Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 25. Juli 2008
Aktenzeichen: 5 U 52/07

(OLG Hamburg: Urteil v. 25.07.2008, Az.: 5 U 52/07)

Tenor

Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21.2.2007, Az. 308 O 791/06, im Kostenpunkt geändert und wie folgt gefasst:

Von den Kosten des Erlassverfahrens haben die Antragstellerin 7/15 und der Antragsgegner 8/15 nach einem Streitwert von Euro 75.000,- zu tragen. Von den Kosten des Widerspruchsverfahrens haben die Antragstellerin 1/3 und der Antragsgegner 2/3 nach einem Streitwert von Euro 60.000,- zu tragen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen;

und beschließt:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf Euro 40.000,- festgesetzt.

Gründe

I .

Die Parteien streiten über den Bestand der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 7.12.2006 in der Fassung des Urteils vom 21.2.2007 (Az. 308 O 791/06), mit der dem Antragsgegner untersagt worden ist, Musikaufnahmen öffentlich zugänglich zu machen.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen der Tonträgerindustrie und Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte des Tonträgerherstellers und der ausübenden Künstler an den Musikaufnahmen der Künstlergruppe "Ich & Ich" auf dem Album "Ich & Ich" (Titel: "Ich & Ich", "Felsen im Meer", "Dienen", "Du erinnerst mich an Liebe", "Fenster", "Umarme mich", "Wo die Liebe hinfällt", "Der Wind", "Wie konnte das passieren", "Ich sehe was, was du nicht siehst", "Ich hab€ gehört" und "Geht€s dir schon besser").

Der Antragsgegner betreibt im Internet unter der URL http://www...de einen als "S...T... D... D... N.. R ..." bezeichneten Musikdienst. Es handelt sich hierbei um ein Angebot, bei dem Tonaufnahmen im sog. Streaming-Verfahren für Dritte, die bei ihm ein Abonnement unterhalten, hörbar gemacht werden. Dem Abonnenten des Musikdienstes ist es möglich, sich ein Musikprogramm nach seinen Wünschen zusammenzustellen. Er kann Musikalben, die vom Antragsgegner in den Internetauftritt eingestellt wurden, sowie die einzelnen Titel dieser Alben jederzeit individuell abrufen und zu eigenen Playlisten zusammenstellen. Der Abonnent kann sein persönliches Programm innerhalb des bezahlten Nutzungszeitraumes zu einer Zeit und von einem Ort seiner Wahl aus abrufen und im Streaming-Verfahren anhören. Seit dem 22.11.2006 ist die "StayTuned Version 7" online, welche dem Nutzer auch sogenannte "Leihdownloads" ermöglicht (Newsletter des Antragsgegners vom 22.11.2006, vorgelegt als Anl ASt. 2).

Bereits seit dem 2.6.2005 stehen die genannten Titel der Gruppe "Ich & Ich" im Programm des Antragsgegners. Zum Jahresende 2005 war es zu einer Korrespondenz zwischen den Parteien gekommen, in der es um die Berechtigung des Antragsgegners gegangen war, Titel, an denen die Antragstellerin Rechte innehat, zum "Streaming on demand" anzubieten (Anl AG 1 € AG 3); die streitgegenständlichen Titel der Gruppe "Ich & Ich" waren hierbei nicht genannt worden.

Das Landgericht Hamburg hat € unter Zurückweisung eines auf Auskunft gerichteten Antrags - auf entsprechenden Antrag der Antragstellerin am 7.12.2006 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der dem Antragsgegner bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, die genannten Titel der Künstler "Ich & Ich", die auf dem Album "Ich & Ich" enthalten sind, drahtgebunden oder drahtlos öffentlich zugänglich zu machen. Hiergegen hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt, worauf das Landgericht Hamburg die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe bestätigt hat, dass mit dem Tenor zu I. eine Nutzung der genannten Musikaufnahmen verboten wird, wie sie unter der Internetadresse http://www...de mit der StayTuned Version 7 gemäß Anlage zum Urteil geschehen ist. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit seiner Berufung will der Antragsgegner eine Aufhebung des Verbotes erreichen. Zur Begründung wiederholt und vertieft er zunächst seine bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente. Es fehle bereits an der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg, da ein angeblich rechtswidriges Verhalten am "Server-Standort" beanstandet werde. Auch fehle es € u.a. im Hinblick auf die Korrespondenz der Parteien vom Ende 2005 - am Verfügungsgrund für den Erlass der einstweiligen Verfügung. Eine öffentliche Zugänglichmachung könne nicht mehr verboten werden, wenn die jeweiligen Tonträger bereits öffentlich zugänglich gemacht seien; bei einer Zweitverwertung der vorliegenden Art werde nur ein Vergütungsanspruch ausgelöst. Der Antragsgegner trägt in diesem Zusammenhang vor, wo die streitgegenständlichen Aufnahmen bereits öffentlich zugänglich gemacht worden seien (Anl Bf 1 € Bf 6); dies ist unstreitig. Mit dem von ihm genutzten Verfahren würden zudem Aufnahmen der ausübenden Künstler nicht dauerhaft vervielfältigt, sondern lediglich über den PC des Nutzers wahrnehmbar gemacht, es werde mithin alleine die aufgenommene Darbietung zugänglich gemacht. Der Tonträgerhersteller habe lediglich insoweit ein ausschließliches Recht, als der Tonträger in Form einer Musikdatei zur dauerhaften Speicherung durch den Nutzer als Download bereit gehalten werde. Er € der Antragsgegner € habe zudem mit rechtmäßig erworbenen Elementen ein Datenbankwerk geschaffen, hinsichtlich dessen ihm das ausschließliche Recht der öffentlichen Zugänglichmachung zustehe. Die Antragstellerin verhalte sich im Hinblick auf parallele Verfügungsverfahren auch rechtsmissbräuchlich. Erstmals in der Berufungsinstanz bestreitet der Antragsgegner zudem die Aktivlegitimation der Antragstellerin. Schließlich hat der Antragsgegner eine Aussetzung des Rechtsstreites gemäß § 148 ZPO bis zum Ende einer von ihr veranlassten Prüfung des DPMA beantragt; die Antragstellerin sei eine Wahrnehmungsgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 4 UrhWG, verfüge aber nicht über die hierfür erforderliche Erlaubnis des DPMA.

Der Antragsgegner beantragt ,

1. das Urteil des Landgerichts Hamburg mit der Geschäftsnummer 308 O 791/06, verkündet am 21.2.2007 abzuändern,

2. die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg, 8. Zivilkammer, 308 O 791/06, durch Beschluss vom 7.12.2006, aufzuheben,

3. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Antragstellerin / Berufungsgegnerin vom 5.12.2006 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt ,

die Berufung des Antragsgegners zurückzuweisen.

Die Antragstellerin verteidigt die einstweilige Verfügung und wiederholt hierzu ihre erstinstanzlich vorgebrachten Argumente.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II .

Die Berufung des Antragsgegners ist zulässig, insbesondere kann die Rüge örtlicher Unzuständigkeit in der Berufungsinstanz nicht mehr erhoben werden (§ 513 Abs.2 ZPO). Die Berufung ist aber weitgehend unbegründet.

1. Der Antragsgegner kann nicht mit Erfolg einwenden, dass die Antragstellung rechtsmissbräuchlich sei. Die Vorschrift des § 8 Abs.4 UWG ist eine Spezialvorschrift des Wettbewerbsrechts und auf urheberrechtliche Ansprüche nicht übertragbar. § 8 Abs.4 UWG schützt die von einer Abmahnung oder Klage Betroffenen und mittelbar auch die Gerichte vor missbräuchlicher Inanspruchnahme, weil ein Wettbewerbsverstoß eine Vielzahl von Unterlassungsansprüchen unterschiedlicher Personen und Verbände auslösen kann, was den Anspruchsgegner insbesondere durch Mehrfachabmahnung und Mehrfachklage in erheblichem Maße belasten kann (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 8 UWG Rz.4.2). Hierdurch kann aber das in Deutschland bewährte System der Rechtsdurchsetzung durch Mitbewerber und Verbände anstelle durch Verwaltungsbehörden in Misskredit und Gefahr geraten (vgl. BGH GRUR 2002, 357, 358 - Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Der § 8 Abs.4 UWG stellt daher gerade für das Wettbewerbsrecht ein Korrektiv gegenüber dieser weit gefassten Anspruchsberechtigung dar (Hefermehl / Köhler / Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 26. Aufl., § 8UWG Rz.4.2). Im Urheberrecht hingegen kann zwar auch eine Vielzahl von Unterlassungsansprüchen erhoben werden, diese resultieren dann € wie hier € aber stets aus der massenweisen Verletzung jeweils individueller eigentumsähnlich geschützter ausschließlicher Rechtspositionen; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb derartige Verletzer in gleicher Weise vor einer massenweisen Inanspruchnahme geschützt sein sollten, wie dies für den Bereich des Wettbewerbsrechts aus den dargelegten Gründen angezeigt ist. Die wettbewerbsrechtliche Rechtsprechung insbesondere zu missbräuchlichen Mehrfachverfolgungen ist daher auf das Urheberrecht nicht übertragbar.

Dementsprechend müsste der Antragsgegner darlegen und glaubhaft machen, dass sich die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs durch die Antragstellerin nach allgemeinen Grundsätzen als rechtsmissbräuchlich darstellt. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin in diesem Sinne sind indes weder ersichtlich noch dargelegt. Die Antragstellerin war insbesondere nicht notwendigerweise gehalten, Unterlassungsansprüche wegen der Verletzung ihrer Rechte an den Aufnahmen anderer Künstler im selben Verfahren geltend zumachen. Es ist hier kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass das Vorgehen der Antragstellerin alleine dem Zweck dient, die Kostenlast für den Antragsgegner zu erhöhen, vielmehr kann es bei Ansprüchen, die aus der Verletzung von Rechten resultieren, die von verschiedenen Urhebern herrühren, gerade geboten sein, Unterlassungsansprüche in separaten Verfahren geltend zu machen.

2. Der Antragstellerin steht der im angegriffenen Urteil zugesprochene Unterlassungsanspruch zu (a.). Es fehlt auch nicht an einem Verfügungsgrund (b.). Allerdings sind der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu einem größeren Teil aufzuerlegen (c.).

a. Die Antragstellerin hat gemäß §§ 97 Abs.1, 85, 77, 19a UrhG einen Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner.

aa. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners fehlt es nicht an einer Aktivlegitimation der Antragstellerin. Zumindest prozessual ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin aus abgeleitetem Recht Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte sowohl der Tonträgerhersteller als auch der ausübenden Künstler an den streitgegenständlichen Aufnahmen aus dem Album "Ich & Ich" ist. Die vom Antragsgegner erstmals in der Berufung hiergegen erhobenen Einwendungen sind verspätet und gemäß § 531 ZPO zurückzuweisen; entgegen der Behauptung des Antragsgegners in der Berufungsbegründung war die Rechteinhaberschaft der Antragstellerin in erster Instanz keineswegs bestritten worden, weshalb das Landgericht diese im angegriffenen Urteil zu Recht im Tatbestand als unstreitig bezeichnet hat. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin in einer jedenfalls für das Verfügungsverfahren ausreichenden Weise glaubhaft gemacht hat, dass ihr die genannten Rechte ausschließlich zustehen, indem sie eine eidesstattliche Versicherung des Herrn J... H... vom 5.12.2006 vorgelegt hat, nach der die streitgegenständlichen Aufnahmen von den Künstlern und Produzenten H..., E. T... und F...hergestellt und deren Rechte als Tonträgerhersteller und ausübende Künstler per Bandübernahmevertrag vom 10.12.2003 auf die Antragstellerin übertragen wurden (Anl ASt 11). Der Antragsgegner hat keinerlei Glaubhaftmachungsmittel vorgelegt, die dem entgegenstehen, und auch nicht die Glaubhaftigkeit dieser Erklärung erschüttert, sondern nur moniert, dass die eidesstattliche Versicherung präziser hätten formuliert werden können; dem insoweit klarstellenden Vortrag der Antragstellerin in der Berufungsinstanz, dass die Künstler H...und E. T... die streitgegenständlichen Musikaufnahmen zusammen mit dem weiteren Produzenten F... produziert haben, ist der Antragsgegner dann nicht mehr entgegen getreten.

bb. Streitgegenständlich ist in der Berufung nur die Fassung des Verbotes gemäß dem Urteil vom 21.2.2007. Hierdurch wurde der Tenor des Verbotes vom 7.12.2006 insoweit konkretisiert, als der Tenor nunmehr einen ausdrücklichen Bezug auf das Internetangebot des Antragsgegners, einen Bezug auf eine bestimmte Version des vom Antragsgegner benutzten Programms und eine Bezugnahme auf die dem Tenor beigefügte Anlage enthält, wodurch die Reichweite des Verbotes erheblich eingeschränkt wurde (s. dazu unten, Ziff. 2.c.). Die vom Antragsgegner im Hinblick auf die Bestimmtheit dieses Tenors € wie auch des in der einstweiligen Verfügung vom 7.12.2006 - geäußerten Bedenken greifen nicht durch. Der Anspruch der Antragstellerin ist jeweils auf eine Untersagung des "öffentlich Zugänglichmachens" der streitgegenständlichen Titel gerichtet. Zwar entspricht die demnach untersagte Handlung insoweit einem Teil des Wortlautes der Vorschrift des § 19a UrhG. Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut eines Gesetzes wiederholen oder den Verbotsgegenstand so abstrakt wie ein gesetzlicher Tatbestand umschreiben, sind nur ausnahmsweise als hinreichend bestimmt und damit zulässig anzusehen (BGH GRUR 2000, 438ff € Gesetzeswiederholende Anträge; BGH GRUR 2003, 886, 887 € Erbenermittler). Nach § 253 Abs. 2 Ziff.2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag und nach § 313 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist (BGH GRUR 2000, 438, 440 € Gesetzeswiederholende Anträge). Dies gilt aber nicht ohne Einschränkungen, namentlich dann nicht, wenn der gesetzliche Verbotstatbestand selbst bereits hinreichend eindeutig und konkret gefasst ist oder wenn der Anwendungsbereich einer Rechtsnorm durch gefestigte Auslegung geklärt ist (BGH GRUR 2003, 886, 887 € Erbenermittler). So ist etwa der Begriff "werben" nicht als unbestimmt anzusehen, denn in aller Regel wird nicht zweifelhaft sein, ob eine Maßnahme als Werbung anzusehen ist oder nicht; der Umstand, dass nicht auszuschließen ist, dass bei der Beachtung und Durchsetzung eines Verbots in Sonderfällen eine nähere Prüfung dieser Frage erforderlich sein könnte, belastet den Verbotsadressaten nicht in unzumutbarer Weise (BGH GRUR 2000, 438, 441 € Gesetzeswiederholende Anträge).

So verhält es sich hier: Der Begriff des "öffentlich Zugänglichmachens" findet sich zwar € wie gesagt € in der Vorschrift des § 19a UrhG, in aller Regel kann aber nicht zweifelhaft sein, was hiermit gemeint ist: Der Antragsteller hat es zu unterlassen, die genannten Musiktitel in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass ein unbestimmter Adressatenkreis diese anhören oder in sonstiger Weise darauf Zugriff nehmen kann. Der Antragsgegner hat dementsprechend auch nicht substantiiert behauptet, dass er nicht verstanden habe, dass ihm mit dem in Rede stehenden Verbot jedenfalls auch sein Angebot eines "Streaming" der im Einzelnen aufgeführten Musiktitel über das Internet untersagt worden ist. Vielmehr hat er seine Kritik ausdrücklich darauf gestützt, dass von dem Verbotstenor auch Handlungen erfasst seien, auf deren Unterlassung die Antragstellerin keinen Anspruch habe. Das mag sein, ist aber keine Frage der Bestimmtheit, sondern der Reichweite des Tenors und damit der Begründetheit des Antrags.

cc. Zutreffend hat das Landgericht diesen Unterlassungsanspruch der Antragstellerin bezüglich der in Rede stehenden Nutzung der Tonträger durch den Antragsgegner bejaht und aus den § 97 Abs.1 S.1 UrhG i.V.m. §§ 85, 19a UrhG hergeleitet.

aaa. Das Angebot des Antragsgegners fällt unter die Bestimmung des § 19a UrhG. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners fordert § 19a UrhG nicht, dass die Musikaufnahmen durch Herunterladen in den Besitz des Nutzers gelangen. Dies zeigt auch die systematische Einordnung des § 19a UrhG zwischen den Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrechten (§ 19 UrhG) und dem Senderecht (§ 20 UrhG). In allen Fällen geht es um Formen der öffentlichen Wiedergabe, ohne dass dem Rezipienten der Verwertungshandlung etwas verbleiben muss.

bbb. Dem Landgericht ist entgegen den Angriffen der Berufung weiter darin zuzustimmen, dass die Antragstellerin nicht lediglich auf einen Beteiligungsanspruch an der Vergütung des ausübenden Künstlers nach §§ 86 i.V.m. 78 Abs.2 UrhG zu verweisen ist.

Schon die Voraussetzungen des § 86 UrhG sind nicht erfüllt. Diese Vorschrift ist in den Fällen des § 78 Abs.2 UrhG anwendbar, wenn also der Künstler die dort angesprochene Verwertungshandlung nicht verbieten kann, weil es sich um eine Zweit- oder Drittverwertung handelt, nämlich die öffentliche Wiedergabe einer zuvor erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommenen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachten Darbietung (vgl. dazu Loewenheim/Vogel, Handbuch des UrhR, § 38 Rn.71 ff). Gegenüber einer unerlaubten öffentlichen Zugänglichmachung steht dem Künstler ebenso wie dem Tonträgerhersteller nach §§ 78 Abs.1 Nr.1, 97 Abs.1 UrhG ein Unterlassungsanspruch zu.

Die Bestimmungen der §§ 85, 86 UrhG sind in ihrer Gesamtheit zu sehen. Zwar hat der Gesetzgeber für die überwiegende Anzahl der Formen öffentlicher Wiedergabe von Aufnahmen (§§ 15 Abs.2 UrhG i.V.m. §§ 19, 20, 21 und 22 UrhG) dem Tonträgerhersteller einen bloßen Beteiligungsanspruch an dem Vergütungsanspruch des Künstlers nach § 78 Abs.2 UrhG für sog. Zweit- und Drittauswertungen eingeräumt. Für das hier einschlägige Recht der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG ist in § 85 UrhG gerade eine Sonderregelung geschaffen worden.

ccc. Der Antragsgegner hat bereits nicht dargelegt, dass er Rechte für die hier fragliche Nutzungsart erworben hat. Insbesondere kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er die Tonträger, mit denen er seinen Musikdienst bestreitet, im freien Handel erworben hat. Dadurch, dass die Tonträger mit Zustimmung der Antragstellerin in den Verkehr gelangt sind, ist nur ihr Verbreitungsrecht nach § 17 Abs.2 UrhG erschöpft, nicht aber die übrigen Rechte aus § 85 UrhG (vgl. dazu auch Loewenheim/Loewenheim, Handbuch des UrhR, § 20, Rn. 34). Für die Richtigkeit dieser Gesetzesauslegung spricht auch § 17 Abs. 2, 3 UrhG, wonach die Erschöpfungswirkung nicht die gewerbliche Vermietung von Tonträgern erfasst. Die gewerbliche Nutzung der Tonträger durch den Antragsgegner, der den Abonnenten ein Hören von Tonaufnahmen gegen Entgelt ermöglicht, ohne dass die Aufnahmen endgültig in ihren Besitz gelangen, kommt einer Nutzung durch gewerbliche Vermietung von Aufnahmen jedenfalls nahe. Demnach kommt es entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht darauf an, ob bei der hier alleine angegriffenen Verwertungsform der öffentlichen Zugänglichmachung, wie sie der Antragsgegner vornimmt, der Nutzer Dateien zum Verbleib auf seinem Rechner herunter lädt.

Soweit sich der Antragsgegner nunmehr darauf beruft, dass ihm der Schutz des Datenbankherstellers zustehe, ist dieser Vortrag ebenfalls verspätet und gemäß § 531 ZPO zurückzuweisen. Abgesehen davon würden ihm derartige Leistungsschutzrechte auch nicht das Recht geben, seinerseits die Leistungsschutzrechte Dritter zu verletzen (vgl. auch § 4 Abs.1 UrhG). Im Übrigen hat der Antragsgegner die Voraussetzungen für den Schutz eines Datenbankherstellers nach § 87a UrhG nicht mit Tatsachen substantiiert vorgetragen.

ddd. Schließlich streitet für den Antragsgegner auch nicht die Schutzschranke des § 44a UrhG. Hierbei handelt es sich um eine ausschließlich technisch bedingte Schrankenbestimmung, mit der etwa die Speicherung von Daten auf dem Rechner eines Access-Providers erfasst werden soll oder die Zwischenspeicherung von bereits aufgerufenen Netzinhalten auf dem Server eines Anbieters (Löwenheim/Götting, Handb. des UrhR, § 31 Rn.168 ff.). Der Antragsgegner hält die Tonaufnahmen entgegen § 44a UrhG nicht flüchtig oder begleitend, sondern zur dauerhaften Nutzung durch die Abonnenten seines Musikdienstes gespeichert und diese Speicherung ist auch nicht ausschließlich technisch bedingt und ohne eigenständige wirtschaftliche Bedeutung, wie es § 44a UrhG verlangt, sondern Grundlage einer gewerblichen Tätigkeit, die sich der Antragsgegner bezahlen lässt.

eee. Die für einen Unterlassungsanspruch nach § 97 Abs. 1 UrhG erforderliche Wiederholungsgefahr ist durch die erfolgte Verletzung der urheberrechtlichen Belange der Antragstellerin begründet; der Antragsgegner hat diese Gefahr nicht ausgeräumt, da er die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung abgelehnt hat.

b. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners liegt ein Verfügungsgrund vor. Die Antragstellerin hat durch ihr Verhalten nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie die Angelegenheit als so wenig dringlich ansieht, dass sie auf ein Hauptsacheverfahren zu verweisen wäre. Zwar hatte sich unstreitig ein Mitarbeiter der Antragstellerin bereits Ende 2005 an den Antragsgegner gewandt und Zweifel an dessen Berechtigung angemeldet, Repertoire der Antragstellerin in seinem Angebot bereit zu halten (Anl AG 1 € AG 3). Ebenso ist unstreitig, dass sich das Album "Ich & Ich" mit den streitgegenständlichen Titeln seit dem 2.6.2005 im Onlineangebot des Antragsgegners befindet, der Antrag auf Erlass der angegriffenen einstweiligen Verfügung aber erst am 7.12.2006 bei Gericht einging. Dies steht indes der Annahme eines Verfügungsgrundes im Sinne der § 935 ZPO nicht entgegen. Das Landgericht hat bereits im Beschluss vom 29.1.2007 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin Kenntnis von der konkreten Verletzung erst nach dem 22.11.2006 erlangt und danach die Sache mit der gebotenen Dringlichkeit behandelt hat. Auch der Antragsgegner behauptet nicht, dass die Antragstellerin bereits im Dezember 2005 Kenntnis davon erlangt hatte, dass ihre Verwertungsrechte gerade an den streitgegenständlichen Titeln durch das Angebot des Antragsgegners verletzt wurden. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin schon seinerzeit das gesamte Angebot des Antragsgegners auf mögliche Verletzungen ihrer Rechte überprüft hat, sind nicht ersichtlich, vielmehr handelt es sich bei der E-Mail der Antragstellerin vom 21.12.2005 (Anl AG 1) um eine allgemeine Anfrage ohne Bezug zu irgendwelchen konkreten Titeln. Der Antragsgegner hat auch nicht behauptet, dass die Antragstellerin schon im Dezember 2005 Kenntnis von der Verletzung ihrer hier in Rede stehenden Rechte erlangt habe. Die Darlegung der Antragstellerin, dass sie wegen der unstreitigen Einführung der "StayTuned Version 7" am 22.11.2006 Anlass gehabt habe, das Angebot des Antragsgegners eingehend zu überprüfen, ist plausibel. Unstreitig wurde damit erstmals die Möglichkeit angeboten, die angebotenen Titel nunmehr auch (befristet) herunterzuladen, so dass eine weitere und umfassendere Verletzung von Rechten der Antragstellerin drohte. Die Antragstellerin war auch nicht verpflichtet, das gesamte Angebot des Antragsgegners sogleich auf jegliche denkbare Verletzung ihrer Rechte durchzusehen.

c. Allerdings hat die Berufung des Antragsgegners insoweit zum Teil Erfolg, als sie sich gegen die Kostenentscheidung im angegriffenen Urteil wendet. Das Urteil des Landgerichts enthält eine versteckte teilweise Aufhebung der einstweiligen Verfügung und insoweit eine Zurückweisung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung, so dass der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens erster Instanz wie aus dem Tenor ersichtlich anteilig aufzuerlegen sind. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war auf das Verbot gerichtet, die streitgegenständlichen Musikaufnahmen "drahtgebunden oder drahtlos öffentlich zugänglich zu machen"; entsprechend lautete der Tenor der einstweiligen Verfügung vom 7.12.2006. Damit enthielt der Tenor zunächst keinerlei Einschränkung in Bezug auf den Weg des öffentlich Zugänglichmachens, auch nicht € anders als im angegriffenen Urteil dargestellt € auf ein öffentlich Zugänglichmachen über das Internet. Dieser Verbotstenor wurde indes durch das Urteil vom 21.2.2007 in gleich dreifacher Hinsicht eingeschränkt: Zunächst wurde nunmehr nicht nur eine Untersagung auf ein öffentlich Zugänglichmachen über das Internet beschränkt, sondern auch auf die konkret benannte Internetseite "www...de". Zudem wurde das Verbot auf solche Vorgänge des öffentlich Zugänglichmachens eingeschränkt, die mit der Programmversion "StayTuned Version 7" erfolgen. Und schließlich wurde letzteres durch die Bezugnahme auf die Anlage zum Urteil € die den Newsletter des Antragsgegners an seine Kunden mit den Informationen zu den Änderungen, die diese Programmversion mit sich bringt (= Anl ASt 2) € auf die konkrete Verletzungsform durch eben diese Version bezogen. Damit reichte das Verbot deutlich weniger weit, als es die Antragstellerin beantragt und die Kammer zunächst erlassen hatte, zumal nach dem Wortlaut des ursprünglichen Verbotes auch etwa das Ausstrahlen der genannten Titel als Radioprogramm verboten worden sein kann; die Einschränkung, die der Begriff "öffentlich Zugänglichmachen" in § 19a UrhG durch das Erfordernis erfährt, dass das Werk den Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist, findet sich im Verbotstenor nicht wieder. Durch die im angegriffenen vorgenommenen "Klarstellungen" und insbesondere durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform ist die Reichweite des Verbotes aber auch insoweit eingeschränkt worden. Ob diese Einschränkung zu Recht erfolgte, kann dahinstehen, da sich die Antragstellerin hiergegen nicht gewandt hat; allerdings dürfte hinsichtlich des ursprünglich weiter gehenden Verbotes jedenfalls nicht vollen Umfangs die Gefahr einer konkreten Rechtsverletzung vorgelegen haben. Den Anteil des Unterlegens der Antragstellerin durch diese Teilaufhebung / Antragszurückweisung bewertet der Senat mit einem Drittel des Wertes des Unterlassungsanspruchs. Insoweit waren die Kostenentscheidungen erster Instanz sowohl für Erlass- wie auch Widerspruchsverfahren den sich hieraus ergebenden Anteilen des Obsiegens und Unterliegens anzupassen.

2. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus §§ 97, 92 Abs.2 Ziff.1 ZPO.

3. Eine Aussetzung des Rechtsstreites gemäß § 148 ZPO im Hinblick auf die vom Antragsgegner veranlasste Prüfung des DPMA kommt nicht in Betracht. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin als Wahrnehmungsgesellschaft bzw. Verwertungsgesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 4 UrhWG anzusehen ist, sind nicht ersichtlich; eine den Verwertungsgesellschaften vergleichbare treuhänderische Stellung hat die Antragstellerin nicht inne; im Ergebnis würde die Rechtsansicht des Antragsgegners dazu führen, dass nahezu jedes verlegerisch tätige Unternehmen als eine Verwertungsgesellschaft im Sinne des UrhWG anzusehen wäre, wenn es sich die Rechte mehrerer Urheber zur Auswertung übertragen lässt.

III .

Die Festsetzung der Streitwerte erfolgt gemäß § 3 ZPO. Im Widerspruchsverfahren war alleine der € im Umfang noch uneingeschränkte - Unterlassungsanspruch der Antragstellerin im Streit, da das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hinsichtlich der begehrten Auskunft zurückgewiesen hatte; den Unterlassungsanspruch hat das Landgericht mit einem Anteil von 4/5 am Gesamtwert von Euro 75.000,- angemessen bewertet. In der Berufungsinstanz ist nunmehr nur noch der eingeschränkte Unterlassungsanspruch der Antragstellerin im Streit, wie er sich aus dem Tenor der angegriffenen Entscheidung ergibt. Entsprechend der oben genannten Unterlegensquote der Antragstellerin beträgt dessen Wert 2/3 von Euro 60.000,-, mithin Euro 40.000,-.






OLG Hamburg:
Urteil v. 25.07.2008
Az: 5 U 52/07


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