Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Juni 2004
Aktenzeichen: 26 W (pat) 71/02

(BPatG: Beschluss v. 16.06.2004, Az.: 26 W (pat) 71/02)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 21 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. März 2002 dahingehend geändert, daß die eingetragene Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 138 906 für die Waren "Kämme, Schwämme, Bürsten und Toilettennecessaires" zu löschen ist.

Gründe

I.

Gegen die u.a. für die Waren

"Kämme, Schwämme, Bürsten und Toilettennecessaires"

unter der Nummer 398 07 994 eingetragene Markesiehe Abb. 1 am Endeist u.a. Widerspruch eingelegt worden aus der Marke 1 138 906 siehe Abb. 2 am Endedie für die Waren

"Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege mit Ausnahme von Haarfärbe- und Haartönungsmitteln; Zahnputzmittel"

eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 21 hat den Widerspruch zurückgewiesen. Die auf den zulässigen Nichtbenutzungseinwand der Inhaberin der jüngeren Marke hin (als Produkte, für die die Widerspruchsmarke eingesetzt wurde) zu berücksichtigenden Waren Moisture Cream, Facing Cream, Cream Regeneration/Concentrate, Nagel-Härter, Nagel-Kur, Nagel-Hautentferner, Nagel-Lackentferner, Multiactive Lotion, Special Cleanser-Reinigungsmilch seien den Waren der angegriffenen Marke nicht ähnlich. Sie wiesen in Herstellung, Verwendungszweck und Aussehen keine Berührungspunkte auf, die den Käufer zu der Meinung veranlassen könnten, sie stammten aus dem gleichen Geschäftsbetrieb. Angesichts der fehlenden Warenähnlichkeit sei eine Gefahr von Verwechslungen der Marken trotz ihrer Ähnlichkeit und des durchschnittlichen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke zu verneinen.

Dagegen erhebt die Widersprechende Beschwerde, soweit ihr Widerspruch im Hinblick auf die Waren "Kämme, Schwämme, Bürsten und Toilettennecessaires" zurückgewiesen worden ist. Diese Waren nämlich seien den Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" der Widerspruchsmarke als einander ergänzend ähnlich und fielen letztlich unter diesen Oberbegriff. Sie würden nicht nur vom Endverbraucher regelmäßig gemeinsam benützt, sondern auch in den einschlägigen Fachgeschäften nebeneinander erworben. In Drogerieketten würden dem Käufer sowohl die Waren der Widerspruchsmarke als auch die von der Beschwerde betroffenen Waren der angegriffenen Marke unmittelbar nebeneinander angeboten. Hierbei sei es durchaus üblich, "Kämme, Schwämme, Bürsten und Toilettennecessaires" einerseits und "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" andererseits mit demselben Zeichen zu versehen, wie dies beispielsweise bei der Drogerie "dm-Markt" unter der Marke "Aldo Vandini" oder bei "The Body-Shop" geschehe. Zudem gebe es eine Vielzahl von Anbietern, die die fraglichen Waren in ihren Angeboten führten (Marlies Möller, Clinique). Damit ergänzten diese Waren einander. Die unterschiedliche graphische Ausgestaltung der Marken ändere nichts an der übereinstimmenden klanglichen Wiedergabe. Demzufolge beantragt die Widersprechende, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 138 906 im Hinblick auf die Waren "Kämme, Schwämme, Bürsten und Toilettennecessaires" zurückgewiesen worden ist.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Sie bezieht sich im wesentlichen auf die Ausführungen im Beschluß der Markenstelle, da zwischen den Waren keine Ähnlichkeit bestehe. Die Wesensverschiedenheit dieser Waren setze sich fort in dem Verwendungszweck und der Nutzung. Herstellungsweise und Herstellungsstätten seien unterschiedlich. Daß die Waren zusammen verwendet werden könnten, begründe keine Ähnlichkeit. Eine etwaige Übereinstimmung der Verkaufsorte bestehe nicht und sei aus heutiger Sicht ohnehin zunehmend bedeutungslos. Im übrigen sei auch eine Zeichenähnlichkeit nicht zu erkennen. Zwar sei das Wort "COSMETIC" in der Widerspruchsmarke relativ schwach, beeinflusse aber den Gesamteindruck.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet, denn nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken in dem von der Widersprechenden geltend gemachten Umfang eine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Die Frage der Verwechslungsgefahr i.S. der genannten Vorschrift ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 387 - Sabèl/Puma; 1998, 922 - Canon). Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken kann durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH aaO - Canon).

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren war bei der Widerspruchsmarke von den Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege mit Ausnahme von Haarfärbe- und Haartönungsmitteln" auszugehen. Die Inhaberin der jüngeren Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke ohne Beschränkung auf einen der Tatbestände des § 43 Abs 1 MarkenG bestritten und diesen Einwand entgegen der Annahme der Markenstelle weder im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt noch dem Bundespatentgericht fallengelassen. Diese bereits aus dem Akteninhalt ersichtliche Haltung hat sie in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Eine Benutzung kann für die nach § 43 Abs 1 MarkenG maßgeblichen Zeiträume für die Einzelwaren "Moisture Cream, Facing Cream, Cream Regeneration/Concentrate, Nagel-Härter, Nagel-Kur, Nagel-Hautentferner, Nagel-Lackentferner, Multiactive Lotion, Special Cleanser-Reinigungsmilch" anerkannt werden. Zwar erfolgt die Art der Benutzung weitgehend ohne den Zusatz "COSMETIC", dies verändert den kennzeichnenden Charakter der Marke aber - noch - nicht (§ 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 26 Rdnr 169 und insbesondere 170). Der dargelegte Umfang der Benutzung ist nicht hoch, lässt aber einen Schluß auf eine Scheinbenutzung nicht zu. Die genannten Einzelwaren lassen sich ohne weiteres unter den im Warenverzeichnis enthaltenen Oberbegriff der "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege mit Ausnahme von Haarfärbe- und Haartönungsmitteln" subsumieren und integrieren, ohne daß eine einen zu großen Schutzumfang gewährende Maximallösung zugrundegelegt wird. Damit war im Rahmen einer sog. erweiterten Minimallösung einerseits von den konkret eingesetzten Waren auszugehen, die Markeninhaberin aber andererseits nicht ungebührlich in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit einzuschränken. Da der zugrundegelegte Oberbegriff nicht zu breit ist und zudem durch einen Ausnahmevermerk eingeschränkt worden ist, war es nicht gerechtfertigt, ähnlich wie im Arzneimittelbereich der Prüfung der Warenähnlichkeit lediglich eine Untergruppe zugrundezulegen. Im übrigen wäre im vorliegenden Fall auch bei Zugrundelegung der Einzelwaren keine andere Beurteilung der Warenähnlichkeit veranlaßt. Die Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege mit Ausnahme von Haarfärbe- und Haartönungsmitteln" aber sind den in der jüngeren Marke angegriffenen Waren "Kämme, Schwämme, Bürsten und Toilettennecessaires" noch ähnlich.

Eine Ähnlichkeit von Waren ist anzunehmen, wenn diese in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen - insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung , ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte oder anderer für die Frage der Verwechslungsgefahr wesentlicher Gründe - so enge Berührungspunkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (EuGH aaO - Canon; BGH GRUR 1999, 245 - LIBERO; 1999, 496 - TIFFANY). Danach ist bei den miteinander zu vergleichenden Waren zwar festzustellen, daß diese sich in ihrer stofflichen Beschaffenheit unterscheiden. Diese unterschiedliche stoffliche Beschaffenheit und damit regelmäßig auch unterschiedliche Herstellungsart führt aber nicht sozusagen automatisch zu einer Verneinung der Ähnlichkeit. Zu berücksichtigen ist auch die Eigenart von Waren als einander ergänzende Produkte. Liegt ein dahingehender funktioneller Zusammenhang vor, wodurch der Gedanke an einen gemeinsamen betrieblichen Verantwortungsbereich nahegelegt wird, stehen auch unterschiedliche Materialbeschaffenheit und getrennte Herstellungsstätten der Annahme einer Ähnlichkeit nicht zwingend entgegen (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdnr 104 f). So ist eine Warenähnlichkeit bejaht worden zwischen Tabakerzeugnissen und Raucherartikeln (BGH aaO - TIFFANY), obwohl diese sich - beispielsweise bei Zigaretten und Aschenbechern - in ihrer stofflichen Beschaffenheit deutlich unterscheiden. Auch im vorliegenden Fall werden die stofflichen Unterschiede der Vergleichswaren durch ihre funktionelle Zusammengehörigkeit überlagert, denn Schwämme und Bürsten werden ebenfalls zur Körper- und Schönheitspflege benützt und nach eigener Anschauung des Senats auch zusammen angeboten. Darauf hat auch die Widersprechende in ihrer Beschwerdeschrift hingewiesen und dies durch einzeln aufgeführte Beispiele dargelegt. So gibt es spezielle Bürstchen, mit denen Gesichtsreinigungen aufgebracht und eingebürstet (die Firma Shiseido bietet eine Gesichtsreinigung und ein darauf abgestimmtes Bürstchen an) oder Cremes einmassiert werden. Schwämme und Duschgels werden zusammen - teilweise sogar in einer Packung (Nivea) - angeboten und Bürsten zur Körperreinigung und -massage finden sich in jeder Spezialabteilung und jeder Drogerie als einander mit Reinigungsmitteln ergänzend. Bei dekorativen Kosmetika sind Bürstchen und Schwämme bereits in einer Packungseinheit mit den Produkten. Ähnlich sind auch Kämme und Toilettennecessaires zu beurteilen, die ebenfalls der Körper- und Schönheitspflege dienen und deshalb auch regelmäßig zusammen mit diesen angeboten und verkauft werden. Zudem gibt es Spezialkämme, die die Kopfhaut massieren, und Toilettennecessaires werden zusammen mit Nagelpflegemitteln und Nagelhärtern usw verwendet.

Wie nahe sich dieser Ähnlichkeitsbereich im einzelnen gestaltet, kann letztlich dahinstehen, denn wegen der mindestens mittleren Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und den identisch übereinstimmenden kennzeichnenden Merkmalen der Vergleichszeichen führt bereits der Umstand, dass eine Warenähnlichkeit jedenfalls nicht verneint werden kann, zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr. Die Zeichen unterscheiden sich wegen ihrer unterschiedlichen graphischen Wiedergabe in ihrem schriftbildlichen Erscheinungsbild, stimmen aber in klanglicher Hinsicht vollständig überein. Auch die prioritätsältere Marke wird nämlich ausschließlich von der Wortfolge "Marie Claire" geprägt. Diese weist ein einheitliches, optisches Erscheinungsbild auf. Das in der zweiten Reihe angeordnete Wort "COSMETIC" ist bereits von seiner äußeren Erscheinung her unauffälliger gestaltet und von sämtlichen angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres erkennbar ein ausschließlich beschreibender Sachhinweis. Zwar dürfen auch beschreibende Elemente bei der Beurteilung des Gesamteindrucks einer mehrgliedrigen Marke nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Das Wort "COSMETIC" trägt im vorliegenden Fall jedoch nicht nur von seinem äußeren Erscheinungsbild, sondern auch im Hinblick auf seinen Aussagegehalt so wenig zum Gesamteindruck bei, daß es vom Verkehr nicht als den Gesamteindruck mitzuberücksichtigendes Element aufgefasst werden wird.

Für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs 1 MarkenG bestand kein Anlaß.

Albert Richter Reker kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben.

Albert Eder Bb Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D61579.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D61580.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 16.06.2004
Az: 26 W (pat) 71/02


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