Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. März 2004
Aktenzeichen: 19 W (pat) 705/03

(BPatG: Beschluss v. 03.03.2004, Az.: 19 W (pat) 705/03)

Tenor

Das Patent 42 21 671 wird widerrufen.

Gründe

I.

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat am 2. Juli 1998 die Erteilung des Patents 42 21 671 veröffentlicht, das am 2. Juli 1992 angemeldet worden war. Das Patent hat die Bezeichnung "Stellelement für die Entriegelung einer Schließeinrichtung".

Gegen das Patent hat die K... AG am 30. September 1998 Einspruch erhoben. Zur Begründung hat sie behauptet, der Gegenstand des Patents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht neu bzw. beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Am 3. April 2003 hat die Einsprechende den Antrag gemäß § 147 Abs 3 Nr 2 PatG gestellt, die Einspruchsakte dem Bundespatentgericht zur weiteren Behandlung vorzulegen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet unter Hinzufügung von Gliederungsbuchstaben entsprechend einer von der Einsprechenden vorgenommenen Merkmalsunterteilung:

"a) Stellelement für die Entriegelung einer Schließeinrichtung, die beim Schließvorgang selbsttätig verriegelt wird, bestehend im wesentlichen aus einem Stellglied, einer Rückstellfeder (11), einem Gehäuse (6) und einem Endschalter (12), dadurch gekennzeichnet, b) daß das von einem Elektromotor (5) über einen Zahntrieb (10) antreibbare Stellglied zweiteilig mit einem Stößel (13) und einem Mitnehmer (14) ausgebildet ist, c) Stößel (13) und Mitnehmer (14) derart miteinander gekoppelt sind, dass der Stößel (13) vom Mitnehmer (14) bei eingeschaltetem Elektromotor (5) nur in einer Bewegungsrichtung mitnehmbar ist, d) wobei der Mitnehmer (14) gegen die Kraft der Rückstellfeder (11) von einer ersten Endposition in einer zweite Endposition bewegbar unde) mittels der Rückstellfeder (11) bei ausgeschaltetem Elektromotor (5) von der zweiten in die erste Endposition rückstellbar istf) und der Stößel (13) mit einem Hebel (3) der Schließeinrichtung verbindbar istg) und seine Stellung jeweils der Stellung der Schließeinrichtung entspricht undh) der Endschalter (12) im Gehäuse (6) des Stellelementes angeordnet ist und von dem Stößel (13) betätigt wird".

Es soll die Aufgabe gelöst werden, ein Stellelement der oberbegrifflichen Art so weiterzubilden, dass für den Anschluss des Elektromotors und des Endschalters für eine Anzeigevorrichtung nicht mehr als drei Zuleitungen benötigt werden (PS Sp1 Z 35 bis 39).

Die Einsprechende ist der Ansicht, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1, der das Merkmal aufweist, dass "Stößel und Mitnehmer derart miteinander gekoppelt sind, dass der Stößel vom Mitnehmer bei ausgeschaltetem Elektromotor nur in einer Bewegungsrichtung mitnehmbar ist", gehe über den Inhalt der Anmeldung in der Fassung hinaus, in der sie ursprünglich eingereicht worden sei, da er eine manuelle Betätigung des Mitnehmers - ohne jegliche Mitwirkung des Elektromotors - erlaube. Ein solcher Gegenstand sei aber ursprünglich nicht offenbart gewesen.

Die Änderung von "ausgeschaltet" in "eingeschaltet" sei auch keine Korrektur eines offensichtlichen Fehlers, denn es seien durchaus nicht offensichtlich unsinnige Ausführungsformen mit ausgeschaltetem Motor denkbar.

Die Einsprechende ist weiterhin der Auffassung, dass der geltende Patentanspruch 1, bei dem gegenüber dem patentierten Patentanspruch 1 das Wort "ausgeschaltetem" in "eingeschaltetem" geändert ist, keinen patentfähigen Gegenstand beschriebe. Denn ein Stellelement mit allen Merkmalen, mit Ausnahme des - einen im Gehäuse des Stellelementes angeordneten und von dem Stößel betätigten Endschalter beschreibenden - letzten Merkmals sei aus der US 4 624 491 bekannt. Für den Fachmann habe es nahe gelegen, angesichts der DE 40 32 282 A1 und der DE 84 19 125 U1, die ein Stellelement mit einem derartigen Endschalter zeigten, zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1, zu gelangen.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 42 21 671zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 42 21 671 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 3. März 2004, Patentansprüche 2 und 3 gemäß Patentschrift, mit noch anzupassender Beschreibung, sowie Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Die Patentinhaberin ist der Meinung, der Fachmann habe keinen Anlass, bei dem Stellelement nach der US 4 624 491 einen Endschalter vom Stößel betätigen zu lassen, wie es die DE 40 32 282 A1 zeige, er werde ihn vielmehr vom Mitnehmer betätigen lassen. Außerdem diene der Endschalter nach der DE 40 32 282 A1 nur zur Abgabe eines die Stößelstellung abgebenden Signals, aber nicht zur Abschaltung des Motors.

Die DE 84 19 125 U1 zeige einen als Umschalter ausgebildeten Schalter, der den Elektromotor umpole, der in der DE 34 43 287 C1 beschriebene Endschalter werde vom Mitnehmer betätigt.

Weiterhin sieht die Patentinhaberin bei dem Stellelement nach der US 4 624 491 keine Entkopplung zwischen dem Mitnehmer 5 und dem von diesem betätigten Hebel 4; sie meint schließlich, die Stellung des Hebels 4 entspreche auch nicht der Stellung der Schließeinrichtung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Der Einspruch ist zulässig und hat auch Erfolg, so dass das Patent zu widerrufen war.

1. Auf den Antrag der Einsprechenden vom 3. April 2003 hin ist die Entscheidungsbefugnis auf den hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts übergegangen.

Dieser hatte aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung über das Patent zu entscheiden; vergleiche BPatGE 46, 134 - gerichtliches Einspruchsverfahren (mwN).

2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist nicht unzulässig erweitert.

Der Senat ist zu der Auffassung gelangt, dass durch das Ersetzen des Wortes "ausgeschaltetem" im erteilten Patentanspruch 1 durch das Wort "eingeschaltetem" im geltenden Patentanspruch 1 ein offensichtlicher Fehler beseitigt wird. Diesen Fehler konnte der Fachmann - ein Fachhochschul-Maschinenbauingenieur mit Kenntnissen der Ansteuerung von Motoren in Stellelementen der Kraftfahrzeugtechnik - aus dem Anspruch heraus erkennen und korrigieren, weil ihm ein nach dem Wortlaut des erteilten Patentanspruchs 1 realisiertes, ohne jegliche Mitwirkung des Elektromotors auskommendes Stellelement, wie es sich durch das Merkmal "dass der Stößel vom Mitnehmer bei ausgeschaltetem Elektromotor ... mitnehmbar ist" ergäbe, in Zusammenhang mit den restlichen Anspruchsmerkmalen sinnlos erschienen wäre. Damit konnte der Fachmann auch den Schutzbereich des erteilten Patentanspruchs 1 vorhersehen.

Auch die Ergänzung im Merkmal e), dass der Mitnehmer "mittels der Rückstellfeder (11) bei ausgeschaltetem Elektromotor (5) von der zweiten in die erste Endposition rückstellbar ist", ist zulässig, weil sie den Patentanspruch 1 dahingehend beschränkt, dass die Variante, bei der der Mitnehmer "mittels der Rückstellfeder (11) bei eingeschaltetem Elektromotor (5) von der zweiten in die erste Endposition rückstellbar ist" nicht mehr umfasst ist. Das Merkmal e) ist in der Offenlegungsschrift (Sp 2 Z 66 bis Sp 3 Z 3, Anspruch 1), die hier mit den ursprünglichen Unterlagen übereinstimmt, offenbart.

Indes kommt es nicht darauf an, ob der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs unzulässig erweitert wurde oder nicht, weil er nichts Erfinderisches enthält.

3. Das Stellelement nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist nicht patentfähig, weil es auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

Aus der US 4 624 491 ist in teilweiser Übereinstimmung mit dem Merkmal a) ein Stellelement für die Entriegelung einer Schließeinrichtung 4, 3 bekannt, die beim Schließvorgang selbsttätig verriegelt wird (Sp 4 Z 21 bis 29: Übergang Entriegelungsstellung (Fig 2) in Verriegelungsstellung (Fig 1)), bestehend im wesentlichen aus einem Stellglied 4, 5, einer Rückstellfeder 8, und einem Gehäuse (Platte10 nebst Seitenwänden).

Dabei ist - wie auch gemäß Merkmal b) vorgesehen - das von einem Elektromotor 9 über einen Zahntrieb 6a, 7a, 7b, 9a antreibbare Stellglied zweiteilig mit einem Lappen 4b als Stößel und einem Mitnehmer 5 ausgebildet.

Weiterhin ist übereinstimmend mit Merkmal c) vorgesehen, dass Stößel 4b und Mitnehmer 5 derart miteinander gekoppelt sind, dass der Stößel 4b vom Mitnehmer 5 bei eingeschaltetem Elektromotor 9 nur in einer Bewegungsrichtung mitnehmbar ist (Sp 4 Z 34 bis 46). Die Mitnahme des Stößels 4b in der anderen Bewegungsrichtung erfolgt dabei nicht durch den Mitnehmer 5, sondern durch eine Torsionsfeder 29 (Sp 5 Z 13 bis 17). Damit sind Stößel 4b und Mitnehmer 5 - nach Auffassung des Senats - voneinander entkoppelt.

Auch die Merkmale d) und e) sind beim Stellelement nach der US 4 624 491 realisiert, denn die Druckschrift zeigt, dass der Mitnehmer 5 gegen die Kraft der Rückstellfeder 8 von einer ersten Endposition in eine zweite Endposition bewegbar (Sp 4 Z34 bis 46) und mittels der Rückstellfeder 5 bei ausgeschaltetem Elektromotor 9 von der zweiten in die erste Endposition rückstellbar ist (Sp 5 Z 5 bis 12).

Weiterhin ist gemäß Merkmal f) der Stößel 4b mit einem Hebel 4 (lever) der Schließeinrichtung 4, 3 verbunden (Fig 1), woraus der Fachmann auch eine Verbindbarkeit entnimmt.

Außerdem ist in Übereinstimmung mit dem Merkmal g) - nach Auffassung des Senats - vorgesehen, dass die Stellung des Hebels 4 jeweils der Stellung der Schließeinrichtung 4, 3 entspricht. Denn sowohl in Verriegelungsstellung der Schließeinrichtung 4, 3 (Fig 2) korrespondiert der Hebel 4 mit der dabei unter einem spitzen Winkel geneigten Sperrklinke 3 als Bestandteil der Schließeinrichtung als auch beim Entriegelungsvorgang (Sp 4 Z 60 bis 64: Stößel 4b am Anschlag 40), bei dem der Stößel 4b die Sperrklinke 3 als Bestandteil der Schließeinrichtung in eine waagrechte Position bringt (Fig 1).

Das anspruchsgemäße Stellelement unterscheidet sich mithin von dem aus der US 4 624 491 bekannten dadurch, dass

"ein Endschalter im Gehäuse des Stellelementes angeordnet ist und von dem Stößel betätigt wird".

Dieser Unterschied kann jedoch nicht patentbegründend sein.

Beim Stellelement nach der US 4 624 491 wird der Elektromotor durch Drücken der Schalter 26 oder 27 angesteuert, um die Schließeinrichtung vom verriegelten Zustand in den entriegelten Zustand zu überführen (Sp 4 Z 34 bis 36). Eine Abschaltung des Elektromotors ist dabei nur durch den Benutzer möglich (Sp 4 Z 58 bis 63), so dass der Elektromotor bei zu langer Betätigung erwärmt und beschädigt werden kann.

Die Aufgabe den Elektromotor bei Abschluss des Stellvorgangs definiert abzuschalten, stellt sich für den Fachmann daher in der Praxis von selbst. Dem Fachmann sind dabei aus seiner praktischen Tätigkeit auch Endschalter zum Zwecke einer Motorabschaltung geläufig. Als Einbauort bietet es sich ohne weiteres ein Platz nahe dem Anschlag 40 an, wo er dann durch den dem Mitnehmer 5 vorauslaufenden Stößel 4b betätigt würde. Zusätzlich zeigt die DE 40 32 282 A1 (Fig 7) einen, ein Positionssignal bei Erreichen der Endstellung liefernden, im Gehäuse 34 des Stellelementes angeordneten und von dem Stößel 1 mit seinem Kontaktsteg 11 betätigten Endschalter 37 (Sp 5 Z 54 bis 56 und Sp 4 Z 19, 20 und 45, 46). Der Fachmann entnimmt daraus, dass der Endschalter nicht nur vom Stößel betätigt werden kann, wobei er sich dann zur Abschaltung des Elektromotors 35 sondern auch zur Abgabe eines die Stößelstellung anzeigenden Signals eignet.

Damit ist der Fachmann ohne erfinderisches Zutun, ausgehend von dem in der US 4 624 491 beschriebenen Stellelement zu einem Gegenstand gelangt, wie ihn der geltende Patentanspruch 1 - in dem offen gelassen ist, ob der Endschalter zur Abschaltung des Motors oder nur zur Abgabe eines Signals dient - beschreibt.

Man würde die Kenntnisse und Fähigkeiten des Fachmanns unterschätzen, würde man ihm solches Handeln nicht zutrauen.

Nach Fortfall des Patentanspruchs 1 teilen die darauf rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3 dessen Schicksal.

Vorsitzender Richter Dr. Kellerer ist wegen Krankenhausaufenthalts verhindert, seine Unterschrift beizufügen.

Schmöger Schmöger Dipl.-Ing. Groß

Dr. Scholz Pr






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Az: 19 W (pat) 705/03


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