Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Juni 2003
Aktenzeichen: 24 W (pat) 182/02

(BPatG: Beschluss v. 10.06.2003, Az.: 24 W (pat) 182/02)

Tenor

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen, soweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 31 207 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 151 694 angeordnet worden ist.

Hinsichtlich der Teillöschung der angegriffenen Marke aufgrund der Widersprüche aus den Marken 395 45 503 und 395 45 502 ist die Beschwerde derzeit gegenstandslos.

Gründe

I.

Die Wortbildmarke Grafik der Marke 39731207.5 ist für die Dienstleistungen

"Versicherungswesen; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege, Dienstleistungen auf dem Gebiet der Medizin"

unter der Nummer 397 31 207 in das Register eingetragen worden.

Dagegen haben die Inhaberin der für die Waren und Dienstleistungen

"Druckschriften, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher; Unterrichtsmittel in Form von Druckereierzeugnissen; Aufstellen von Statistiken, Ermittlung von Geschäftsangelegenheiten, Marktforschung und Marktanalyse, Unternehmensberatung, betriebswirtschaftliche Beratung, Vervielfältigung von Dokumenten; Buchführung für Kunden; Nachforschung in Geldangelegenheiten, Kreditberatung; Sammeln und Liefern von Nachrichten; Verteilen von Waren zu Werbezwecken; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"

eingetragenen Wortmarke 1 151 694 MEDILINE sowie die Inhaberin der beiden Wortmarken 395 45 503 MEDLINE und 395 45 502 MEDONLINE, die ua jeweils für die Dienstleistungen "Beratung über Versicherungs-, Geld- und Immobiliengeschäfte" eingetragen sind, Widerspruch erhoben.

Mit Beschluß vom 8. Juli 2002 hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einer Beamtin des höheren Dienstes, die teilweise Löschung der angegriffenen Marke 397 31 207 für die Dienstleistungen "Versicherungswesen" aufgrund der Widersprüche aus den Marken 1 151 694, 395 45 503 und 395 45 502 wegen jeweils insoweit bestehender Verwechslungsgefahr im Sinn des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG angeordnet. Im übrigen hat sie die Widersprüche zurückgewiesen.

Zur Begründung ist in bezug auf den Widerspruch aus der Marke 1 151 694 "MEDILINE" im wesentlichen ausgeführt, daß sich die Vergleichsmarken aus den identischen Begriffen "Medi" und "Line" zusammensetzten. Die zusätzlichen Bildelemente der angegriffenen Marke seien so unauffällig, daß sie auch den ähnlichen schriftbildlichen Eindruck mit der Widerspruchsmarke nicht beseitigen könnten. Im Hinblick auf die zwischen den Dienstleistungen "Versicherungswesen" und der für die ältere Marke geschützten Dienstleistung "Kreditberatung" bestehenden Ähnlichkeit sei, unter Berücksichtigung durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, die Gefahr klanglicher und schriftbildlicher Verwechslungen zu bejahen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt, soweit darin die Löschung der angegriffenen Marke wegen der Widersprüche angeordnet worden ist. Sie ist der Auffassung, daß kein Löschungsgrund im Sinn des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG vorliegt. Mit der Widerspruchsmarke 1 151 694 "MEDILINE" sei die angegriffene Marke zwar klanglich identisch, wegen der andersartigen drucktechnischen Gestaltung bestehe jedoch schriftbildlich keine Verwechslungsgefahr. Auch seien die Dienstleistungen "Versicherungswesen" und "Kreditberatung" nicht so ähnlich, daß eine Verwechslungsgefahr zu befürchten sei. Zwar bestehe zwischen der Versicherungs- und der Finanzbranche eine gewisse Nähe, der Bereich der Kreditberatung und der des Versicherungswesens unterschieden sich aber grundsätzlich und erheblich.

Die Widersprechende aus der Marke 1 151 694 hat sich, ebenso wie die Widersprechende aus den Marken 395 45 503 und 395 45 502, nicht zu der Beschwerde geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke ist in der Sache unbegründet, soweit sie sich gegen die in dem angefochtenen Beschluß angeordnete Teillöschung der Marke 397 31 207 aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 151 694 richtet. Auch nach Auffassung des Senats besteht zwischen der angegriffenen Marke und der Marke 1 151 694 in bezug auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen "Versicherungswesen" die Gefahr von Verwechslungen gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke. Insoweit kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (st Rspr; vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 389 "Sabèl/Puma", GRUR 1998, 922, 923 "CANON", BGH GRUR 2000, 506, 508 "ATTACHÉ/TISSERAND"; GRUR 2001, 507, 508 "EVIAN/REVIAN"; GRUR 2002, 542, 543 "BIG").

Die Vergleichsmarken sind klanglich und begrifflich identisch und weisen auch in ihrem schriftbildlichen Eindruck, wie die Markenstelle zutreffend festgestellt hat, nur geringfügige Unterschiede auf. Insbesondere dann, wenn man bei der älteren Wortmarke eine verkehrsübliche Wiedergabeform in Kleinschreibung berücksichtigt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 77), weisen die Marken ein fast übereinstimmendes Wortbild auf ("mediLine"/"mediline"), demgegenüber der Fettdruck des vorderen Wortbestandteils "medi-" in der angegriffenen Marke, vor allem aus der oft unsicheren Erinnerung heraus, ein nur wenig auffallendes Unterscheidungsmerkmal bietet. Abgesehen davon genügt zur Begründung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck die Annäherung der Marken in einer Richtung, dh in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht (st Rspr, vgl ua EuGH GRUR 1998, 387, 390 "Sabel/Puma"; GRUR Int 1999, 734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 1999, 733, 735 "LION DRIVER"), so daß auch ein hinreichend verschiedenes Schriftbild eine auf der Ähnlichkeit bzw Identität des Klangbildes beruhende Verwechslungsgefahr nicht ausschließen könnte.

Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß der älteren - ebenso wie im übrigen der jüngeren - Marke wegen des deutlich zutage tretenden beschreibenden Begriffsanklangs an eine medizinische Produktlinie im Vergleich zu einer normal kennzeichnungskräftigen Fantasiewortmarke eine gewisse Kennzeichnungsschwäche innewohnt, bestünde im Hinblick auf die fast identischen Marken grundsätzlich auch noch im Bereich etwas entfernter ähnlicher Waren oder Dienstleistungen die Gefahr von beachtlichen Verwechslungen.

Eine dem genügende verwechslungsbegründende Ähnlichkeit der beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen "Versicherungswesen" mit den für die widersprechende Marke geschützten Dienstleistungen "Kreditberatung" sowie außerdem "Nachforschung in Geldangelegenheiten" ist hier aber klar zu bejahen.

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sind bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen, insbesondere die Art und Beschaffenheit der Waren und Dienstleistungen, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenheit als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen (vgl ua EuGH GRUR 1998, 922, 923 "CANON"; BGH GRUR 1999, 731, 732 "Canon II"; MarkenR 1999, 93, 94 "TIFFANY"; BlPMZ 2001, 212, 214 "EVIAN/REVIAN"; BPatG BlPMZ 2002, 291, 293 "ASTRO BOY/Boy"). Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Dienstleistungen "Versicherungswesen" der angegriffenen Marke als - durchschnittlich - ähnlich mit der für die Widerspruchsmarke registrierten Dienstleistung "Kreditberatung" sowie auch mit der Dienstleistung "Nachforschung in Geldangelegenheiten" anzusehen. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung, wonach "Versicherungswesen" regelmäßig als ähnlich mit verschiedenen Finanzdienstleistungen" bewertet wird, so mit der "Ausgabe von Kreditkarten", mit "Finanzdienstleistungen", mit der "Vermittlung von Fondsanteilen" und der "Finanzierungsvermittlung" (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl , S 397 m Nachw a d Rspr). Auch die vorliegenden Finanzdienstleistungen "Kreditberatung" und "Nachforschung in Geldangelegenheiten" werden häufig von Unternehmen angeboten und erbracht, die zugleich Dienstleistungen auf dem Gebiet des "Versicherungswesens" erbringen, so etwa Kreditberatung von Versicherungsunternehmen im Rahmen der Absicherung bzw Kreditfinanzierung durch (Kapital-) Lebensversicherungen oder die Nachforschung in Geldangelegenheiten von Versicherungsunternehmen im Zusammenhang mit der Auszahlung von Versicherungen oder der Risikobewertung vor dem Abschluß von Versicherungen.

Die Markenstelle hat mithin zu Recht bezüglich der Dienstleistungen "Versicherungswesen" eine beachtliche klangliche wie auch schriftbildliche Verwechslungsgefahr mit der Widerspruchsmarke 1 151 694 bejaht und insoweit die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke muß daher erfolglos bleiben.

2. Nachdem die in dem angefochtenen Beschluß angeordnete teilweise Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 151 694 Bestand hat, ist die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hinsichtlich der in demselben Umfang auch aufgrund der Widersprüche aus den Marken 395 45 503 und 395 45 502 angeordneten Teillöschung derzeit gegenstandslos.

3. Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß, gemäß § 71 Abs 1 MarkenG einer der Beteiligten aus Gründen der Billigkeit die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 10.06.2003
Az: 24 W (pat) 182/02


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