Bundespatentgericht:
Urteil vom 14. November 2006
Aktenzeichen: 4 Ni 22/05

(BPatG: Urteil v. 14.11.2006, Az.: 4 Ni 22/05)

Tenor

1. Das deutsche Patent 196 07 340 wird für nichtig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 196 07 340 (Streitpatent), das am 27. Februar 1996 unter Inanspruchnahme der Priorität der niederländischen Patentanmeldung NL 1002413 vom 21. Februar 1996 angemeldet worden ist. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, wie er bei der Verwendung von Kunstdärmen bei der Wurstproduktion Anwendung findet. Das Streitpatent umfasst 10 Ansprüche, die insgesamt angegriffen sind. Die Ansprüche 1 und 4 lauten ohne Bezugszeichen wie folgt:

1. Verfahren zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, bei dem ein aus Kunststoffmaterial bestehender Folienschlauch in aufgeblasenem Zustand durch die Krümmungsvorrichtung geführt und dort einer solchen Wärmebehandlung unterworfen wird, dass der Folienschlauch die Krümmungsvorrichtung in Form eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches verlässt, dadurch gekennzeichnet, dass der Folienschlauch in der Krümmungsvorrichtung über die Umfangsseite einer erwärmten rotierenden Scheibe geführt wird, deren Durchmesser an den für die Wendel des gekrümmten Folienschlauches gewünschten Durchmesser angepasst ist, wobei die Scheibe an der Umfangsseite mit einer dem Durchmesser des Folienschlauches angepassten Umfangsnut versehen ist und der Folienschlauch in der radialen Richtung der Scheibe an der Außenseite erwärmt und anschließend in seinem gekrümmten Zustand abgekühlt wird.

4. Vorrichtung zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, die eine Krümmungsvorrichtung zum Krümmen eines durch die Krümmungsvorrichtung geführten Folienschlauches, Zufuhrmittel zum Zuführen eines Folienschlauches in einem aufgeblasenem Zustand an die Krümmungsvorrichtung und Abfuhrmittel zum Abführen eines aus der Krümmungsvorrichtung herauskommenden und in Form einer Wendel schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Krümmungsvorrichtung eine drehbare Scheibe aufweist, die an der Umfangsseite mit einer Umfangsnut versehen ist, durch die ein zu krümmender Folienschlauch hindurchgeführt werden kann, sowie erste Heizmittel zum Erwärmen der Scheibe, zweite Heizmittel, die auf die Scheibe ausgerichtet sind und den über die Scheibe geführten Folienschlauch in radialer Richtung der Scheibe außenseitig erwärmen, und Kühlmittel zum Abkühlen des gekrümmten Folienschlauches.

Wegen der weiteren angegriffenen und auf Anspruch 1 oder Anspruch 4 zurückbezogenen Patentansprüche 2, 3 und 5 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift DE 196 07 340 C2 Bezug genommen.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei wegen offenkundiger Vorbenutzung und mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Darüber hinaus sei der Nichtigkeitsgrund der widerrechtlichen Entnahme gegeben, da die dem Streitpatent zugrundeliegende Anmeldung nicht durch den materiell Berechtigten erfolgt sei. Hierzu bietet sie Zeugenbeweis an und beruft sich im Übrigen für die fehlende Patentfähigkeit auf folgende Druckschriften:

L3 DE 90 15 311 U1 L24 DE 16 92 091 A L25 DE 23 08 065 A1 L26 DE 23 22 220 B L27 WO 95/21052 A1 L27a DE 695 23 897 T2 L28 DE 29 30 786 A1 Die Klägerin beantragt, das deutsche Patent 196 07 340 für nichtig zu erklären, hilfsweise das deutsche Patent 196 07 340 im Umfang der Ansprüche 1 bis 7 sowie 9 und 10 für nichtig zu klären, soweit die letztgenannten nicht auf Anspruch 8 rückbezogen sind.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise verteidigt sie das Patent mit den Ansprüchen 1 bis 3 und 5 bis 10 in der erteilten Fassung und Anspruch 4 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung (Hilfsantrag 1), weiter hilfsweise mit den Ansprüchen 4 bis 10 in der erteilten Fassung (Hilfsantrag 2) undweiter hilfsweise mit dem Anspruch 4 in der in der mündlichen Verhandlung überreichten Fassung und den Ansprüchen 5 bis 10 in der erteilten Fassung (Hilfsantrag 3).

Patentanspruch 4 in der geänderten Fassung lautet wie folgt (ohne Bezugszeichen):

Vorrichtung zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, die eine Krümmungsvorrichtung zum Krümmen eines durch die Krümmungsvorrichtung geführten Folienschlauches, Zufuhrmittel zum Zuführen eines Folienschlauches in einem aufgeblasenem Zustand an die Krümmungsvorrichtung und Abfuhrmittel zum Abführen eines aus der Krümmungsvorrichtung herauskommenden und in Form einer Wendel schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Krümmungsvorrichtung (2) eine drehbare Scheibe (22) aufweist, die an der Umfangsseite, deren Durchmesser an den für die Wendel des gekrümmten Folienschlauches gewünschten Durchmessers angepaßt ist, mit einer dem Durchmesser des Folienschlauches angepaßten Umfangsnut (24) versehen ist, durch die ein zu krümmender Folienschlauch (4) hindurchgeführt werden kann, sowie erste Heizmittel (30) zum Erwärmen der Scheibe (22), zweite Heizmittel (34, 36), die auf die Scheibe (22) ausgerichtet sind und den über die Scheibe geführten Folienschlauch (4) in radialer Richtung der Scheibe (22) außenseitig erwärmen, und Kühlmittel (38, 40) zum Abkühlen des gekrümmten Folienschlauches (10).

Sie ist der Auffassung, die Klage sei wegen eines von der Klägerin betriebenen Einspruchsverfahrens und wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben unzulässig. Außerdem sei die Klage unzulässig, soweit sie auf widerrechtliche Entnahme gestützt werde, da die Frist des § 8 S. 3 PatG nicht eingehalten worden sei. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Hierzu bietet sie Zeugenbeweis an und legt eine Reihe schriftlicher Dokumente vor.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig. Ein anhängiges Einspruchsverfahren steht der Erhebung der Klage nicht (mehr) entgegen (§ 81 Abs. 2 PatG). Der einzige gegen das Patent gerichtete, allein auf widerrechtliche Entnahme gestützte Einspruch der Nichtigkeitsklägerin wurde am 23. April 2005 zurückgenommen. Das Einspruchsverfahren wurde gemäß § 61 Abs. 1 PatG fortgesetzt und durch rechtskräftig gewordenen Beschluss vom 20. April 2005 beendet. Die Nichtanhängigkeit eines Einspruchsverfahrens ist für eine Nichtigkeitsklage eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die erst zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorzuliegen braucht. Damit ist dem Zweck der Vorschrift des § 81 Abs. 2 PatG Genüge getan, indem sichergestellt ist, dass keine sich widersprechenden Entscheidungen in Ansehung desselben Patents getroffen werden können.

Die Klage ist auch nicht insoweit unzulässig, als sie auf den Nichtigkeitsgrund der widerrechtlichen Entnahme gemäß §§ 22 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG gestützt ist. Dass die Klägerin wegen Fristablaufs keine Möglichkeit mehr hat, vom Beklagten die Übertragung des Patents zu verlangen (§ 8 S. 2,3 PatG), steht der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage nicht entgegen. Diese Vorschrift enthält keinen Ausschluss der Nichtigkeitsklage. Diese ist vielmehr für die Klägerin ein letztes Mittel, ein widerrechtlich entnommenes Patent jedenfalls für nichtig erklären zu lassen, wenn sie es versäumt hat, sich rechtzeitig das Recht übertragen zu lassen (vgl. BGH GRUR 2005,567f - Schweißbrennerreinigung).

Schließlich sind keine Umstände dargetan, welche die Zulässigkeit der Klage wegen Rechtsmissbrauchs erhoben, in Frage stellen könnten.

II.

Die Klage, mit der der in § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist begründet, da die Gegenstände der von der Beklagten verteidigten Patentansprüche gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 des Streitpatents nicht patentfähig sind.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial. Nach der Patentbeschreibung wird bei der Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches der Folienschlauch in einer Krümmungsvorrichtung durch ein ringförmiges Heizorgan geführt, in welchem er an einer Seite stärker als an der gegenüberliegenden Seite erwärmt wird. Anschließend wird der Folienschlauch entlang einer Ablenkeinrichtung bewegt, an der die am stärksten erwärmte Seite des Folienschlauches schrumpfen kann. Dadurch wird ein schraubenlinienartig gekrümmter Folienschlauch erzeugt. Als Krümmungsvorrichtungen werden im Stand der Technik meist Walzen beschrieben, die mit entsprechenden Leitelementen zum Führen des Folienschlauches versehen sind. Auf diesen Walzen wird der mit einem gasförmigen Medium gefüllte Folienschlauch entweder einseitig oder beidseitig, d. h. von der Walze und an der Außenseite erwärmt und dann abgekühlt. Da mit dieser Vorgehensweise keine faltenfreie bzw faltenarme mit bleibender Krümmung versehene Folienschläuche herstellbar waren, wird beim Streitgegenstand ein aus thermoplastischem Kunststoffmaterial bestehender Folienschlauch über eine erwärmte rotierenden Scheibe geführt, die an der Umfangseite zum Führen des Folienschlauches eine Umfangsnut aufweist. Zusätzlich erfolgt eine Erwärmung des Folienschlauches in radialer Richtung an der Außenseite des Folienschlauches.

Das wesentliche des Streitgegenstandes ist, dass die Temperatur der Blasluft, die Temperatur der Scheibe und die Zugspannung, die auf den Folienschlauch wirkt, so eingestellt werden, dass der Folienschlauch an seiner Außenseite gedehnt wird und an seiner der Scheibe anliegenden Seite schrumpft oder aber auf der Seite der Scheibe mehr schrumpft als an der Außenseite, wenn der Folienschlauch mittels einer Blasdüse Kühlluft gegen seine Außenseite geblasen wird und damit abgekühlt wird.

2. Vor diesem Hintergrund war es Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial bereitzustellen, mit welchem eine bleibende Krümmung des Folienschlauches verbessert werden kann (Spalte 2, Zeilen 6 bis 11 der Streitpatentschrift).

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt der Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (Hauptantrag) ein Verfahren zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial mit folgenden Merkmalen vor:

1. Verfahren zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, bei dem 1.1 ein Folienschlauch in aufgeblasenem Zustand durch eine Krümmungsvorrichtung geführt wird;

1.1.1 in der Krümmungsvorrichtung wird der Folienschlauch über die Umfangsseite einer gekrümmten Oberfläche geführt, 1.2 die gekrümmte Oberfläche ist Teil einer Scheibe;

1.2.1 die Scheibe ist erwärmt, 1.2.2 der Durchmesser der Scheibe ist an den für die Wendel des gekrümmten Folienschlauches gewünschten Durchmesser angepasst, 1.2.3 die Scheibe ist an der Umfangsseite mit einer dem Durchmesser des Folienschlauches angepassten Umfangsnut versehen;

1.3 in der Krümmungsvorrichtung wird der Folienschlauch einer Wärmebehandlung unterworfen und zwar 1.3.1 in der radialen Richtung der Scheibe an der Außenseite des Folienschlauches und 1.4 anschließend in seinem gekrümmten Zustand abgekühlt.

Beim Patentanspruch 4 in der verteidigten Fassung gemäß Haupt- und Hilfsantrag 2 wird vorgeschlagen:

2. Vorrichtung zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, mit 2.1 Zuführmittel zum Zuführen eines Folienschlauches an eine Krümmungsvorrichtung wobei 2.1.1 der Folienschlauch in einem aufgeblasenen Zustand zugeführt wird, 2.2 Abführmittel zum Abführen eines aus der Krümmungsvorrichtung herauskommenden Folienschlauches, wobei 2.2.1 der Folienschlauch in Form einer Wendel schraubenlinienartig gekrümmt ist;

2.3 die Krümmungsvorrichtung dient dem Krümmen eines durch die Krümmungsvorrichtung geführten Folienschlauches;

2.3.1 die Krümmungsvorrichtung weist eine drehbare Scheibe auf, die 2.3.1.1 an der Umfangsseite mit einer Umfangsnut versehen ist und in der der zu krümmende Folienschlauch geführt ist, 2.3.2 erste Heizmittel zum Erwärmen der Scheibe 2.3.3 zweite Heizmittel, die auf die Scheibe ausgerichtet sind und die 2.3.3.1 den über die Scheibe geführten Folienschlauch in radialer Richtung der Scheibe außenseitig erwärmen;

2.3.4 mit Kühlmitteln zum Abkühlen des gekrümmten Folienschlauches.

4. Die verteidigten Patentansprüche 1 bis 10 nach Hauptantrag bzw. die verteidigten Patentansprüche 4 bis 10 nach Hilfsantrag 2 sind zulässig. Der erteilte Patentanspruch 1 entspricht im Wesentlichen dem ursprünglichen Patentanspruch 1 (mit kleinen redaktionellen Änderungen). Gleiches gilt für die erteilten Patentansprüche 2 bis 10.

Beim Patentanspruch 4 gemäß Hilfsantrag 1 bzw. 3 ist eingefügt worden (siehe oben):

- deren Durchmesser an den für die Wendel des gekrümmten Folienschlauches gewünschten Durchmessers angepasst ist,

- dem Durchmesser des Folienschlauches angepassten.

Diese Einfügungen dienen lediglich der Präzisierung des auf eine Vorrichtung gerichteten Patentanspruchs 4. Diese Merkmale sind im Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung bereits enthalten. Der Patentanspruch 4 gemäß Hilfsantrag 1I bzw. 3 ist daher ebenfalls zulässig.

5. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag mag wohl neu und gewerblich anwendbar sein, jedoch beruht er nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Beim Patentgegenstand wird ein thermoplastischer Folienschlauch, der in einem aufgeblasenen Zustand auf einer Haspel aufgewickelt ist, von dieser abgezogen und einer Krümmungsvorrichtung zugeführt. Diese Krümmungsvorrichtung weist eine drehbare, erwärmte Scheibe auf, an deren Umfang eine Nut eingebracht ist. In dieser Nut wird der zu krümmende Folienschlauch hindurchgeführt. Der Durchmesser der Scheibe ist an den Durchmesser der Wendel des schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches angepasst und die Umfangsnut ist dem Durchmesser des aufgeblasenen Folienschlauches angepasst. Ferner wird der Folienschlauch in der Krümmungsvorrichtung an der Außenseite erwärmt und anschließend abgekühlt.

Für diese Maßnahmen erhält der Fachmann, ein Dipl.-Ing. (FH) der Kunststofftechnologie, mit mehrjähriger Konstruktionserfahrung, aus dem Stand der Technik ausreichend Anregungen.

In der DE 90 15 311 U1 (L3) ist eine Vorrichtung beschrieben, bei der ein aus thermoplastischem Kunststoff bestehender Folienschlauch auf einer Vorratsrolle als Zuführmittel in aufgeblasenem Zustand aufgewickelt ist (Seite 2, letzter Absatz). Der runde aufgeblasene Schlauch durchläuft die in der einzigen Figur dargestellte Krümmungsvorrichtung, aus der er dann schraubenlinienförmig gewendelt herauskommt (Seite 3, siebte Zeile von unten). Diese Wendelung beruht darauf, dass die gestreckte Wursthülle (Folienschlauch aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, Seite 1 zweiter Absatz) an einer Seite erhitzt wird (Seite 1, letzte Zeile). Nachdem der Folienschlauch die Krümmungsvorrichtung verlassen hat, wird er auf einer Hülse aufgewickelt. Daraus ist ableitbar, dass der Folienschlauch bereits soweit abgekühlt ist, dass er den bei einer Aufwickelung immer vorliegenden Zugkräften standhält.

Wie man der einzigen Figur entnehmen kann, wird der Schlauch nicht, wie die Beklagte behauptet, wendelförmig auf eine Walze aufgewickelt, denn es ist durch die gezeichnete Linienführung zweifelfrei erkennbar, dass die Wandung des Folienschlauches entlang einer gekrümmten Oberfläche geführt ist. Bei einer wendelförmigen Führung entlang einer Walze hätten die Zeichnung verdeckte Linien aufweisen müssen, wie es z. B. eindeutig in Figur 1b der WO 95/2105 A1 (L 27, 27a) gezeigt ist. Da somit eindeutig der Schlauch nicht mehrfach gewickelt über eine Walze geführt ist, muss der in der Figur gezeigte zylinderförmige Gegenstand eine Scheibe sein. Unterhalb dieser Scheibe ist eine nicht näher bezeichnete Spirale gezeichnet. Unter Berücksichtigung der Ausführungen auf Seite 1, letzte Zeile der L 3, dass der gestreckte Folienschlauch an einer Seite erhitzt wird und darauf auch die Krümmung des Folienschlauches beruht, kann diese Spirale nur eine Vorrichtung zum Erwärmen der Scheibe sein, denn weitere Mittel zum Erwärmen des Folienschlauches sind nicht dargestellt. Somit ist auch bei der bekannten Vorrichtung die Scheibe erwärmt. Infolgedessen dass die Scheibe einseitig erwärmt wird und auch dass der Folienschlauch über die Scheibe verläuft, muss, da sonst die Scheibe einen Temperaturgradienten aufweisen würde und der Folienschlauch beim Hinwegbewegen über die Umfangsfläche der Scheibe einer Reibung und damit einer Verstreckung ausgesetzt wäre, die in der Figur gezeigte Scheibe sich drehen. Ferner ist der Figur, gezeigt durch die beim dargestellten Folienschlauch gezeichnete Linienführung, zu entnehmen, dass der Folienschlauch durch die die Scheibe begrenzenden Wände in einer nutartigen Vertiefung geführt wird.

Der DE 90 15 311 U1 (L3) ist nicht zu entnehmen:

- der Durchmesser der Scheibe ist an den für die Wendel des gekrümmten Folienschlauches gewünschten Durchmessers angepasst (Merkmal 1.2.2),

- die Scheibe ist an der Umfangsseite mit einer dem Durchmesser des Folienschlauches angepassten Umfangsnut versehen (Merkmal 1.2.3),

- in der Krümmungsvorrichtung wird der Folienschlauch einer Wärmebehandlung unterworfen und zwar in der radialen Richtung der Scheibe an der Außenseite des Folienschlauches (Merkmal 1.3, 1.3.1).

Das Merkmal 1.2.2, nämlich die Anpassung des Durchmessers der Scheibe an den gewünschten Durchmesser der Wendel stellt eine reine Wirkungsangabe dar. Eine Wirkung die sich wunschgemäß zwangsweise einstellen muss, da je nach Durchmesser der Krümmungsvorrichtung sich eine entsprechende Erwärmung bzw ein Spannungsverlauf einstellt. Für die Betrachtung der Patentfähigkeit des Verfahrens nach dem Streitpatent ist dieses Merkmal daher unerheblich.

Bei der bekannten Krümmungsvorrichtung weist die Scheibe keine Umfangsnut auf. Der Folienschlauch wird jedoch in einer nutartigen Vertiefung über die Scheibe geführt. Somit erfüllt die einer Nut entsprechende Vertiefung identisch den beim Streitgegenstand vorliegenden Anwendungsfall, nämlich den Folienschlauch durch die Krümmungsvorrichtung zu leiten und dabei zu führen. Damit müssen aber zwangsweise die Abmessungen der Vertiefung dem Durchmesser des Folienschlauches angepasst sein, da sonst keine zuverlässige und eindeutige Führung des Folienschlauches gegeben ist.

In der WO 95/21052 A1 (L27) bzw. der nachveröffentlichten deutschen Übersetzung der EP 0 744 273 B1 (DE 695 23 897 T2 (L27a)) ist ein Verfahren zur Herstellung eines Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial (S. 12, Z. 23) beschrieben, bei dem ein Folienschlauch in aufgeblasenem Zustand durch eine Krümmungsvorrichtung geführt wird, wobei der Folienschlauch über die Umfangsseite der rotierenden Krümmungsvorrichtung geführt wird. In dieser Krümmungsvorrichtung wird der Folienschlauch einer Wärmebehandlung unterworfen. Die Erwärmung der Krümmungsvorrichtung erfolgt über Heißgas, das durch in die Oberfläche der Walze eingebrachte Löcher die an der Walze anliegende Umfangsseite des Folienschlauches erwärmt. Zusätzlich wird der Folienschlauch noch durch ein weiteres Gebläse von außen her erwärmt (Hilfsheizvorrichtung, Seite 8, fünfletzte Zeile, PA 4). Nach der Wärmebehandlung werden die inneren und zwangsweise durch die Umgebungsluft die äußeren Umfangsbereiche des Folienschlauches gekühlt (Seite 9, oben).

Wenn nun der Fachmann vor der Problematik steht, ein Verfahren bereitzustellen, bei dem die bleibende Krümmung des Folienschlauches verbessert werden kann, erhält er aus der WO 95/21052 A1 (L27, L27a) den entscheidenden Hinweis, denn dort wird angegeben, welche Maßnahmen der Fachmann ergreifen muss, um einen Folienschlauch herzustellen, der wie beim Streitgegenstand in Bezug auf Formbeständigkeit, Krümmungsfähigkeit, äußeres Erscheinungsbild und Produktivität sich hervorragend verhält (Seite 3, letzter Absatz der L27a), durch die beidseitige Erwärmung des Folienschlauches mit entsprechender Führung durch die erwärmte Krümmungsvorrichtung.

6. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 4 nach Haupt- und Hilfsantrag 2 beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

In der DE 90 15 311 U1 ist eine Vorrichtung beschrieben, die folgende Merkmale aufweist:

2. Vorrichtung zur Herstellung eines schraubenlinienartig gekrümmten Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial, mit 2.1 Zuführmittel zum Zuführen eines Folienschlauches an eine Krümmungsvorrichtung, wobei 2.1.1 der Folienschlauch in einem aufgeblasenen Zustand zugeführt wird, 2.2 Abführmittel zum Abführen eines aus der Krümmungsvorrichtung herauskommenden Folienschlauches, wobei 2.2.1 der Folienschlauch in Form einer Wendel schraubenlinienartig gekrümmt ist;

2.3 die Krümmungsvorrichtung dient dem Krümmen eines durch die Krümmungsvorrichtung geführten Folienschlauches;

2.3.1 die Krümmungsvorrichtung weist eine drehbare Scheibe auf, 2.3.2 es sind Heizmittel zum Erwärmen der Scheibe vorgesehen und 2.3.4 mit Kühlmitteln zum Abkühlen des gekrümmten Folienschlauches.

Hinsichtlich des Nachweises der einzelnen Merkmale wird auf die Ausführungen zum Patentanspruch 1 verwiesen.

Bei der bekannten Vorrichtung sind die Merkmale 2.3.1.1 an der Umfangsseite ist die Scheibe mit einer Umfangsnut versehen ist und in der der zu krümmende Folienschlauch geführt ist, 2.3.3 in der Krümmungsvorrichtung sind zweite Heizmittel angeordnet, die auf die Scheibe ausgerichtet sind und die 2.3.3.1 den über die Scheibe geführten Folienschlauch in radialer Richtung der Scheibe außenseitig erwärmen;

nicht vorhanden.

In der DE 23 08 065 A (L25) wird ein Verfahren bzw. eine Vorrichtung zur Herstellung eines Folienschlauches aus thermoplastischem Kunststoffmaterial (Seite 2, zweiter Absatz) beschrieben, bei dem bzw der ein Folienschlauch in aufgeblasenem Zustand in einer Krümmungsvorrichtung schraubenlinienartig gekrümmt wird (Merkmal 2.1.1; 2.2.1). Die Krümmungseinrichtung (gekrümmte Form, insbesondere Walze, Seite 3, fünfte Zeile) weist eine kehlige Vertiefung auf. In dieser Krümmungsvorrichtung wird der Folienschlauch einer Wärmebehandlung unterzogen und zwar indem die Form erwärmt und zusätzlich die Außenseite des Folienschlauches mittels warmer Luft beheizt wird. Somit wird der Folienschlauch in der Krümmungsvorrichtung einer Wärmebehandlung unterworfen und zwar in radialer Richtung der Form an der Außenseite des Folienschlauches, derart, dass der Folienschlauch die Krümmungsvorrichtung in Form des schraubenlinienartigen gekrümmten Folienschlauches verlässt. Eine Abkühlung des erwärmten Schlauches ist zwingend erforderlich (s. a. Seite 1, letzte Zeile der L25).

In der DE 2 308 065 A wird darauf hingewiesen, dass die Form eine gekrümmte Oberfläche aufweisen und in diese Oberfläche eine kehligen Vertiefung, was einer Nut entspricht, eingearbeitet sein muss. Die Ausgestaltung der Form ist dabei offen, denn sie soll nur insbesondere eine Walze sein. Wesentlich ist bei der Krümmungsvorrichtung nach der DE 2 308 065 A lediglich, dass sie eine gekrümmte Oberfläche aufweisen, wie es bei der Scheibe nach der DE 90 15 311 U1 ebenfalls der Fall ist und dass eine Nut vorhanden sein muss. Zudem ist nicht nur die Form mittels eines ersten Heizmittels (Merkmal 2.3.2) erwärmt (Seite 3, Zeile 7), sondern es ist ein zweites Heizmittel (Merkmal .3.3) vorgesehen, das auf die Form so gerichtet ist, dass die Außenseite des Folienschlauches ebenfalls erwärmt wird (Seite 3, Zeilen 10 und 11).

Somit erhält der Fachmann aus dieser Druckschrift den entscheidenden Hinweis, denn es wird in dieser Druckschrift darauf hingewiesen, dass bei der Herstellung eines gekrümmten Folienschlauches nicht nur ein einfacher Schrumpfvorgang vorliegt, sondern dass die angewandte Temperatur genau auf das Schrumpf- und Ausdehnungsvermögen des Folienschlauches abgestimmt sein muss (Seite 2 unten bis Seite 3 oben). Dazu sind die oben beschriebenen Maßnahmen erforderlich und es liegt im Rahmen des handwerklichen Könnens diese Maßnahmen auf die Krümmungsvorrichtung nach der DE 90 15 311 U1 zu übertragen. Eine erfinderisches Handeln war hierfür nicht erforderlich.

7. Der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 4 nach Hilfsantrag 1 bzw. 3 beruht ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Dieser Patentanspruch unterscheidet sich vom Patentanspruch 4 nach Haupt- und Hilfsantrag 2 darin, dass - deren Durchmesser an den für die Wendel des gekrümmten Folienschlauches gewünschten Durchmessers angepasst ist,

- dem Durchmesser des Folienschlauches angepassten Umfangsnut.

Wie bereits zum Hauptantrag ausgeführt worden ist, sind die oben angeführten Maßnahmen zwangsweise erforderlich um einen gekrümmten Folienschlauch zu erhalten. Sie dienen lediglich der Erläuterung dessen, was gewünscht wird. Auf die vorstehenden Ausführungen wird verwiesen 8. Die auf den Patentanspruch 1 nach Haupt - und Hilfsantrag I und die auf die Patentansprüche 4 nach dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3 rückbezogenen Unteransprüche haben ebenfalls keinen Bestand, da sie bereits aufgrund der Antragsbindung mit dem jeweiligen Hauptanspruch fallen.

III Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.






BPatG:
Urteil v. 14.11.2006
Az: 4 Ni 22/05


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