Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 13. November 2013
Aktenzeichen: 12 O 417/12 U.

(LG Düsseldorf: Urteil v. 13.11.2013, Az.: 12 O 417/12 U.)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im Bezug auf Reiseverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

1. [2 Bezahlung

2.1] Sofort nach Erhalt der Reisebestätigung / Rechnung wird die vereinbarte und auf der Reisebestätigung / Rechnung ausgewiesene Anzahlung fällig. Diese beträgt 30 % (auf volle EURO aufgerundet) von dem Gesamtpreis der Rechnung […] Die Restzahlung wird 40 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung fällig.

2. [5. Rücktritt]

In der Regel […] betragen die Rücktrittspauschalen, die wir im Fall Ihres Rücktritts von der Reise je angemeldetem Teilnehmer fordern müssen, jeweils pro Person bzw. Wohneinheit in Prozent vom Reisepreis:

5.3.1. bei Flugreisen bzw. Flugpauschalreisen von C

bis 30 Tage vor Reisebeginn 40 %

ab 29. bis 22. Tag vor Reisebeginn 55 %

ab 21. bis 15. Tag vor Reisebeginn 65 %

ab 14. bis 7. Tag vor Reisebeginn 75 %

ab 6. bis 3. Tag vor Reisebeginn 85 %

ab 2. Tag vor Reiseantritt bis einschl. Tag des Reiseantritts 95 %

3. [5.3.8.] Bei Reiseleistungen von H2 (C2 Packaging) […] finden entgegen den unter Ziffer 5.3.1. […] genannten Rücktrittspauschalen folgende Rücktrittspauschalen ihre Anwendung:

Bei Flugpauschalreisen, […]

vom Buchungstag bis 15 Tage vor Reisebeginn 70 %

14 Tage vor Reisebeginn bis Reiseantritt oder bei Nichterscheinen 90 %

II. Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2012 zahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 9.000,00 EUR.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verein zum Schutz und zur Wahrnehmung von Verbraucherinteressen.

Die Beklagte ist ein Reiseveranstalter, der unter den Marken "C" und "H3" Reisen anbietet. Zu den angebotenen Produkten gehören neben Pauschalreisen auch individuell zusammenstellbare Reisepakete. Für die von ihr abgeschlossenen Verträge verwendet die Beklagte "Reise- und Zahlungsbedingungen", die mit Stand September 2011 (Anlage K1) u.a. nachfolgende Klauseln enthalten:

[2 Bezahlung

2.1] Sofort nach Erhalt der Reisebestätigung / Rechnung wird die vereinbarte und auf der Reisebestätigung / Rechnung ausgewiesene Anzahlung fällig. Diese beträgt 30 % (auf volle EURO aufgerundet) von dem Gesamtpreis der Rechnung [...] Die Restzahlung wird 40 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung fällig.

[5. Rücktritt]

In der Regel [...] betragen die Rücktrittspauschalen, die wir im Fall Ihres Rücktritts von der Reise je angemeldetem Teilnehmer fordern müssen, jeweils pro Person bzw. Wohneinheit in Prozent vom Reisepreis:

5.3.1. bei Flugreisen bzw. Flugpauschalreisen von C

bis 30 Tage vor Reisebeginn 40 %

ab 29. bis 22. Tag vor Reisebeginn 55 %

ab 21. bis 15. Tag vor Reisebeginn 65 %

ab 14. bis 7. Tag vor Reisebeginn 75 %

ab 6. bis 3. Tag vor Reisebeginn 85 %

ab 2. Tag vor Reiseantritt bis einschl. Tag des Reiseantritts 95 %

[5.3.8.] Bei Reiseleistungen von H2 (C2 Packaging) [...] finden entgegen den unter Ziffer 5.3.1. [...] genannten Rücktrittspauschalen folgende Rücktrittspauschalen ihre Anwendung:

Bei Flugpauschalreisen, [...]

vom Buchungstag bis 15 Tage vor Reisebeginn 70 %

14 Tage vor Reisebeginn bis Reiseantritt oder bei Nichterscheinen 90 %

Diese Klauseln sind bereits seit längerem Bestandteil der Reise- und Zahlungsbedingungen der Beklagten und seit etwa Juli 2012 in unveränderter Form auf der Website der Beklagten unter www.C2-reisen.de hinterlegt.

Mit Schreiben vom 20.06.2012 mahnte der Kläger die Beklagte hinsichtlich dieser Klauseln unter Berufung auf entsprechende Unterlassungsansprüche ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 16.07.2012 ab. Die durchschnittlichen Kosten des Klägers für derartige Abmahnungen betragen jeweils 210,30 EUR; zudem ist er zur Abführung von Umsatzsteuer verpflichtet.

Der Kläger ist der Ansicht, die Zahlungsbestimmungen seien hinsichtlich der Höhe der Anzahlung sowie hinsichtlich des Zeitpunkts der Restzahlung unangemessen. Im Übrigen seien die Stornogebühren für den Fall des Rücktritts zu hoch bemessen.

Der Kläger beantragt,

V. die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an den Geschäftsführern, zu unterlassen, im Bezug auf Reiseverträge, die mit Verbrauchern geschlossen werden, die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

4. [2 Bezahlung

2.1] Sofort nach Erhalt der Reisebestätigung / Rechnung wird die vereinbarte und auf der Reisebestätigung / Rechnung ausgewiesene Anzahlung fällig. Diese beträgt 30 % (auf volle EURO aufgerundet) von dem Gesamtpreis der Rechnung [...] Die Restzahlung wird 40 Tage vor Reiseantritt ohne nochmalige Aufforderung fällig.

5. [5. Rücktritt]

In der Regel [...] betragen die Rücktrittspauschalen, die wir im Fall Ihres Rücktritts von der Reise je angemeldetem Teilnehmer fordern müssen, jeweils pro Person bzw. Wohneinheit in Prozent vom Reisepreis:

5.3.1. bei Flugreisen bzw. Flugpauschalreisen von C

bis 30 Tage vor Reisebeginn 40 %

ab 29. bis 22. Tag vor Reisebeginn 55 %

ab 21. bis 15. Tag vor Reisebeginn 65 %

ab 14. bis 7. Tag vor Reisebeginn 75 %

ab 6. bis 3. Tag vor Reisebeginn 85 %

ab 2. Tag vor Reiseantritt bis einschl. Tag des Reiseantritts 95 %

6. [5.3.8.] Bei Reiseleistungen von H2 (C2 Packaging) [...] finden entgegen den unter Ziffer 5.3.1. [...] genannten Rücktrittspauschalen folgende Rücktrittspauschalen ihre Anwendung:

Bei Flugpauschalreisen, [...]

vom Buchungstag bis 15 Tage vor Reisebeginn 70 %

14 Tage vor Reisebeginn bis Reiseantritt oder bei Nichterscheinen 90 %

II. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.10.2012 zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, einige der von ihr angebotenen Reisen seien zum Teil derart individuell auf den Wunsch des Reisenden zugeschnitten, dass im Fall eines kurzfristigen Rücktritts eine Weiterverwendung der Reiseleistungen nur mit Abschlägen bis zu 50% möglich sei. Sie ist der Ansicht, die Höhe der Anzahlung sowie der Fälligkeitszeitpunkt der Restzahlung seien unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der Beklagten angemessen. Ferner entsprächen die erhobenen Rücktrittspauschalen in Betrag und Staffelung jeweils den durchschnittlichen Schadenssummen, die der Beklagten im Fall eines Rücktritts entstünden.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.

1.

Dem Kläger stehen im Hinblick auf die angegriffenen Klauseln die geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu. Diese Ansprüche ergeben sich aus § 1 UKlaG i.V.m. § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Der Kläger ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 UKlaG auf der Liste des Bundesamtes für Justiz eingetragen und somit gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG hinsichtlich der geltend gemachten Unterlassungsansprüche aktivlegitimiert.

a.

Ein Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG besteht sowohl hinsichtlich der Höhe des Anzahlungsbetrages gem. Ziff. 2.1. S. 1 sowie hinsichtlich des Zeitpunkts der Fälligkeit des Restbetrages gem. Ziff. 2.1. S. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

aa.

Die in den AGB der Beklagten enthaltene Klausel zur Höhe der Anzahlung gem. Ziff. 2.1. S. 1 ist unwirksam.

Die Klausel, die einen sofort fälligen Anzahlungsbetrag in Höhe von 30 % vorsieht, benachteiligt den Reisenden unangemessen und verstößt damit gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 320 BGB.

Während nach früherer Rechtslage eine Anzahlung nur in Höhe von bis zu 10% des Reisepreises zulässig war, ist nach Einführung von § 651k BGB n.F. zwar anerkannt, dass ein Reiseveranstalter in seinen Verträgen auch einen höheren Anzahlungsbetrag vorsehen kann (vgl. BGH NJW 2006, 3134, 3135 m.w.N.). Da gem. § 651k Abs. 4 BGB die Annahme bzw. Forderung von Zahlungen des Reisenden von der Übergabe eines Reisesicherungsschein abhängig ist, was auch die Beklagte in Ziffer 2.1.4. ihrer AGB berücksichtigt hat, kann im Hinblick auf die damit verbundene Risikoverteilung, insbesondere bzgl. einer Insolvenz des Reiseveranstalters, auch ein höherer Anzahlungsbetrag angemessen sein. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang eine Anzahlung in Höhe von 20% noch als angemessen erachtet (BGH aaO.).

Ein Anzahlungsbetrag in Höhe von 30%, wie im vorliegenden Fall, ist nach Auffassung der Kammer demgegenüber jedoch nicht mehr angemessen. Eine Anzahlung in dieser Höhe erscheint im Rahmen einer gebotenen Gesamtabwägung der Interessen der Vertragsparteien und trotz der Reduzierung des Insolvenzrisikos durch den Sicherungsschein noch als zu hoch.

Dabei berücksichtigt die Kammer auch, dass der Reiseveranstalter im Vorfeld einer Reise zum Teil bereits erhebliche Vorleistungen erbringen muss. Umgekehrt nimmt der Sicherungsschein dem Reisenden nicht das Risiko, dass der Reiseveranstalter zum vereinbarten Reisetermin - unabhängig von seiner Zahlungsfähigkeit - nicht fähig oder nicht bereit ist, die vertraglich geschuldete Reiseleistung zu erbringen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der zitierten Entscheidung ist es mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren, wenn in den AGB eines Reiseveranstalters eine Vorauszahlung auf den Reisepreis ausbedungen ist, durch die der Reisende wesentliche Teile des Reisepreises bereits erhebliche Zeit vor Reisebeginn zu leisten verpflichtet werden soll (BGH, aaO.).

Ein konkreter Prozentsatz, ab welchem von einem wesentlichen Teil des Reisepreises ausgegangen werden kann, lässt sich dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entnehmen. Nach Auffassung der Kammer ist ein Betrag von 30% insoweit jedoch bereits als "wesentlicher Teil" des Reisepreises anzusehen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dies gerade nicht erst ab einem Anzahlungsbetrag von 50% anzunehmen. Der Begriff "wesentlich" ist gerade nicht gleichbedeutend mit "überwiegend" bzw. mindestens "hälftig" (vgl. LG Frankfurt, Urt. vom 28.03.2013, Az. 2-24 O 196/12).

Ein solcher Betrag soll durch die angegriffene Klausel auch bereits eine "erhebliche Zeit vor Reisebeginn" geleistet werden. Berücksichtigt man, dass die Anzahlung nach der streitgegenständlichen Klausel bereits mit der Reisebestätigung bzw. Rechnung fällig werden soll und diese Bestimmung nicht nur für kurzfristige Last-Minute-Reisen, sondern für sämtliche, auch mehrere Monate im Voraus getätigte Buchungen gelten soll, kann jedenfalls eine "erhebliche Zeit vor Reisebeginn" im Sinne der zitieren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegen. Eine solche lange Zeitspanne zwischen Reisebestätigung und Reisebeginn weicht erheblich im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB vom gesetzlichen Grundfall einer Verpflichtung zur Leistung Zug um Zug gem. § 320 BGB ab.

bb.

Die in Ziffer 2.1. S. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthaltene Regelung zum Zeitpunkt der Fälligkeit des restlichen Reisebetrages ist ebenfalls unwirksam.

Auch diese Klausel, die eine Fälligkeit des vollständigen Reisepreises 40 Tage vor Reisebeginn vorsieht, weicht erheblich vom gesetzlichen Grundgedanken einer Zugum-Zug-Verpflichtung des Reiseveranstalters ab und benachteiligt damit den Reisenden ebenfalls unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Nach den vorgenannten Grundsätzen des Bundesgerichtshofes handelt es sich bei dem fällig werdenden Restbetrag zweifelfrei um einen "wesentlichen Teil des Reisepreises".

Zudem liegt auch der Fälligkeitstermin "erhebliche Zeit vor Reisebeginn" im Sinne dieser Rechtsprechung.

Wenngleich insoweit keine allgemeingültigen Vorgaben zu angemessenen Zeiträumen bestehen, erachtet die Kammer den in der angegriffenen Klausel vorgesehenen Zeitraum von 40 Tagen insbesondere auch unter Berücksichtigung weiterer Bestimmungen der streitgegenständlichen AGB nicht mehr für angemessen.

Dabei verkennt die Kammer insbesondere nicht, dass zum Zeitpunkt, an dem nach Ziff. 2.1. S. 2 der restliche Reisepreis fällig werden soll, ein Rücktritt der Beklagten wegen Nichterreichens einer ggf. vorausgesetzten Mindestteilnehmerzahl gem. Ziff. 7 ausgeschlossen ist.

Bei einem Fälligkeitstermin zu einem Zeitpunkt, an dem ein Reiseveranstalter die Reise noch absagen kann und sich so einseitig vom Vertrag lösen kann, wäre zwar ohne Weiteres einen Verstoß gegen § 307 BGB annehmen (vgl. LG Hamburg, NJW-RR 2008, 439). Dies bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die angegriffene Bestimmung bereits deshalb als angemessen zu bewerten wäre, weil die Fälligkeit des Restbetrages erst zu einem Zeitpunkt eintritt, an dem ein vertragliches Rücktrittsrecht der Beklagten nicht mehr besteht.

Zum einen beträgt der zeitliche Abstand nach den vorliegenden AGB nur wenige Tage. Gemäß Ziff. 7 ist die Beklagte berechtigt, eine gebuchte Reise bis sechs Wochen, also 42 Tage, vor dem Reisebeginn abzusagen. Die Fälligkeit der Zahlung soll demgegenüber 40 Tage vor Reisebeginn eintreten. Aufgrund des geringen zeitlichen Abstands ist nicht auszuschließen, dass Kunden der Beklagten im Hinblick auf den Eintritt der Fälligkeit den Restbetrag bereits zu einem Zeitpunkt zahlen bzw. die Zahlung bereits angewiesen haben, an dem sich die Beklagte wegen Nichterreichens der Teilnehmerzahl noch vom Vertrag lösen kann.

Zum anderen liegt der Fälligkeitszeitpunkt auch unabhängig von einem etwaigen Rücktrittsrecht der Beklagten "erhebliche Zeit vor dem Reisebeginn" im Sinne der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das Vorbringen der Beklagten ist nicht geeignet, die Fälligkeit des vollständigen Reisepreises 40 Tage, und damit deutlich mehr als einen Monat, vor dem geplanten Reisebeginn zu rechtfertigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Reisende nach vollständiger Zahlung des Reisepreises sein Zurückbehaltungsrecht und damit ein Druckmittel gegen den Reiseveranstalter verliert. Demgegenüber ist der Vortrag der Beklagten zu anfallenden Arbeitsschritten und Kosten nicht hinreichend substantiiert, um die Notwendigkeit der vollständigen Bezahlung des Reisepreises mit ausreichendem Abstand zum Zeitpunkt des Reiseantritts zu begründen. Soweit die Beklagte behauptet, es seien Vorleistungen an Leistungsträger wie beispielsweise Fluggesellschaften, Hotels und Transferunternehmen zu erbringen, ergibt sich hieraus nicht, wann konkret und in welcher Höhe diese Leistungen in der Regelung erbracht werden müssen.

Soweit die Beklagte darüber hinaus anführt, ein besonderes Interesse an der Ernsthaftigkeit einer Buchung zu haben, ist festzustellen, dass eine solche Ernsthaftigkeit nicht erst durch die tatsächliche Zahlung des Restpreises begründet wird. Sie kann vielmehr bereits mit Abschluss des Reisevertrages durch verbindliche Buchung, spätestens jedoch mit Leistung der Anzahlung, angenommen werden. Ein schutzwürdiges Interesse an einer zusätzlichen Absicherung des Reiseveranstalters durch frühe und vollständige Zahlung, welches die Interessen des Reisenden überwiegt, besteht hingegen nicht.

b.

Auch die Klauseln zu den Rücktrittspauschalen gem. Ziff. 5.3.1. sowie 5.3.8. sind unwirksam und begründen auch insoweit einen Unterlassungsanspruch gem. § 1 UKlaG.

aa.

Soweit in Ziff. 5.3.1. pauschale Entschädigungsbeträge für den Fall des Rücktritts des Reisenden vorgesehen sind, stellen sich diese Pauschalen ihrer Höhe nach als ungemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.

Die Klausel entspricht nicht den Anforderungen einer pauschalen Berechnung der Entschädigung nach § 651i Abs. 3 BGB und ist mit dem wesentlichen Grundgedanken dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren.

Die Vorschriften gem. § 305 ff. BGB sind auch auf derartige Verstöße gegen die besonderen Bestimmungen des Reisevertragsrechts anwendbar, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass aufgrund der spezielleren Regelung gem. § 651i Abs. 3 BGB die allgemeinen Klauselverbote gem. § 308 Nr. 7 BGB sowie § 309 Nr. 5 lit. a. BGB insoweit keine Anwendung finden.

Von einem Verstoß gegen § 651i Abs. 3 BGB ist auszugehen, wenn die angegriffenen Klauseln eine Pauschale vorsehen, die ihrer Höhe nach die gewöhnlich ersparten Aufwendungen sowie den durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerb nicht hinreichend berücksichtigt.

Zweifel daran, dass die Höhe der Pauschale nach der ersten Stufe für einen Rücktritt bis 30 Tage vor Reisebeginn diese Vorgabe gem. § 651i Abs. 3 BGB erfüllt, ergeben sich bereits aus dem zeitlichen Rahmen, für den diese Pauschal-Stufe gelten soll. Mangels zeitlicher Obergrenze fällt die vorgesehene Stornogebühr von 40% ggf. schon unmittelbar ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses an, der in einzelnen Fällen mehrere Monate oder sogar Jahre vor dem Reisetermin liegen kann.

Auch hinsichtlich der weiteren Stufen ist nicht ersichtlich, dass diese ihrer Höhe nach durch ein berechtigtes Interesse der Beklagten gerechtfertigt sind und die gewöhnlich ersparten Aufwendungen sowie die Möglichkeit einer anderweite Verwendung der Reiseleistungen hinreichend Berücksichtigung gefunden haben.

Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (BGH NJW-RR 1990, 114, Rn. 120 m.w.N.) hat nicht vorgetragen, nach welchen Kriterien sie die Pauschalen konkret berechnet hat. Zwar weist die Beklagte bei ihrer rechtlichen Beurteilung richtigerweise darauf hin, dass im Rahmen von § 651i Abs. 3 BGB lediglich ein Durchschnittswert zu ermitteln ist. Ihr tatsächliches Vorbringen beschränkt sich jedoch auf die zu allgemein gehaltene Angabe, dass bei den angebotenen Reisen ein Rücktritt mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden sei und Weiterverwendung von Leistungen schwieriger geworden sei. Hieraus lässt sich nicht herleiten, dass die in Ziff. 5.3.1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten konkret angegebenen Prozentsätze ihrer Höhe nach angemessen sind.

Auch der weitere Vortrag in der Klageerwiderung, dass "manche der angebotenen Reisen [...] allgemein nur von vergleichsweise wenigen Reisenden gebucht" werden und eine anderweite Verwertung äußert schwierig sei, kann lediglich einen Teilaspekt für die Berechnung der Pauschale darstellen. Konkrete Angaben, etwa zu den durchschnittlichen Kosten, werden hingegen nicht gemacht.

Schließlich ist auch der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 11.10.2013, dass der Reisepreis bei einer kurzfristigen Verwertung im Rahmen eines Lastminute-Angebotes "zum Teil bis zu 50%" gesenkt werden müsse, nicht geeignet, die erhobenen Rücktrittspauschalen zu rechtfertigen. Die für Rücktritte ab dem 29. Tag vor Reisebeginn angegebenen Werte von 55 bis 95% übersteigen den im Schriftsatz genannten Maximalbetrag von 50% zum Teil deutlich.

Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Stornobedingungen der Klägerin die Möglichkeit des Nachweises niedrigerer Kosten vorsehen (Ziff. 5.2. S. 3). Unabhängig von der Frage, inwieweit § 309 Nr. 5 lit. b BGB neben § 651i Abs. 3 BGB Anwendung finden kann und eine entsprechende Klausel für die Beklagten ohnehin verpflichtend wäre, führt diese Regelung nicht Angemessenheit der Rücktrittspauschale. Ein Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB i.V.m. 651i Abs. 3 BGB wird nicht dadurch abgemildert bzw. ausgeschlossen, dass angesichts zu hoher Kostenpauschalen dem Reisenden lediglich der - regelmäßig kaum zu erbringende - Nachweis geringerer Kosten möglich bleibt.

bb.

Entsprechendes gilt für die Rücktrittspauschalen, die in Ziffer 5.3.8. für Rücktritte von Verträgen über "H2! (C2 Packaging)"-Reiseleistungen.

Auch die unter dieser Ziffer für Flugpauschalreisen aufgeführten Pauschalen entsprechen nicht den Vorgaben gem. § 651i Abs. 3 BGB und stellen sich als unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar.

Insoweit erscheint die erste Stufe, die für einen Rücktritt ab dem Buchungstag einen Pauschalbetrag von 70% vorsieht, ebenfalls bereits in zeitlicher Hinsicht als unangemessen. Darüber hinaus hat die Beklagte auch hinsichtlich dieser sog. "Dynamic Packaging"-Produkte nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, wie sie die Pauschalbeträge berechnet hat. Obgleich es sich bei diesen Produkten, wie sich bereits aus der Bezeichnung ergibt, um eine individuelle Zusammenstellung von Reiseleistungen handelt und insoweit grundsätzlich von einer - im Vergleich zu gewöhnlichen Pauschalreisen - schwierigeren Verwertbarkeit auszugehen ist, fehlt es auch hier an einem konkreten Vortrag der Beklagten zur durchschnittlichen Höhe der finanziellen Einbußen.

2.

Ferner hat der Kläger auch einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 250,00 EUR aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, § 5 UKlaG.

Die Abmahnung des Klägers vom 20.06.2012 war berechtigt. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, stehen dem Kläger die auch in der vorprozessualen Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsansprüche zu.

Hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Kosten bestehen keine Bedenken. Der Kläger hat bei seiner Berechnung die Netto-Kosten und den Umsatzsteuerbetrag in Ansatz gebracht, mit denen Abmahnungen, wie die streitgegenständliche, für ihn durchschnittlich verbunden sind. Diese Beträge ist von der Beklagten nicht bestritten worden.

Der Zinsanspruch des Kläger folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 ZPO.

Streitwert: 7.500,00 EUR






LG Düsseldorf:
Urteil v. 13.11.2013
Az: 12 O 417/12 U.


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