Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Mai 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 257/00

(BPatG: Beschluss v. 19.05.2004, Az.: 26 W (pat) 257/00)

Tenor

Der Antrag der Markeninhaberin, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Schutzbewilligung in Deutschland für die IR-Marke 669 454 für die Waren

"32 Bières; eaux minerales et gazeuses et autres boissons non alcooliques; boissons de fruits et jus de fruits; sirops et autres preparations pour faire des boissons"

ist Widerspruch erhoben worden aus der älteren nationalen Marke 1 190 534 Frutavital, die u.a. für die Waren

"Fruchtgetränke, alkoholfreie Getränke, Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken, Mischgetränke aus alkoholfreien Getränken oder Fruchtsäften und Bier, sämtliche Waren unter Verwendung von Früchten hergestellt sowie auch mit Zusatz von Vitaminen, Mineralstoffen und/oder Eiweiß, Fruchtsäfte"

eingetragen ist.

Die Markenstelle hat den Widerspruch sowie die Erinnerung der Widersprechenden zurückgewiesen, weil zwischen den Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde erhoben, zu deren Begründung sie geltend gemacht hat, dass zwischen den Marken wegen weitgehender klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher Ähnlichkeiten sowie wegen der Identität bzw großen Ähnlichkeit der Waren die Gefahr von Verwechslungen bestehe. Die Markeninhaberin ist dem entgegengetreten und hat im Beschwerdeverfahren ferner die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bestritten, worauf die Markeninhaberin unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und eines Prospektauszuges dargelegt hat, die Widerspruchsmarke sei im Jahre 1998 in Deutschland im Rahmen eines Testmarktes für Fruchtnektare benutzt worden. Unter ihr seien in diesem Zeitraum insgesamt ... Liter Fruchtnektar vertrieben worden.

Nach Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung am 14. Januar 2004 hat die Widersprechende ihren Widerspruch zurückgenommen.

Die Markeninhaberin beantragt nunmehr, der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil diese aus einer nicht benutzten und mit der angegriffenen Marke nicht ähnlichen Marke Widerspruch eingelegt habe und das Widerspruchsverfahren in Kenntnis dieser Umstände auch im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren weiter betrieben habe. Die von ihr im Jahre 1998 durchgeführten Testverkäufe seien nicht geeignet gewesen, die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Ferner seien mit dem Ende des Jahres 2003 seit 1998 wiederum fünf Jahre vergangen, so dass auch die aktuelle Benutzung habe nachgewiesen werden müssen.

Die Widersprechende hat sich zum Kostenantrag nicht geäußert.

II Der Kostenantrag der Widersprechenden ist in Bezug auf die im Verfahren vor der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts entstandenen Kosten unzulässig. Da die Markenstelle in ihren Beschlüssen von einer Kostenauferlegung ausdrücklich abgesehen hat, wie sich aus den Gründen dieser Beschlüsse ergibt, und gegen die Beschlüsse der Markenstelle ausschließlich die Widersprechende Erinnerung bzw. Beschwerde eingelegt hat, sind diese Beschlüsse gegenüber der Markeninhaberin im Kostenpunkt in Rechtskraft erwachsen, mit der Folge, dass die für diesen Fall in § 63 Abs. 1 S. 2 MarkenG bestimmte Kostenfolge, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, unanfechtbar eingetreten ist.

Soweit die Markeninhaberin die Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf die Widersprechende beantragt, ist ihr Antrag zwar zulässig, aber unbegründet.

Auch für das markenrechtliche Beschwerdeverfahren gilt gemäß § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG der Grundsatz, dass jeder Verfahrensbeteiligte seine Kosten selbst trägt. Für ein Abweichen von diesem Grundsatz bedarf es nach der ständigen Rechtsprechung der Senate des Bundespatentgerichts zusätzlich zum Verfahrensausgang stets besonderer Umstände, die insbesondere dann gegeben sind, wenn ein Verhalten eines Verfahrensbeteiligten vorliegt, das mit der prozessualen Sorgfalt nicht zu vereinbaren ist. Davon ist auszugehen, wenn ein Beteiligter in einer nach anerkannten Beurteilungsgesichtspunkten aussichtslosen oder zumindest kaum Aussicht auf Erfolg versprechenden Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen versucht (Ströbele/Hacker § 71 Rdn 25 m.w.N.). Von einer solchen aussichtslosen Situation musste die Widersprechende im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung nicht ausgehen.

Die Waren, für die die beiderseitigen Marken eingetragen sind, sind identisch bzw hochgradig ähnlich. Die Marken "FRUTTA VIVA" und "Frutavital" sind nicht völlig unähnlich. Somit war die Frage der Verwechslungsgefahr zwischen den Marken zumindest diskussionsfähig und durfte im Wege der Beschwerde zur Nachprüfung gestellt werden. Zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung war zudem die Benutzung der Widerspruchsmarke noch nicht bestritten.

Die nach dem Bestreiten der Benutzung von der Widersprechenden zu deren Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen betrafen seinerzeit den in § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG bestimmten Zeitraum. Die Rechtsfrage, ob die glaubhaft gemachte Abverkaufsmenge im Rahmen eines Testverkaufs ihrem Umfang nach rechtserhaltend war, durfte die Widersprechende unter Berücksichtigung der zum notwendigen Umfang von Testverkäufen ergangenen Rechtsprechung (z.B. BGH GRUR 1978, 642 - Silva; GRUR 1986, 168 - Darcy) ohne Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten zur Entscheidung stellen.

Die Widersprechende hat auch in der Folge nicht versucht, ihren Anspruch auf Schutzverweigerung für die angegriffene Marke in einer aussichtslosen Situation weiterzuverfolgen. Vielmehr hat sie auf den in Folge des "wandernden" Benutzungszeitraumes eingetretenen Umstand, dass die von ihr vorgelegten, das Jahr 1998 betreffenden Benutzungsunterlagen im Jahre 2004 zur Glaubhaftmachung nicht mehr ausreichten, nach dem Erhalt der Ladung zur mündlichen Verhandlung im Dezember 2003, sofort mit der Rücknahme ihres Widerspruchs reagiert und damit die Entstehung weiterer Kosten, z.B. in Folge einer mündlichen Verhandlung, noch rechtzeitig verhindert. Der Kostenauferlegungsantrag der Widersprechenden kann daher insgesamt keinen Erfolg haben.

Kraft Eder Reker Pü






BPatG:
Beschluss v. 19.05.2004
Az: 26 W (pat) 257/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/7263e5030344/BPatG_Beschluss_vom_19-Mai-2004_Az_26-W-pat-257-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share