Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. Juli 2011
Aktenzeichen: 6 U 56/11

(OLG Köln: Urteil v. 29.07.2011, Az.: 6 U 56/11)

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegner wird das am 01.03.2011 verkündete Urteil der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln abgeändert:

Die einstweilige Verfügung vom 28.09.2010 wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen der Senat Bezug nimmt, ist eine vom Landgericht durch Beschluss erlassene einstweilige Verfügung bestätigt worden, wonach die Antragsgegner es zu unterlassen haben, ein näher bestimmtes Video öffentlich zugänglich zu machen oder machen zu lassen, das im September 2010 unter dem Titel „Abmahnung O. + M. - G. - Kanzlei X. C. & T. L.“ auf der Internetplattform YouTube abrufbar war. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung rügen die Antragsgegner, die auf ihre unbestrittenen erstinstanzlichen Darlegungen zu zahlreichen Abmahnvorgängen Bezug nehmen, eine unzureichende Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertungen durch die Kammer. Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung des Land­­gerichts, die das Video wegen darin enthaltener Äußerungen als herabsetzend angesehen hat, und stützt sich kumulativ auf eine seiner Ansicht nach durch andere Äußerungen bewirkte Irreführung der angesprochenen Verbraucher. Hilfsweise macht er geltend, die mit dem Video verbreiteten Äußerungen seien - soweit sie Tatsachenbehauptungen enthielten - nicht erweislich wahr, behinderten ihn gezielt in seinem Wettbewerb und verstießen gegen das anwaltsrechtliche Sachlichkeitsgebot.

II.

Die zulässige Berufung erweist sich in der Sache als gerechtfertigt, während das als zulässige konkludente Anschlussberufung auszulegende Begehren des Antragstellers, das Video wegen irreführender Werbung zu verbieten, ohne Erfolg bleibt; mit seinem Hilfsvorbringen dringt er ebenfalls nicht durch.

1. Zwischen den als Rechtsanwälten bundesweit um Mandanten werbenden Parteien besteht - wie vom Landgericht zu Recht angenommen - ein konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Nr. 3 UWG).

2. Für die im Lichte der Grundrechte (Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG) vorzunehmende Abwägung, ob das Video einem sachlich berechtigten Informations­interesse der angesprochenen Verkehrskreise und dem aus der Berufsausübungsfreiheit folgenden Recht der Antragsgegner zur unternehmerischen Selbstdarstellung (BVerfG, GRUR 2008, 352 - Gegnerliste) dient und sich noch im Rahmen des Erforderlichen und Angemessenen hält oder die Grenze zur unlauteren Herabsetzung und Verunglimpfung gemäß § 4 Nr. 7 UWG bzw. (im Hinblick darauf, dass der Antragsteller und seine Tätigkeit in dem Video deutlich erkennbar gemacht wird) § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG überschreitet, kann allerdings - wie der Senat zwischen denselben Parteien bereits mit Urteil vom 08.10.2010 (WRP 2011, 779) ausgesprochen hat - nicht unberücksichtigt bleiben, dass vom Antragsteller typischerweise die durch G. geschädigten Rechte­in­haber, von den Antragsgegnern dagegen die abgemahnten Internetnutzer vertreten werden. Vor allem auf das Verständnis dieser von ihnen als potentielle Mandanten umworbenen Personen, die im Wege der Abmahnung als Rechtsverletzer in Anspruch genommen worden sind und jetzt im Internet nach für sie hilfreichen Informationen suchen, kommt es für die Bewertung des Videos, seiner Überschrift und der darin enthaltenen Äußerungen an.

Unter Berücksichtigung der Sicht dieser Verkehrskreise ist es zunächst nicht zu beanstanden, dass im Titel und im Video - dort insgesamt viermal - die Kanzlei des Antragstellers mit vollem Namen erwähnt wird. Angesichts der durch die vorgelegten Google-Trefferlisten (Anlage BK 2) belegten und (unabhängig von den seitens des Antragstellers als unseriös angesehenen Angaben des „Vereins gegen den Abmahnwahn“ gemäß Anlage BK 1) dem Senat auch aus anderen Verfahren bekannten Tatsache, dass der überwiegende Teil einschlägiger Abmahnungen von einer überschaubaren Zahl deutscher Rechtsanwaltskanzleien ausgesprochen wird und die des Antragstellers im Jahr 2010 zu denjenigen mit besonders umfangreicher Abmahntätigkeit gehörte, kann ein Informationsinteresse breiter Kreise insoweit nicht geleugnet werden. Da die Antragsgegner unbestritten in mehr als neunzig Abmahnungsfällen Mandanten gegenüber der Kanzlei des Antragstellers vertreten haben, entspricht die Namensnennung auch einer grundsätzlich unbedenklichen Art und Weise ihrer beruflichen Außendarstellung (vgl. BVerfG, a.a.O. [353]).

Unter Würdigung aller Umstände sind Inhalt und Wortwahl der im Video gemachten Äußerungen des Antragsgegners zu 2.) auch im Übrigen nicht als unangemessen herabsetzend oder verunglimpfend anzusehen. Soweit das Landgericht angenommen hat, dass mit der Äußerung „die Problematik bei den O. + M. Abmahnungen, dass hier das Prinzip der häppchenweisen Abmahnungen verfolgt wird“ eine „Masche“ des Antragstellers als rechtlich bedenklich dargestellt und dieser selbst auf diese Weise ohne sachliche Grundlage in ein schlechtes Licht gerückt werde, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine rechtliche Missbilligung ist mit diesen Worten nach ihrem objektiven Aussagegehalt und dem maßgeblichen Gesamtzusammen­hang nicht ausgesprochen. Die der Aussage unmittelbar nachfolgende Erläuterung „denn wer mehrere Rechteinhaber vertritt, wie O. + M., kann auch mehrfach abmahnen“ stellt klar, dass der Antrag­steller auch aus Sicht des Antragsgegners zu 2.) eine von Rechts wegen bestehende Möglichkeit ausnutzt; von einer - etwa unter Missbrauchsaspekten - rechtlich anfechtbaren Abmahnpraxis ist keine Rede. Auch die wertende Bezugnahme auf Abmahnungen aus der Kanzlei des Antragstellers mit den Begriffen „Problematik“ und „Prinzip der häppchenweisen Abmahnungen“ ist in diesem Kontext noch nicht als unlauter anzusehen. Die im Video der Sache nach angesprochene, in beiden Instanzen unbestritten gebliebene Darstellung der Antragsgegner, in mindestens neunzig Fällen damit befasst worden zu sein, dass Mandanten wegen eines einzigen G.-Vorgangs (Zugänglichmachen eines Chartcon­tai­ners über einen bestimmten Internetanschluss zu einem bestimmten Zeitpunkt) mehrere Ab­mah­nun­gen von der Kanzlei des Antragstellers erhalten hätten, rechtfertigt unabhängig von der Zulässigkeit dieser Vorgehensweise die Bewertung, dass sie einem „Prinzip“ folge, das salopp als „häppchenweise Abmahnungen“ bezeichnet werden könne; eine unangemessene Schmähkritik liegt darin nicht. Für die inhaltlich neutrale Bezeichnung als „Problematik“ gilt nichts anderes. Den in der öffentlichen Diskussion von anderen nicht selten benutzten Begriff der „Abmahnindustrie“ (vgl. nur die Pressemitteilung über die Gesetzesinitiative der Bundestags­fraktion der Partei DIE LINKE zur Begrenzung der Haftung und der Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen, BT-Drs. 17/6483) hat der Antragsgegner zu 2.) in seinem Videobeitrag gerade vermieden.

3. Wie schon aus den vorstehenden Ausführungen erhellt, ist den Antragsgegnern auch nicht zur Last zu legen, mit der Bezugnahme auf das von ihnen bei der Bearbeitung einer Vielzahl von Mandaten registrierte „Prinzip der häppchenweisen Abmahnungen“ eine im Sinne von § 4 Nr. 8 UWG nicht erweislich wahre Tatsache über den Antragsteller behauptet zu haben, die diesen zu schädigen geeignet ist. Ebenso wenig ist die als Marktverhaltensregel nach § 4 Nr. 11 UWG einzuordnende, ebenfalls im Licht der Grundrechte auszulegende Vorschrift des § 43b BRAO verletzt, aus der sich im hier relevanten Bereich keine strengeren Maßstäbe als aus §§ 4 Nr. 7 und 8, 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ergeben (vgl. Senatsurteil vom 08.10.2010, a.a.O.). Auch eine gezielte Behinderung gemäß § 4 Nr. 10 UWG, die mehr als die mit jedem Wettbewerb notwendig verbundene Beeinträchtigung erfordert, etwa wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, Mitbewerber an ihrer Entfaltung zu hindern und sie dadurch zu verdrängen, oder wenn die Behinderung dazu führt, dass die beeinträchtigten Mitbewerber ihre Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen können (BGH, GRUR 2010, 346 = WRP 2010, 644 [Rn. 12] - Rufumleitung m.w.N.), liegt unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nicht vor. Den Antrags­gegnern kann es insbesondere nicht verwehrt werden, die von ihnen angesprochen­en Verkehrskreise in - wie erörtert - sachlich angemessener Form über die bei vielen Abmahnungen aus der Kanzlei des Antragstellers auftretenden Probleme zu informieren.

4. Während die vorstehend behandelten Hilfsbegründungen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise das gleiche Ziel betreffen wie der vorrangige Angriff gegen die vermeintlich unlautere Herabsetzung des Antragstellers, hat dieser mit dem ausdrücklich kumulativ geltend gemachten Irreführungsvorwurf einen zwar an das gleiche Video anknüpfenden, im Übrigen aber völlig eigenständigen zweiten Streitgegenstand in das Verfahren eingeführt.

In der Sache bleibt auch dieses Petitum ohne Erfolg. Das Video enthält keine im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 UWG unwahren oder sonst zur Täuschung geeigneten Angaben über Merkmale der von den Antragsgegnern angebotenen Beratungsleistungen. Insbesondere werden die angespro­chenen durchschnittlich aufmerksamen Verbraucher nicht in relevantem Umfang den Eindruck gewinnen, dass die Antragsgegner in der Lage seien, sie durch den Entwurf einer bestimmten Art von Unterlassungserklärung mit Sicherheit vor Abmahnungen weiterer Rechtsinhaber wegen desselben in Rede stehenden G.-Vorgangs zu schützen. Dass dieser Eindruck unzutreffend wäre, liegt allerdings nahe. Soweit der Senat in zwei Be­schwerde­­verfahren (6 U 100/10 und 6 U 157/10) von den Antragsgegnern konzipierte Unterlassungserklärungen als hinreichend ernsthaft angesehen hat, um von einer Anwendung des § 93 ZPO ausgehen zu können, konnte dort offen bleiben, ob mit der Abgabe solcher Erklärungen auch eine im Verhältnis zu anderen Rechteinhabern begründete Wiederholungsgefahr entfiel. Eine entsprechende Erfolgsgarantie hat der Antragsgegner zu 2.) in dem inkriminierten Video aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers aber ohnehin nicht abgegeben. Die auch insoweit in ihrem Gesamtzusammenhang zu interpretierenden Aussagen münden in das Angebot, Einzelheiten im persönlichen Gespräch zu klären. „Gerne helfen wir Ihnen auch, Sie zu schützen vor weiteren Abmahnungen, sofern das auf ihren Fall zutrifft“ - diese Erklärung des Antragsgegners zu 2.) wird der aufgeklärte Verbraucher nicht dahin missverstehen, dass er nach einer Beratung durch die Antragsgegner keine weiteren Abmahnungen mehr fürchten müsse; umgekehrt besteht allerdings auch kein Anlass, die angebotene (entgeltliche) Beratung für den Verbraucher als von vornherein völlig wertlos anzusehen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird mit Rücksicht auf die kumulative Geltendmachung eines weiteren Streitgegenstandes durch den Antrag­steller in Abänderung des Senatsbeschlusses vom 27.04.2011 auf insgesamt 100.000,00 € festgesetzt.






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