Bundespatentgericht:
Urteil vom 27. Februar 2007
Aktenzeichen: 4 Ni 35/05

(BPatG: Urteil v. 27.02.2007, Az.: 4 Ni 35/05)

Tenor

1. Das europäische Patent 0 579 705 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patenanspruchs 1 für nichtig erklärt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beklagten sind eingetragene Inhaber des auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents EP 0 579 705, das am 1. April 1992 unter Inanspruchnahme der Priorität der österreichischen Patentanmeldung AT 775/91 vom 12. April 1991 angemeldet worden ist. Das Streitpatent ist in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlicht und wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nr. 592 04 361 geführt. Es betrifft einen Abscheider zur Trennung eines Feststoff-Flüssigkeitsgemisches und umfasst 11 Ansprüche, von denen nur Anspruch 1 angegriffen ist. Dieser lautet ohne Bezugszeichen wie folgt:

Abscheider zur Trennung eines Feststoff-Flüssigkeitsgemisches, insbesondere von dentalem Abwasser, mit einem Einlass für das zu trennende Gemisch, mit einem Auslass für die abgetrennte Flüssigkeit, mit einer Vollmantelzentrifuge, die eine an der Oberseite angeordnete Einlassöffnung, eine dem Flüssigkeitsauslass zugeordnete Übertrittsöffnung und einen Feststoffablauf aufweist, mit einem unterhalb des Feststoffablaufes abnehmbar angeordneten Absetzbehälter für die nach jeder Zentrifugierphase unter Schwerkrafteinwirkung mit einem Restflüssigkeitsanteil abfließenden Feststoffe, mit einer Pumpe, die ein sich bis oberhalb einer maximalen, vorgegebenen Sedimentationshöhe nach unten in den Absetzbehälter erstreckendes Ansaugrohr aufweist, und mit einer Leitung, die die Druckseite der Pumpe mit der Einlassöffnung der Zentrifuge verbindet, dadurch gekennzeichnet, dass der Einlass für das zu trennende Gemisch an der Oberseite des Absetzbehälters vorgesehen ist.

Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei wegen fehlender Neuheit und wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:

D1 EP 0 300 439 A2 D2 WO 89/04152 A1 D3 DE 87 02 001 U1 D4 WO 86/03669 A1 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 579 705 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Anspruchs 1 für nichtig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie treten dem Vorbringen der Klägerin in vollem Umfang entgegen.

Gründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet. Sie führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang des Patentanspruchs 1, denn dessen Gegenstand in der erteilten Fassung ist nicht patentfähig, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 lit. a), Art. 56 EPÜ.

II.

Das Streitpatent liegt auf dem Gebiet der Abscheider zur Trennung von Feststoff-Flüssigkeitsgemischen, wie sie insbesondere zur Trennung von dentalem Abwasser verwendet werden.

Gemäß der Patentschrift (siehe Spalte 1, Zeilen 21 bis 35) weisen bekannte Abscheider eine Vollmantelzentrifuge auf, bei der größere Feststoffteile wie z. B. Knochen, Zahnsplitter oder Amalgamstücke eine Unwucht bewirken können (siehe Spalte 1, Zeilen 36 bis 46). Vor diesem Hintergrund liegt dem Patentgegenstand nach den Angaben in der Streitpatentschrift (siehe Spalte 1, Zeilen 47 bis 51) die Aufgabe zugrunde, einen Abscheider so auszubilden, dass der Zentrifuge nur Feststoffteile in störungsfrei verarbeitbarer Größe zugeführt werden.

Zur Lösung dieser Aufgabe weist der Abscheider gemäß dem Patentanspruch 1 nach Berichtigung eines offensichtlichen Rechtschreibfehlers im Merkmal M3.1 folgende Merkmale auf:

M0 Abscheider zur Trennung eines Feststoff-Flüssigkeitsgemisches, insbesondere von dentalem Abwasser, M1 mit einem Einlass (2) für das zu trennende Gemisch, M2 mit einem Auslass (3) für die abgetrennte Flüssigkeit, M3 mit einer Vollmantelzentrifuge (5), M3.1 die eine an der Oberseite angeordnete Einlassöffnung (10), M3.2 eine dem Flüssigkeitsauslass (3) zugeordnete Übertrittsöffnung (11)

M3.3 und einen Feststoffablauf (12) aufweist, M4 mit einem unterhalb des Feststoffablaufes (12) abnehmbar angeordneten Absetzbehälter (6) für die nach jeder Zentrifugierphase unter Schwerkrafteinwirkung mit einem Restflüssigkeitsanteil abfließenden Feststoffe, M5 mit einer Pumpe (9), M5.1 die ein sich bis oberhalb einer maximalen, vorgegebenen Sedimentationshöhe nach unten in den Absetzbehälter (6) erstreckendes Ansaugrohr (14) aufweist, und M6 mit einer Leitung (19), die die Druckseite der Pumpe (9) mit der Einlassöffnung (10) der Zentrifuge (5) verbindet, dadurch gekennzeichnet, M7 dass der Einlass (2) für das zu trennende Gemisch an der Oberseite des Absetzbehälters (6) vorgesehen ist.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, denn er ergibt sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem nach der Druckschrift D2 bekannten Abscheider.

Der zuständige Fachmann ist ein Dipl.-Ing. der Fachrichtung Feinwerktechnik mit entsprechenden Erfahrungen auf dem Gebiet der Medizintechnik.

Aus der Druckschrift D2 (siehe insbesondere die Fig. 4 mit zugehöriger Beschreibung) ist ein Abscheider für dentales Abwasser bekannt, bei dem eine Luftabscheideeinrichtung 49 einen Gemischeinlass 51 für ein Saugluft-Flüssigkeits-Feststoffgemisch aufweist (siehe Beschreibung zu Fig. 4, Seite 7, Zeile 32 bis Seite 8, Zeile 1). Nach Abtrennung der Luft in dem Luftabscheider wird das verbleibende Feststoff-Flüssigkeitsgemisch dem Absetzbehälter 16 zugeführt (siehe Seite 8, Zeilen 15 bis 20) und in einem Abscheider mit folgenden Merkmalsgruppen gemäß dem Anspruch 1 weiterbehandelt:

M1= Abscheider mit einem Einlass für das zu trennende Feststoff-Flüssigkeitsgemisch (siehe die Schnittstelle zwischen dem Auslass an der Unterseite des Luftabscheider 49 und dem Einlass an der Oberseite des Absatzbehälters 16), M2= mit einem Auslass 6 für die abgetrennte Flüssigkeit, M3= mit einer Vollmantelzentrifuge 2, M3.1= die eine an der Oberseite angeordneten Einlassöffnung 4, M3.2= eine dem Flüssigkeitsauslass 6 zugeordnete Übertrittsöffnung 5 und M3.3= einen Feststoffablauf 7 aufweist, M4­ mit einem abnehmbar angeordneten Absetzbehälter 16 für die nach jeder Zentrifugierphase unter Schwerkrafteinwirkung mit einem Restflüssigkeitsanteil abfließenden Feststoffe (siehe Seite 5, Zeilen 18 bis 26), M5= mit einer Pumpe 50, M5.1= die ein sich bis oberhalb einer maximalen, vorgegebenen Sedimentationshöhe nach unten in den Absetzbehälter erstreckendes Ansaugrohr 39 aufweist, und M6= mit einer Leitung 14, die die Druckseite der Pumpe mit der Einlassöffnung der Zentrifuge verbindet, (siehe Einlasskammer 15) wobei M7= der Einlass für das zu trennende Gemisch an der Oberseite des Absetzbehälters 16 vorgesehen ist (siehe Seite 8, Zeilen 15 bis 20).

Im Unterschied zum Abscheider nach dem Anspruch 1 ist beim Abscheider nach der Druckschrift D2 der Absetzbehälter 16 gemäß Merkmalsgruppe M4 nicht unterhalb des Feststoffablaufes 7 der Zentrifuge 2 angeordnet, sondern neben der Zentrifuge (siehe Fig. 4) und über eine Pumpe 10, 11 und eine Leitung 13 mit dem Feststoffablauf verbunden (siehe Seite 8, Zeilen 21 bis 27). Die Anordnung des Absetzbehälters in Bezug auf die Zentrifuge stellt für den Fachmann jedoch eine einfache konstruktive Maßnahme dar, die er abhängig von den Einbauverhältnissen bzw. dem Platzangebot für den Abscheider vornehmen wird. Aus der Druckschrift D2 sind schon bereits mehrere Möglichkeiten dazu offenbart. So ist der Absetzbehälter gemäß der Fig. 1 über der Zentrifuge, gemäß der Fig. 3 unter der Zentrifuge und gemäß den Figuren 5 und 6 neben der Zentrifuge angeordnet.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.






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