Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 21. Januar 2010
Aktenzeichen: 4 U 168/09

(OLG Hamm: Urteil v. 21.01.2010, Az.: 4 U 168/09)

Tenor

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 13. August 2009 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Antrag der Antragstellerin vom 20. Juli 2009 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in der Hauptsache erledigt ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Parteien bieten Elektro-und Elektronikartikel im Internet an. Die Antragsgegnerin hat auch noch am 10. Juli 2009 auf ihrer Internetseite unter *Internetadresse1*" als gewerbliche Verkäuferin Produkte u.a. aus den Bereichen Digitale Fotografie, Hifi, TV und DVD angeboten (Anlage A 3 Bl.7). Im Rahmen ihrer Widerrufsbelehrung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen hat sie in Bezug auf die Widerrufsfrist die Formulierung gebraucht:

"Diese Frist beginnt zu laufen, sobald der Kunde sowohl die Ware als auch eine Widerrufsbelehrung in Textform erhalten hat."

Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin, die darin den Verstoß eines Mitbewerbers gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit den gesetzlichen Informationspflichten über das Widerrufsrecht im Rahmen des Fernabsatzes gesehen hat, durch anwaltliches Schreiben vom 13. Juli 2009 abmahnen. Die Antragsgegnerin gab die begehrte strafbewehrte Unterlassungserklärung innerhalb der bis zum 20. Juli 2009 gesetzten Frist nicht ab.

Schon mit Schreiben vom 26. Mai 2009 (Anlage A 5 €Bl.46) hatte die Antragstellerin die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf deren damaligen Internetauftritt abgemahnt, weil diese beim Angebot eines C2-Klimagerätes entgegen den Bestimmungen des EnVKV die Energieeffizienzklasse nicht angegeben hatte. Es kam anschließend zu einem Verfügungsverfahren vor dem Landgericht Hamburg. Auch im Rahmen des damaligen Internetauftritts hatte die Antragsgegnerin in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen schon die später beanstandete Widerrufsbelehrung verwandt.

Mit dem am 22. Juli 2009 beim Landgericht eingegangenen Antrag hat die Antragstellerin begehrt, der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,

im Internet-Versandhandel zu Wettbewerbszwecken für Fernabsatzverträge mit privaten Endverbrauchern die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung ohne den Hinweis zu erteilen, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß § 312 c Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB-InfoV zu laufen beginnt, insbesondere wie am 10.07.2009 unter *Internetadresse1* geschehen.

Die Antragstellerin hat behauptet, von der fehlerhaften Widerrufsbelehrung ungeachtet des voraufgegangenen Verfügungsverfahrens zwischen den Parteien erst am 10. Juli 2009 Kenntnis erhalten zu haben. Der jetzt gerügte Verstoß sei nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens gewesen. Er sei auf dem Internetausdruck nicht ersichtlich gewesen und ihr deshalb damals auch nicht bekannt geworden. Sie hat gemeint, die fehlerhafte Widerrufsbelehrung stelle auch keine Bagatelle dar, weil dadurch ein zentrales Verbraucherrecht nicht unerheblich betroffen werden könne. Der Streitwert sei irrtümlich durch eine Schreibkraft mit 20.000,- € angegeben worden. Sie mache auch mit ihrem Internethandel erhebliche Umsätze. Im letzten Jahr habe sie insgesamt aus dem Verkauf von Waren Umsätze in Höhe von sechs Millionen € getätigt.

Die Antragsgegnerin hat sich gegen den Erlass der einstweiligen Verfügung verteidigt. Mit Schriftsatz vom 6. August 2009 hat sie sich darauf berufen, dass sie auf eine Abmahnung der Verbraucherzentrale C vom 5. Juni 2009 am 28. Juli 2009 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe, die ihr das von der Antragstellerin beanstandete Verhalten verbiete. Dadurch sei selbst im Fall eines etwaigen Wettbewerbsverstoßes die Wiederholungsgefahr entfallen. Die Antragsgegnerin hat aber gemeint, es fehle an einem solchen Wettbewerbsverstoß jedenfalls deshalb, weil die unvollständige Widerrufsbelehrung nicht geeignet gewesen sei, den Wettbewerb auf dem fraglichen Markt spürbar zu beeinträchtigen. In ihrer Belehrung habe sie jedenfalls über die wesentlichen Rechte und Pflichten der Verbraucher informiert. Sie hat sich insoweit auf Entscheidungen des Landgerichts Berlin und des Kammergerichts berufen. Vorsorglich hat sie auch geltend gemacht, die Antragstellerin habe rechtsmissbräuchlich gehandelt. Diese habe ihre Internetseite mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bereits seit Mai 2009 gekannt. Sie habe sich aber bei der ersten Abmahnung zunächst auf den damals gerügten Verstoß beschränkt und später -nach Abschluss des auf die ursprüngliche Abmahnung folgenden Verfügungsverfahrens- die fehlerhafte Widerrufsbelehrung noch einmal getrennt abgemahnt, um weitere und höhere Kosten entstehen zu lassen. Für das Gebührenerzielungsinteresse der Antragstellerin sprächen auch deren im Internet bekannt gewordenes umfangreiches Abmahnverhalten und die Tatsache, dass sie im vorliegenden Verfahren den Streitwert mit 20.000,- € angegeben habe, obwohl sie selbst im Rahmen der Abmahnung noch von einem Streitwert von 15.000,- € ausgegangen sei. Die Aktivlegitimation der Antragstellerin sei auch insoweit zweifelhaft, weil sie mit dem Verkauf der angebotenen Artikel im Internet offenbar keine nennenswerten Umsätze mache. Das ergebe sich aus den fehlenden Bewertungen in den entsprechenden Internetforen. Da der Antragstellerin die Internetseite schon so lange bekannt gewesen und sie vor der zweiten Abmahnung wegen der fehlerhaften Belehrung mehr als zwei Monate untätig geblieben sei, sei auch die Dringlichkeitsvermutung widerlegt. Es fehle deshalb auch an einem Verfügungsgrund.

Die Antragstellerin hat im Hinblick auf die Drittunterwerfung die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Die Antragstellerin hat nunmehr beantragt,

festzustellen, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung in der Hauptsache erledigt sei.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Feststellungsantrag abzuweisen.

Das Landgericht hat den Feststellungsantrag für unbegründet gehalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass keine Erledigung der Hauptsache eingetreten sei, da es wegen fehlender Eilbedürftigkeit an einem Verfügungsgrund gefehlt habe. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG sei widerlegt, da die Antragstellerin bereits am 26. Mai 2009 von dem Internetauftritt der Antragsgegnerin Kenntnis erlangt und eine Abmahnung wegen eines anderen Wettbewerbsverstoßes ausgesprochen habe. Sie hätte bereits damals die Möglichkeit gehabt, auch die jetzt gerügte Form der Widerrufsbelehrung zu beanstanden. Denn die Widerrufsbelehrung sei auch damals in der gerügten Form auf der Seite "Unsere AGB" verwandt worden. Die Tatsache, dass die Antragstellerin die Widerrufsbelehrung mehr als einen Monat lang unbeanstandet gelassen habe, lasse nur den Schluss zu, dass sie ein auf diesen Verstoß bezogenes Verbot nicht als dringlich erachtet habe. Die Verfolgung zeitgleich vorhandener Angaben in einem Internetauftritt in zwei aufeinander folgenden Verfahren spreche im Übrigen auch für eine rechtsmissbräuchliche Anspruchsverfolgung. Auf einen Mangel der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin könne sich die Antragsgegnerin dagegen nicht berufen. Ihr sei unstreitig die Originalvollmacht als Anlage zum Anschreiben vom 13. Juli 2009 übersandt worden. Ob sie dem Prozessbevollmächtigten zur Zeit der mündlichen Verhandlung in seinen Akten vorgelegen habe, sei nicht entscheidend.

Die Antragstellerin greift das Urteil mit der Berufung an. Sie hält daran fest, dass die nach Einreichung des Verfügungsantrags durch die Antragsgegnerin gegenüber der Verbraucherzentrale abgegebene Unterlassungserklärung zu einer Erledigung des Verfügungsverfahrens geführt habe. Bereits mit der Einreichung des Verfügungsantrages sei Rechtshängigkeit eingetreten. Der Antrag sei auch ursprünglich zulässig und begründet gewesen. Dazu meint die Antragstellerin, ihr komme entgegen der Einschätzung des Landgerichts weiterhin die Vermutung der Dringlichkeit zugute. Sie habe schon erstinstanzlich vorgetragen, dass sie erst am 10. Juli 2009 Kenntnis von der hier beanstandeten Widerrufsbelehrung genommen habe. Im Rahmen der Abmahnung des völlig anderen Verstoßes vom 26. Mai 2009 habe ihr die hier beanstandete Widerrufsbelehrung nicht vorgelegen. Das ergebe sich schon aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten damaligen Abmahnung nebst Screenshots. Es sei dabei um das Angebot eines Klimageräts der Marke C2 gegangen. Der beanstandete Verstoß gegen das EnVKV habe in keinem Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Wettbewerbsverstoß gestanden, der damals noch nicht bekannt gewesen sei. Ob theoretisch die Möglichkeit bestanden habe, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin mit der unrichtigen Widerrufsbelehrung einzusehen, sei irrelevant. Es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, den Internetauftritt der Antragsgegnerin vollständig im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsverstöße zu überprüfen. Eine allgemeine Beobachtungspflicht gebe es nicht. Es könne deshalb insoweit nicht auf das objektive Vorhandensein von weiteren Wettbewerbsverstößen im Rahmen des damaligen Internetauftritts der Antragsgegnerin ankommen, sondern nur auf die tatsächliche Kenntnisnahme von diesen Verstößen. Daran habe es aber ebenso gefehlt wie an einer grob fahrlässigen Unkenntnis. Vorsorglich legt die Antragstellerin nunmehr noch eine eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 30. Oktober 2009 (Bl.98) zum Zwecke der Glaubhaftmachung vor. Die Antragstellerin weist ferner darauf hin, dass der am10. Juli 2009 festgestellte Verstoß nach der Kenntnisnahme unverzüglich abgemahnt und verfolgt worden sei. Es sei vielmehr die Antragsgegnerin gewesen, die sich auch nach Erhalt der Abmahnung vom 13. Juli 2009 noch bis zum 28. Juli 2009 Zeit gelassen habe, um auf die frühere Abmahnung der Verbraucherzentrale vom 5. Juni 2009 zu reagieren. Nur deshalb habe sie am 10. Juli 2009 den Verstoß überhaupt noch feststellen können. Da eine zeitgleiche Verfolgung der beiden Verstöße mangels Kenntnis von der unrichtigen Widerrufsbelehrung nicht möglich gewesen sei, könne dieser Umstand auch nicht für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ihrerseits sprechen. In der Sache geht die Antragstellerin zunächst von einem Wettbewerbsverhältnis der Parteien aus. Ihre geschäftlichen Aktivitäten ergäben sich zum einen schon aus ihrem Internetauftritt. Zum anderen sei es aber auch nicht bestritten worden, dass sie im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwa 6 Mio. € mit dem Verkauf von Waren erzielt habe. Wegen des Wettbewerbsverstoßes im Einzelnen und seiner Spürbarkeit bezieht sich die Antragstellerin auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Antragstellerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass das Verfügungsverfahren in der Hauptsache erledigt ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil, rügt aber nach wie vor, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin dem Landgericht keine Original- Prozessvollmacht vorgelegt habe.

II.

Die Berufung ist begründet, weil sich das Verfügungsverfahren hier tatsächlich durch die Drittunterwerfung erledigt hat. Der anhängige Verfügungsantrag war bis zu dem Hinweis auf die Drittunterwerfung als erledigendes Ereignis zulässig und begründet.

1) Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung die Rüge der fehlenden Prozessvollmacht aufrechterhält, kann sie damit jedenfalls jetzt schon deshalb nicht mehr gehört werden, weil sich in den Akten eine schriftliche Vollmacht der Antragstellerin befindet. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat in der von ihm unterschriebenen eidesstattlichen Versicherung vom 30. Oktober 2009 erklärt, dass er Rechtsanwalt T beauftragt habe, die Antragsgegnerin wegen des hier gerügten Wettbewerbsverstoßes abzumahnen. Die dabei unterzeichnete und später der Antragsgegnerin übersandte Vollmacht bezog sich auch auf einen nachfolgenden Prozess.

2) Dem Antrag steht auch nicht entgegen, dass die Rechtsverfolgung der Antragstellerin im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich ist. Dafür liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Wie noch im Rahmen der Prüfung des Verfügungsgrundes näher auszuführen sein wird, ist nicht festzustellen, dass die Antragstellerin hier zwei unterschiedliche Verstöße, von denen sie gleichzeitig Kenntnis genommen hat, scheibchenweise verfolgt hat, um zusätzliche Kosten zu generieren. Zu der angeblichen Vielzahl der Abmahnungen fehlt es an konkretem, nachvollziehbaren Vortrag der Antragsgegnerin. Es ist zwar kaum zu glauben, dass die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin die Angabe des Streitwerts einer Schreibkraft überlassen haben. Dennoch würde allein die Angabe eines Streitwert von 20.000,- € und damit eine gegenüber der Angabe in der Abmahnung erhöhte, aber auf der anderen Seite angesichts der üblichen Werte nicht völlig überhöhte Streitwertangabe für sich nicht ausreichen, um allein daraus auf ein vorrangiges Gebührenerzielungsinteresse zu schließen.

3) Entgegen der Einschätzung des Landgerichts fehlt es auch nicht an einem Verfügungsgrund. Der Antragstellerin, die einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch geltend macht, kommt nach § 12 Abs. 2 UWG die Vermutung der Dringlichkeit zugute. Diese Vermutung ist hier auch nicht widerlegt. Die Antragstellerin hat sich mit der Rechtsverfolgung nicht so viel Zeit gelassen, dass daraus nur gefolgert werden kann, dass sie es doch nicht so eilig hatte. Der Verfügungsantrag ist am 22. Juli 2009 bei Gericht eingegangen. Das deutet auf eine zügige Rechtsverfolgung hin, da von dem €nunmehr auch durch die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers vom 30. Oktober 2009 glaubhaft gemachten- Vortrag der Antragstellerin auszugehen ist, dass sie nicht vor dem 10. Juli 2009 Kenntnis von dem Wettbewerbsverstoß erlangt hat. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die Antragstellerin bereits am 26. Mai 2009 mit dem damaligen Internetauftritt der Antragsgegnerin beschäftigt und dabei bei dem Angebot eines Kühlgeräts der Firma C2 einen Verstoß gegen das EnVKV festgestellt hat. Auch wenn beim damaligen Internetauftritt die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragsgegnerin über einen Link abrufbar waren und diese schon damals die Widerrufsbelehrung in der später beanstandeten Formulierung enthielten, ergibt sich daraus nicht, dass die Antragstellerin auch schon damals von diesem Verstoß Kenntnis genommen hat oder zwangsläufig hätte Kenntnis nehmen müssen. Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie sich auf den festgestellten Verstoß gegen das EnVKV konzentriert und nur mit einem Teil des Internetauftritts befasst hat, der die Widerrufsbelehrung der Antragsgegnerin gerade nicht zum Inhalt hatte. Um zu beurteilen, ob die nach den gesetzlichen Vorschriften erforderliche Angabe der Effizienzklasse des Kühlgerätes im Rahmen des Angebots in geeigneter Weise vorgenommen worden ist oder nicht, bedurfte es auch zwangsläufig keiner Beschäftigung mit einer etwaigen Widerrufsbelehrung der Antragsgegnerin oder den zum Aufruf bereit gehaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Antragstellerin war auch nach Feststellung des Verstoßes gegen das EnVKV nicht gehalten, den gesamten Internetauftritt der Antragsgegnerin auf denkbare weitere Wettbewerbsverstöße völlig anderer Art zu überprüfen, um diese gleich mit abzumahnen zu können. Auch insoweit gibt es keine Beobachtungs- oder Untersuchungspflicht. Wenn der weitere Wettbewerbsverstoß zwar vorlag, aber von ihr zunächst nicht entdeckt wurde, war die Antragstellerin nicht gehindert, den bei einer Kontrolle des weiteren Verhaltens erstmals festgestellten weiteren Verstoß im Rahmen der erforderlichen allgemeinen Informationspflichten erneut abzumahnen. In diesem Fall kommt es für eine etwaige Widerlegung der Dringlichkeit nur auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme von dem nunmehr entdeckten Verstoß an. Selbst wenn man im Gleichklang mit der geänderten Rechtslage in Zusammenhang mit der Kenntnis im Rahmen der Verjährungsproblematik davon ausginge, dass auch ein Fall einer grob fahrlässigen Unkenntnis genügen würde (vgl. dazu Ahrens/Schmukle, Der Wettbewerbsprozeß, 6.Auflage, Kap 45 Rdn. 19 ff., 22), läge ein solcher Fall hier aus den oben genannten Gründen nicht vor.

4) Der Antragstellerin steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG 2008 in Verbindung mit §§ 312 Abs. 1 Satz 1, 312 c Abs. 2, 312 d Abs. 1, 355 BGB zu. In der beanstandeten Widerrufsbelehrung ist eine unlautere geschäftliche Handlung der Antragsgegnerin zu sehen, die den Wettbewerb im Interesse der Marktteilnehmer spürbar beeinträchtigt hat.

a) Die Antragstellerin ist als Mitbewerberin der Antragsgegnerin im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG anzusehen. Sie bietet ernsthaft Elektro- und Elektronikartikel im Internet und auch außerhalb des Internets an und macht damit nach ihren Angaben auch nicht unerhebliche Umsätze. Diese hat die Antragsgegnerin auch nicht substantiiert bestritten. Da die Antragsgegnerin gleichfalls solche Waren im Internet anbietet, besteht zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.

b) Die Antragsgegnerin hat hier auch gegen § 4 Nr. 11 UWG verstoßen. Sie hat einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer, hier der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln. Bei § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB, der die Informationspflichten des Unternehmers bei Fernabsatzverträgen regelt, handelt es sich ebenso wie bei § 355 BGB um Verbraucherschutzvorschriften, die das Marktverhalten von Unternehmern im Interesse der Marktteilnehmer bestimmen (BGH MMR 2007, 40, 42 €Anbieterkennzeichnung im Internet; OLG Hamm NJW 2005, 2319 = MMR 2005, 540). Zu diesen vor Abschluss des Vertrages zu erfüllenden Informationspflichten im Fernabsatzgeschäft gehört nach BGB-InfoV 1 Nr. 10 auch die allgemeine Information über das Bestehen oder Nichtbestehen des Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und Rechtsfolgen des Widerrufs.

c) Die Antragsgegnerin hat gegen ihre vorvertraglichen Informationspflichten nach § 312 c Abs. 1 Nr. 1 BGB verstoßen, indem sie nicht klar und verständlich und dabei auch vollständig über das bei Fernabsatzgeschäften nach § 312 d BGB bestehende Widerrufsrecht im Sinne des § 355 BGB informiert hat. Sie hat im Rahmen ihres Internetauftritts in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen mitgeteilt, dass die Widerrufsfrist zu laufen beginne, sobald der Kunde sowohl die Ware als auch eine Widerrufsbelehrung in Textform erhalten habe. Diese Information war jedenfalls insoweit unvollständig, als bei diesem Angebot nicht darauf hingewiesen wird, dass die Widerrufsfrist nach § 312 d Abs. 2 BGB auch nicht vor Erfüllung der sich aus § 312 c Abs. 2 BGB ergebenden Informationspflichten beginnt. Diese weitere Voraussetzung für den Beginn der Widerrufsfrist ist in den Gestaltungshinweisen zum Muster für die Widerrufsbelehrung der Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV in Ziffer 3 b ausdrücklich erwähnt. Die von der Antragsgegnerin in Abweichung von der Musterbelehrung gewählte unvollständige Formulierung ist sogar irreführend, weil beim Verbraucher der Eindruck entstehen kann, dass die Frist unabhängig von der Erfüllung der nach § 312 c Abs. 2 BGB bestehenden zusätzlichen Pflichten der Antragsgegnerin zu laufen beginnt, wenn die von ihr genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

d) Ein solcher Gesetzesverstoß ist auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG 2008 spürbar zu beeinträchtigen. Die richtige Belehrung über die Widerrufsfrist betrifft elementare Verbraucherschutzrechte und kann keine Bagatelle sein (vgl. Senat OLGR 2009, 810). Wer zwar grundsätzlich im Rahmen des § 312 c Abs. 1 Satz 1 BGB über das Widerrufsrecht informiert, dies aber unvollständig tut und dabei einen unzutreffenden Eindruck erweckt, beeinflusst das Verbraucherverhalten in diesem Sinne auch spürbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 21.01.2010
Az: 4 U 168/09


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