Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 24. Juni 2010
Aktenzeichen: 18 U 183/09

(OLG Köln: Urteil v. 24.06.2010, Az.: 18 U 183/09)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 13.11.2009 wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Ausgleich aus einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 31.07.2006.

Der Klägerin war bis zum 25.09.2008 mit 11.505 Aktien an der früheren T. AG beteiligt, welche später als T. Pharma AG firmierte. Diese hatte mit der Dritten D. GmbH (künftig: D.), die später in C. T. GmbH umfirmiert wurde, am 31.07.2006 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Am 02.12.2008 ist die C. T. GmbH auf die Beklagte verschmolzen worden.

In dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 31.07.2006 hatte sich die T. AG verpflichtet, sich der Leitung der D. zu unterstellen und ihren Gewinn an diese abzuführen. Zum Ausgleich garantierte die D. den außenstehenden Aktionären für die Dauer des Vertrages eine Ausgleichszahlung in Höhe von 4,80 €/Aktie für jedes volle Geschäftsjahr abzüglich der von der T. AG hierauf zu entrichtenden Abgaben (§ 4 des Vertrages). Darüber hinaus enthält der Vertrag folgende Regelungen:

"(4) Falls dieser Vertrag während eines Geschäftsjahres von T. endet … vermindert sich der Ausgleich zeitanteilig.

(5) Die Ausgleichszahlung ist jeweils am ersten Bankarbeitstag nach der

ordentlichen Hauptversammlung von T. für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig."

Die außerordentliche Hauptversammlung der C. T. AG vom 17.01.2007 hat beschlossen, die von ihren Minderheitsaktionären gehaltenen Aktien auf die C. T. GmbH als Hauptaktionärin gem. § 327a AktG gegen eine Barabfindung in Höhe von 98,98 €/Aktie zu übertragen. Dieser Beschluss wurde am 25.09.2008 in das zuständige Handelsregister eingetragen. Die Höhe der Barabfindung wurde aus der Kapitalisierung der künftigen Ausgleichszahlungen abgezinst auf den Tag des Squeeze out-Beschlusses ermittelt. Beim Landgericht Berlin (102 O 134/06 AktG) ist derzeit ein Spruchverfahren in Bezug auf die Höhe der Barabfindung anhängig.

Für das Jahr 2007 hat die C. T. GmbH die Ausgleichzahlung an die außenstehenden Aktionäre, u. a. den Kläger, geleistet. Dieser begehrt auch für das Jahr 2008 die anteilige Auszahlung des in dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag festgesetzten Ausgleichs. Er meint, dass § 4 Abs. 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages auf den Fall des Squeeze out zumindest entsprechende Anwendung finde. Dies ergebe sich bereits daraus, dass der Abfindungsbetrag nur den Verlust des Stammrechts ausgleiche, nicht aber den Verlust der Fruchtziehungsmöglichkeit.

Das Landgericht hat der Klage gegen die frühere Beklagte zu 1), die C. T. GmbH, abgewiesen und die weitere Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung wendet die Beklagte gegen das erstinstanzliche Urteil ein, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages nicht vorlägen, weil dieser durch die Eintragung des Squeeze out-Beschlusses nicht beendet worden sei. Zudem seien die künftigen, nach der Eintragung des Beschlusses liegenden Ausgleichszahlungen Maßstab für die Berechnung der Abfindung gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Köln vom 13. November 2009 (Az. 82 O 151/09) teilweise abzuändern und die Klage auch gegen die Beklagte zu 2) abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass sich der von ihm geltend gemachte Anspruch bereits aus § 4 Abs. 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages ergebe.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der geltend gemachte Anspruch auf anteiligen Ausgleich für das Jahr 2008 steht dem Kläger nicht zu. Der Senat hat die hierfür maßgeblichen Rechtsfragen bereits in dem Parallelrechtsstreit 18 U 57/09 (= II ZR 247/09) wie folgt entschieden:

"1. Der Anspruch ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 31.07.2006.

a) Ein unmittelbarer Anspruch der Klägerin aus § 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags i. V. m. § 328 BGB besteht für das Jahr 2008 nicht mehr. Aus § 4 Abs. 5 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, wonach der Anspruch erst am ersten Bankarbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung 2009 fällig wird, ergibt sich, dass der Anspruch nur demjenigen zusteht, der bei Fälligkeit der Ausgleichszahlungsverpflichtung auch Aktionär ist (vgl. Bilda, in: MünchKomm-AktG, 2. Aufl., 2000, § 304 Rn 181). Bei Fälligkeit der Ausgleichszahlung für das Jahr 2008, also am Tag nach der Hauptversammlung des Jahres 2009 (§ 4 Abs. 5 des Vertrages), waren die Aktien aber bereits aufgrund des zuvor eingetragenen Squeeze out-Beschlusses auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten übergegangen (§ 327e Abs. 3 S. 1 AktG).

b) Auch aus § 4 Abs. 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages i. V. m. § 328 BGB kann kein anteiliger Ausgleichsanspruch für das Jahr 2008 zugunsten der Klägerin hergeleitet werden, da die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen. Durch den Squeeze out ist der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag nämlich nicht vorzeitig beendet worden. Deshalb geht auch der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen DAT/Altana (BGHZ 147, 108) fehl, denn dieser Fall betraf gerade einen - durch Eingliederung - beendeten Unternehmensvertrag.

Zwar endet ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, wenn die abhängige Gesellschaft in die herrschende Gesellschaft eingegliedert wird (h. M. vgl. statt aller MünchHdbGesR/Krieger, Bd. 4, 3. Aufl. 2007, § 70 Rn. 211 m. w. N.). Anders zu beurteilen sind aber die Fälle, in denen - wie hier - das herrschende Unternehmen die Anteile der Minderheitsaktionäre durch einen Squeeze out übernimmt. Hier besteht der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag fort. Die beiden Unternehmen bleiben in diesem Fall rechtlich selbständige juristische Personen, zwischen denen vertragliche Beziehungen bestehen können. Es besteht in diesem Fall auch Veranlassung zur Fortführung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages, weil nur so die Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens begründet werden kann (§ 308 AktG). Außerdem ist das Fortbestehen des Gewinnabführungsvertrages Voraussetzung für die steuerrechtliche Organschaft i. S. des § 14 Abs. 1 KStG (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., 2008, § 292 Rdnr. 38 ff.).

c) § 4 Abs. 4 des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages kann auf diesen Fall auch nicht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung angewendet werden. Zum einen dürfte es bereits an einer ausfüllungsbedürftigen Lücke des Vertrages fehlen. Die Parteien des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages haben ersichtlich bereits bei Abschluss mit der Möglichkeit gerechnet, dass die außenstehenden Aktionäre im Wege des Squeeze out auf der Gesellschaft herausgedrängt werden könnten und damit die Ausgleichspflicht diesen gegenüber entfallen würde. Der Unternehmensvertrag war von vorneherein als erste Stufe einer vollständigen Übernahme der beherrschten Gesellschaft vorgesehen. Wenn die Parteien des Unternehmensvertrages gleichwohl keine Regelung bezüglich der Ausgleichszahlung für die außenstehenden Aktionäre im Fall des Squeeze out getroffen haben, spricht das dafür, dass sie hierfür auch keine Regelung treffen wollten.

Selbst wenn man aber gleichwohl von einer Lücke im Vertrag ausgehen würde, lägen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung ist hierfür erforderlich, dass sich Anhaltspunkte für einen hypothetischen Parteiwillen finden lassen. Kommen danach mehrere gleichwertige Regelungsmöglichkeiten in Betracht, scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung aus (vgl. statt aller BGH, NJW-RR 2005, 1619, 1621). So ist es hier. Zum einen ist es denkbar, dass die Parteien den vorliegenden Fall des Squeeze out der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gleichstellen wollten und so den außenstehenden Aktionären einen vertraglichen anteiligen Ausgleichsanspruch zugebilligt hätten. Mindestens genauso gut vorstellbar ist es aber, dass die Parteien des Unternehmensvertrages- entsprechend der vom Senat geteilten herrschenden Meinung (vgl. nachfolgend II.3.)- davon ausgegangen wären, dass die bis zum Ausscheiden der Minderheitsaktionäre anteilig erworbenen Ausgleichserwartungen in die Höhe der gem. § 327 b AktG zu ermittelnden Barabfindung mit einfließen, so dass es einer weitergehenden Regelung nicht bedurfte.

2. Auch aus § 101 Nr. 2 2. HS BGB lässt sich der von der Klägerin verfolgte Anspruch nicht herleiten. Allerdings erscheint es möglich, die Ausgleichsansprüche des Aktionärs als regelmäßig wiederkehrende Erträge i. S. dieser Bestimmung anzusehen. Bei § 101 BGB handelt es sich aber um einen internen Ausgleich zwischen verschiedenen, aufeinander folgenden Fruchtziehungsberechtigten (Holch, in: MünchKomm-BGB, 5. Aufl., 2006, § 101 Rn 2 ff.; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, 2004, § 101 Rn 1). Voraussetzung für einen Innenausgleich zwischen verschiedenen Fruchtziehungsberechtigten ist aber, dass tatsächlich Früchte gezogen wurden (BGH NJW 1995, 1027, 1029 m. w. N.). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Beklagte hat keine Ausgleichszahlungen aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erhalten, die sie mit der Klägerin teilen könnte. Ihr stand der Ausgleichsanspruch für die von der Klägerin im Wege des Squeeze out erworbenen Aktien gar nicht zu. Dieser ist vielmehr durch Konfusion erloschen, denn die Beklagte war hierdurch sowohl Gläubigerin als auch Schuldnerin des Ausgleichsanspruchs.

3. Der Senat sieht im Unterschied zum Landgericht auch keine Veranlassung, aus übergeordneten Gesichtspunkten - insbesondere im Hinblick auf den durch Art. 14 GG garantierten Schutz des Eigentums - der Klägerin einen zeitanteiligen Ausgleichsanspruch zuzubilligen.

a) Die Auffassung der Klägerin, die von ihr gehaltenen Aktien seien durch den Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zu einer Art "Hybridpapier", nämlich einem Rentenpapier im Gewand einer Aktie, geworden, rechtfertigt die von ihr damit verknüpfte Schlussfolgerung, dass sie zusätzlich zur Barabfindung Anspruch auf zeitanteilige Ausschüttung der Ausgleichszahlung habe, nicht. Der Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ändert nichts an der rechtlichen Qualität der Beteiligung als Aktie. Zutreffend hat selbst der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass auch "die Börse" Aktien nicht unterschiedlich behandelt, je nach dem, ob ein Unternehmensvertrag vorliegt oder nicht. Diese rechtliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Aktien rechtfertigt es deshalb, auch den Ausgleichsanspruch und die Dividende im Wesentlichen gleich zu behandeln. Der Ausgleich tritt an die Stelle des Dividende (Hüffer, a, a. O, § 304 Rn 5; Bilda, a. a. O., § 304 Rn 9). Ebenso wie der Minderheitsaktionär für das vorangegangene Geschäftsjahr keine Dividende mehr erhält, wenn der Squeeze out-Beschluss vor der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung in das Handelsregister eingetragen wird, gibt es keinen sachlichen Grund, dem Minderheitsaktionär noch einen - anteiligen - Ausgleich für das vorangegangene Geschäftsjahr zuzubilligen. Eine solche Ungleichbehandlung von dividendenberechtigten Aktionären gegenüber solchen Aktionäre, die einen Anspruch aus Ausgleichszahlung haben, ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn die Nachteile, die der Aktionär mit Ausgleichsanspruch durch das Squeeze out erleidet, nicht in vollem Umfang durch die Barabfindung kompensiert werden würde.

In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung (OLG München ZIP 2007, 334; OLG Frankfurt, Urteil vom 26.08.2009 - 23 U 69/08 -; Stephan in K. Schmidt/Lutter, a. a. O., § 304 Rn. 43; Tebben, AG 2003, 600, 604 ff; aA Dreier/Riedel, BB 2009, 1822, 1827 f.) geht der Senat davon aus, dass die der Klägerin aufgrund des Squeeze out gemäß § 327a AktG zustehende Barabfindung nicht nur den Verlust des Stammrechts, sondern auch den damit verbundenen Verlust des Fruchtziehungsrechtes für das jeweils laufende Geschäftsjahr, in dem der Beschluss eingetragen wird, kompensieren muss, so dass auch insoweit ein vermögensmäßiger Nachteil des hinausgedrängten Aktionärs nicht besteht. Die den ausscheidenden Aktionären zu gewährende Barabfindung muss gemäß § 327a AktG "angemessen" sein. Angemessenheit liegt aber nur vor, wenn in die Berechnung der Barabfindung sämtliche Nachteile einfließen, die der ausscheidende Aktionär durch den Verlust seiner Aktien erleidet. Zu diesen Nachteilen gehört aber nicht nur der Verlust des Stammrechts, sondern auch der Verlust der Dividendenerwartung bzw. des Ausgleichsanspruchs für das zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Barabfindungsanspruchs gemäß § 327b Abs. 2 AktG laufende Geschäftsjahr und - je nach den konkreten zeitlichen Abläufen - auch für das vorangegangene Geschäftsjahr. Dies folgt ohne Weiteres daraus, dass der Aktionär aus der Barabfindung erst für die Zeit ab der Bekanntmachung der Eintragung des Übernahmebeschlusses Früchte ziehen kann, ihm aber auch für die Zeit davor eine Verzinsung des von ihm eingesetzten Kapitals zusteht.

Es ist auch nicht unmöglich, diesen über den Verlust des Stammrechts hinausgehenden Nachteil im Rahmen der Festlegung der Barabfindung zugunsten der ausscheidenden Aktionäre zu berücksichtigen. Zwar steht bei der Ermittlung der Barabfindung noch nicht fest, für welchen konkreten Zeitraum eine Entschädigung zu ermitteln ist - er kann Tage, aber auch mehr als ein Jahr betragen. Es ist jedoch möglich - und nach Auffassung des Senats auch ausreichend -den zum Zeitpunkt der Beschlussfassung konkret zu erwartenden weiteren Verlauf bis zur Bekanntmachung der Eintragung zu berücksichtigen und damit hinreichend zuverlässig abzuschätzen, welche Nachteile die ausscheidenden Aktionäre dadurch erleiden, dass sie mit Wirksamwerden des Squeeze out-Beschlusses keine Dividenden- oder Ausgleichszahlungen als Gegenleistung für die bis zu diesem Zeitpunkt erfolgte Kapitalüberlassung mehr erhalten werden. Es besteht auch keine Veranlassung, diese Entscheidung abzuwarten, denn entweder ist die Barabfindung bereits angemessen oder es wird eine angemessene Barabfindung festgesetzt werden. Der eine wie der andere Fall kann nicht dazu führen, dass die Klägerin in diesem Rechtsstreit Erfolg hat.

Die Frage, ob dem bei der Festsetzung der Barabfindung im konkreten Fall hinreichend Rechnung getragen worden ist, hat der Senat nicht zu entscheiden. Dies ist vielmehr Gegenstand des beim Landgericht Berlin anhängigen Spruchverfahrens.

b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach erlangte Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG nicht auf eine Abfindung gemäß § 305 AktG anzurechnen sind, wenn der Aktionär nachträglich noch sein Wahlrecht ausübt. Dies begründet der Bundesgerichtshof u. a. damit, dass die Ausgleichszahlung keine "Abfindung auf Raten", sondern die Verzinsung der vom Aktionär geleisteten Einlage darstelle (BGH NJW 2002, 3467, 3468). Die Ausgleichszahlung betrifft also die Entschädigung für die Überlassung des Kapitals in der Vergangenheit, die Abfindung aber die Entschädigung für den Verlust künftiger Fruchtziehungsmöglichkeiten. Aus dieser Differenzierung folgert aber auch der Bundesgerichtshof nur, dass bereits erhaltene Ausgleichzahlungen nicht auf Abfindungen anzurechnen sind, nicht aber, dass neben einer Abfindung auch noch (weitere) Ausgleichszahlungen zumindest anteilig zu leisten wären. Dieses mögliche Nebeneinander von Ausgleichszahlung und Barabfindung ist Folge der gesetzlichen Regelung in § 305 Abs. 4 AktG, die es zulässt, dass ein Abfindungsangebot u. U. auch noch nach Erhalt von Ausgleichszahlungen angenommen werden kann. Dies ist aber kein Beleg dafür, dass entgehende Ausgleichszahlungen für das laufende Geschäftsjahr nicht bereits in der Barabfindung enthalten sind.

c) Die auch vom Landgericht vertretene Auffassung, es würde eine "Zinslücke" entstehen, wenn die ausscheidenden Aktionäre keine anteilige Ausgleichszahlung für das laufende Geschäftsjahr erhielten, in dem der Sueeze out wirksam wird, teilt der Senat nicht. Sie beruht auf der Prämisse, dass der Verlust des Anspruchs auf Ausgleichszahlung für den vor dem Wirksamwerden des Squeeze out-Beschlusses liegenden Zeitraum nicht bereits durch die Barabfindung abgegolten wird, weil diese den ausscheidenden Aktionär nur für den Verlust des Stammrechts entschädigen würde. Diese trifft jedoch aus den vorstehend (II.3.a) dargelegten Gründen nicht zu."

Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der hieran vom Landgericht und dem Kläger geübten Kritik sowie der Stellungnahmen aus dem Schrifttum fest.

1a) Das Landgericht sieht einen logischen Bruch in der Argumentation des Senats, weil es meint, dass es "schon nicht möglich (sei), im Rahmen der Barabfindung zum Bewertungsstichtag zeitlich nachfolgende Ausgleichszahlungen zu berücksichtigen." Dieser Bruch besteht jedoch tatsächlich nicht. Gerade bei der verbreiteten Berechnung der Abfindung von außenstehenden Aktionären in Fällen des Vorliegens von Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträgen durch Kapitalisierung und Diskontierung der künftigen Ausgleichszahlungen - so auch in diesem Fall - wird die Barabfindung unter Berücksichtigung der zeitlich nachfolgenden Ausgleichszahlungen ermittelt. Der außenstehende Aktionär erhält als Abfindung den Wert der künftigen und ihm deshalb entgehenden Ausgleichszahlungen.

An anderer Stelle stellt das Landgericht darauf ab, dass die Ermittlung der Abfindung nach dem wahren Wert der Beteiligung zu erfolgen habe, der sich nicht aus den Ausgleichszahlungen ergebe. Die Summe der Ausgleichszahlungen könne deshalb "ebenso wie der Börsenkurs, lediglich im Sinne einer Untergrenze Berücksichtigung bei der Ermittlung der Barabfindung finden". Das zeigt aber gerade, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, bei den außenstehenden Aktionären danach zu differenzieren, ob es einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag gibt oder nicht: Wenn der außenstehende Aktionäre ohne Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag nur eine am Wert der Gesellschaft ausgerichtete Abfindung, aber nicht zusätzlich eine anteilige Dividende für das letzte Geschäftsjahr vor der Eintragung des Squeeze out-Beschlusses erhält, gibt es keinen Grund, dem Aktionär zusätzlich zur der dem Wert seiner Anteile entsprechenden Barabfindung noch eine anteilige Ausgleichszahlung zu leisten.

b) Die Auffassung des Landgerichts, dass "sich die Beklagte insoweit bereits selbst widerleg (habe), als sie für das Geschäftsjahr 2007 noch die Dividende an die Minderheitsaktionäre der C. T. Pharma AG gezahlt hat, trifft nicht zu. Solange der Squeeze out-Beschluss nicht eingetragen war, stand den außenstehenden Aktionären der Anspruch aus dem Unternehmensvertrag auf Ausgleichszahlung zu. Die Beklagte war deshalb zu der Zahlung für 2007 nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet. Die Situation ist hier nicht anders als im Fall des § 304 AktG, auf den das Landgericht in anderem Zusammenhang selbst hinweist: Wenn der außenstehende Aktionär nach Erhalt von Ausgleichszahlungen noch den Abfindungsanspruch geltend machen kann, sind die erhaltenen Ausgleichszahlungen hierauf nicht anzurechnen. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Ausgleichszahlungen die Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals in der Vergangenheit, die Abfindung aber der Ausgleich für den Entzug der künftigen Wertschöpfungsmöglichkeit darstellt.

2. Auch die Argumentation des Klägers mit dem Wortlaut § 4 Abs. 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages überzeugt den Senat nicht. Der Kläger geht von einer falschen Prämisse aus, wenn er meint, § 4 Abs. 4 des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages könne sich allein auf die sich aus § 4 Abs. 1 ergebende Verpflichtung zur Ausgleichszahlung (Vertrag zugunsten Dritter) beziehen, und kommt deshalb auch zu einem falschen Ergebnis. Die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung ist Bestandteil des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages. Wenn in § 4 dieses Vertrages deshalb von dem Vertrag - und nicht etwa von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung - die Rede ist, ist damit auch der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag gemeint. Es ist nicht erkennbar, warum die Formulierung "Dauer dieses Vertrages" in Absatz 1 nur die Verpflichtung zur Ausgleichszahlung betreffen können soll. Sie ergibt ohne Weiteres Sinn, wenn man sie auf den Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag bezieht: Solange dieser besteht, erhalten außenstehende Aktionäre eine Ausgleichszahlung. Wenn es - aus welchem Grund auch immer - keine außenstehenden Aktionäre mehr gibt, braucht auch keine Ausgleichszahlung mehr geleistet zu werden.

3. Die trotz grundsätzlicher Zustimmung zur Entscheidung des Senats im Schrifttum teilweise geäußerte Kritik an der Annahme, dass der Ausgleichsanspruch für das jeweils laufende Geschäftsjahr mit Eintragung des Squeeze out-Beschlusses durch Konfusion erlösche (vgl. Bödecker/Fink, NZG 2010, 296; Mennicke/Leyendecker, BB 2010, 1426, 1427), gibt dem Senat auch keine Veranlassung, in diesem - seine Entscheidung letztlich nicht tragenden - Punkt zu einem anderen Ergebnis zu kommen. Der Anspruch auf Ausgleichszahlung entsteht bereits mit der Eintragung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages in das Handelsregister (ebenso: Paulsen, in: MünchKomm-AktG, 3. Aufl., 2010, § 304 Rn 102), weil bereits zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen erfüllt sind. Der Umstand, dass es sich um einen betagten Anspruch handelt, ändert an seiner Entstehung - wie auch in anderen Fällen betagter Ansprüche - nichts. Soweit für die Gegenansicht auf Kommentierungen zu § 199 BGB Bezug genommen wird, wird übersehen, dass die Entstehung eines Anspruchs i. S. des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB rein verjährungsrechtlich verstanden und deshalb zusätzlich auf seine Fälligkeit abgestellt wird. Dementsprechend heißt es bei Grothe (MünchKomm-BGB, 5. Aufl., 2006, § 199 Rn 4):

"Nach wie vor ist ein Anspruch für die Zwecke des Verjährungsbeginns also regelmäßig erst im Zeitpunkt seiner Fälligkeit als entstanden anzusehen; gänzlich synonym sind die Begriffe freilich nicht."

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat lässt die Revision nicht zu. Der Bundesgerichtshof hat die grundsätzliche Bedeutung der hier streitentscheidenden Frage, ob auch nach Verlust der Aktionärsstellung durch Squeeze out noch ein anteiliger Anspruch auf Ausgleichszahlung besteht, bereits früher verneint, indem er durch Beschluss vom 28.01.2008 (II ZR 246/06) die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des OLG München ZIP 2007, 582 zurückgewiesen hat. Neue Gesichtspunkte, die nunmehr eine andere Beurteilung dieser Frage rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

V.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.657,63 € festgesetzt.






OLG Köln:
Urteil v. 24.06.2010
Az: 18 U 183/09


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