Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 14. Dezember 1982
Aktenzeichen: 4 U 155/82

(OLG Hamm: Urteil v. 14.12.1982, Az.: 4 U 155/82)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Januar 1982 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 10.000,— DM abzuwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin - zugleich Streitwert für den Berufungsrechtszug - beträgt 75.000,-- DM.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein, der satzungsgemäß u.a. Wettbewerbsverstöße verfolgt.

Die Beklagte, eine Kreissparkasse, veröffentlichte am 21.5.1981 in der Ausgabe xxx einer Tageszeitung die folgende Anzeige:

"Verkauf von Sicherungsgut. In der 1. Etage unseres

Hauses xxx werden am 22. und 25. Mai 1981 Orientteppiche, Brücken und Läufer fast aller orientalischen Provenienzen und Maße verkauft.

Öffnungszeiten

von 9 bis 16 Uhr Kreissparkasse

xxx

Telefon xxx - "

Der Kläger hält die Ankündigung eines Verkaufs von Sicherungsgut in der oben dargelegten Weise wie den Verkauf selbst unter den in den Entscheidungsgründen des vorliegenden Urteils behandelten rechtlichen Gesichtspunkten für wettbewerbswidrig.

Der Kläger hat deshalb beantragt,

Der Beklagten wird bei Vermeidung von vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldern bis zu 500.000,— DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, künftig im geschäftlichen Verkehr für den Verkauf von Sicherungsgut (Orient-Teppiche, Brücken und Läufer) an Letztverbraucher in den Räumen in der Kreissparkasse xxx an bestimmten Tagen zu werben bzw. an diesen Tagen einen solchen Verkauf durchzuführen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält das von ihr angekündigte Verhalten nicht für wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

Gegen dieses Urteil, auf das verwiesen wird, hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt.

Sie wiederholt ihren Vortrag erster Instanz und ergänzt ihn.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Bezüglich der Einzelheiten des Vortrages der Parteien wird auf deren Schriftsätzen, auf die zu den Gerichtsakten überreichten Unterlagen, sowie auf die unten folgenden Entscheidungsgründe verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Es ist entgegen der Ansicht des Landgerichts unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte Sicherungsgut auf die im vorliegenden, Rechtsstreit in Rede stehende Weise verkauft.

I.

Ein Verstoß gegen § 1 UWiC; 1 EHG (Ges. über die Berufsausübung im Einzelhandel vom 5.8.1957, BGBl. I 1121) kommt entgegen der Ansicht des Landgerichts schon deshalb nicht in Betracht, weil das Gesetz über die Berufsausübung im Einzelhandel gem. Art. 9 Mr. 3 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24.8.1976 (BGBl. I, 2445) außer Kraft getreten ist, soweit es sich nicht auf ärztliche Hilfsmittel bezieht.

II.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts verstößt die im vorliegenden Rechtsstreit behandelte Tätigkeit der Beklagten auch nicht gegen § 1 UWG in Verbindung mit § 3 Sparkassengesetz MW vom 10.7.1970 (GVBl NRW 1970/604). Wenn in § 3 des Sparkassengesetzes die "kreditwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung" als Aufgabe der Sparkassen in den Vordergrund gestellt wird, sagt diese Umschreibung nichts darüber, wie die Sparkasse ihr Sicherungsgut zu verwerten hat.

III.

Auch § 34 b GewO und in Sonderheit Abs. 6 Mr. 5 a) und b) dieser Vorschrift stützen nicht die Ansicht des Landgerichts, die Beklagte handele auf die im vorliegenden Rechtsstreit behandelte Weise wettbewerbsrechtlich anstößig. Diese Vorschrift befaßt sich mit demjenigen (vgl. Abs. 1), der gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen oder Rechte versteigern will (Versteigerungsgewerbe). Gemäß Abs. 6 Mr. 5 a) und b) dieser Vorschrift ist es dem Versteigerer verboten, Sachen zu versteigern, an denen er ein Pfandrecht besitzt oder soweit sie zu den Waren gehören, die in offenen Verkaufsstellen feilgeboten werden und die ungebraucht sind oder deren bestimmungsgemäßer Gebrauch in ihrem Verbrauch besteht. Diese Vorschriften regeln Tatbestände, welche hier offensichtlich nicht vorliegen, und zwar schon deshalb nicht, weil die Beklagte nicht gewerbsmäßig damit befasst ist, fremde bewegliche Sachen oder Rechte zu versteigern, weil sie ferner im vorliegenden Fall unstreitig nicht zu versteigern angekündigt hat, d.h. nicht dazu auffordern wollte, nach (Meist-) Gebot Sachen zu erwerben, sondern unstreitig ihr zur Sicherheit anvertraute Teppiche in ihren Geschäftsräumen lediglich "normal" verkaufen wollte. Aber auch die entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften oder darin zum Ausdruck kommender einzelner. Rechtsgedanken ist nicht geboten. Diese Vorschriften regeln, wie bereits angedeutet worden ist, innerhalb der Gewerbeordnung eine besondere gewerbliche Tätigkeit, nämlich die des Versteigerers. In Sonderheit Abs. 6 Mr. 5 a dieser Vorschrift will mögliche wirtschaftliche Konfliktsituationen des Versteigerers vermeiden (vgl. Landmann-Rohmer/Meindaus, GewO, 13. Aufl., § 34 b Rn 35); durch § 34 b Abs. 6 Nr. 5 b sollen Wettbewerbsnachteile für den Einzelhandel verhindert werden, die auftreten könnten, wenn Waren, die in offenen Verkaufsstellen feilgehalten werden und die ungebraucht sind, in unkontrollierbaren Mengen auf dem Wege der Versteigerung abgesetzt werden (vgl. BGH NJW 1973, 246). § 34 b Gewerbeordnung wendet sich also im allgemeinen Ansatz wie in den bezeichneten Einzelregelungen an einen bestimmten Gewerbetreibenden und regelt u.a. dessen Wettbewerbsverhältnis zum Einzelhandel. Die in § 34 b Gewerbeordnung geregelten besonderen Tatbestände lassen sich angesichts ihres allgemeinen Zwecks wie auch wegen ihrer wie oben dargestellten besonderen Zielrichtung nicht zu Lasten der Beklagten bei Tatbeständen wie dem hier behandelten verallgemeinern. Hinzu kommt schließlich, daß in dem hier behandelten Fall Waren nicht versteigert, sondern verkauft werden sollten. Auch dies bezeichnet einen Umstand, welcher den hier behandelten Fall von den erörterten Tatbeständen der Gewerbeordnung wesentlich unterscheidet. Denn es geht doch bei dem freihändigen Verkauf von Sicherungsgut um eine andere Form der Verwertung als durch Versteigerung, für die wie für die Möglichkeit der Versteigerung ein Bedürfnis bestehen kann (wie vergleichsweise etwa beim freihändigen Verkauf von Pfandstücken nach Maßgabe von § 1245 BGB), für die sich aber wegen einer anderen Ausgangssituation die für eine Versteigerung geltenden Regelungen nicht ohne weiteres übertragen lassen, auch nicht (siehe den Fall § 34 b Abs. 6 Nr. 5 b Gewerbeordnung) die den Wettbewerb zwischen dem Versteigerer und anderen Gewerbetreibenden regelnde Vorschrift. Weil deshalb § 34 b Gewerbeordnung für den im vorliegenden Rechtsstreit in Rede stehenden Fall schon im Ansatz nichts hergibt, braucht auf § 12 Abs. 1 Ziff. 3 VersteigerungsVO, eine Ausnahmevorschrift zu § 34 b Abs. 6 Nr. 5 b Gewerbeordnung, welche von den Parteien im vorliegenden Verfahren erörtert worden ist, nicht eingegangen zu werden.

IV.

Ein Verstoß gegen § 9 a UWG in Verbindung mit §§ 1, 2 AO RWM vom 4.7.1935 liegt ebenfalls nicht vor. § 1 AO bezieht sich, das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, auf Verkaufsveranstaltungen im Einzelhandel. Einzelhandel im überkommenen Sinn betreibt die Beklagte aber nicht. Die Beschränkung der genannten Normen auf Tätigkeiten im Einzelhandel läßt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift erschließen: Es kam dem Verordnungsgeber darauf an, besondere im Einzelhandel aufkommende Verkaufsveranstaltungen bestimmter Art wie "weiße Wochen", "Aussteuertage" etc. zu verhindern (Baumbach-Hefermehl, UWG § 9 a Rn 1). Angesichts dessen kann nicht davon ausgegangen werden, nach dem Willen des Gesetzgebers habe etwa jedwede Warenumsatzgeschäfte betreffende Tätigkeit, und zumal auch eine solche, die lediglich der Verwertung von Sicherungsgut außerhalb von Einzelhandelsgeschäften oder -veranstaltungen) dient, in den Anwendungsbereich der hier erörterten Normen aufgenommen werden sollen.

V.

Es bleibt deshalb allein die Frage, ob das Verhalten der Beklagten unter dem Gesichtspunkt eines etwaigen durch die Tätigkeiten der Beklagten bewirkten ruinösen Wettbewerbs gegen § 1 UWG verstößt. Diese Frage ist zu verneinen. Ein solcher Verstoß gegen § 1 UWG wird nicht deutlich.

1.

Mit Geschäften der vorliegenden Art, mit denen sie im sachlichen Ergebnis als Konkurrentin von Teppichhändlern auftritt, handelt die Beklagte allerdings in einem weiteren Sinn zu Zwecken des Wettbewerbs (§ 1 UWG).

2.

Aus ihrer Aufgabenstellung versteht es sich von selbst, daß die Beklagte, die eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist (§ 2 Sparkassengesetz NW), als eine solche Körperschaft nicht ohne weiteres von privatwirtschaftlichen Tätigkeiten ausgeschlossen ist; im Gegenteil besteht ihre Aufgabe zu einem großen Teil gerade auch darin, mit "wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreisen" (§ 3 Sparkassengesetz MW) auf dem Gebiet des Kreditwesens privatwirtschaftlich tätig zu sein.

Die Parteien haben indes (im Anschluß an die Entscheidung des BGH zu "Brillenselbstabgabestellen" von xxx vgl. BGH GRUR 82, 425) erörtert, ob das Verhalten der Beklagten als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts etwa deshalb wettbewerbsrechtlich anstößig ist, weil sie bei dem Verkauf von Sicherungsgut nicht den gleichen Wettbewerbsbedingungen wie ein Einzelhändler unterliegt, ob man im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Beklagten insgesamt von einem ruinösen Wettbewerb sprechen muß. Die Frage ist jedoch zu verneinen.

Es ist zunächst klarzustellen, daß man die Fragestellung ohne sachliche Rechtfertigung verkürzt und verzerrt, wenn man das Augenmerk und den Schwerpunkt der Argumentation auf den Umstand legen wollte, daß es sich bei der Beklagten um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelt; denn in Wahrheit stellt sich die hier behandelte Frage für alle öffentlichrechtlichen wie privatrechtlichen Kreditinstitute gleichermaßen, welche privatwirtschaftlich tätig sind und Sicherungsgut zu verwerten haben.

Will man nach Maßgabe dessen dennoch mit dem oben gekennzeichneten Denkansatz fortfahren: Die Wettbewerbsbedingungen der Beklagten einerseits und von Einzelhändlern der jeweiligen Branche andererseits lassen sich mangels übereinstimmender kennzeichnender Grundmuster ihrer Tätigkeiten nur schwer vergleichen; nach Maßgabe dessen mag man jedoch im vorliegenden Zusammenhang von ungleichen Wettbewerbsbedingungen sprechen und anführen, das "unternehmerische Risiko" der Beklagten sei anders als beim Einzelhandel dadurch begrenzt, daß ihr Hauptziel in der Rückführung ihrer Kredite begründet liege, daß sie häufig ferner keinen Regreß zu fürchten brauche, wenn sie den Verkauf nicht mit äußerster Anstrengung und mit dem Ziel hoher Verkaufserlöse betreibe, sondern nur solche Preise ansetze und akzeptiere, die ihre Kreditforderungen abdecken. Auch wenn man dies alles in Rechnung stellt, wird ein Verstoß gegen § 1 UWG indes schon deshalb nicht deutlich, weil durch das Verhalten der Beklagten die Freiheit des Wettbewerbs nicht beeinträchtigt wird, weil ferner ein ruinöser Konkurrenzkampf nicht zu erwarten ist: für ein Unternehmen wie eine Sparkasse, aber auch für andere Kreditinstitute, welche regelmäßig in erster Linie daran interessiert ist, an der Prosperität ihrer Kunden teilzunehmen, bedeutet das hier behandelte Verwertungsgeschäft trotz derzeit angespannter Wirtschaftslage mit deutlichem Akzent nur eine Ausnahme. Die Branche, deren Produkte im Einzelfall als Sicherungsgut verwertet werden, wird angesichts der geschilderten theoretischen wie praktischen Ausnahmesituation nach den Beobachtungen des Senats nur unwesentlich beeinträchtigt; das ist u.a. auch auf die Zurückhaltung (im Interesse ihrer anderen gewerbetreibenden Kunden) der Kreditinstitute zurückzuführen, Sicherungsgut auf die hier behandelte Weise zu verwerten. Solche Verwertung dient andererseits der Erhaltung und der Leichtigkeit des Kreditverkehrs und damit letzten Endes auch den Interessen des Einzelhandels selbst. Insgesamt ist in keiner Weise eine Aushöhlung des Leistungswettbewerbs oder ein ruinöser Wettbewerb bei einer Verhaltensweise wie der hier erörterten zu befürchten. Auf die strukturellen Unterschieden zwischen den im vorliegenden Rechtsstreit ins Auge gefassten Branchen (siehe oben) braucht deshalb hier nicht näher eingegangen zu werden. Den von der Klägerin geäußerten Verdacht, hier werde manipuliert, der Verkauf von Sicherungsgut werde - durch Nichtzahlung provoziert - nur vorgeschoben, um einen verschleierten Hausverkauf abzuhalten, hat die Beklagte substantiiert zurückgewiesen und betont, sie verkaufe das Sicherungsgut nur soweit und so lange, bis ihre Forderung- gedeckt sei. Beweis für ihren gegenteiligen Verdacht hat die Klägerin nicht angeboten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Mr. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 14.12.1982
Az: 4 U 155/82


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