Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 8. Oktober 2012
Aktenzeichen: L 12 AS 1296/12 B

(LSG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 08.10.2012, Az.: L 12 AS 1296/12 B)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 14.06.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -) für ein Klageverfahren (S 21 AS 859/11 SG Aachen). In diesem Verfahren war die Höhe der nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II zu bewilligenden Leistungen im Streit.

Das Klageverfahren, in dem der Beschwerdeführer mit Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 14.11.2011 im Wege der bewilligten Prozesskostenhilfe beigeordnet wurde, endete durch übereinstimmende Erledigungserklärung der Beteiligten im Termin vom 03.02.2012.

Mit Kostenrechnung vom 22.02.2012 beantragte der Beschwerdeführer, die ihm aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr gemäß Ziffer 3103 VV-RVG 190,00 EUR

60 v.H. Erhöhungsgebühr nach Ziffer 1008 VV-RVG 114,00 EUR

Terminsgebühr gemäß Ziffer 3106 VV-RVG 220,00 EUR

Erledigungsgebühr gemäß Ziffer 1006 VV-RVG 190,00 EUR

Abwesenheitsgeld gemäß Ziffer 7005 VV-RVG 20,00 EUR

Fahrtkosten gemäß Ziffer 7003 VV-RVG 10,20 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale gemäß Ziffer 7001 VV-RVG 20,00 EUR

Zwischensumme 764,20 EUR

19 v.H. Umsatzsteuer gemäß Ziffer 7008 VV-RVG 145,20 EUR

Endsumme 909,40 EUR.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die zu erstattende Vergütung auf 692,40 EUR fest. Die Erledigungsgebühr nach Ziffer 1006 VV-RVG sei abgesetzt worden, weil sie nicht entstanden sei. Die Voraussetzungen für deren Entstehung lägen nicht vor, da es an einer entsprechenden Mitwirkungshandlung des Anwalts fehle. Der Rechtsstreit sei durch Anerkenntnis erledigt worden, nachdem das Gericht einen ausführlichen Hinweis zur Sache abgegeben habe. In der Annahme eines Anerkenntnisses liege keine besondere Mühewaltung des Bevollmächtigten.

Hiergegen richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers vom 02.04.2012. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei eine Erledigungsgebühr angefallen. Das Gericht verkenne, dass die Klägerin aufgrund der durch den Beschwerdeführer abgegebenen Erledigungserklärung auf einen Teil der ihr möglicherweise zustehenden Leistungen verzichtet habe. Dadurch sei es zu einer unstreitigen Erledigung des Verfahrens gekommen, die auf der Mitwirkung des Beschwerdeführers beruhe.

Der Beschwerdegegner vertrat die Auffassung, die streitige Gebühr sei nicht angefallen, da die bloße Mitwirkung bei der formellen Beendigung eines Verfahrens für die Entstehung einer Erledigungsgebühr nicht ausreiche. Allerdings habe das Sozialgericht die Umsatzsteuer irrtümlich nicht angepasst. Dies erfolgte sodann mit Änderungsbeschluss vom 26.04.2012, in dem die zu erstattenden Gebühren auf 683,30 EUR festgesetzt wurden.

Mit Beschluss vom 14.06.2012 hat das Sozialgericht Aachen die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die streitige Gebühr sei nicht angefallen, da es an einer qualifizierten Mitwirkungshandlung fehle. Die Mitwirkung des Beschwerdeführers erschöpfe sich in einer Tätigkeit, die von der allgemeinen Verfahrensgebühr mit umfasst werde und damit abgegolten sei. Das gelte auch für die Besprechung des Beschwerdeführers mit der Klägerin im Rahmen der Unterbrechung des Erörterungstermins. Ein Bevollmächtigter sei gegenüber seinem Mandanten verpflichtet, das Verfahren gewissenhaft, sorgfältig und gründlich zu betreiben. Der Umfang und die Schwierigkeit dieses anwaltlichen Handelns könne bei der Festsetzung der Höhe der Verfahrensgebühr berücksichtigt werden. Auch das Einlenken des Beklagten aufgrund schriftlicher oder mündlicher Ausführungen des Rechtsanwalts im Verfahren, das darauf abziele, eine für den Mandanten günstigere Entscheidung herbeizuführen, genüge nicht für den Anfall der Gebühr (BSG, Urteil vom 05.05.2009 - B 13 R 137/08 R -).

Gegen den dem Beschwerdeführer am 20.06.2012 zugestellten Beschluss richtet sich seine Beschwerde vom 03.07.2012. Zum Nachweis des Entstehens der Erledigungsgebühr werde auf das Terminsprotokoll vom 03.02.2012 Bezug genommen. Durch die Mitwirkungshandlung des Unterzeichners habe der Rechtsstreit insgesamt erledigt werden können, so dass damit die Voraussetzungen für die in Ansatz gebrachte Erledigungsgebühr vorlägen. Gegenstand des Rechtsstreits sei eine Verpflichtungssituation gewesen, die vorliegend durch Klaglosstellung materiellrechtlich habe erledigt werden können. Durch mehrfache Telefonate mit der Widerspruchsbehörde habe der Beschwerdeführer versucht, die Angelegenheit zugunsten der Kläger zu regeln. Im Rahmen des Erörterungstermins habe er in einer Zwischenberatung mit der Klägerin zu 1) die Angelegenheit nochmals erörtert, wodurch letztlich der Rechtsstreit materiellrechtlich erledigt werden konnte.

Der Beschwerdegegner hat im Beschwerdeverfahren keine Stellungnahme abgegeben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 226,10 EUR und übersteigt damit den Betrag von 200,00 EUR (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist fristgerecht innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts an den Beschwerdeführer erhoben worden (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. 33 Abs. 3 Satz 3 RVG).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die Erledigungsgebühr ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht angefallen. Die Ziffer 1006 VV-RVG, die die Höhe der Erledigungsgebühr bei Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens in sozialgerichtlichen Angelegenheiten festsetzt, steht im Zusammenhang mit der Nr. 1002 VV-RVG, in der die Erledigungsgebühr definiert ist. Nach dem Wortlaut dieser Gebührenziffer entsteht sie, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mitwirkung erledigt. Der Gebührentatbestand ist nur erfüllt - dies macht das Tatbestandsmerkmal "durch die anwaltliche Mitwirkung" deutlich -, wenn eine über die bloße Verfahrenshandlung hinausgehende qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Beendigung des Rechtsstreits gegeben ist. Die bloße Abgabe einer prozessbeendenden Erklärung im Termin ist bereits durch die Terminsgebühr als Tätigkeitsgebühr abgegolten. In diesem Punkt folgt der erkennende Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur einschlägigen Problematik (Urteile vom 07.11.2006 - B 1 KR 13/06 R; B 1 KR 23/06 R und B 1 KR 22/06 R - und Urteil vom 21.03.2007 - B 11 a AL 53/06 - ). Das BSG hat in den genannten Entscheidungen unter Berücksichtigung von Wortlaut, Regelungszusammenhang, systematischem Zusammenhang und Sinn und Zweck des Gebührentatbestandes ausgeführt, dass für die erforderliche Mitwirkung an der Beendigung des Verfahrens mehr als ein bloßes Tätigwerden erforderlich ist. 1002 VV-VG sei der dritte geregelte Fall der allgemeinen Gebühr neben der Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV-RVG) und der Aussöhnungsgebühr (Nr. 1001 VV-RVG). Auch dort würden Tätigkeiten gefordert, die über die allgemeine Wahrnehmung prozessualer Pflichten hinausgingen. Im Übrigen solle auch eine streitvermeidende und gerichtsentlastende Tätigkeit gefördert und entlohnt werden. Dies sei bereits in der Vorgängerregelung, dem bis 30.06.2004 geltenden § 24 der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) so geregelt gewesen. Diesen Ausführungen hat der erkennende Senat nichts hinzuzufügen und folgt ihnen eingeschränkt (s. hierzu auch Beschluss des Senats vom 01.06.2011 - L 12 AS 291/11 B -). Wie bereits vom Sozialgericht zutreffend festgestellt, fehlt es vorliegend an einer derartigen qualifizierten Mitwirkungshandlung. Die vom Beschwerdeführer angeführten Gesichtspunkte der mehrfachen Telefonate mit der Widerspruchsbehörde und der erneuten Beratung mit der Klägerin zu 1) im Rahmen der Terminsunterbrechung vor dem Sozialgericht entsprechen der üblichen Tätigkeit eines Prozessbevollmächtigten im Rahmen des Mandats. Ohne derartige Tätigkeiten ist eine sachgerechte Mandatswahrnehmung nicht möglich. Diese Tätigkeiten sind aber bereits mit der allgemeinen Verfahrensgebühr abgegolten, so dass es an einer qualifizierten Mitwirkungshandlung mangelt. Hierauf wurde der Beschwerdeführer auch bereits mit Richterbrief vom 12.07.2009 hingewiesen.

Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).






LSG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 08.10.2012
Az: L 12 AS 1296/12 B


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