Landgericht Dortmund:
Urteil vom 15. Januar 2016
Aktenzeichen: 3 O 610/15

(LG Dortmund: Urteil v. 15.01.2016, Az.: 3 O 610/15)

Tenor

1.

Die Antragsgegnerin hat es bei Meidung einer Geldbuße bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an einem der Vertretungsberechtigten der Antragsgegnerin, in Zukunft zu unterlassen, die Verfügungsbefugnis der Antragstellerin über ihr bei der Antragsgegnerin geführtes Konto einzuschränken, soweit die Antragsgegnerin zur Begründung der Einschränkung sich auf US-amerikanische Embargovorschriften stützt, die im Widerspruch zu EU-Vorschriften stehen, wenn die Ankündigungen zu Veranstaltungen der Antragstellerin die Begriffe "Kuba"/"Cuba" oder "kubanisch"/"cubanisch" enthalten.

2.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe

1.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig.

2.

Der Antrag ist auch begründet.

a)

Auf den vorliegenden Fall kommt zunächst deutsches Recht zur Anwendung. Dessen Anwendbarkeit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 Rom-I-VO. Der Antragsgegnerin steht es zwar frei, mit ihren Vertragspartnern einschließlich Verbrauchern eine Rechtswahl zu treffen, und zwar auch in ihren Nutzungsbedingungen, mithin in ihren AGB im Sinne der §§ 305 ff. BGB. Lediglich der Entzug der zwingenden Bestimmungen des Heimatrechts eines Verbrauchers ist ausgeschlossen, Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Rom-I-VO. Hierzu gehören auch die Vorschriften der §§ 305 ff. BGB, mithin die Vorschriften über die AGB-Kontrolle. Damit ist grundsätzlich auch die Rechtswahlklausel selbst einer AGB-Kontrolle unterworfen (vgl. BGH, Urt. v. 25.01.2005 - XI ZR 78/04 - NJW-RR 2005, 1071, 1072). Nach dieser Rechtsprechung ist eine Rechtswahlklausel jedenfalls dann nicht als überraschend im Sinne des § 305c BGB anzusehen, wenn das nach Art. 4 und 6 Rom-I-VO ohnehin anwendbare Recht gewählt wird oder zumindest das Recht am Ort des Sitzes einer der Parteien. Das ist hier vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Antragsgegnerin ist eine in M1 ansässige Gesellschaft. Eine Anknüpfung, warum diese Gesellschaft, die zweifelsfrei ihre Geschäftstätigkeit auch auf das Inland ausgerichtet hat, mit einem im Inland ansässigen Kunden, nämlich der Antragstellerin, in ihren AGBs (konkret in Ziff. 14.3) ausgerechnet englisches und walisisches Recht vereinbaren möchte, sind weder ersichtlich noch vorgetragen (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 02.09.2014 - 327 O 187/14 - NJOZ 2015, 535, 536; bestätigt durch OLG Hamburg, Urt. v. 24.04.2015 - 1 U 185/14 - BeckRS 2015, 09012, Rn. 2; so auch schon: Meder/Grabe, BKR 2005, 467, 473; Hoenike/Szodruch, MMR 2006, 519, 525 jeweils m.w.N.).

b)

Die Antragstellerin hat das Bestehen eines Verfügungsgrundes und eines Verfügungsanspruchs hinreichend glaubhaft gemacht im Sinne der §§ 936, 920 Abs. 2, 294 ZPO.

aa) Verfügungsgrund

Eiliger Rechtsschutz in Form einer einstweiligen Verfügung ist nur zu erlangen, wenn der Händler - hier also die Antragstellerin - glaubhaft machen kann, dass ihn die Kontosperrung bzw. das Einfrieren seines Kontoguthabens in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht.

Davon ist im Streitfall auszugehen. Das - fünf Tage bis zum 02.12.2015 nicht verfügbare - Kontoguthaben der Antragstellerin betrug zum Zeitpunkt der Kontosperrung nach ihrem unwiderlegten Vorbringen über 50.000,00 €. Für die Kammer liegt es auf der Hand, dass der Ausschluss von der Zahlungsmöglichkeit ihrer Endkunden an sie via Q1 die Antragstellerin in ihren geschäftlichen Aktivitäten erheblich beeinträchtigte und ein Ausweichen auf andere Zahlungsmethoden (Überweisung, SEPA Basis Lastschrift und Kreditkarte) die Folgen der Sperrung nur unvollständig kompensieren konnte (vgl. zur Freischaltung eines gesperrten eBay-Kontos: OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.11.2008 - 6 W 183/08 - MMR 2009, 117). Es kommt hinzu, dass die Zahlungsweise via Q1 auch nicht gleichwertig ist mit den herkömmlichen Zahlungsmethoden. Denn ein elementarer Vorteil von Q1 besteht darin, dass auf diese Weise getätigte Zahlungen sofort dem Zahlungsempfänger gutgeschrieben werden und somit beispielsweise die sonst übliche Banklaufzeit einer Überweisung entfällt. Im Onlineshop getätigte Käufe können somit sehr schnell bezahlt werden. Damit verkürzt sich die Lieferzeit, sofern der Verkäufer die Ware zeitnah nach dem Zahlungseingang versendet.

bb) Verfügungsanspruch

Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.

(1)

Die Limitierung des Kontos durch die Antragsgegnerin am ...2015 stellte einen objektiv widerrechtlichen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Antragstellerin dar.

Zu diesem Eingriff war die Antragsgegnerin nicht berechtigt. Sie kann sich insbesondere nicht auf Ziff. 10.5 a) III i.V.m. Ziff. 9.1 Nr. 33 a.E. der Q1-Nutzungsbedingungen berufen. Denn die Durchsetzung des US-amerikanischen Kuba-Embargos im deutschen bzw. europäischen Rechtsraum ist rechtswidrig. Die Anwendung US-amerikanischer Blockadegesetze in Deutschland verletzt nicht nur geltende Handelsprinzipien, sie gefährdet auch die Existenz hiesiger Gewerbetreibender und benachteiligt Konsumenten. Die Argumentation der Antragsgegnerin, dass sie denselben Handelsbeschränkungen unterliege wie die Muttergesellschaft in den USA, geht fehl. Als Reaktion auf die Anfang und Mitte der 90er Jahre verschärften Blockadegesetze der USA ("Torricelli act" und "Helms Burton act") hat die Europäische Union im Herbst 1996 eine "Verordnung zum Schutz von den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf berufenden und sich daraus ergebenden Maßnahmen" erlassen (Verordnung (EG) Nr. 2271/96 vom 22.11.1996, Amtsblatt Nr. L 309 vom 29.11.1996; Anlage K5 = Bl. 35-40 d.A.). Der Annex zu Art. 1 dieser Verordnung enthält unter der Überschrift "Land: Vereinigte Staaten von Amerika" drei Rechtsakte mit Bezug auf Kuba, nämlich die beiden vorgenannten Gesetze aus den Jahren 1992 und 1996 (Ziff. 1. und 2.) sowie eine dort näher bezeichnete Verordnung ("1 CFR (...)", Ziff. 1.). Die Verordnung (EG) Nr. 2271/96 gilt unmittelbar, d.h. ohne dass es eines gesonderten nationalen Transformationsaktes bedürfte, in jedem Mitgliedstaat, so auch in Deutschland. Die drei vorgenannten US-amerikanischen Rechtsakte mit Bezug auf Kuba verletzen nach dem vierten Erwägungsgrund in der Präambel zu dieser Verordnung durch ihre extraterritoriale Anwendung das Völkerrecht. Der rechtlichen Einschätzung der Bundesregierung (Antwort der Bundesregierung vom 23.02.2015 auf die Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten und der Fraktion "Die Linke" zur Anwendung der US-amerikanischen Blockadegesetze gegen Kuba in der Europäischen Union - BT-Drucksache 18/3966 - zur Frage 1 - BT-Drucksache 18/4083, dort S. 2 f. -) schließt sich die Kammer vorbehaltlos an.

Ungeachtet dessen ist auch nichts dafür ersichtlich, dass es sich bei online-Eintrittskarten für das Tanzmusical "Soy de Cuba" überhaupt um "Waren oder Dienstleistungen aus Kuba" handelt (so aber ausdrücklich die Antragsgegnerin in ihrer Email an die Antragstellerin vom ...2015, Anlage K6 = Bl. ... d.A.). Solches hat die Antragsgegnerin auch nicht durch das Anlagenkonvolut K11 glaubhaft gemacht. Kubanischer Rum - dieser war Gegenstand eines Rechtsstreits des Onlineshops "c.de" gegen die Antragsgegnerin vor dem Landgericht U - mag zwar eine kubanische Ware sein. Die Nationalität der Ensemblemitglieder von "Soy de Cuba" macht die Eintrittskarten jedoch noch lange nicht zu kubanischen Waren oder Dienstleistungen.

(2)

Die Antragstellerin hat auch das Bestehen einer Wiederholungsgefahr glaubhaft gemacht. Eine solche Gefahr ist bereits indiziert durch die Nichtabgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung seitens der Antragsgegnerin (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 75. Auflage 2016, Einf. v. § 823 Rn. 29 m.w.N.).

Die Wiederholungsgefahr wird auch nicht dadurch beseitigt, dass die Antragsgegnerin mit der Antragserwiderungsschrift die Geschäftsbeziehung mit der Antragstellerin nach Ziff. 10.3 der Q1-Nutzungsbedingungen zum 15.03.2016 ordentlich gekündigt hat. Zwar dürfte die Kündigung wirksam sein. Die Klausel über die ordentliche Kündigung in Ziff. 10.3 der Nutzungsbedingungen ist - anders als die Klausel über die fristlose Kündigung in derselben Ziffer - anwendbar, da sie nicht zu jenen Klauseln gehört, zu deren künftiger Nichtverwendung sich die Antragsgegnerin in einem am ...2014 geschlossenen Vergleich mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände im Verfahren ... O ...#/13 vor dem Landgericht C verpflichtet hat. Da die Antragsgegnerin Zahlungsdienstleisterin ist (s. Ziff. 1.1 der Nutzungsbedingungen; vgl. dazu auch Schmalenbach, in: BeckOK BGB, Hrsg.: Bamberger/Roth, Stand: 01.11.2015, § 675c Rn. 8), gelten für das Vertragsverhältnis die §§ 675c ff. BGB. Nach § 675h Abs. 2 S. 1 BGB kann der Zahlungsdienstleister den Zahlungsdiensterahmenvertrag nur kündigen, wenn der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde (hier der Fall: Ziff. 7.1 der Nutzungsbedingungen) und das Kündigungsrecht vereinbart wurde (hier der Fall: Ziff. 10.3 der Nutzungsbedingungen). Die gesetzliche Kündigungsfrist von mindestens zwei Monaten (§ 675h Abs. 2 S. 2 BGB) ist auch gewahrt. Jedoch besteht ungeachtet einer Beendigung des Vertragsverhältnisses in zwei Monaten die Gefahr einer erneuten Kontensperrung, zumal am 11.02.2016 ein Konzert einer kubanischen Sängerin, für das die Antragstellerin Karten vertreibt, ansteht.

(3)

Die Antragsgegnerin ist nach den vorstehenden Ausführungen Störerin im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB und damit zur Unterlassung verpflichtet.

(4)

Die Antragstellerin kann die im Tenor zu Ziff. 1. konkret benannte Unterlassung verlangen. Eine "allgemeine Generalverfügung, die das deutsche Recht nicht kennt" (so die Antragsgegnerin auf S. 2 ihrer Antragserwiderungsschrift = Bl. 50 d.A.), begehrt die Antragstellerin - nach erfolgter Antragsumstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung - nicht. Die zu unterlassende Handlung ist bestimmt genug im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezeichnet.

3.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

4.

Ein Vollstreckbarkeitsausspruch hatte zu unterbleiben. Denn einstweilige Verfügungen sind mit Verkündung des Urteils sofort vollstreckbar, ohne dass es einer Entscheidung darüber bedarf (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 31. Auflage 2016, vor § 916 Rn. 14 u. § 929 Rn. 1).






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