Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 29. September 2005
Aktenzeichen: 1 K 5870/02

(VG Köln: Urteil v. 29.09.2005, Az.: 1 K 5870/02)

Tenor

Der Bescheid der Regulierungsbehörde vom 19.06.2002 (00 00-00-000/000.00.00) wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte und die Beigeladene je zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin betreibt als Rechtsnachfolgerin der E. C. bzw. der E. C. -U. Telekommunikationsnetze und die hierzu gehörenden technischen Einrichtungen. Die Beigeladene betreibt ebenfalls ein bundesweites öffentliches Telekommunikationsnetz. Die Telekommunikationsnetze der genannten Beteiligten sind seit Beginn der vollständigen Marktöffnung zusammengeschaltet. Seit Einführung der EBC- Tarifstruktur ist Grundlage hierfür die Zusammenschaltungsanordnung der damaligen Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, jetzt Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Regulierungsbehörde), vom 13.11.2001 und eine ergänzende Vereinbarung der Beteiligten vom 22.02.2002.

Die Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 enthielt unter Ziff. 2 die folgende Regelung:

"Zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin werden die Bedingungen des zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin verhandelten Zusammenschaltungsvertragsentwurfs (Stand: 25.07.2001) der Antragsgegnerin einschließlich der Anlagen A, C, E, G und den Anhängen A, B, C, D, E, F sowie Anlage B (Stand: 18.09.01) mit der Maßgabe der folgenden Änderungen angeordnet".

Die Anlage E - Qualität - enthielt folgende Regelung:

"1.1 Bereitstellungsfrist

Die U. stellt die ICAs, die erforderlichen Verkehrskapazitäten sowie die Konfigurationsmaßnahmen in ihrem Telefonnetz entsprechend dem in Anhang B - Bestellung/Bereitstellung - festgelegten Verfahren bereit.

Die U. wird folgende Bereitstellungsfristen nicht überschreiten:

A) Bestellungen, sofern eine VE:N erstmalig oder zusätzlich in einem EZB eingerichtet werden muss 12 Monate B) Bestellungen, sofern die Kapazitäten an einer bestehenden VE:N im EZB ausreichen und ICP an dieser VE:N noch nicht mit der U. zusammengeschaltet ist bzw. bei einer Wandlung von ICAs "Customer Sited" in ICAs "Physical Collocated 6 Monate

C) Bestellungen, sofern die Kapazitäten an einer bestehenden VE:N und die Bandbreite der bestehenden Übertragungssysteme im EZB ausreichen und ICP an dieser VE:N bereits mit der U. zusammengeschaltet ist bzw. bei einer Wandlung von ICAs "Customer Sited" in ICAs "Physical Collocated" 3 Monate D) Bereitstellung von Konfigurationsmaßnahmen im Telefonnetz der U. 3 Monate, frühestens 2 Arbeitstage nach Inbetriebnahme der ICAs

Abweichend von den o.g. Fristen erfolgt die Bereitstellung nur im Rahmen der bestehenden technischen und betrieblichen Möglichkeiten, wenn

a) die Bestellung nicht innerhalb der gem. Anhang B - Bestel- lung/Bereitstellung, Teil 1 durchgeführten Planungsabsprachen und innerhalb der dort genannten Toleranzgrenzen liegt oder

b) die Bereitstellung der Beeinflussung durch Dritte (wie z.B. Erteilung erforderlicher Genehmigungen, Auflagen von Kommunen, entgegenstehende privatrechtliche Ansprüche) oder durch höhere Gewalt unterliegt oder

c) die Bereitstellung für die in Anhang B - Bestellung/Bereitstellung, Teil 1 genannte Startphase erfolgt.

d)

Die Bereitstellungsfristen bei quartalsmäßigen Anpassungen der Planungsabsprachen unterliegen den Regelungen gem. Anhang B - Bestellung/Bereitstellung, Teil 1.

1.1 Absicherung eines zugesagten Bereitstellungstermins oder einer gem. Punkt 1.1 zugesagten Bereitstellungsfrist

1.2

Hält die U. einen mit der Auftragsbestätigung schriftlich zugesagten Bereitstellungstermin für einen ICAs nicht ein oder überschreitet sie eine gem. Punkt 1.1 zugesagte Bereitstellungsfrist, so zahlt die U. ICP abhängig von der Überschreitung des zugesagten Bereitstellungstermins oder der gem. Punkt 1.1 zugesagten Bereitstellungsfrist eine Vertragsstrafe gem. Anlage D - Preis.

Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe besteht auch dann, wenn der Bereitstellungstermin einvernehmlich auf Veranlassung der U. verschoben wird; nicht jedoch in Fällen, in denen ICP die verzögerte Bereitstellung zu vertreten hat.

Die Vertragsstrafe wird mit den Forderungen aus diesem Vertragsverhältnis verrechnet."

Klägerin und Beigeladene hatten zuvor, unter dem 14.09.2001, eine Bestellvereinbarung abgeschlossen, deren Gegenstand die Möglichkeit der Bestellung von ICAs im LEZB vor Abschluss einer auf der EBC-Struktur basierenden Zusammenschaltungsvereinbarung oder -anordnung war.

Im Vorgriff auf diese Bestellvereinbarung hatte die Beigeladene bereits unter dem 31.08.2001 (eingegangen am 03.09.2001) bei der Klägerin 5.994 ICAs bestellt. Am 31.10.2001 und 09.11.2001 erfolgten weitere Bestellungen bzw. Modifikationen der Bestellung vom 31.08.2001. Am 28.12.2001 legte die Beigeladene eine erneute, komplett überarbeitete Bestellung von 5.079 ICAs vor.

Mit Bescheiden vom 12.10.2001 erteilte die Regulierungsbehörde der Klägerin die Genehmigung für Verbindungsentgelte auf der Basis von EBC ab dem 01.01.2002.

Mit Bescheid vom 30.10.2001 ordnete sie im Rahmen eines Zusammenschaltungsverfahrens betreffend die Telekommunikationsnetze der Klä- gerin und der Fa. D. U. GmbH (Fa. D. ) folgende, als "Alsob-Tarifierung" bezeichnete Regelung an:

"Soweit die Antragsgegnerin der Antragstellerin die bis zum 09.11.2001 bzw. 31.12.2001 bestellten ICAs für neue Zusammenschaltungsstandorte, für die die Antragsgegnerin den Aufbau des Netzübergangs bis zum 31.12.2001 bzw. 28.02.2002 realisiert oder die Realisierung geplant hat, nicht bis zum 28.02.2002 bzw. 31.05.2002 bereitgestellt hat, kann die Antragstellerin verlangen, dass der Verkehr in und aus dem LEZB des betroffenen Zusammenschaltungsstandortes ab dem folgenden Monat nach Tarifstufe I abgerechnet wird. Übt die Antragstellerin dieses Recht aus, gelten die bestellten ICAs als abgenommen, soweit die bestellten ICAs nicht vom GEZB in den LEZB umgeschwenkt werden sollten.

Das Recht aus Abs. 1 besteht nicht, solange die Bereitstellung der Antragsgegnerin aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, nicht möglich ist. Die Antragsgegnerin hat Verzögerungen, die durch höhere Gewalt oder Beeinflussung Dritter (wie z.B. Versagung oder Nichtbescheidung einer erforderlichen Baugenehmigung) bedingt sind, nicht zu vertreten."

Einer Aufforderung der Regulierungsbehörde, eine derartige Regelung durch Abschluss entsprechender Vereinbarungen auch sämtlichen anderen Wettbewerbern gegenüber einzuführen, lehnte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2002 im Beschlusskammerverfahren 00 00-00-000/000.00.00 ( ) ab und reagierte auch auf eine entsprechende Nachfrage der Beigeladenen vom 27.03.2002 nicht.

Unter dem 10.04.2002 beantragte die Beigeladene daraufhin bei der Regulierungsbehörde für das mit der Klägerin bestehende Zusammenschaltungsverhältnis die Anordnung der im D. -Verfahren getroffenen "Alsob-Tarifierungs" - Regelung.

Mit Bescheid vom 19.06.2002 erließ die Regulierungsbehörde folgende Anordnung:

"1. Soweit die Antragsgegnerin der Antragstellerin die bis zum 09.11.2001 bzw. 31.12.2001 bestellten ICAs für neue Zusammenschaltungsstandorte, welche wegen der Migration auf der Grundlage des EBC-Regimes erforderlich sind, nicht bis zum 28.02.2002 bzw. 31.05.2002 bereitgestellt hat, kann die Antragstellerin verlangen, dass der Verkehr in und aus dem LEZB des betroffenen Zusam- menschaltungsstandortes ab dem folgenden Monat nach Tarifstufe I abgerechnet wird. Übt die Antragstellerin dieses Recht aus, gelten die bestellten ICAs als abgenommen, soweit die bestellten ICAs nicht vom GEZB in den LEZB umgeschwenkt werden sollten.

Das Recht aus Absatz 1 besteht nicht, solange die Bereitstellung der Antragsgegnerin aus Gründen, die sie nicht zu vertreten hat, nicht möglich ist. Die Antragsgegnerin hat Verzögerungen, die durch höhere Gewalt oder Beeinflussung durch Dritte (wie z.B. Versagung oder Nichtbescheidung einer erforderlichen Baugenehmigung) bedingt sind, nicht zu vertreten.

2. Die Anordnung steht unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass die Parteien einen schriftlichen Vertrag über die Zusammenschaltung ihrer öffentlichen Kommunikationsnetze schließen.

3. Die Regelung in Ziffer 1. verliert ihre Gültigkeit mit Eintritt der Rechtskraft derjenigen Entscheidung, mit der ein Gericht die gegenwärtig vor dem VG Köln in dem Verfahren 1 K 8636/01 (der Tenor enthält einen Schreibfehler) beklagte bzw. eine vergleichbare Regelung ausdrücklich als rechtswidrig verwirft.

4. Die Anordnung ist bis zum 30.11.2002 befristet."

Zur Begründung führte sie aus: Die Klägerin sei verpflichtet, Zugang zu ihrem öffentlichen Kommunikationsnetz zu gewähren. Wenn die Klägerin bestellte ICAs nicht oder verspätet bereitstelle, begehe sie demnach eine Pflichtverletzung gegenüber der Beigeladenen, was nach allgemeinen Regeln einen Schadensersatzanspruch auslöse. Die im Standardvertrag der Klägerin für den Fall der verspäteten Bereitstellung vorgesehene pauschalierte Ersatzleistung orientiere sich an den Kosten der Bereitstellung und nicht an dem bei der Beigeladenen ent- stehenden Schaden. Die Beigeladene bestelle neue ICAs nämlich nicht nur, um ihr Netz zu erweitern, sondern auch, um die Kosten für Verbindungsentgelte zu reduzieren. Eine verspätete Bereitstellung führe deshalb dazu, dass die Beigeladene höhere Verbindungsentgelte zahlen müsse, als bei rechtzeitiger Lieferung. Für diesen Fall werde die Beigeladene entsprechend dem Grundsatz der Naturalrestitution durch die angeordnete "Alsob-Tarifierung" so gestellt, als ob sie rechtzeitig beliefert worden wäre. Eine solche, vom Zusammenschaltungsvertrag ab- weichende Regelung sei ausnahmsweise für neue, aufgrund der Einführung von EBC erforderlich werdende OdZ, welche über die schon bestehenden 293 OdZ hinausgingen, gerechtfertigt. Der Zulässigkeit der Anordnung stehe nicht entgegen, dass sie auf einen vergangenen Tarifierungszeitraum zurückwirke. Es liege kein Fall eines schutzwürdigen Vertrauens vor. Der Klägerin sei seit dem 30.10.2001 bekannt gewesen, dass sie zur Vermeidung einer Diskriminierung der anderen Wettbewerber zur Einführung der "Alsob-Tarifierung" verpflichtet gewesen sei.

Am 05.07.2002 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Sie trägt vor:

Die Klage sei zulässig. Insbesondere verfüge sie entgegnender Auffassung der Beklagten über das erforderliche Rechtsschutzinteresse.

Die Beigeladene mache geltend, dass sie bereits zum ersten Stichtag, dem 09.11.2001, ordnungsgemäße Bestellungen von ICAs abgegeben habe. Sollte dies zutreffen - was von der Klägerin bestritten werde -, würde die "Alsob-Tarifierung" bereits zum 28.02.2002 greifen, da die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt keine ICAs bereitgestellt habe. Aus der im Verwaltungsverfahren unter dem 25.05.2002 vorgelegten Übersicht der ICAs-Bestellungen ergebe sich, dass die ersten ICAs im April und Mai 2002, die meisten ICAs sogar erst im Juni, Juli oder August 2002 bereitgestellt worden seien.

Die Klage sei auch begründet.

Die von der Regulierungsbehörde angeordnete "Alsob-Tarifierung" sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten.

Dies ergebe sich daraus, dass durch die getroffene Anordnung die bislang zwischen den Beteiligten geltenden Bereitstellungsfristen in unzulässiger Weise verkürzt worden seien. Aufgrund der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 hätten bislang für die Bereitstellung von ICAs an LEZB die Regelungen in Anlage E-Qualität des Zusammenschaltungsvertrages gegolten. In Ziffer 1.1 der Anlage E seien Bereitstellungsfristen von 12 Monaten, 6 Monaten und 3 Monaten vorgesehen. Zum Zeitpunkt der Bestellungen der Beigeladenen und zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zusammenschaltungsanordnung hätten an den VE:N, denen lediglich ein LEZB zugeordnet sei, keine Zusammenschaltungen zwischen der Klägerin und der Beigeladenen bestanden. Die Bereitstellungsfrist hätte deshalb (bei Vorliegen von Planungsabsprachen) mindestens 6 Monate betragen. Mit der streitgegenständlichen Zusammenschaltungsanordnung habe die Regulierungsbehörde der Klägerin hiervon abweichend Bereitstellungsfristen von knapp 4 Monaten (Bestellung bis zum 09.11.2001) bzw. 5 Monaten (Bestellung bis zum 28.12.2001) vorgegeben.

Eine derartige Verkürzung der Bereitstellungszeit lasse sich nicht unter Hinweis auf die Verpflichtung zur Gewährung eines gleichwertigen (diskriminierungsfreien) Zugangs gemäß § 35 TKG a.F. wegen der im Zusammenschaltungsverfahren mit der Fa. D. zuvor unter dem 30.10.2001 verfügten Verkürzung der Bereitstellungsfristen rechtfertigen, da auch die letztgenannte Regelung rechtswidrig sei. Die Einführung der "Alsob-Tarifierung" stelle keine angemessene Abwägung der Interessen der Klägerin und der Beigeladenen dar. Die Klägerin sei in der Situation der Einführung von EBC, in der mit besonders vielen ICA-Bestellungen zu rechnen gewesen sei, nicht in der Lage gewesen, ICAs innerhalb kürzerer Bereitstellungsfristen zur Verfügung zu stellen.

Bedenken gegen die Angemessenheit der "Alsob-Tarifierung", die eine Regelung über pauschalierten Schadensersatz darstelle, ergäben sich auch aus § 309 Nr. 5 BGB, da die streitgegenständliche Regelung nicht die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens gebe und dazu führe, dass dem Zusammenschaltungs- partner mehr zufließe, als nach gewöhnlichem Lauf der Dinge zu erwarten sei.

Die angeordnete "Alsob-Tarifierung" sei des Weiteren deshalb zu beanstanden, weil es sich um die Anordnung von Entgelten handele, die nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG NRW im Rahmen einer Zusammenschaltungsanordnung nach § 37 Abs. 1 TKG a.F. unzulässig sei und ausschließlich im Entgeltgenehmigungsverfahren nach § 39 TKG i.V.m. § 25 Abs. 1 TKG erfolgen dürfe.

Ferner sei die getroffene Anordnung auch deshalb rechtswidrig, weil der "Alsob- Tarifierung" eine doppelte Rückwirkung zukomme. Zunächst beziehe sie sich rückwirkend auf Bestellungen, die bereits vor Stellung des Zusammenschaltungsantrages und erst Recht vor Erlass der Zusammenschaltungsanordnung getätigt worden seien. Darüber hinaus beziehe sie sich bezüglich der Tarifierung auf Zeiträume, die vor Antragstellung bzw. Erlass der Zusammenschaltungsanordnung lägen. Für eine derart zurückwirkende Anordnung bedürfe es einer besonderen Ermächtigungsgrundlage. Eine solche Regelung enthalte das TKG a.F. nicht. Auch eine Auslegung von § 37 Abs. 1 TKG a.F. ergebe keine derartige Ermächtigung. Schon aus dem grammatischen Verständnis des Be- griffs "Anordnung" folge, dass die Zusammenschaltungsanordnung ein in die Zukunft gerichtetes Instrument sei. Eine solche Auslegung sei auch nicht aus teleologischen Gründen geboten, da primärer Gegenstand der Anordnung die Sicherstellung eines Leistungsaustausches sei, der aus der Natur der Sache nicht rückwirkend erfolgen könne. Dieses Ergebnis werde auch durch § 9 Abs. 5 NZV bestätigt, wonach für die Zusammenschaltungsanordnung eine Umsetzungsfrist von 3 Monaten bestehe.

Schließlich stelle die streitgegenständliche Anordnung bezüglich der Bereitstellungsfristen einen teilweisen Widerruf der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 dar. In deren Tenor sei eindeutig geregelt, dass die in Buchstabe A, Ziffer 1.1 der Anlage E sowie Buchstabe A, Ziffer 3.7 von Anhang B geregelten Bereitstellungsfristen Bestandteil der Zusammenschaltungsanordnung seien. Von diesen Regelungen weiche die streitgegenständliche Anordnung ab. Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 49 VwVfG lägen jedoch nicht vor. Diese Vorschrift ermögliche grundsätzlich nur einen Widerruf mit Wirkung für die Zukunft. Eine Ausnahme enthalte lediglich § 49 Abs. 3 VwVfG für einmalige oder laufende Geldleistungen oder teilbare Sachleistungen zur Erfüllung bestimmter Zwecke, um die es vorliegend indes nicht gehe. Im Übrigen lägen auch keine Widerrufsgründe vor. Insbesondere die Vorausset- zungen des Widerrufsvorbehalts zur Anordnung vom 13.11.2001 seien nicht erfüllt. Schließlich fehle es auch an der Ausübung des Widerrufsermessens.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 19.06.2002 (00 00-00- 000/000.00.00) aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor:

Die streitgegenständliche Anordnung sei nicht zu beanstanden. Angesichts der im D. -Verfahren getroffenen Regelung sei sie zur Gewährung eines gleichwertigen, also diskriminierungsfreien Netzzuganges nach § 35 Abs. 2 S. 1 TKG a.F. geboten gewesen. Die Bereitstellung der ICAs innerhalb der vorgesehen Fristen sei der Klägerin auch möglich gewesen. Die Klägerin habe genügend Zeit gehabt, um sich auf die Einführung der neuen EBC-Struktur vorzubereiten. Bei der streitgegenständlichen "Alsob-Tarifierung" handele es sich auch nicht um eine nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG NRW im Zusammenschaltungsverfahren unzulässige Entgeltregelung, sondern um eine Schadensersatzregel für pflichtwidriges Verhalten i.S.d. Anlage lit. I zu § 5 Abs. 2 NZV, durch die die Beigeladene entsprechend den Grundsätzen der Naturalrestitution so gestellt werden solle, wie sie im Falle rechtzeitiger Bereitstellung gestanden hätte. Dass die "Alsob-Tarifierungsregel" nicht in einem gesonderten Entgeltverfahren zu ergehen habe, ergebe sich auch daraus, dass es sich nicht um ein von der Klägerin verlangtes Entgelt handele, welches der Regulierung bedürfe, wie die Kammer zutreffend im Verfahren 1 L 2574/01 entschieden habe.

Der in Rede stehenden Anordnung stehe auch nicht § 309 Nr. 5 BGB entgegen. Die Vorschrift gelte für AGB, die ein Verwender der anderen Vertragspartei stelle. Eine derartige Situation sei vorliegend nicht gegeben, da es um eine Anordnung der Regulierungsbehörde gehe. Im Übrigen wäre allenfalls die Klägerin als marktbeherr- schendes Unternehmen als "Verwender" anzusehen. Insofern wäre die Beigeladene und nicht die Klägerin als durch § 309 Nr. 5 BGB geschützt anzusehen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin liege auch kein teilweiser Widerruf der Anordnung vom 13.11.2001 vor. Regelungsgehalt des streitgegenständlichen Bescheides seien lediglich diejenigen Bereitstellungsfristen, die für Bestellungen aufgrund der Einführung der EBC-Struktur von der Beigeladenen getätigt worden seien. Reguläre Bestellungen und deren Bereitstellungsfristen, die im Bescheid vom 13.11.2001 geregelt seien, würden von dem streitgegenständlichen Bescheid hingegen nicht erfasst. Dieser stelle mithin lediglich eine Ergänzung zu dem bescheid vom 13.11.2001 dar. Für die Anwendung von § 49 VwVG sei daher kein Raum.

Auch soweit von dem streitgegenständlichen Bescheid Rückwirkung ausgehe, begegne diese keinen Bedenken. Der Einwand der Klägerin, für eine in die Vergangenheit zurückwirkende Zusammenschaltungsanordnung bestehe keine Rechtsgrundlage, greife nicht durch. Es könne dahinstehen, ob Zusammenschaltungsleistungen aus der Natur der Sache heraus nicht rückwirkend erfolgen könnten, da dies jedenfalls nicht für eine Regelung gelte, mit der pauschaler Schadensersatz für in der Vergangenheit begangene Pflichtverletzungen begründet werden solle.

Das Rückwirkungsverbot finde im Übrigen seine Grenze im Grundsatz des Vertrauensschutzes. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin sei vorliegend nicht erkennbar. Der Klägerin sei bekannt gewesen, dass die Regulierungsbehörde im Rahmen der Einführung der EBC-Struktur im D. -Bescheid eine "Alsob-Tarifierung" angeordnet habe und eine derartige Regelung unter dem Gesichtspunkt der Nichtdiskriminierung auch bei Zusammenschaltungen mit anderen Wettbewerbern für erforderlich gehalten habe.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt über das Vorbringen der Beklagten hinaus vor:

Die streitgegenständliche Anordnung stelle entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Teilwiderruf der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 hinsichtlich der Bereitstellungsfristen dar. Über die Bereitstellungsfristen in Anlage E und Anhang B zum Standardzusammenschaltungsvertrag habe nämlich zwischen den Beteiligten kein Dissens bestanden. Die Anordnung vom 13.11.2001 enthalte deshalb keine eigene materielle Regelung der Bereitstellungsfristen, die durch eine weitere Anordnung hätte widerrufen werden können.

Selbst bei Annahme einer widerrufsfähigen Erstregelung könne sich die Klägerin mangels Vertrauensschutzes nicht mit Erfolg auf § 49 VwVfG berufen. Sie habe die Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 nicht nur im Eilverfahren (1 L 2712/01), sondern auch mit einer Hauptsacheklage angefochten (1 K 9198/01) und hierbei die Auffassung vertreten, dass es sich um eine rechtswidrige Anordnung handele. Sie könne daher kein schützenswertes Vertrauen geltend machen (§ 50 VwVfG).

Schließlich sei die "Alsob-Tarifierung" auch nicht wegen unzulässiger Rückwirkung rechtswidrig. Insoweit seien die zur Rechtmäßigkeit rückwirkender Gesetze entwickelten Grundsätze entsprechend anwendbar, wonach gegen eine Rückwirkung keine Bedenken bestünden, wenn kein Vertrauen der Betroffenen in die Weitergeltung der zuvor bestehenden Rechtslage enttäuscht werde, weil die Betroffenen mit der neuen Regelung hätten rechnen müssen. Dies sei vorliegend für die Klägerin zu bejahen, da ihr aus der Entscheidung vom 30.10.2001 bekannt gewesen sei, dass die "Alsob-Tarifierung" unter dem Gesichtspunkt der Nichtdiskriminierung auch für die anderen Wettbewerber gelten müsse.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin verfügt entgegen der Auffassung der Beklagten insbesondere über das erforderliche Rechtsschutzinteresse, da sie mit ihrer vorliegenden Anfechtungs- klage ihre Rechtsstellung verbessern kann. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die angefochtene "Alsob-Tarifierung" im Verhältnis zwischen Klägerin und Beigeladener zur Anwendung gelangt. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 24.11.2004 - insoweit unwidersprochen - vorgetragen, dass sie die ersten ICAs erst im April oder Mai 2002, also nach Ablauf der in der streitgegenständlichen Anordnung verfügten ersten Frist (28.02.2002), bereitgestellt hat. Sollten die vor dem 09.11.2001 abgegebenen Bestellungen der Beigeladenen vom 31.08. bzw. 03.09.2001 ordnungsgemäß sein (worüber gegebenenfalls die Zivilgerichte zu entscheiden hätten), würde deshalb die "Alsob-Tarifierung" greifen.

Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid der Regulierungsbehörde vom 19.06.2002 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.

Die angefochtene "Alsob-Tarifierung" vom 19.06.2002 stellt einen Teilwiderruf der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 dar, für den als Rechtsgrundlage vorliegend nur § 49 Abs. 2 VwVfG in Betracht kommt. In Ziffer 2 des Tenors der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 sind die Bedingungen des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen verhandelten Zusammenschaltungsvertragsentwurfs der Klägerin einschließlich u.a. der Anlage E und des Anhangs B angeordnet worden. Anlage E - Qualität - enthält ihrerseits unter Ziffer 1.1 Regelungen über von der Klägerin einzuhaltende Bereitstellungsfristen für ICAs von 12, 6 und 3 Monaten. Diese Bereitstellungsfristen sind daher Inhalt der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001 geworden. Der von der Beigeladenen geltend gemachte Umstand, dass die Bereitstellungsfristen zwischen den Beteiligten nicht umstritten waren, ändert hieran nichts. Da die Beteiligten wegen Dissenses in anderen Punkten gerade keine Zusammenschaltungsvereinbarung getroffen hatten, hätte es ohne die Anordnung der Regulierungsbehörde an einer verbindlichen Regelung hinsichtlich der Bereitstellungsfristen gefehlt. Die Verfügung von Bereitstellungsfristen war daher notwendiger Inhalt der Zusammenschaltungsanordnung vom 13.11.2001.

Die Kammer geht davon aus, dass die in der Anordnung vom 13.11.2001 verfügten Bereitstellungsfristen auch Gültigkeit für die Bereitstellung von ICAs im Rahmen der Einführung der EBC-Struktur hatten. Die Zusammenschaltungsanordnung ist zeitlich nach Erlass der Entgeltgenehmigungsentscheidung der Regulierungsbehörde vom 12.10.2001 ergangen, mit der die EBC-Tarifstruktur eingeführt worden ist. Wenn die Regulierungsbehörde, anders als im D. -Verfahren (Bescheid vom 30.10.2001), mangels entsprechenden Antrages der Beigeladenen auf eine "Alsob-Tarifierung" bzw. abgekürzte Fristen zur Bereitstellung von ICAs verzichtet hat, kann dies nur so verstanden werden, dass - wenigstens - die in Anlage E des Zusammenschaltungsvertragsentwurfs aufgeführten Bereitstellungsfristen anzuwenden waren, da ansonsten überhaupt keine verbindlichen Bereitstellungsfristen für die ICAs-Bereitstellung im Zusammenhang mit der Einführung der EBC-Struktur gegolten hätten. Die Regulierungsbehörde hatte näm- lich die zuvor im D. -Verfahren angeordnete "Alsob-Tarifierung" nicht gemäß § 9 Abs. 6 S. 2 i.V.m. § 6 Abs. 5 S. 1 NZV zum Grundangebot erklärt, so dass die Klägerin nicht gemäß § 6 Abs. 5 S. 2 NZV zur Aufnahme einer derartigen Bestimmung in ihre AGB verpflichtet war.

Enthielt die Anordnung vom 13.11.2001 nach allem eine Regelung über die Bereitstellungsfristen auch für ICAs zur Einführung der EBC-Struktur, stellt die streitgegenständliche Anordnung einen Teilwiderruf dieser Regelung dar, da die Klägerin im Bescheid vom 19.06.2002 - wie von der Klägerin in der Klagebegründung zutreffend ausgeführt - insoweit zur Einhaltung erheblich kürzerer Bereitstellungsfristen verpflichtet worden ist (3 bzw. 5 statt 6 Monate). Da die Regelung der Bereitstellungsfristen in der Anordnung vom 13.11.2001 der Klägerin günstiger ist, als die insoweit in der streitgegenständlichen Anordnung getroffene Regelung, war ein Widerruf nur unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 2 VwVfG möglich.

Dessen Voraussetzungen liegen jedoch erkennbar nicht vor:

Zunächst ist ein Widerrufsgrund (Nrn. 1 bis 4) nicht erkennbar. Außerdem ermöglicht § 49 Abs. 2 VwVfG lediglich einen Widerruf mit Wirkung für Zukunft (die abweichende Regelung in § 49 Abs. 3 VwVfG ist hier ersichtlich nicht einschlägig). Die Regulierungsbehörde hat im angefochtenen Bescheid hingegen eine Regelung mit Wirkung für einen zurückliegenden Zeitraum verfügt. Im Übrigen fehlt es auch an der für einen Widerruf notwendigen Ermessensausübung, da die Regulierungsbehörde § 49 VwVfG überhaupt nicht in Erwägung gezogen hat.

Im Übrigen wäre der angefochtene Bescheid auch bei Nichtanwendung der Widerrufsvorschriften rechtswidrig. § 37 TKG a.F. ermächtigt die Regulierungsbehörde nicht zum Erlass der streitgegenständlichen "Alsob- Tarifierung".

Keinen Bedenken unterliegt die Regelung allerdings deshalb, weil sie Entgeltcharakter hat - es wird die Abrechnung von Verbindungsleistungen nach Tarifstufe 1 der EBC-Tarifstruktur angeordnet -, für die nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG NRW wegen des in § 39 TKG a.F. vorgesehenen gesonderten Entgeltgenehmigungsverfahrens im Grundsatz im Rahmen einer Zusammenschaltungsanordnung kein Raum ist. Die Kammer hat zu der gleichlautenden Regelung im bereits genannten Bescheid der Regulierungsbehörde von 30.10.2001 betreffend das Zusammenschaltungsverhältnis der Klägerin und der Fa. D. in ihrem Beschluss vom 24.01.2002 im Verfahren 1 L 2574/01 hierzu folgendes ausgeführt:

"Es spricht weiterhin vieles dafür, dass auch Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides nicht zu beanstanden ist. Danach wird der Antragstellerin, soweit sie die bis zum 09.11.01 bzw. 31.12.01 bestellten ICAs für neue Zusammenschaltungsstandorte, für die die Antragstellerin den Aufbau des Netzüberganges bis zum 31.12.01 bzw. 28.02.02 (die Nennung des Datums 28.02.01 ist ersichtlich ein Schreibfehler) realisiert oder die Realisierung geplant hat, nicht bis zum 28.02.02 bzw. 31.05.02 bereitgestellt hat, aufgegeben, auf Verlangen der Beigeladenen den Verkehr in und aus dem LEZB des betroffenen Zusammenschaltungsstandortes ab dem folgenden Monat nach Tarifstufe 1 abzurechnen.

Die Antragstellerin hält diese "Alsob-Tarifierung" für eine Entgeltfestsetzung, die nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG NRW im Zusammenschaltungsverfahren nicht zulässig sei. Diese Einschätzung vermag die Kammer indes nicht zu teilen. Zwar folgt sie der Antragstellerin insoweit, als diese Regelung die Abrech- nung von Leistungen betrifft und daher Entgeltcharakter haben dürfte. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die genannte Anordnung nur im Rahmen eines vom Zusammenschaltungsverfahren unabhängigen, gesondert durchzuführenden Entgeltgenehmigungsverfahren nach §§ 39, 24, 25 Abs. 1 und 3, 27, 28, 29, 30 Abs. 1 und 3 bis 6 und 31 TKG ergehen dürfte. Dies steht nicht im Widerspruch zur Spruchpraxis der Kammer und des OVG NRW.

Vgl. insoweit: Urteil der Kammer vom 30.08.2001 - 1 K8253/00 - und Beschluss des OVG NRW vom 03.05.2001 - 13 B 69/01 -.

Für die Durchführung eines Entgeltgenehmigungsverfahrens nach den o.g. Vorschriften ist nämlich bereits deshalb kein Raum, weil es bei der "Alsob-Tarifierung" um ein von der Regulierungsbehörde selbst pauschal festgesetztes Entgelt mit Vertragsstrafencharakter und nicht um ein von der Antragstellerin verlangtes Entgelt geht, das im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem in § 24 Abs. 1 TKG aufgestellten Grundsatz der effizienten Leistungsbereitstellung oder den in § 24 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 TKG genannten Vorgaben einer weiteren Überprüfung bedürfte. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die genannte Regelung gegen zwingende rechtliche Vorgaben verstoßen würde. Sie dient einer beschleunigten Umsetzung der Zusammenschaltung des Telekommunikationsnetzes der Antragstellerin mit dem der Beigeladenen und steht deshalb mit dieser in dem nach den obigen Vorgaben erforderlichen engen Zusammenhang. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Anordnung Abwägungsmängel enthalten oder sich im Ergebnis als schlechthin unvertretbar erweisen würde."

Hieran hält die Kammer weiter fest.

Die streitgegenständliche Anordnung ist jedoch deshalb rechtswidrig, weil sie in unzulässiger Weise zurückwirkt. Für die Frage, ob eine Zusammenschaltungsanordnung Rückwirkung entfalten darf, ist nicht - wie Beklagte und Beigeladene meinen - auf die Grundsätze zur Zulässigkeit der Rückwirkung von Gesetzen, sondern darauf abzustellen, ob § 37 TKG a.F. als Ermächtigungsgrundlage den Erlass rückwirkender Regelungen gestattet. Die Kammer geht aus den von der Klägerin aufgezeigten Gründen (dem Zusammen- schaltungsbegriff, dem Bestehen einer Umsetzungsfrist für eine Zusammenschaltung gemäß § 9 Abs. 5 NZV) davon aus, dass Zusammenschaltungsanordnungen nach § 37 TKG a.F. zukunftsgerichtet sind und deshalb keine Regelungen über in der Vergangenheit liegende, vollständig abgeschlossene Sachverhalte enthalten dürfen. Eine derartige Regelung enthält die angegriffene "Alsob-Tarifierung" aber, da der Beigeladenen unter dem 19.06.2002 für den Fall, dass die Klägerin bis zum 09.11. bzw. 31.12.2001 bestellte ICAs nicht bis zum 28.02.2002 bzw. 31.05.2002 bereitgestellt hat, das Recht zur Abrechnung des Verkehrs in und aus dem LEZB nach Tarifstufe 1 eingeräumt wird.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Regelung nach der oben zitierten Rechtsprechung der Kammer Vertragsstrafencharakter hat. Eine Vertragsstrafenregelung hat zumindest auch die Funktion, den Vertragspartner zu vertragsgemäßem Verhalten anzuhalten. Diese Funktion konnte die "Alsob- Tarifierung" zum Zeitpunkt ihres Erlasses am 19.06.2002 nicht mehr erfüllen, da die Klägerin auf die Einhaltung der Bereitstellungsfristen rückwirkend keinen Einfluss mehr nehmen kann und ihr insoweit letztlich Unmögliches abverlangt wird. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Regulierungsbehörde eine gleichlautende Regelung gegenüber der Klägerin bereits mit Bescheid vom 30.10.2001 im D. -Zusammenschaltungsverfahren verfügt hatte, da diese Regelung unmittelbar nur im Rahmen des durch die Anordnung begründeten Vertragsverhältnisses mit der Fa. D. galt. Soweit die Regulierungsbehörde eine Verpflichtung der Klägerin zur Anwendung der "Alsob-Tarifierung" aus dem D. - Verfahren auch im Zusammenschaltungsverhältnis mit der Beigeladenen aus der Verpflichtung zur Gewährung eines gleichwertigen Netzzuganges nach § 35 TKG a.F. herleiten will, überzeugt dies nicht. Durch die Zusammenschaltungsanordnung wird ein Vertragsverhältnis (nur) zwischen den Zusammenschaltungspartnern begründet, dessen Inhalt auch vom Stand der bereits getroffenen Vereinbarungen der Zusammenschaltungspartner abhängt und deshalb nicht stets gleich ausgestaltet sein muss. Die Betrachtungsweise der Regulierungsbehörde hätte hingegen zur Folge, dass die Regulierungsbehörde letztlich nur eine einzige Zusammenschaltung zwischen der Klägerin und einem ICP anzuordnen brauchte, um hieraus resultierende Zusammenschaltungsverpflichtungen der Klägerin auch im Verhältnis zu sämtlichen anderen Wettbewerbern zu begründen. Dass dies nicht der Ziel- richtung des § 37 TKG a.F. entspricht, der bei einem Scheitern von Vertragsverhand- lungen mit einem ICP von der Notwendigkeit des Erlasses einer Zusammenschaltungsanordnung ausgeht, liegt auf der Hand. Dies wird auch durch die bereits oben genannten Bestimmungen des § 9 Abs. 6 S. 2 i.V.m. § 6 Abs. 5 S. 1 und 2 NZV bestätigt, die eine Verpflichtung des Betreibers nach § 35 Abs. 1 TKG a.F., eine Zusammenschaltungsbedingung in seine AGB aufzunehmen, davon abhängig machen, dass diese zuvor von der Regulierungsbehörde zum Grundangebot erklärt worden ist. Dieser Vorschriften bedürfte es nicht, wenn eine entsprechende Gleichbehandlungsverpflichtung bereits über § 35 Abs. 1 TKG a.F. aus einer Zusammenschaltungsanordnung mit einem anderen Wettbewerber hergeleitet werden könnte.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu Lasten der Beklagten für erstattungsfähig zu erklären, weil diese im Gerichtsverfahren auf Seiten der Beklagten gestanden hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. mit § 709 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen, § 135 VwGO i.V. mit § 137 Abs. 3 Satz 1, § 150 Abs. 13 TKG in der Fassung vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190 - TKG 2004 -.






VG Köln:
Urteil v. 29.09.2005
Az: 1 K 5870/02


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/731258e341f1/VG-Koeln_Urteil_vom_29-September-2005_Az_1-K-5870-02




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