozeßkostenhilfegesuchs durch einen Rechtsanwalt im Sinne von § 121 ZPO erforderlich war (so OLG Köln, 25. Mai 1984 - 4 WF 133/84 -, a.a.O.). Diese Voraussetzungen waren vorliegend insbesondere deshalb nicht gegeben, weil der Antragsteller bereits vor der anwaltlichen Beantragung von Prozeßkostenhilfe für das beabsichtigte Klageverfahren unter dem 8. Dezember 1987 - nämlich mit Schriftsatz vom 3. November 1987 - unabhängig von einer Prozeßkostenhilfegewährung für das betreffende Eilverfahren um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht hatte und weil es dem Antragsteller zuzumuten war, sich nur in jenem Eilverfahren anwaltlich vertreten zu lassen und nicht darüber hinaus noch in dem Prozeßkostenhilfeverfahren für das beabsichtigte Klageverfahren in der Hauptsache. Unter diesen Umständen braucht der beschließende Senat der Frage, ob der im vorliegenden Beschwerdeverfahren verfolgte Antrag einer Auslegung oder Umdeutung dahingehend zugänglich wäre, daß er nunmehr auf die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für das erstinstanzliche Prozeßkostenhilfeverfahren gerichtet ist, nicht nachzugehen, und es bedurfte auch keiner Überlegungen dazu, ob dem Antragsteller eventuell eine entsprechende Antragsänderung hätte anheimgestellt werden sollen, insbesondere ob eine solche ggf. sachdienlich gewesen wäre.






Hessischer VGH:
Beschluss v. 11.12.1991
Az: 7 TP 459/89


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