Bundespatentgericht:
Beschluss vom 20. Juli 2000
Aktenzeichen: 17 W (pat) 51/98

(BPatG: Beschluss v. 20.07.2000, Az.: 17 W (pat) 51/98)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G 11 B des Deutschen Patentamts vom 12. Februar 1998 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 39 11 692 mit folgenden Unterlagen erteilt:

Einziger Patentanspruch, Beschreibung Seiten 10 bis 36, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, ursprünglich eingereichte 11 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 10 (B).

Gründe

I.

1. Die am 10. April 1989 beim Deutschen Patentamt unter Inanspruchnahme dreier japanischer Prioritäten vom 11. April 1988 (JP P 90109, 90110 und 90111) sowie einer weiteren vom 14. Juli 1988 (JP P 176590) angemeldete Patentanmeldung P 39 11 692.1 - 53 mit der Bezeichnung

"Digitalsignal-Aufzeichnungsgerät"

wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse G11B mit Beschluß vom 12. Februar 1998 mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des (damaligen) Patentanspruchs 1 beruhe im Hinblick auf den sich aus den Druckschriften

[1] EP 0 130 091 A1

[2] DE 35 20 275 A1 ergebenden Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage des folgenden, in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patentanspruchs weiterverfolgt:

"Digitalsignal-Aufzeichnungsgerät für eine Mehrzahl von Datenarten unterschiedlicher Datenrate, mita) einer Eingabeeinrichtung (101), die Daten in Form digitaler Signale einer ausgewählten Datenart aus der Mehrzahl von Datenarten mit unterschiedlicher Datenrate aufnimmt, b) einer Aufzeichnungseinrichtung (110), die die von der Eingabeeinrichtung (101) aufgenommenen Daten auf einen Aufzeichnungsträger (119) mittels eines rotierenden Aufzeichnungskopfes aufzeichnet, c) einer Steuereinrichtung (103), die die Eingabeeinrichtung nach Maßgabe der ausgewählten Datenart ansteuert, d) einer Speichereinrichtung (104), die die von der Eingabeeinrichtung aufgenommenen Daten zwischenspeichert und die Daten zu der Aufzeichnungseinrichtung (110) ausgibt, e) einer Antriebseinrichtung (109, 113, 114), zum Antrieb des rotierenden Aufzeichnungskopfes, f) einer Schreibimpulserzeugungseinrichtung (105), die Schreibimpulse mit einer Frequenz erzeugt, die der Datenrate der aufgenommenen Daten entspricht undg) einem Frequenzteiler (108), der die Frequenz der Schreibimpulse in einem Frequenzteilungsverhältnis N teilt, das der Bitzahl der während einer Umdrehung des rotierenden Aufzeichnungskopfes aufgezeichneten Daten entspricht, und ein Ausgangssignal abgibt, mit dem die Antriebseinrichtung (109, 113, 114) die Drehzahl des Aufzeichnungskopfes einstellt, wobeih) bei Wahl einer anderen Datenart mit abweichender Datenrate in einem ersten Bereich von Datenraten die Drehfrequenz des Aufzeichnungskopfes bei konstantem N und in einem weiteren Bereich mit größeren Abweichungen der Datenraten auch das Frequenzteilungsverhältnis N durch die Steuereinrichtung (103) umstellbar sind."

(mit Korrektur offensichtlicher Schreibfehler beim Bezugszeichen 101 sowie im Merkmal h: Einfügung "in einem ersten Bereich von Datenraten" vor "die Drehfrequenz").

2. Die Anmelderin trägt vor, die Entgegenhaltung [2] betreffe ein Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät, bei dem die Bandgeschwindigkeit an die jeweilige Bitrate der aufzuzeichnenden Daten angepaßt werde. Wenn das Gerät für sehr unterschiedliche Bitraten auszulegen sei, müsse deshalb der Bandtransport in einem entsprechend weiten Bereich einstellbar sein, was aus elektronischen und mechanischen Gründen Defizite bei der Wiedergabe zur Folge hätte. Gemäß Druckschrift [1], die ein Gerät mit rotierendem Aufzeichnungskopf betreffe, werde aus eben diesen Gründen die Aufzeichnungsgeschwindigkeit konstant gehalten.

Beim angemeldeten Gegenstand, der ebenfalls mit rotierendem Aufzeichnungskopf arbeite, werde dagegen dessen Umlaufgeschwindigkeit in einem bestimmten Bereich von Datenraten angepaßt. Bei starken Unterschieden in den Datenraten werde auch noch die pro Umdrehung aufgezeichnete Datenmenge nach Maßgabe der Bitrate geändert. Für diese im einzigen Patentanspruch angegebene Kombination, die in der ursprünglichen Beschreibung zu den Figuren 9 und 10 offenbart sei, gebe der Stand der Technik keine Anregung.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen: einziger Patentanspruch, Beschreibung Seiten 10 bis 36, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, sowie ursprünglich eingereichte 11 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 10(B).

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Umfang des gestellten Antrags begründet; der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs ist nach den §§ 1 bis 5 PatG patentfähig.

1. Der geltende Patentanspruch ist gedeckt durch die Beschreibung zum Ausführungsbeispiel der Figuren 9 und 10, und ist insbesondere aus Seite 30 Absätze 2 und 3 der ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörig entnehmbar. Die Beschreibung wurde im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung an den Patentanspruch angepaßt.

2. Die Anmeldung betrifft ein universell verwendbares Bandaufzeichnungs- (und -wiedergabe-)Gerät mit rotierendem Aufzeichnungskopf (Schrägaufzeichnung). Das Gerät soll Daten mit vorgegebenen unterschiedlichen Bitraten aufzeichnen können, d.h. es soll zwischen verschiedenen Standards umschaltbar sein, wobei die zur Verfügung stehende Spurlänge auf dem Magnetband bei jeder Bitrate effizient ausgenutzt werden soll. Gemäß geltendem Patentanspruch 1 wird bei Einstellung auf eine andere Bitrate die Umdrehungsgeschwindigkeit angepaßt, so daß die Aufzeichnung eine konstante Bitzahl pro Spur ergibt; erst bei größeren Abweichungen in der Bitrate wird das die Drehzahl des Aufzeichnungskopfes bestimmende Frequenzteilungsverhältnis umgestellt und mit abweichender Bitzahl pro Spur aufgezeichnet.

3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu; keine der entgegengehaltenen Druckschriften beschreibt ein Aufzeichnungsgerät, das alle Anspruchsmerkmale aufweist. Es beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit, weil es sich für den Fachmann, einen Fachhochschulabsolventen der Fachrichtung Elektronik mit mehrjähriger Berufserfahrung in elektronischer Datenverarbeitung und -speicherung nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

In der Druckschrift [1] ist anhand der Figuren 1 und 2 ein Aufzeichnungs- und Wiedergabegerät mit rotierendem Aufzeichnungskopf für unterschiedliche Samplingfrequenzen beschrieben. Wie der angemeldete Gegenstand besitzt auch das bekannte System eine Steuereinrichtung 8, die nach Maßgabe der durch den Schalter 15 iVm der Auswahleinrichtung 14 aus den Frequenzen der Signalgeneratoren 11 bis 13 ausgewählten Samplingfrequenz den über den Bus 6 einlaufenden Datenstrom steuert. Die Eingangsdaten werden in einem Puffer 7 zwischengespeichert und von dort den Magnetköpfen 2A, 2B zugeführt. Um die mit unterschiedlichen Aufzeichnungsgeschwindigkeiten verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden (Seite 1 Zeilen 9 bis 22) erfolgt, die Aufzeichnung mit konstanter Umdrehungsgeschwindigkeit des Aufzeichnungskopfes. Die Aufzeichnungsspuren werden gemäß einer vorgegebenen konstanten "field frequency F" (Seite 1 Zeile 29 iVm Anspruch 1) in Felder konstanter Länge eingeteilt, die je nach Samplingfrequenz, die zwischen 48 kHz und 32 kHz liegen kann, unterschiedlich aufgefüllt werden, so daß mit abnehmender Datenrate auch die Bitzahl pro Spur bzw. pro Umdrehung des Aufzeichnungskopfes abnimmt, während gleichzeitig zunehmend größere Leerbereiche in jedem Feld auftreten, die mit "dummies", also Leer-Daten aufgefüllt werden müssen (Figuren 4A bis 4C iVm Seite 6 Zeilen 5 bis 21).

Der vorgenannte Stand der Technik erfüllt somit die Merkmale a bis f. Er erfüllt weiter zwar insoweit auch Teilmerkmale von g und h, als je nach Samplingfrequenz unterschiedliche Frequenzteilungsverhältnisse eingestellt und damit unterschiedliche Bitzahlen aufgezeichnet werden. Das bekannte System gibt dem Fachmann aber keine Veranlassung, von der Aufzeichnung mit konstanter Drehzahl des Aufzeichnungskopfes abzuweichen, insbesondere das Frequenzteilungsverhältnis erst bei größerer Abweichung von Datenraten zu ändern und statt dessen in einem engeren Bereich unterschiedlicher Samplingfrequenzen die Drehfrequenz des Aufzeichnungskopfes anzupassen; letzteres soll vielmehr nach der Lehre der Druckschrift [1] gerade vermieden werden (Seite 1 Zeilen 9 bis 22). Aus dem gleichen Grunde wird der Fachmann, ausgehend vom Stand der Technik nach Druckschrift [1], auch nicht die Lehre der Druckschrift [2] aufgreifen, die eine PCM-Aufzeichnung und -wiedergabe mit unterschiedlichen Samplingfrequenzen durch eben diese Anpassung der Bandlaufgeschwindigkeit betrifft.

Aber auch ausgehend von Druckschrift [2] gelangt der Fachmann nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1.

Wie in der Druckschrift [2] anhand der Figur 1 beschrieben, ist das Gerät mittels des Schalters 12 manuell zwischen drei verschiedenen Samplingfrequenzen umschaltbar, wobei über die Steuerung 11 und den Motorsteuerkreis 10 die Bandlaufgeschwindigkeit bei feststehenden Magnetköpfen jeweils so angepaßt wird, daß sich unabhängig von der Datenrate auf dem Band stets die gleiche Aufzeichnungsdichte ergibt (Figuren 2 und 3 iVm Seite 8 Zeile 26 bis Seite 9 Zeile 21). Weitere Gemeinsamkeiten mit dem angemeldeten Gegenstand bestehen nicht, insbesondere ist keines der Merkmale b, d, e, g und h des eingangs genannten Patentanspruchs erfüllt. Auch hier besteht für den Fachmann kein Grund, von der gewählten Lösung abzuweichen, die ausdrücklich darauf gerichtet ist, die jeweilige Quelle ohne Zwischenspeicherung mit deren eigener Samplingfrequenz aufzuzeichnen und wiederzugeben (Seite 4 Zeilen 21 bis 25), eine Lehre, die somit ebenfalls nicht zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs führen kann.

4. Aus den dargelegten Gründen ist das Digitalsignal-Aufzeichnungsgerät nach dem geltenden Anspruch patentfähig. Dieser Patentanspruch ist somit gewährbar, zumal die gewerbliche Anwendbarkeit außer Frage steht. Die Beschreibung erfüllt die an eine Patenterteilung zu stellenden Anforderungen.

Bei dieser Sachlage war der Zurückweisungsbeschluß des Deutschen Patentamts aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den im Beschlußtenor aufgeführten Unterlagen zu erteilen.

Grimm Dr. Greis Püschel Schuster Pr






BPatG:
Beschluss v. 20.07.2000
Az: 17 W (pat) 51/98


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