Finanzgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 4. Dezember 2014
Aktenzeichen: 8 KO 2155/14

(FG Baden-Württemberg: Beschluss v. 04.12.2014, Az.: 8 KO 2155/14)

Tenor

Die Erinnerung wird abgewiesen.

Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I. Die Erinnerungsführerin beantragte am 4.4.2012 rückwirkend Kindergeld für ihre beiden Kinder X und Y. Dies lehnte die Erinnerungsgegnerin mit Bescheid vom 5.6.2012 bestandskräftig ab. Aufgrund eines erneuten Antrags auf Kindergeld vom 2.11.2012 gewährte sie ihr am 21.11.2012 Kindergeld ab Dezember 2012. Der von der Erinnerungsführerin eingelegte Einspruch hatte teilweise Erfolg. Kindergeld wurde von der Familienkasse ab Juli 2012 festgesetzt. Der Einspruch wurde im Übrigen durch Einspruchsentscheidung vom 29.8.2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der am 24.9.2013 beim Finanzgericht eingegangenen Klage, der das Aktenzeichen 3309/13 zugeteilt wurde, ließ die Erinnerungsführerin durch den Prozessbevollmächtigten beantragen, die Erinnerungsgegnerin zu verpflichten, für die beiden Kinder Kindergeld von März 2011 bis Juni 2012 zu gewähren.

Mit Schreiben vom 4.2.2014 hob die Erinnerungsgegnerin die Einspruchsentscheidung vom 29.8.2013 auf. Dies hatte sie mit Schriftsatz vom 27.1.2014 angekündigt. Bereits seit 1.5.2013 sei die Familienkasse A örtlich und sachlich zuständig.

Mit Schriftsatz vom 13.2.2014 vertrat der Prozessbevollmächtigte die Auffassung, eine Erledigung des Rechtsstreits sei dadurch nicht eingetreten. Nach einem Telefonat mit dem zuständigen Berichterstatter erklärte der Prozessbevollmächtigte dann doch den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 25.2.2014 für erledigt. Dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 16.7.2014 lag zwar nicht wie angegeben, ein Gesprächsprotokoll bei. Richter am Finanzgericht S hat jedoch dem Berichterstatter des Erinnerungsverfahren bestätigt, dass das Telefonat stattfand.

Am 4.3.2014 erklärte auch die Erinnerungsgegnerin den Rechtsstreit 8 K 3309/13 für erledigt. Noch am selben Tag erging durch den Berichterstatter ein Erledigungsbeschluss, mit dem der Erinnerungsgegnerin die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden.

Am 24.3.2014 ging bei Gericht ein Antrag auf Kostenfestsetzung ein. Begehrt wurde durch die Erinnerungsführerin eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten durch die Erinnerungsgegnerin in Höhe von insgesamt 1.203,33 EUR. Geltend gemacht wurden neben einer Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen von 20 EUR aus einem Gegenstandswert von 5.888 EUR eine 1,6-Verfahrens- und eine 1,2-Terminsgebühr. Letztere rechtfertigte sie damit, erst nach einer telefonischen Rücksprache ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Berichterstatter sei von ihr der Rechtsstreit für erledigt erklärt worden. Für den Anfall einer Terminsgebühr genüge jedoch ein Telefonat des Verfahrensbeteiligten mit dem Gericht.

Der Urkundsbeamte der Senatsgeschäftsstelle folgte dieser Rechtsauffassung nicht und setzte im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.6.2014, der am 11.6.2014 zur Post gegeben wurde, keine Terminsgebühr an. Zur Begründung führte er u.a. aus, um dem Gesetzeszweck gerecht zu werden, sei es notwendig, dass die Verfahrensbeteiligten selbst miteinander in einen Kommunikationsaustausch träten. Einseitige Besprechungen mit dem Gericht reichten nicht.

Die Erinnerungsführerin ließ am 26.6.2014 durch ihren Prozessbevollmächtigten Erinnerung einlegen, mit der sie u.a. ergänzend vortragen lässt, der Urkundsbeamte verkenne die Motive, die den Gesetzgeber im 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (2. KostRMoG) zur Änderung der Anmerkung zu Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) veranlasst hätten. Mit der fiktiven Terminsgebühr habe dieser verhindern wollen, dass der Rechtsanwalt nur deshalb eine mündliche Verhandlung erzwinge, weil er sonst der Terminsgebühr verlustig ginge. Ohne die telefonische Rücksprache mit dem Berichterstatter wäre jedoch eine mündliche Verhandlung unvermeidbar gewesen.

Die Erinnerungsführerin beantragt,den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.6.2014 zu ändern und den Erstattungsbetrag auf 1.203,33 EUR festzusetzen.

Die Erinnerungsgegnerin beantragt sinngemäß,die Erinnerung abzuweisen.

Die Erinnerungsgegnerin macht geltend, eine Terminsgebühr sei nicht angefallen. Eine Besprechung mit ihrer Klagesachbearbeiterin habe nicht stattgefunden. Die Erledigung in der Sache sei allein durch die Erinnerungsgegnerin erfolgt. Eines Zutuns des Gerichts oder des Prozessbevollmächtigten habe es nicht bedurft.

Der Urkundsbeamte entschied mit Beschluss vom 31.7.2014, der Erinnerung nicht abzuhelfen.

Gründe

II. Die Erinnerung ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach § 149 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss innerhalb der Frist von zwei Wochen Erinnerung eingelegt werden. Die Frist wurde gewahrt.

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des von der Erinnerungsführerin geltend gemachten höheren Erstattungsanspruchs bestehen jedoch nicht.

Die einem Prozessbeteiligten zu erstattenden Aufwendungen werden gemäß § 149 Abs. 1 FGO auf Antrag von dem Urkundsbeamten des Gerichts des ersten Rechtszugs festgesetzt. Gemäß § 139 Abs. 3 Satz 1 FGO sind die gesetzlich vorgesehenen Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt ist, stets erstattungsfähig. Da der Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt und daher nach § 3 Nr. 1 StBerG unbeschränkt zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind seine Gebühren grundsätzlich zu vergüten.

Die Gebühren und Auslagen von Rechtsanwälten bemessen sich nach Maßgabe des RVG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich dabei gemäß § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 des RVG (VV RVG).

Eine Terminsgebühr ist nicht zu erstatten.

Nach Nr. 3202 VV RVG kann im Verfahren vor dem Finanzgericht eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 entstehen. Gemäß der durch Artikel 8 Abs. 2 Nr. 26 lit. b) des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. KostRMoG) vom 23.7.2013 (BGBl. I S. 2586, 2694) mit Wirkung zum 1.8.2013 neu gefassten Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG, die als allgemeine Vorschrift auch für die Terminsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren gilt, fällt die Terminsgebühr u. a. durch die Mitwirkung an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten außergerichtlichen Besprechung an.

Die Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG hat nunmehr folgenden Wortlaut:

€Die Terminsgebühr entsteht sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Sie entsteht jedoch nicht für die Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins nur zur Verkündung einer Entscheidung. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht für

1. die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins und

2. die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber.€

Nach der bisherigen Fassung der Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3 VV RVG fiel die Terminsgebühr durch die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts an. Durch die Einfügung des Wortes €außergerichtlich€ hat der Gesetzgeber nunmehr - ohne dies allerdings in der Gesetzesbegründung auszuführen (BT-Drucks. 17/11471, S 274, 275) - eindeutig geregelt, dass Besprechungen mit dem Richter außerhalb anberaumter Gerichtstermine keine Terminsgebühr entstehen lassen. Dies gilt insbesondere - wie im vorliegenden Streitfall - für Telefonate nur einer Prozesspartei mit dem Berichterstatter, ohne die Gegenpartei zumindest mittelbar einzubeziehen und entspricht schon bisher der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.3.2009 OVG 1 K 72.08, juris; Thüringer Finanzgericht, Beschluss vom 16.5.2011 4 Ko 772/10, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2011, 1549; Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.8.2011 17 Ta (Kost) 6068/11, juris; Finanzgericht Münster, Beschluss vom 10.9.2012 4 Ko 2422/12, EFG 2012, 2239; Finanzgericht Köln, Beschluss vom 2.9.2013 10 Ko 2594/13, EFG 2013, 2042; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 3.2.2014 6 E 1209/12, Neue Juristische Wochenschrift -NJW- 2014, 1465; Stapperfend in Gräber, FGO, 7. Auflage, § 139 Rz. 65; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Auflage, VV Vorb. 3 Rz. 195).

Entgegen der Rechtsansicht der Erinnerungsführerin bestimmt somit offensichtlich die Intention des Gesetzgebers des RVG, außergerichtliche Einigungen zu fördern und zu honorieren, auch das 2. KostRMoG. Die Terminsgebühr ist durch das RVG vom 05.05.2004 (Bundesgesetzblatt -BGBl- I, 718) eingeführt worden. Die am 30.6.2004 außer Kraft getretene Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) kannte keinen entsprechenden Gebührentatbestand. Der Gesetzgeber des RVG wollte durch sie einen Anreiz für außergerichtliche Einigungen schaffen. In der Einzelbegründung des Regierungsentwurfs zu Absatz 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses (BT-Drucks. 15/1971, S. 209) heißt es, € deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung der Gerichts mitwirkt,..€.

Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG in der ab 1.8.2013 gültigen Fassung ist vorliegend gemäß der Übergangsvorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG maßgebend, da die Erinnerungsführerin den Prozessbevollmächtigten den unbedingten Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit nach dem 1.8.2013 erteilt hat. Einspruchsverfahren und gerichtliches Verfahren sind hierbei gemäß § 17 Nr. 1 RVG verschiedene Angelegenheiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum GKG) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichts und die außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsgegnerin.

Das Gericht konnte über die Erinnerung gemäß § 149 Abs. 4 FGO durch Beschluss des Vorsitzenden entscheiden, der nach dem internen Geschäftsverteilungsplan des Senats zugleich Berichterstatter in allen Erinnerungsverfahren wegen Kosten ist. Der Anwendungsbereich des § 79 a Abs. 1 Nr. 5 FGO schließt die Kostenerinnerung nach § 149 Abs. 2 FGO mit ein (Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.08.2007 8 KO 1/07, EFG 2007, 1972 und zuletzt Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.1.2014 3 KO 986/13, EFG 2014, 1229 m.w.N.). Der Senat in der Besetzung des § 5 Abs. 3 Satz 2 FGO ist nur dann zuständig, wenn die Kostengrundentscheidung nicht im vorbereitenden Verfahren ergeht.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 128 Abs. 4 Satz 1 FGO).






FG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 04.12.2014
Az: 8 KO 2155/14


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